Protocol of the Session on July 4, 2006

Meine Damen und Herren, ich hatte schon darauf verwiesen, das Verfahren zur Ermittlung der Auftragskostenpauschale ist uns nicht bekannt, ist intransparent; es muss aber dort Veränderungen geben, allein aus demographischen Erwägungen heraus. Die Einwohnerzahl in Thüringen schrumpft. Wir werden immer weniger Einwohner, aber die Fixkosten für das Vorhalten der Auftragsverwaltung bleiben relativ konstant. Völlig unabhängig davon, wie viele Einwohner beispielsweise in einem Landkreis wohnen, muss die Kfz-Zulassungsstelle zum Beispiel vorgehalten werden. Insofern stellt sich die Frage, warum bei den meisten Positionen der pauschalierte Pro-Kopf-Betrag unverändert bleibt. Das kann schon deshalb nicht sein, weil sich die Einwohnerzahl verringert hat. Insofern wären Sie gut beraten, Herr Innenminister, tatsächlich mal das Berechnungsverfahren transparent zu gestalten. Wie kommen Sie denn darauf? Warum gibt es dort keine Veränderungen, obwohl sich die Anzahl der Einwohner doch erheblich verändert hat? Es wird auch in den nächsten Jahren immer wieder eine Rolle spielen, weil auch diese Verordnung zu Recht nur zeitlich befristet ist und mit der Neudiskussion und Neuausrichtung des Finanzausgleichs das noch mal insgesamt infrage zu stellen ist.

Dass es manchmal bei der Auftragskostenpauschale dem Land nicht um die Frage geht, welche Ebene kann denn die Aufgabe sachgerecht wahrnehmen, macht die gesamte Diskussion um die unteren Straßenverkehrsbehörden deutlich. Ich will nur noch mal darauf verweisen, es wurde erwogen, dass diese Aufgabe nur noch die Landkreise wahrnehmen mit der Begründung der Vereinfachung. Die Realität sieht aber so aus, dass all die Städte, die es bisher auf Grundlage von Vereinbarungen wahrgenommen haben, jetzt wieder wahrnehmen mit dem Vorteil für das Land, pro Kopf die Hälfte des ursprünglichen Betrags gespart zu haben. Da stellen sich die Fragen: Wie ernsthaft meinen Sie tatsächlich das Subsidiaritätsprinzip, dass Sie nämlich dafür Sorge tragen, dass die Ebene, die am nächsten am Problem dran ist, das auch realisieren soll? Oder haben Sie tatsächlich nur immer die Auswirkungen auf die Finanzen und den Landeshaushalt im Blick? Bei Zweiterem wäre das sehr bedauerlich und spräche nicht für eine verantwortungsbewusste Politik, auch hinsichtlich der Übertragung staatlicher Aufgaben. Denn es bleibt dabei, es sind staatliche Aufgaben, die die Kommunen nur wahrnehmen. Es sind keine

kommunalen Aufgaben, worüber wir hier reden.

Wir bleiben auch bei unserer Kritik hinsichtlich der so genannten Eigeninteressenquote. Dort haben wir im Jahr 2005 - also in 2004, da ging es um 2005 - zur Kenntnis nehmen müssen, wie schnell man doch Prozentzahlen einfach so verändern kann, obwohl man vorher über Jahre hinweg gesagt hat, diese Eigeninteressenquote ist unveränderbar. Sie betrug ursprünglich 20 Prozent und ist dann im Jahr 2005 auf 12 Prozent reduziert worden. Das klang zunächst erst einmal gut für die Kommunen, weil man gedacht hat, der Ausgleichsbetrag wird größer, aber bei genauerem Hinsehen war das eben nur scheinbar, weil Sie die Berechnungsmethode für die Auftragskostenpauschalen verändert haben, indem Sie einigen Kommunen unterstellt haben - und das führen Sie jetzt fort -, dass sie gegen die Haushaltsgrundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit verstoßen. Das ist immer ein Vorwurf, den sollten Sie als zuständiger Fachminister, Herr Innenminister, schon begründen, denn Sie können nicht einfach die Landkreise und Gemeinden, die einen sehr hohen ungedeckten Finanzbedarf in einzelnen Aufgaben haben, unter den Tisch fallen lassen und sagen, wir nehmen mal nur den Durchschnitt. Es bleibt dabei, die Kommunen sind von Haus aus verpflichtet, die Haushaltsgrundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu beachten, insbesondere weil sie auch eine Eigeninteressenquote zu realisieren haben. Aber mit diesem Paradigmenwechsel bei der Berechnung haben Sie zunächst einem Teil der Kommunen vorgeworfen, die Haushaltsgrundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu verletzen. Zum Zweiten haben Sie erneut willkürlich einfach eine kommunale Eigeninteressenquote definiert.

Wir als Linkspartei.PDS sagen es ganz offen, wir halten eine Eigeninteressenquote für den übertragenen Aufgabenbereich durchaus für gerechtfertigt, aber sie muss tatsächlich belegt sein: Wie hoch ist denn nun die Eigeninteressenquote? Dabei gehen wir nicht so weit, das für jede staatliche Aufgabe separat zu machen, da sind wir auch schon für eine Pauschalierung, aber willkürliches Festlegen einer Eigeninteressenquote sozusagen nach Kassenlage des Landeshaushalts, das geht aus unserer Sicht nicht. In unserer Auffassung sehen wir uns bestätigt, denn das Verfassungsgericht hat das analog gesehen, dass die Finanzsituation des Landes durchaus zu berücksichtigen ist, aber sie kann nicht Ausgangspunkt dafür sein, welche Zuweisungen letztlich die Kommunen erhalten.

Wir werden bei der Diskussion der Neuordnung des Finanzausgleichs unseren Vorschlag erneuern, die Auftragskostenpauschale außerhalb des Kommunalen Finanzausgleichs zu etablieren. Das würde jeglichen Streit auf Dauer dann im Zusammenhang mit

der Dotierung des Finanzausgleichs ausschließen und er ist aus unserer Sicht auch systematisch richtig. Wir beantragen, diesen Verordnungsentwurf an die Ausschüsse zu überweisen, an den Innenausschuss und an den Haushalts- und Finanzausschuss, weil wir es - das habe ich begründet - für erforderlich erachten, dass wir uns noch einmal insbesondere mit der Berechnung der einzelnen Auftragskostenpauschalen beschäftigen. Der Innenminister hat darauf verwiesen, für die Kommunen entsteht nun kein finanzieller Nachteil mehr, ob wir die Verordnung heute bestätigen oder erst in der nächsten Sitzung, aber es besteht noch mal die Chance auch mit Blick auf die Überarbeitung des Finanzausgleichs im nächsten Jahr, dass mehr Transparenz bei der Berechnung des Kommunalen Finanzausgleichs und der Auftragskostenpauschale entsteht. Insofern bitten wir um Zustimmung zu unserem Überweisungsantrag. Danke schön.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Für die SPD-Fraktion hat sich Frau Abgeordnete Taubert zu Wort gemeldet.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, es ist nicht verkennbar, auch wir haben es gemerkt, sechs Monate nach Haushaltsverabschiedung sind schon eine lange Zeit, zumal wir schon mal schneller waren, 2004 haben wir die Auftragskostenpauschale am 13. Januar des Folgejahres beschlossen. Wir wissen alle, die Kommunen brauchen Sicherheit. Insofern möchten wir es heute auch beschließen. Wir haben ja eine Reihe von Aufgaben, die aus der Auftragskostenpauschale herausgenommen oder verändert werden, die den Kommunen mit der Haushaltsgesetzgebung auch bekannt waren. Insofern ist schlüssig, dass, wenn die Aufgaben wegfallen, auch der Mehrbelastungsausgleich nicht mehr gezahlt werden muss. Auch wird bis zum 31.12. an den momentan gültigen Regelungen wenig geändert. Deshalb sagen wir, wir wollen dieses Mal zustimmen. Wir sehen diese Verordnung als einen Übergang zu anderen vom Thüringer Verfassungsgerichtshof auch festgehaltenen und uns bescheinigten Rahmenbedingungen.

Der Verfassungsgerichtshof hat ja ausdrücklich darauf verwiesen, dass für den Bereich der Auftragskostenpauschale der Mehrbelastungsausgleich dem strikten Konnexitätsprinzip folgen muss, und das bedeutet eben keine Erstattung nach Kassenlage des Landes, sondern nach Aufgabenübertragung und der entsprechenden Ausgabengestaltung. Auch hier, das will ich auch sagen, Herr Kuschel, sind wir natür

lich daran interessiert, das näher zu erfahren. Insofern unser Kompromiss: heute zu beschließen, aber gleichwohl im Finanzausschuss darüber zu reden. Da können wir auch selber tätig werden, um zu klären, wie transparent das uns auch die Landesregierung vorlegen kann.

Der Verfassungsgerichtshof hat ja bestätigt und explizit auch darauf hingewiesen, dass nur die Anwendung der strikten Konnexität die Gemeinden davor bewahrt, vor allem die teuren Aufgaben, so will ich es einmal einfach formulieren, vom Land übertragen zu bekommen. Uns ist natürlich auch klar, dass eine Maximalkostenerstattung überhaupt nicht in Frage kommt, da könnte ja jeder auch in Rechnung stellen, was er denn wollte, sondern dass es angemessene Durchschnittskostenerstattungen sein müssen, um einen Anreiz zum Sparen zu haben, um zum Nachbar zu schauen, wie der die Aufgabe kostengünstiger abarbeitet. Deswegen sagen wir, auch über die Eigeninteressenquote sollte man noch mal reden müssen, weil, Sie können sich ja entsinnen an die Diskussion das letzte Mal, die Interessenquote ging von 20 auf 12 Prozent herunter, aber dieses scheinbare Auf-die-Gemeinden-Zugehen war mit sehr intensiven und auch schmerzhaften Einsparungen im FAG verknüpft und deshalb für die Gemeinden ausgesprochen schwierig auch auszugleichen.

Wenn wir uns an die Gerichtsverhandlung erinnern, selbst der Vertreter des Freistaats brachte ja ins Spiel, dass die Eigeninteressenquoten anderswo zwischen 2 und 10 Prozent liegen. Da könnten wir uns durchaus noch mal eine Diskussion dazu vorstellen. Wir möchten auch - diese Forderung haben wir schon bei Einreichung unseres Normenkontrollantrags gestellt -, dass die Auftragskostenpauschale nicht mehr in einer Verordnung beschlossen werden muss, also im Nachhinein, sage ich einmal, abgenickt werden muss, sondern dass die Erstattung ins Gesetz kommt, und möchten dies auch spätestens ab 2008 geregelt haben für Thüringen. Wir möchten auch noch einmal darauf verweisen, einfach vorsorglich, auch das hat das Gericht festgestellt, dass wir uns nicht in kommunizierenden Röhren bewegen, sondern dass wir auf der einen Seite die Teilmenge Auftragskostenpauschale haben und auf der anderen Seite die pauschale Erstattung für die eigenen Aufgaben, die die Kommunen auch nach dem Gesetz wahrzunehmen haben. Deswegen sagen wir, diese Dinge müssen in den nächsten zwei Jahren gut bedacht werden. Da sollten wir uns auch nicht zu viel Zeit lassen, um das anzufangen. Aber für heute und für diese Auftragskostenpauschale haben, denke ich, die Gemeinden verdient, dass wir sie beschließen. Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Für die CDU-Fraktion hat sich der Abgeordnete Fiedler zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Landesregierung hat in Drucksache 4/2001 den Entwurf einer Verordnung über die Auftragskostenpauschale hier im Thüringer Landtag vorgelegt. Ich stimme Frau Kollegin Taubert zu, dass wir hier, insbesondere nachdem das nach § 6 befristet ist bis 2007 und natürlich das Gericht aufgegeben hat, die weitere Überprüfung vorzulegen, wir stimmen also als CDU-Fraktion dieser Auftragskostenpauschale so, wie sie von der Landesregierung vorgelegt wurde, zu.

Herr Kuschel, eines noch: Die Spitzenverbände, die die wichtigsten sind, Gemeinde- und Städtebund und Landkreistag, haben das mit erarbeitet und dem zugestimmt. Ich bitte also darum, dass diesem zugestimmt wird. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Mir liegen jetzt keine weiteren Redeanmeldungen mehr vor. Damit schließe ich die Aussprache. Es ist zunächst beantragt worden, den Entwurf dieser Verordnung an den Innen- und den Haushalts- und Finanzausschuss zu überweisen. Als Erstes lasse ich darüber abstimmen, die Drucksache 4/2001 an den Innenausschuss zu überweisen. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Danke schön. Die Gegenstimmen bitte. Das ist eine Mehrheit von Gegenstimmen. Gibt es hier Stimmenthaltungen? Die gibt es nicht. Damit ist die Ausschussüberweisung an den Innenausschuss abgelehnt worden.

Wir stimmen nun über die Überweisung an den Haushalts- und Finanzausschuss ab. Wer diesem zustimmt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Danke schön. Die Gegenstimmen bitte. Das ist eine Mehrheit von Gegenstimmen. Gibt es hier Stimmenthaltungen? Diese gibt es nicht. Die Ausschussüberweisung an den Haushalts- und Finanzausschuss ist abgelehnt worden.

Wir stimmen nun direkt über diese Drucksache ab. Wer zustimmen möchte, erhebe jetzt seine Hand. Danke schön. Die Gegenstimmen bitte. Gegenstimmen gibt es nicht. Stimmenthaltungen? Da gibt es einige. Mit einer Mehrheit von Jastimmen ist diese Vorlage angenommen worden.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 2 und komme zum Aufruf des Tagesordnungspunkts 3

Ausbildungspakt 2006 und die Sicherung des Fachkräfte- nachwuchses für Thüringen Antrag der Fraktion der Links- partei.PDS - Drucksache 4/2005 -

Die Fraktion der Linkspartei.PDS hat signalisiert, dass Frau Abgeordnete Leukefeld das Wort zur Begründung nimmt.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, der Thüringer Ausbildungspakt für 2006 ist beschlossen. Das dort genannte Ziel ist, allen Bewerberinnen und Bewerbern ein Ausbildungsangebot zu unterbreiten. Es wird immer betont, das sei in den letzten Jahren bis auf wenige Ausnahmen gelungen. Aber wenn man sich die Analysen anschaut, sind Zweifel angebracht. Deshalb haben wir zu diesem Thema unseren Antrag gestellt. Junge Menschen müssen so ausgebildet werden, dass sie in Thüringen eine Perspektive haben. Doch der Freistaat hat bei den 18- bis 29-Jährigen die zweithöchste Abwanderungsquote aller Ostbundesländer hinter Sachsen-Anhalt. Es hat schwerwiegende Konsequenzen, die uns ja u.a. auch der Thüringer Demographiebericht bestätigt. Das ist deshalb in zweierlei Hinsicht meines Erachtens nicht hinzunehmen. Wir brauchen einerseits Zukunft für junge Leute hier in Thüringen und zweitens geht es natürlich um die Sicherung des Fachkräftebedarfs der Wirtschaft. Da gilt es, entschieden mehr zu tun. Mit welchen Problemen haben wir es gegenwärtig zu tun? Ich will das nur schlaglichtartig sagen: Wir haben eine rückläufige Zahl der Schulabgänger, eine Halbierung bis zum Jahr 2010, fehlende Schulabschlüsse bei Schulabgängern und wachsende Kritik an Ausbildungsreife. Wir haben eine große Zahl Jugendlicher ohne Berufsabschluss und eine hohe Zahl von Ausbildungsabbrechern, immerhin 27 Prozent. Außerdem wächst die Zahl der Bewerber und Bewerberinnen in der so genannten Warteschleife, etwa 40 Prozent sind das. Und es ist eine sinkende Zahl betrieblicher Ausbildungsplätze zu konstatieren. Wenn es von 2004 bis 2010 einen Bedarf in Thüringen von etwa 110.000 Fachkräften gibt - das sagen die Studien des Ministeriums für Wirtschaft, Technologie und Arbeit -, dann müssen die Weichen jetzt gestellt werden. So ist auch unser Antrag zu verstehen. Die Landesregierung hat entsprechend unserem Antrag einen Sofortbericht angekündigt. Gleichzeitig fordern wir mit dem Antrag die Landesregierung auf, ein Konzept zur Sicherung des Fachkräftebedarfs vorzulegen. Die strategischen Aufgaben zur Lösung des Problems sind durch den Ausbil

dungspakt allein nicht zu lösen. Das sagt zum Beispiel eine Befragung Südthüringer Unternehmer mit 72 Prozent. Bei der Studie zur Mittelstandspolitik, die von Ernst und Young angefertigt wurde, landet Thüringen bei der Einschätzung der Bildungspolitik auf Platz 13. Außerdem, um das noch zu untermauern, sagt auch die vorliegende Studie zum Fachkräftebedarf und auch die Feststellung im Mittelstands- und Jahreswirtschaftsbericht in 2005 dies aus. Im Mittelstandsbericht ist nachzulesen, dass bereits in wenigen Jahren die Nachfrage nach Arbeitskräften mit Hochschul- und etwas zeitversetzt auch mit Berufsschulabschluss das vorhandene Angebot in Thüringen übersteigt. Bildungs- und Wirtschaftspolitik, meine Damen und Herren, sind zwei Seiten einer Medaille. Wenn nicht in eine gute Ausbildung investiert wird, ist alles andere nur eine reagierende Politik, bei der immer mehr Menschen auf der Strecke bleiben. Sichtbare Tatsache sind die über 12.000 Jugendlichen unter 25 in der Hartz-IV-Falle. Um es anders auszudrücken, dies allein kostet auf Dauer viel mehr, als rechtzeitig in eine gute Ausbildung zu investieren. Das ist die sicherste Zukunftspolitik, die wir machen können.

Lassen Sie mich abschließen mit einem Zitat von J.F. Kennedy: „Es gibt nur eins, was auf Dauer teurer ist als Bildung, nämlich keine Bildung.“ Danke.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Die Landesregierung hat angekündigt, den Sofortbericht zu Nummer 1 des Antrags zu geben. Und für die Landesregierung erteile ich Herrn Minister Reinholz das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bin ein wenig überrascht, dass der Antrag der Linkspartei.PDS nicht die übliche Pauschalkritik am Thüringer Ausbildungspakt und an der Ausbildungsleistung unserer Wirtschaft beinhaltet, sondern ein spezifisches und wichtiges Thema, die Sicherung des Fachkräftenachwuchses, aufgreift. Sowohl die ausreichende Versorgung der Jugendlichen mit Ausbildungsmöglichkeiten als auch die Fachkräfteentwicklung in Thüringen sind Themen, die höchste Priorität in der Thüringer Landespolitik haben. Die Landesregierung hat deshalb am 23. Mai dieses Jahres mit den Organisationen der Wirtschaft, der Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit und dem Kommunalen Arbeitgeberverband den Thüringer Pakt für Ausbildung 2006 abgeschlossen. Ziel ist es zum einen, jedem Jugendlichen, der ausbildungswillig und ausbildungsfähig ist, ein entspre

chendes Ausbildungsangebot zu unterbreiten. Das kann aufgrund der nach wie vor angespannten Lage des Ausbildungsmarkts nicht immer der Wunschberuf sein. Zudem müssen Einstiegsqualifizierungen und praxisnahe berufsvorbereitende Maßnahmen auch mit genutzt werden. Berufsvorbereitende Maßnahmen sind für nicht berufsreife und leistungsschwächere Jugendliche wichtig, um sie zu einer Ausbildung zu führen. Bei den Einstiegsqualifizierungen, die die Thüringer Unternehmen mit unterstützender Begleitung der Kammern anbieten, führen nach bisheriger Erfahrung über 60 Prozent der Plätze auch zu einem anschließenden Lehrvertrag. Zum anderen soll der Ausbildungspakt aber auch dazu beitragen, den künftigen Fachkräftebedarf der Thüringer Wirtschaft zu decken. Die berufliche Erstausbildung ist dazu die wichtigste und die grundlegendste Maßnahme. Der Pakt konzentriert sich im Hinblick auf beide Ziele deshalb zunächst auf die Erstausbildung. Für die weiteren Fragen zur Fachkräfteentwicklung gibt es andere Arbeitsgruppen und Konzepte, auf die ich im Verlauf meiner Rede noch eingehen werde.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zunächst aber noch einige Worte zum Ausbildungspakt sagen. Trotz des Rückgangs der Gesamtbewerberzahl auf etwa 29.600 Lehrstellensuchende in Thüringen bleibt die Lage auf dem Ausbildungsmarkt weiter angespannt. Durch den Ausbildungspakt sollen den Thüringer Jugendlichen in dieser Situation deshalb bedarfsgerechte Angebote sowohl in der Ausbildung als auch in der Berufsvorbereitung unterbreitet werden. Dazu enthält der Ausbildungspakt verbindliche Vereinbarungen und Initiativen, die zudem auch für die Fachkräfteentwicklung wichtig sind.

Die Landesregierung wird das außerbetriebliche Bund-Länder-Ausbildungsprogramm Ost 2006 mit 1.532 Ausbildungsplätzen um weitere 400 Ausbildungsplätze aufstocken. Unterstützt werden weiterhin auch ergänzende Ausbildungslehrgänge, praxisorientierte Maßnahmen für nicht berufsreife Jugendliche sowie verschiedene Maßnahmen und Projekte zur Verbesserung der Berufswahlvorbereitung. Hinzu kommen u.a. die Förderung für 12 Lehrstellenakquisiteure, die Bereitstellung des Thüringer Berufswahlpasses ab der 7. Klasse sowie die Fortführung der Informationskampagne „thueringenperspektiv.de“ und des Qualitätssiegels „Berufswahlfreundliche Schule“.

Die Thüringer Industrie- und Handelskammern, die Handwerkskammern, der Landesverband der Freien Berufe, der Thüringer Bauernverband und der Kommunale Arbeitgeberverband machen konkrete Zusagen für neue Ausbildungsverträge. Daneben stehen die Gewinnung von erstausbildenden Unternehmen und gezielte Angebote für betriebliche Einstiegsqualifikationen im Mittelpunkt der Leistungs

garantien unserer Wirtschaft. Zudem sagen die Kammern und Verbände der Wirtschaft Thüringens eine Vielzahl von Unternehmensbesuchen, umfangreiche Werbe- und Informationsaktivitäten und verschiedene Modellprojekte für den Berufseinstieg zu. Dazu gehören insbesondere die Aktivitäten und Maßnahmen zur Verbesserung der Qualität der Ausbildung und der zielgerichteten Orientierung und Vorbereitung von Jugendlichen für ihre Ausbildung.

Ich halte dies durchaus für grundlegende und wichtige Maßnahmen für die zukünftige Fachkräftesicherung. In diesem Kontext sind auch die von mir bereits genannten Zusagen des Landes und die Zusagen der Regionaldirektion Sachsen-Anhalt/Thüringen der Bundesagentur für Arbeit zu sehen, die sich neben spezifischen Maßnahmen der Vermittlung insbesondere auf die Förderung von benachteiligten und behinderten Jugendlichen konzentrieren.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Thüringer Pakt für Ausbildung 2006 darf nicht nur auf die reinen Zahlen reduziert werden, wie dies gern in den Medien und der Öffentlichkeit geschieht. Gerade die vielen eher qualitativ ausgerichteten Einzelmaßnahmen zur Gewinnung neuer Ausbildungsbetriebe und zur besseren Anpassung von Berufsvorbereitung und Ausbildung an dem zum Teil bereits vorhandenen, sich zukünftig aber noch stärker abzeichnenden Fachkräftebedarf sollten stärkere Bedeutung finden.

Ich möchte dies ausdrücklich nochmals erwähnen und zur Kenntnisnahme des kompletten Textes und aller Vereinbarungen auch auffordern. Der Text steht auf der Internetseite der Landesregierung und ist mittlerweile ja auch schon seit einigen Wochen veröffentlicht.

Daneben haben wir mit unserer Berufsbildungspolitik bereits frühzeitig weitere Schritte unternommen, die über den Bereich der Erstausbildung hinausgehen. Speziell mit der Fachkräftesicherung sowie den Folgen der demographischen Entwicklung auf das Arbeitskräfteangebot beschäftigt sich seit dem Frühjahr 2001 die in der Thüringer Staatskanzlei angesiedelte Managementgruppe zur Sicherung des Fachkräftebedarfs der Thüringer Wirtschaft. Darin arbeiten Vertreter der Industrie- und Handelskammern und der Handwerkskammern, des Verbandes der Wirtschaft Thüringens, des DGB Thüringens und von ver.di, der Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit, des Thüringer Landesamtes für Statistik, der Landesentwicklungsgesellschaft Thüringen sowie der Thüringer Staatskanzlei und der zuständigen Fachressorts gemeinsam daran, Handlungsempfehlungen und Lösungsvorschläge zu entwickeln, wie der Bedarf an qualifizierten Fachkräften auch in der Zukunft zu decken ist. Diese Arbeitsgruppe legt Vor

schläge für abgestimmte Maßnahmen zur Fachkräftesicherung in Thüringen vor. Sie hat auch die Fachkräftestudie des Landes maßgeblich mit initiiert und begleitet. Die Ergebnisse und Berichte sind auch auf den Internetseiten der Landesregierung veröffentlicht.

Die wichtigsten Handlungsfelder, meine Damen und Herren, sind Folgende:

1. die Analyse des in Thüringen in den nächsten Jahren tatsächlich zu erwartenden Fachkräftebedarfs. Zur Ermittlung des Fachkräftebedarfs wurde durch das TMWTA im Jahr 2002 erstmals eine entsprechende Studie in Auftrag gegeben. Im Jahr 2004 erfolgte die Fortschreibung dieser Studie und 2006 erfolgte eine weitere Aktualisierung auf der Grundlage der neuesten Beschäftigtendaten und der Ergebnisse der Betriebsbefragungen des Betriebspanels 2005 des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit, kurz IAB. Zum bundesweiten IAB-Betriebspanel lässt Thüringen im Übrigen seit Jahren jeweils einen Länderbericht erstellen, der unter anderem auch wichtige Aussagen zur Fachkräftethematik enthält. Auf die Ergebnisse und Empfehlungen der Fachkräftestudie 2004, die ja auch bekannt sein dürften, möchte ich hier nicht im Einzelnen eingehen, zumal Anfang September die neue Studie 2006 vorgelegt werden wird.

2. Das zweite wichtige Handlungsfeld ist die Erschließung der zur Deckung des Fachkräftebedarfs zur Verfügung stehenden Potenziale. Dazu gehören vorrangig die Verbesserung des Angebots an betrieblichen Ausbildungsplätzen sowie die Aktivierung arbeitsloser Fachkräfte. Dazu gehören aber auch Maßnahmen gegen die Abwanderung Jüngerer und Hochqualifizierter und die Verbesserung der Berufsorientierung und Berufsvorbereitung in den Schulen. Daneben wird der weitere Ausbau des Netzwerks Wirtschaft-Wissenschaft vorangetrieben. Ziel ist eine möglichst frühzeitige Bindung von Studierenden der Thüringer Hochschulen an die Thüringer Unternehmen, zum Beispiel über die Durchführung von Betriebspraktika und die Vergabe von Forschungsaufträgen oder auch von Diplomarbeiten.

Meine Damen und Herren, der Staat kann und soll der Wirtschaft die Aufgabe der Aus- und Weiterbildung allerdings nicht abnehmen, sondern die erforderlichen Rahmenbedingungen hierfür schaffen und unterstützend durch zielgerichtete flankierende Förderprogramme dann auch tätig werden.

Genau das, meine Damen und Herren, wird im Freistaat Thüringen getan. Neben dem Ausbildungspakt möchte ich dazu deshalb unter anderem auch folgende Maßnahmen nennen:

In Thüringen wird die Weiterbildung von Beschäftigten kleiner und mittlerer Unternehmen besonders gefördert, um damit die Wettbewerbsfähigkeit und die Innovationskraft dieser Unternehmen zu stärken und Arbeitsplätze letztendlich darüber zu sichern. Neben der klassischen Ausbildung an Universitäten und Fachhochschulen haben wir in Eisenach und in Gera die Berufsakademien. Außerdem gibt es inzwischen in Erfurt, Schmalkalden und Jena so genannte duale Studiengänge an den Fachhochschulen. Darüber hinaus werden 21 Qualifizierungsberater zur Beratung der Thüringer Unternehmen in Fragen der Fachkräftegewinnung und -qualifizierung von uns gefördert, die bei Kammern und Wirtschaftsverbänden der Sozialwirtschaft und dem DGB angesiedelt sind.

In Anbetracht der Ergebnisse unserer Berichte und Studien, der Arbeit der Managementgruppe, des Thüringer Ausbildungspakts und der weiteren Abstimmungsrunden, die mit TMWTA, den Kammern und Verbänden der Wirtschaft ohnehin stattfinden, halte ich die Vorlage eines weiteren Konzepts, wie von der Linkspartei.PDS gefordert, für entbehrlich und auch nicht für zweckmäßig. Zudem wird jährlich der Berufsbildungsbericht des Landes erstellt, der eine ausführliche Analyse aller Entwicklungen auf dem Ausbildungsstellenmarkt berücksichtigt und auch auf die berufliche Weiterbildung explizit eingeht. Der Berufsbildungsbericht 2006 ist sozusagen noch druckfrisch. Er ist dieser Tage an den Landtag für alle Damen und Herren Abgeordneten verschickt worden. Ich hoffe, er hat Sie inzwischen auch erreicht.

Schließlich kann ich schon darauf hinweisen, dass am 13. September 2006 eine Fachkräftekonferenz in Erfurt durchgeführt werden soll, in der erneut Fragen der Fachkräftesicherung diskutiert werden und in der dann auch die neue Fachkräftestudie von 2006, die ich Ihnen vorhin schon ankündigte, vorgestellt werden soll.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zusammenfassen: Der Ausbildungspakt ist ein Baustein zur Fachkräftesicherung; es gibt daneben aber noch eine Reihe anderer. An Konzepten und Analysen zum Thema Fachkräftesicherung besteht sicher kein Mangel. Die Landesregierung hat an der Stelle eindeutig ihre Aufgaben gemacht. Vielmehr, meine Damen und Herren, kommt es darauf an, die vorliegenden Konzepte auch umzusetzen und gemeinsam mit der Wirtschaft und der Arbeitsverwaltung daran zu arbeiten, und das tun wir. Herzlichen Dank, meine Damen und Herren.