Protocol of the Session on March 30, 2006

(Beifall bei der CDU)

Ich eröffne hiermit die gemeinsame Aussprache. Das Wort hat die Abgeordnete Leukefeld, Linkspartei.PDS.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, die Entwürfe haben seit der ersten Lesung im Juni 2005, wie wir gerade auch gehört haben, schon einiges hinter sich. Da seit der letzten Beratung im Plenum schon ein Dreivierteljahr - übrigens heute genau auf den Tag ein Dreivierteljahr - vergangen ist, möchte ich natürlich auf einige inhaltliche Elemente noch einmal eingehen.

Der von der Linkspartei.PDS-Landtagsfraktion erarbeitete Gesetzentwurf realisiert die in vielen Seiten formulierte Forderung nach einem geordneten fairen Wettbewerb ohne Lohndumping bei der Vergabe öffentlicher Aufträge. Er geht dabei - und das möchte ich klar sagen - über die in anderen Bundesländern geltenden Gesetze hinaus. Sein Alleinstellungsmerkmal ist die Kopplung von Tariftreue und Mindestlohn. Der Mindestlohn soll bei 1.500 € liegen. Ein solcher Mindestlohn ist gerade in Thüringen nötig, da sich die Löhne hier seit Jahren unter dem ostdeutschen Durchschnitt bewegen. Zuletzt hat darüber das Statistische Landesamt berichtet. In dem Jahresbericht 2005 heißt es: „Bemerkenswert ist, dass die Durchschnittslöhne in Thüringen in allen Jahren“ - gemeint sind hier die Jahre 2000 bis 2004 - „stets unter denen der neuen Länder insgesamt liegen.“ Als Ergänzung dazu sei angemerkt, dass 368.000 Vollzeitbeschäftigte in Thüringen Armutslöhne von bis zu 75 Prozent des bundesweiten Durchschnitts erhalten. Das hat, wie wir wissen, Auswirkungen auf die Kaufkraft, von der die regionale Wirtschaft, vor allen Dingen Handwerk und Dienstleistungen, abhängen.

Der Gesetzentwurf der Linkspartei.PDS enthält weitere Elemente, die zu nennen mir wichtig sind. Er sieht vor, dass bei vergleichbaren Angeboten die Unternehmen, die sozialpolitische Belange berücksichtigen, bei der Auftragsvergabe bevorzugt werden. Konkret geht es uns dabei um Unternehmen, die die Beschäftigung von Frauen überdurchschnittlich fördern, die überdurchschnittlich Ausbildungsplätze bereitstellen und die die gesetzliche Quote bei der Beschäftigung von Schwerbehinderten erfüllen.

Seit der letzten Lesung der Gesetze haben sich die politischen Rahmenbedingungen verändert. In der neuen Bundesregierung sind sogar die CDU-Politiker mittlerweile kompromissbereit, die sich in solchen Fragen während der Zeit auf den Oppositionsbänken keinen Millimeter bewegt haben. Selbst die Bundeskanzlerin sei für einen Mindestlohn offen, berich

tete die „Süddeutsche Zeitung“ Ende Januar.

(Zwischenruf Abg. Buse, Die Linkspar- tei.PDS: Das war ein Versehen.)

Wahrscheinlich.

In den Koalitionsfraktionen gibt es konkrete Überlegungen, einen gesetzlichen Mindestlohn einzuführen. Die Höhe soll 6 € pro Stunde betragen - so wurde das jedenfalls in den Medien dargestellt. Inzwischen wird bei der SPD auch über einen Mindestlohn von 7,50 € diskutiert. Der Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Arbeit, Gerald Weiß, sagte unlängst: „Aber wo es keine Tarifstrukturen gibt oder wo die Tariflöhne zu niedrig sind, um den Beschäftigten eine menschenwürdige Existenz zu sichern, brauchen wir einen gesetzlichen Mindestlohn.“ Bei Tarifstundenlöhnen von 4,40 € im Separatwachdienst in Thüringen - dazu gehört z.B. die Zugangs- und Objektkontrolle in Landeseinrichtungen - dürfte allerdings die von Herrn Weiß angeführte Existenzsicherung wohl kaum erreicht werden. Deshalb sagen wir, hier sind Änderungen nötig.

Einigen in der CDU geht es aber wieder zu weit, sie wollen Mindestlöhne allenfalls im Zusammenhang mit ihrem neuen Lieblingsthema, dem Kombilohn; aber immerhin verweigern sie sich nicht mehr strikt. So kündigte CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla vor zwei Wochen in einem Interview in der BIZ an: „Wir werden im Zusammenhang mit dem Kombilohn auch über den Mindestlohn reden.“ Allerdings lehnt Pofalla einen Mindestlohn von 7,50 € als zu hoch ab, doch selbst seine Stellungnahme klingt anders als das eintönige „Mindestlohn geht nicht“, was wir hier immer aus der Thüringer CDU hören.

Ein Hinweis dazu noch: Der Kombilohn im Koalitionsvertrag von CDU und SPD ist streng genommen ja auch ein Mindestlohn, nur dass er zu einem Teil von der öffentlichen Hand und nicht von den Unternehmen bezahlt wird.

Die Wissenschaft, meine Damen und Herren, geht mit dem Thema sehr unbefangen um. Frau Dr. Claudia Weinkopf vom Institut Arbeit und Technik aus Gelsenkirchen, die als Referentin zur Kombilohn-Fachtagung unserer Fraktion eingeladen war, sagte Folgendes: „Ein gesetzlicher Mindestlohn schützt nicht nur Arbeitnehmer vor Sozialdumping, auch ehrliche Unternehmer werden belohnt. Der Mindestlohn garantiert einen fairen Wettbewerb.“

Aus der öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Arbeit ziehe ich eine klare Schlussfolgerung: Sie hat aus meiner Sicht die Notwendigkeit einer Gesetzesinitiative eher noch bestätigt, sie hat es direkt und indirekt bestätigt, da Prob

leme bei der Vergabe öffentlicher Aufträge von fast allen Anzuhörenden zugegeben wurden. Natürlich wurden auch gegenteilige Positionen geäußert, doch es ist denjenigen, die ein Vergabegesetz ablehnen, nicht gelungen, alternative Handlungsoptionen zu entwerfen, um ruinösen Dumpingwettbewerb - und den haben sie ja zugegeben - zu verhindern.

Beispielhaft fand sich dieses Dilemma in den Ausführungen von Herrn Richter vom Bundesverband der mittelständischen Wirtschaft. Seine Antwort auf eine Nachfrage nach Alternativen lautete eben nur, man müsse dafür sorgen, dass Deutschland als Standort weiterhin wettbewerbsfähig bleibt, was ja so genommen leider nur eine inhaltsleere Phrase ist. So viel zum Standortwettbewerb.

Lassen Sie mich sagen, in Großbritannien gibt es seit 1999 einen gesetzlichen Mindestlohn, der regelmäßig auch angepasst wird, z.B. wird es auch in diesem Jahr ab Oktober geschehen, da übrigens von 7,28 € auf 7,71 €. Entgegen den Warnungen der Arbeitgeber ist die Zahl der Arbeitsplätze nicht gesunken, sondern deutlich gestiegen. Die Einhaltung des Mindestlohns wird dort auch streng kontrolliert.

Auch die im Anhörungsverfahren geäußerten rechtlichen Vorbehalte, vor allem gegen die Tariftreue, haben nicht überzeugt, da die Vergabegesetze und die Vergabepraxis anderer Bundesländer genau die beanstandeten Regelungen enthalten, beispielsweise in Bayern - aber Sie wollten ja nicht, dass wir den bayerischen Wirtschaftsminister zu der Anhörung einladen. Die Vergaberichtlinie des Landes wird vom Wirtschaftsminister immer als Erfolgsgeschichte dargestellt und, Herr Reinholz, das ist sie nicht. Das Thüringer Handwerk, das an der mündlichen Anhörung nicht mit einem Redebeitrag teilnahm, schätzte 2003 ein, dass es der Landesregierung nicht gelungen sei, „die Vergaberichtlinie des Landes in den Kommunen flächendeckend durchzusetzen“. Das wäre bei einem Gesetz zwingend anders.

Jetzt noch einen Exkurs in die Vergabepraxis: Bei Gesprächen, die wir mit kleinen und mittleren Unternehmen in den letzten Wochen geführt haben, wurde immer wieder auf Probleme bei der Vergabe öffentlicher Aufträge hingewiesen. So hat uns ein Unternehmen aus Ostthüringen, das sich häufig an öffentlichen Ausschreibungen beteiligt, mitgeteilt, dass es Firmen gibt, die schon bei der Bewerbungsabgabe die Strafzahlung mitkalkulieren, die sie wegen der Nichtbeschäftigung von Behinderten zum Beispiel zahlen müssen. Die Firmen beklagen auch die mangelnde Qualität der Ausschreibungen. So gibt es Ausschreibungen, bei denen die Aufgabenbeschreibung und die Wertungskriterien nur sehr ungenau festgelegt werden, was dann natürlich auch die Bewer

bung schwierig macht. Daneben existiert auch genau die entgegengesetzte Ausprägung. Die Beschreibungen sind so konkret gefasst, dass der Bewerberkreis von vornherein faktisch auf einen Wunschkandidaten eingeengt wird. Bei Bewachungsleistungen für Ministerien kam es zu einer derartigen - und ich muss schon sagen - sehr merkwürdigen Auftragsvergabe, die auch die Vergabekammer beschäftigt hat. Allein durch diese Fehlvergabe entstehen der öffentlichen Hand Mehrkosten von 90.000 €, die sie bei einem tariftreuen Mitbewerber nicht gehabt hätte. So viel vielleicht zu der Legende, Tariftreue sei teurer. Nicht selten wird die Frage der Auskömmlichkeit des Angebots nicht geprüft, sondern grundsätzlich der billigste Anbieter genommen. Das wissen wir vor allem gerade von den Kommunen. Dabei wird die Frage aus dem Blick gelassen, ob dieser Bieter für seinen Preis die Leistung überhaupt erfüllen kann. Das Ergebnis ist ein Wettbewerb durch Dumping bei Qualität und Löhnen. Die Linkspartei.PDS-Fraktion hält deshalb an ihrem Antrag fest und wir bitten Sie auch, dem Vergabegesetz zuzustimmen.

Der Entschließungsantrag der CDU, den Sie jetzt eingebracht haben, deutet freilich die Richtung an, in die man will - wenigstens etwas, verehrte Kolleginnen und Kollegen, aber nicht mehr als ein symbolischer Akt, der nichts kostet, aber niemandem hilft. Das ist zu wenig, das haben mir heute noch einmal die Kolleginnen und Kollegen, die seit gestern Abend die Mahnwache hier vor dem Thüringer Landtag durchführen, mit auf den Weg gegeben. Das soll ich Ihnen sagen. Ich möchte sie von dieser Stelle auch ganz herzlich grüßen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Auch wenn sich die CDU-Fraktion nicht dazu durchringen kann, die Linkspartei.PDS wird an dem Themenkomplex „Mittelstandsförderung“ und „gerechte Entlohnung“ weiter arbeiten. Das Thema wird uns weiter begleiten, auch wenn Sie das heute ablehnen sollten.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Das Wort hat der Abgeordnete Pilger, SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, mit unserem Gesetzentwurf wollen wir Wettbewerbsverzerrungen und Lohndumping entgegenwirken. Wir wollen, dass öffentliche Auftraggeber - also das Land, Gemeinden und Gemeindeverbände sowie deren Einrichtungen - Aufträge über Baumaßnahmen und Dienstleistungen nur an solche Unter

nehmen vergeben dürfen, die das in Tarifverträgen vereinbarte Arbeitsentgelt am Ort der Leistungserbringung zahlen.

Ich will an dieser Stelle noch einmal kurz die wichtigsten Eckpunkte unseres Vergabegesetzentwurfs erwähnen. In den Anwendungsbereich haben wir sämtliche Vergaben von Bau- und Dienstleistungen aufgenommen. In Thüringen sehen wir bei der öffentlichen Vergabe von Dienstleistungen besondere Probleme. Im öffentlichen Personennahverkehr und im Schienenpersonenverkehr erwarten wir in den nächsten Jahren erhebliche Probleme für Unternehmen und Angestellte. Problematisch und völlig unbefriedigend ist die Situation bereits im Reinigungs- und Bewachungsgewerbe. Die Löhne, die dort für Dienstleistungen in öffentlichen Einrichtungen, wie z.B. dem Thüringer Landtag, gezahlt werden, sollten uns allen die Schamesröte ins Gesicht treiben.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Selbst die tarifliche Bezahlung ist in diesem Bereich nicht gerade üppig, aber die sollte es dann wenigstens schon sein. Wir wollen daher, dass sich ein Auftragnehmer gegenüber dem öffentlichen Auftraggeber verpflichtet, bei Ausführung der Leistungen mindestens das am Ort der Ausübung tarifvertraglich vorgesehene Entgelt zu zahlen. Diese so genannte Tariftreueerklärung ist Kern unseres Gesetzentwurfs. Die Linkspartei.PDS fordert neben der Tariftreueverpflichtung auch die bevorzugte Berücksichtigung von Bietern, die bestimmte sozialpolitische Voraussetzungen erfüllen. Auch wir halten es für dringend geboten, solche Aspekte zu fördern. Allerdings halten wir den Weg, dies über ein Vergabegesetz zu erreichen, für wenig geeignet. Das fängt schon damit an, dass solche Voraussetzungen im Rahmen der Vergabeentscheidung und späterer Kontrollen auch zu überprüfen sind. Dieser Aufwand sollte daher nicht bei jeder Vergabe der öffentlichen Hand betrieben werden. Außerdem ist es unser Ziel, auch auf Arbeitgeberseite Akzeptanz für ein Vergabegesetz zu erreichen, so wie dies bei vielen Arbeitgebern - z.B. in Niedersachsen - einige Jahre nach der Einführung des Vergabegesetzes durchaus der Fall ist. Dies geht jedoch nur, wenn der bürokratische Aufwand, wie im Fall der kurzen und knappen Tariftreueerklärung, minimal ist. Für größere Vergaben ab 125.000 € enthält allerdings § 22 des Thüringer Gleichstellungsgesetzes den Auftrag an die öffentlichen Auftraggeber, auf die Verwirklichung der Chancengleichheit hinzuwirken und darauf zu achten, dass nicht gegen Diskriminierungsverbote verstoßen wird. Dieser Auftrag muss von den öffentlichen Stellen aber auch entsprechend ernst genommen werden. Entscheidend für die Wirksamkeit der von uns geforderten Tariftreueerklärung sind die für den Fall der Nichtbefolgung vorgesehenen Sanktionen; alles an

dere wäre nichts weiter als schlichte Appelle. Hin und wieder hört man zwar von Unternehmen, die ganz bewusst sogar höhere Löhne zahlen als tariflich vorgesehen. Sicherlich haben Sie, Herr Kretschmer, am Dienstag mit besonderem Interesse die Sendung „Frontal 21“ verfolgt. Ich meine selbstverständlich den Beitrag zum Thema „Mindestlohn“. Dort hat ein Bauunternehmer - nicht Herr Baumhögger - erklärt, dass schlecht bezahlte Leute nicht motiviert seien und nicht dieselbe Leistung und Qualität erbringen.

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD: Deshalb hat er so viel Geld.)

Die Realität zeigt aber, dass viele Arbeitgeber eine solche Unternehmensphilosophie nicht vertreten. Ohne Sanktionen werden Sie diese kaum mit schlichten Appellen zur Einhaltung von tariflichen Mindeststandards bewegen können. Genau aus diesem Grund hat die Thüringer Vergabemittelstandsrichtlinie bisher nicht die gewünschten Ergebnisse gebracht. Wir sind der festen Überzeugung, dass es ohne die von uns vorgeschlagenen Sanktionen nicht gehen kann.

Deshalb haben wir in unserem Gesetzentwurf vorgesehen: Vereinbarung von Vertragsstrafen für jeden schuldhaften Verstoß in Höhe von 1 Prozent, bei wiederholten Verstößen maximal 10 Prozent des Auftragswerts, das Recht zur fristlosen Kündigung bei groben oder wiederholten Verstößen und den möglichen Ausschluss von weiteren Vergaben für bis zu zwei Jahre. Gegen eine schlichte Richtlinie spricht überdies auch ganz entscheidend, dass die Bindung an andere Vergabekriterien als Fachkundigkeit, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen nur durch ein Gesetz, nicht aber durch eine Richtlinie vorgegeben werden darf. Die Vergabemittelstandsrichtlinie ist somit nicht nur wirkungslos, sondern von vornherein ungeeignet. Trotzdem halten Sie mit Ihrem heutigen Entschließungsantrag an diesem Irrtum weiter fest. Da hilft auch nicht der Hinweis in der Richtlinie, dass Bieter, die gegen allgemein verbindliche Tarifverträge verstoßen, rechtswidrig handeln und ausgeschlossen werden können. Das ist nichts weiter als eine irreführende Plattitüde.

Zunächst ist festzustellen, dass wir in den uns interessierenden Bereichen kaum allgemein verbindliche Tarifverträge haben. Gerade einmal 25 Prozent der Thüringer Unternehmen sind nach Gewerkschaftsangaben tarifgebunden. Bieter, die überhaupt nicht tariflich gebunden sind, können auch nicht gegen einen Tarifvertrag verstoßen. Tariflich nicht gebundene Bieter können daher auf Basis der Richtlinie weder von der Vergabe ausgeschlossen werden noch kann diesen vorgeschrieben werden, tarifliche Bestimmungen einzuhalten. Sie wollen trotz allem den Vollzug der Richtlinie weiterhin konsequent qualifizieren, was

auch immer das heißen mag.

Wir haben zu den vorliegenden Gesetzentwürfen eine öffentliche Anhörung im Ausschuss durchgeführt. Dabei sind Argumente für und gegen ein Vergabegesetz mit entsprechenden Sanktionen vorgetragen worden. Dabei überwiegen unserer Auffassung nach deutlich die Gründe, die für eine Bindung öffentlicher Auftraggeber an die tarifvertraglich vereinbarten Mindeststandards sprechen. Das sehen die Damen und Herren in der Mitte des Hauses zumindest offiziell anders.

Aber schauen wir uns noch einmal die wesentlichen Vor- und Nachteile an - zunächst die Nachteile: Zumindest kurzfristig sind Kostensteigerungen für öffentliche Auftraggeber nicht auszuschließen. Auch wird die Entscheidungsfreiheit der öffentlichen Auftraggeber und der Unternehmen eingeschränkt, da nur solchen Unternehmen der Zuschlag erteilt werden darf, die eine entsprechende Tariftreueverpflichtung abgeben. Kostensteigerungen können zum einen dadurch entstehen, dass bei Ausschreibungen der öffentlichen Hand keine untertariflich entlohnten Arbeitskräfte eingesetzt werden können; hinzu kommen Mehrkosten für Verwaltung und Kontrolle der Tariftreuepflicht. Über die Höhe dieser Kostenanteile liegen nur teilweise Angaben aus anderen Bundesländern vor. Nach den bisherigen Erfahrungen und Einschätzungen könnten sich zum Beispiel Bauaufträge unter Umständen um ca. 5 Prozent verteuern. Für den Kontrollaufwand zur Durchsetzung der Tariftreueverpflichtung wird mit ca. 0,5 bis 1 Prozent zusätzlicher Kosten gerechnet. Gerade in Zeiten knapper öffentlicher Kassen müssen mögliche Mehrkosten in besonderer Weise gerechtfertigt sein.

Dies ist der Fall, wie ein Blick auf die Vorteile des Gesetzes sofort zeigt. Zusätzliche Aufwendungen werden aus Sicht der öffentlichen Auftraggeber bei umfassender Betrachtung bereits durch geringere Kosten wegen Terminverzugs und Qualitätsmängeln ausgeglichen. Diese Kosten werden durch den Einsatz gut bezahlter, qualifizierter und motivierter Fachkräfte meist deutlich vermindert. Gerade bei eingesparten Folgekosten durch bessere Qualität der Leistungen kann eine Kostensteigerung sogar deutlich überkompensiert werden. Wir kennen alle Beispiele, wo sich eine kurzfristig günstige Bauleistung langfristig aufgrund von ständigen Nachbesserungen als erheblich teurer erweisen kann. Hinzu kommt, dass Thüringer Beschäftigte nicht von Arbeitskräften, die unterhalb der Tarife arbeiten, verdrängt werden und daher auch nicht arbeitslos und damit dem Sozialsystem zur Last fallen. Im Gegenteil - sie stützen es mit ihren Beiträgen. Zudem ist zu erwarten, dass durch das Vergabegesetz Unternehmen mit stärkerer Ausbildungsbereitschaft und Innovationsfähigkeit besser gefördert werden.

Dies zeigen auch Erfahrungen mit Tariftreueverpflichtungen in den USA. Dort haben entsprechende Vergabegesetze die Innovationsfähigkeit der Unternehmen befördert. Wenn Produktivitätssteigerungen durch Lohnkürzungen nicht möglich sind, steigt der Anreiz und der Druck für die Unternehmen, im Wettbewerb vor allem durch Innovationen zu bestehen. In der Innovation und nicht im Niedriglohn sehen wir die Chancen Thüringens.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Durch ein Vergabegesetz vermindern wir Wettbewerbsverzerrungen für tariflich bezahlende Unternehmen. Wir sichern damit den Bestand solcher Unternehmen, die qualifizierten Fachkräften Perspektiven in Thüringen eröffnen. Wir wissen alle, dass wir schon in wenigen Jahren in vielen Wirtschaftsbereichen in Thüringen einen drastischen Mangel qualifizierter Fachkräfte erwarten. Wir können daher als öffentliche Auftraggeber nicht auf Teufel komm raus Anbieter zu Dumpingpreisen drängen, die diesen kaum Spielräume lassen, ihre Angestellten angemessen zu bezahlen. Durch ein Vergabegesetz schaffen wir, wenn auch nur in begrenztem Umfang, zusätzliche Kaufkraft in Thüringen. Dies wiederum kommt vielen der hauptsächlich für den einheimischen Markt produzierenden Unternehmen zugute, deren Produktivitätsentwicklungen stark durch die schwache Kaufkraft der Thüringer Bevölkerung gehemmt sind.

Ich möchte noch kurz auf den Entschließungsantrag der CDU eingehen: Dieser hat uns schon ein bisschen überrascht. Überrascht deshalb, weil Sie noch in der Ausschuss-Sitzung jegliche Diskussion zum Thema und sogar eine Auswertung der Anhörung zu den Gesetzentwürfen abgelehnt hatten. Weniger überrascht bin ich über den Inhalt des Antrags. Im ersten Absatz suggeriert er fälschlicherweise, dass sich die Landesregierung bereits ausreichend gegen Lohn- und Sozialdumping bei der Vergabe öffentlicher Aufträge einsetzt. Im zweiten Absatz wird ein Prüfauftrag zum Thema „Mindestlohn“ an die Landesregierung formuliert. Zum einen ist erfreulich, dass die Thüringer CDU das Thema nicht mehr scheut, wie der Teufel das Weihwasser. Allerdings deutet die Formulierung an, dass allenfalls für bestimmte Branchen Mindestlohnregelungen geprüft werden sollen. Dies wollen wir nicht. Wir wollen einen bundes- und brancheneinheitlichen Mindestlohn, wie ihn die meisten europäischen Länder bereits eingeführt haben. Dieser soll die Regelung des Vergabegesetzes sinnvoll ergänzen. Unser Mindestlohnmodell orientiert sich an der Pfändungsfreigrenze von derzeit ca. 985 €; das entspricht einem Bruttomindestverdienst von knapp 1.250 €. Zum dritten Absatz hatte ich mich schon geäußert. Die Forderung ist so windelweich und wenig Erfolg versprechend wie bereits der Be

schluss aus dem Jahr 2000, auf den Sie Bezug nehmen.

Ich fasse zusammen: Nur auf gesetzlicher Grundlage werden die notwendigen Regelungen bei Vergaben für alle Seiten verbindlich und können auch durch entsprechende Sanktionen erzwungen werden. Eine Richtlinie kann dies schon vom Ansatz her nicht leisten. Ich bitte Sie daher nochmals: Stimmen Sie unserem Gesetzentwurf im Interesse der Thüringer Arbeitnehmer und der tariflich bezahlenden Unternehmen zu.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Das Wort hat der Abgeordnete Kretschmer, CDUFraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, zunächst möchte ich feststellen: Ich beobachte über die Fraktionsgrenzen hinweg zumindest eine Einigkeit in den hehren Zielen, für auskömmliche Löhne zu sorgen und gegen Lohndumping und ruinösen Wettbewerb. Das ist meines Erachtens erst mal eine Bemerkung wert. Ich merke jedoch, dass die Antworten, die durch die Kollegen der SPD und der Linkspartei.PDS gebracht werden, Antworten von vorgestern sind. Das will ich ganz deutlich feststellen.

(Beifall bei der CDU)

Ruinöser Wettbewerb kommt, das hat auch die Anhörung wiederholt bestätigt, beispielsweise zustande durch die Krise am Bau. Was ist die Krise, was sind die Ursachen für die Krise am Bau? Dass beispielsweise zu viele Unternehmen am Markt sind und dass in einem Wettbewerb um einen öffentlichen Antrag zehn und mehr Bewerber sind und dass natürlich dort versucht wird, durch die Preiskalkulation zu Vorteilen zu kommen. Ruinöser Wettbewerb auch deshalb, weil vielfach große Bauunternehmen in die Insolvenz gehen. Es wird förmlich von einer Atomisierung gesprochen und es kommen dann alle die Unternehmensbeschäftigten kleinteilig wieder. Ruinöser Wettbewerb auch deshalb, und das will ich Ihnen deutlich sagen: Der Zentralverband des deutschen Baugewerbes - und das geht, Herr Pilger, an Ihre Adresse - hat deutlich gesagt, dass die Politik der letzten Bundesregierung auch Schuld hat an diesem ruinösen Wettbewerb, nämlich mit der Einführung der Ich-AGs, mit der …

(Unruhe bei der SPD)