Die Landesregierung hat vor der Sommerpause mit dem Ausbildungspakt bzw. mit der Zusage zum Ausbildungspakt eine Wahlkampfaktion gestartet, die für unsere jungen Menschen in Thüringen nicht von Erfolg gekrönt war. Wir haben natürlich wahrscheinlich bis zum Ende des Jahres so viele Ausbildungsplätze, wie vereinbart worden ist, aber auch nur, weil Status quo vereinbart worden ist und nicht, wie vom Bundesverfassungsgericht 1980 beschlossen, dass 112 Prozent Ausbildungsplätze zur Verfügung stehen müssen, damit freie Wahl für einen Ausbildungsplatz besteht.
Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, wir haben eine lang anhaltende, dauerhafte Krise auf dem Ausbildungsmarkt. Mit dieser Krise, wenn wir sie nicht in den Griff bekommen, fördern wir die Abwanderung junger Leute. Ich weiß nicht, inwieweit wir uns das wirklich noch leisten können. Ich habe heute Morgen im Radio gehört, Teile der SPD fordern die sofortige Einsetzung des Berufsausbildungssicherungsgesetzes. Ich kann nur hoffen, dass Ihre Kollegen in Berlin endlich den Mut haben und das Gesetz einsetzen und fordere das auch noch einmal für das Land Thüringen. Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir hatten ja anlässlich der letzten Plenarsitzung schon eine Diskussion über die Ausbildungsplatzsituation hier in Thüringen geführt. Es war damals schon der etwas missglückte Versuch der Landesregierung sichtbar, eine Situation schönzureden, die eigentlich nicht schönzureden ist.
Im Wesentlichen wurde mal wieder auf die angeblich fehlerhafte Statistik der Bundesagentur für Arbeit verwiesen. Jahr für Jahr wird durch diese Landesregierung ein Zahlenverwirrspiel präsentiert, an dessen Ende selbstverständlich alle Jugendlichen irgendwie und irgendwo versorgt sind, und sei es, dass sie aufgrund ihrer Berufsschulpflicht in irgendeine der verschiedenen Formen der berufsvorbereitenden Maßnahmen eingegliedert werden.
Meine Damen und Herren von der CDU und der Landesregierung, dies ist aus meiner Sicht ziemlich makaber. Lassen Sie uns doch endlich den Tatsachen ins Auge sehen. Nehmen Sie doch endlich zur Kenntnis, dass wir in Thüringen auch in diesem Jahr, ähnlich wie in dem vergangenen Jahr, wieder einen Rückgang der betrieblichen Ausbildungsplätze zu verzeichnen haben. Nehmen Sie auch zur Kenntnis, was die Kollegin Hennig eben schon sagte, dass wir im abgelaufenen Ausbildungsjahr einen Negativrekord aufgestellt haben. In den letzten 14 Jahren gab es in Thüringen noch nie so wenig betriebliche Ausbildungsplätze wie im abgelaufenen Ausbildungsjahr 2003/2004 mit knapp 12.000. Ob Sie es wollen oder nicht, dies ist ein Offenbarungseid für den Thüringer Ausbildungspakt, ein Ausbildungspakt, der wenige Tage vor der Wahl unterzeichnet wurde und sich mittlerweile zum Rohrkrepierer entwickelt hat,
zum Rohrkrepierer nicht für die CDU, nicht für die Landesregierung. Ich denke, mit dieser vermeintlich positiven Meldung kurz vor der Wahl haben Sie schon am 13. Juni die ein oder andere Stimme gesammelt, aber zum Rohrkrepierer für die zahlreichen Jugendlichen, für die erneut in diesem Jahr nicht ausreichend Ausbildungsplätze zur Verfügung gestellt wurden. Weil offenbar allein die Fakten des zurückgehenden betrieblichen Ausbildungsangebots noch nicht Misserfolg genug sind, konnte man in den vergangenen Tagen der Presse entnehmen, dass die Landesregierung selbst ihre Ausbildungsangebote in den Landesdienststellen um ca. 13 Prozent reduziert hat. Das muss man sich einmal vorstellen. Wir haben ein Minus im betrieblichen Angebot von 6 Prozent und das wurde in dem Bereich, wo die Landesregierung Verantwortung trägt, wo sie das direkt beeinflussen kann, mit minus 13 Prozent auch noch einmal getoppt. Das ist aus meiner Sicht purer Hohn und es ist symbolisch ein Schlag ins Gesicht der Jugendlichen und vor allem auch ins Gesicht der kleinen Betriebe, die auch in diesem Jahr zum Glück noch ausgebildet haben. Der öffentliche Dienst muss die Vorreiterrolle im Bereich der beruflichen Ausbildung übernehmen und darf nicht mit negativem Beispiel vorangehen.
Alles in allem, meine Damen und Herren, bleibt zu den erzielten Ergebnissen des Thüringer Ausbildungspakts Folgendes zu sagen:
Wir in der SPD wissen jedenfalls, wie wir in Zukunft derartige Vereinbarungen eine Woche vor der Landtagswahl seitens dieser Landesregierung zu beurteilen haben, im Zweifelsfall als teuer erkaufte Wahlkampfgeschenke.
Immerhin steht nun das Ergebnis fest und wir sind wieder einen Schritt weiter bei der Verstaatlichung der beruflichen Erstausbildung. Allerdings nennen wir das Kind nicht beim Namen, sondern beschwören eine Ausbildungsbereitschaft der Betriebe, die bestenfalls nur noch in Teilen vorhanden ist. Dieser Teil der Betriebe aber erkennt zunehmend die Wettbewerbsverzerrung durch die Verweigerung der nicht ausbildenden Betriebe und sie reagieren entsprechend. Meiner Ansicht nach werden wir diese Schieflage nur beseitigen können, wenn die Betriebe bevorteilt werden, die ausbilden, und die Betriebe finanziell in die Verantwortung genommen werden, die sich permanent ihrer Ausbildungsverpflichtung entziehen,
also durch die Einführung einer Ausbildungsumlage. Als letzte Bemerkung sei mir noch Folgendes gestattet: Wer sich einmal die Geschäftsstatistik der Bundesagentur für Arbeit für Thüringen anschaut, der stellt fest, dass 41,5 Prozent der Ausbildungsplatzbewerber so genannte Altnachfrager sind, d.h., mehr als zwei Fünftel aller Bewerber um einen Ausbildungsplatz haben sich im optimalen Fall letztes Jahr erstmalig beworben, zum Teil aber auch schon vor zwei, drei oder vier Jahren erstmalig beworben. Die Bugwelle, welche wir jährlich vor uns herschieben, die wird immer größer, und das, obwohl die Zahl der Schulabgänger jährlich sinkt. Ich glaube, dass gerade dies ein ganz entscheidendes Problem ist, dem wir uns auf jeden Fall in den nächsten Wochen und den nächsten Monaten widmen sollten. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, sehr verehrte Damen und Herren, fehlende Lehrstellen bedeuten auch, dass sich der Anteil der Bewerberinnen und Bewerber, die bereits jetzt schon ein Alter von mehr als 20 Jahren haben, weiter erhöht. Fast die Hälfte, nämlich 43,5 Prozent der Bewerberinnen und Bewerber für eine Ausbildungsstelle, ist heute schon so genannte Altnachfragen aus vorangegangenen Schuljahren Tendenz steigend. Wenn ich bedenke, dass gerade diese Bewerber vielleicht Jahr für Jahr zig Bewerbungen oft für mehrere Berufe gleichzeitig schreiben, sich oft auch bundesweit bewerben und dafür Ablehnung für Ablehnung erhalten, oftmals so nichtssagend "... haben uns aus den zahlreich eingegangenen Bewerbungen für einen anderen Mitbewerber entschieden. Die Ablehnung ist keine Aussage für Ihre mögliche Qualifikation. Wir wünschen Ihnen für Ihren zukünftigen Weg alles Gute". Oder die Freude, endlich einmal zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden und danach das Bangen und Hoffen, der tägliche Weg zum Briefkasten mit der immer wiederkehrenden Frage, kleiner oder doch wieder der große Briefumschlag und wieder und wieder mit der Enttäuschung. Mit diesen Jugendlichen oder jetzt schon jungen Erwachsenen bangen und hoffen Eltern, Großeltern, ja, die ganze Familie und Freunde. Keine Perspektive zu haben, bedeutet für viele von ihnen kein eigenes Geld, Antriebslosigkeit, das Gefühl, nicht gebraucht zu werden, ja, minderwertig zu sein. Für mich ist dabei die Einteilung unserer Jugendlichen in ausbildungswillige und ausbildungsfähige Schüler nicht sehr hilfreich, beweisen doch die Schüler in den Betriebspraktika in den letzten beiden Schuljahren, also für die Klassen 9 und 10 der Realschule bzw. 7 und 8 der Hauptschule, dass das nicht der Fall ist. Ich habe es kaum erlebt, dass ein Schüler sich hier keine Mühe gegeben hat. Im Gegenteil, die Betriebe waren oft des Lobes voll. Wenn es Betriebe in der Wirtschaft gibt, die die Wissensvermittlung in der Regelschule und den Wissensstand eines Haupt- oder Realschülers kritisieren, dann muss sich Wirtschaft gemeinsam mit Schule in Verbindung mit Politik Gedanken machen, wie man dieses abbaut. Wenn dabei ein gegliedertes Schulsystem - wie hier in Thüringen - bestehende Unterschiede in der Entwicklung zwischen den Kindern nach der Grundschule eher verstärkt, gehört auch dieses Schulsystem auf den Prüfstand. Andere Länder zeigen uns doch, dass das nicht so sein muss. Jugendlichen eine Perspektive zu geben, alle in Ausbildung zu bringen, eine Lehre anzubieten ist allemal besser, als sie ins Leere treiben zu lassen.
verstärken. Gleichzeitig fordern wir, dass Überbrückungsmaßnahmen für Jugendliche kritisch hinterfragt und in ihrer Sinnhaftigkeit überprüft werden.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich will nicht gleich den Ausspruch, den Sie erwarten, sagen: Alle Jahre wieder Schwarzmalerei und Schlechtrederei.
Ich lese aber auch positive Sachen, muss ich Ihnen ehrlich sagen. Ich habe in der TLZ vom 21.09.2004 gelesen "Unternehmen bilden mehr aus" oder in der OTZ vom 27.09.2004 "Fleischverarbeitung sieht die Ausbildung als Pflicht". Etwas anderes als Szenarien, die dramatische Situation oder die Abwärtsspirale für Jugendliche sind wir von den kommunistischen Populisten auch nicht gewohnt.
Bei allen kritischen Auseinandersetzungen mit dem Thema, Aussagen wie von Herrn Hausold "Ausbildungspakt war offensichtlich nur Teil der Wahlkampfshow" sind billige Polemik und nicht dieses hohen Hauses würdig.
Dies würdigt nicht nur alle, die sich vor Ort für mehr Ausbildungsplätze eingesetzt haben, sondern stellt auch die Arbeit der vielen in diesem Punkt eifrigen Kommunen, Gewerkschaften, Kammern und vor allem die der ausbildungswilligen Betriebe in Frage. Und, Herr Bausewein, Sie springen auf diesen Zug mit auf. Solche Pressemitteilungen wie die von Frau Hennig, "47 Prozent der Schulabgänger können nur eine betriebliche Erstausbildung beginnen" oder "30 Prozent aller Thüringer Unternehmen bilden nur aus", sollten diese Szenarien noch mit unterstützen.
(Zwischenruf Abg. Ramelow, PDS: Stimmt alles gar nicht). (Zwischenruf Abg. Thierbach, PDS: Sta- tistik selbst geschrieben).
triebe statt Ihrer genannten 30 Prozent ausbilden, spielt bei Ihnen und Ihren Propagandaschriften wahrscheinlich eine untergeordnete Rolle.
Vielleicht schauen Sie doch bitte einmal die Vorjahreszahlen in den Ländern, in denen Sie auch die Regierungsbeteiligung haben, an. Wenn Sie Mecklenburg-Vorpommern nehmen mit 61,1 Prozent oder Berlin mit 61,3 Prozent, im Vergleich steht Thüringen beim Anteil der betrieblichen Plätze an der Spitze der neuen Länder mit 67,2 Prozent.
Die Thüringer Industrie- und Handelskammern haben bis zum 30. September 10.476 Ausbildungsplatzverhältnisse registriert. Das ist ein Plus von 279 Verträgen zum Vorjahr.
Inzwischen sind 87,7 Prozent der im Thüringer Pakt für Ausbildung eingegangenen Selbstverpflichtungen der Industrie- und Handelskammer von 11.950 Stellen erfüllt. Mehr als 700 IHK-Betriebe starten dieses Jahr erstmalig in die Berufsausbildung. Der Thüringer Pakt sieht bis Ende Oktober vor, gemeinsame Nachvermittlungsaktionen zwischen den jeweiligen Agenturen für Arbeit, der IHK und der Handwerkskammer im Zuständigkeitsbereich zu organisieren. Im Ergebnis der Aktion werden die Bewerber je nach Leistungsvoraussetzungen orientiert. Unter den Instrumenten ist neu eine Einstiegsqualifizierung, so genannte Betriebspraktika, mit einer Dauer von 6 bis 12 Monaten bei Zahlung eines Unterhaltszuschusses von 194 #$ /0%Anteil durch die Agentur für Arbeit. Allein dafür werden thüringenweit 1.000 Praktikastellen angeboten. Ich habe mich am Montag, und Sie wissen, dass ich mich immer gern auf meine Region beziehe, beim Geschäftsführer des Firmenausbildungsverbundes Wartburgregion über die aktuelle Ausbildungssituation informiert. Die 230 Mitgliedsunternehmen des FAV haben bis zum 30. September 368 neue Ausbildungsverträge mit jungen Leuten für das Ausbildungsjahr 2004/05 abgeschlossen. Damit wurde die Zielstellung von 360 Plätzen überboten. Im vergangenen Ausbildungsjahr wurden 349 Ausbildungsverträge abgeschlossen. Das Ergebnis aus diesem Jahr ist eine Steigerung von immerhin 5,2 Prozent. Damit haben
die Mitgliedsunternehmen ihren Beitrag zur Erfüllung des Pakts für Ausbildung geleistet. Zusätzlich werden von den Mitgliedsunternehmen noch 62 Plätze in dem zurzeit startenden Programm "Einstiegsqualifizierung" angeboten. Am heutigen Tag fand bei der Agentur eine Vorstellung des Programms für die noch unversorgten Bewerber im Bereich der Agentur Bad Salzungen statt. 70 junge Leute wurden eingeladen, 55 nahmen die Einladung wahr und 15 fehlten unentschuldigt. Aber das kann auch dem geschuldet sein, dass sie vielleicht schon eine Ausbildungsstelle haben. Das sind immerhin 27 Prozent, die ja in den Zahlen der Arbeitsagentur zum 30. September noch als unversorgt ausgewiesen wurden. Wenn die Tendenz landesweit so wäre, was Experten, die dies schon jahrelang verfolgten, behaupten, dann müssen Sie mal die Zahl durch die Kollegen der PDS etwas anders kommentieren. Zurück in meine Heimatregion.
Von den 55 bisher unversorgten Bewerbern sind 51 ausbildungswillig und ausbildungsfähig, so der Geschäftsführer des Verbundes, und werden somit ein Angebot zur Einstiegsqualifizierung erhalten.
Damit ist gewährleistet, dass alle jungen Leute ein Ausbildungsplatzangebot erhalten haben. Wenn ich ganz kurz noch ein Fazit ziehen darf,