Protocol of the Session on March 2, 2006

Aber nun ganz konkret: Wir haben 30.700 Jugendliche gehabt, die sich um eine Ausbildungsstelle beworben haben. Angeboten worden sind gerade einmal 16.200 Ausbildungsstellen. Ich weiß nicht, wie

man dann von Erfolg sprechen kann, zu sagen, wir haben diese Ausbildungsstellen besetzt. Das ist einfach unglaublich. Wir reden von knapp der Hälfte der Ausbildungsplatz Suchenden, die eine betriebliche Lehrstelle überhaupt erhalten haben. Trotzdem schaffen Sie es als Landesregierung immer wieder, die Situation als nicht so tragisch hinzustellen. Die Vorzüge eines Ausbildungspakts für Thüringen werden losgelöst von jeglicher Gesamtschau der Zahlen als Erfolg dargestellt und die Realität verschleiert. Ich meine, selbst Abgeordnete Holbe malt sich ihre rosarote Thüringen-Welt und glaubt, alles ist in Ordnung, nur weil sich in einigen Jahren vielleicht mit der demografischen Entwicklung etwas ändert. Die Opposition, Gewerkschaften, Verbände und so weiter werden nur als Nörgler und Nörglerinnen dargestellt, das ist unfassbar. Ich weiß, dass Frau Holbe hinter mir sitzt. Das ist mir schon klar, aber ich habe keine Angst vor einem Genickbiss.

(Heiterkeit bei der CDU)

(Zwischenruf Abg. Groß, CDU: Das ist eine Frechheit.)

Um das Ganze mal wieder zu versachlichen, schauen Sie sich doch bitte mal um, der Minister hat von 162 unvermittelten Jugendlichen gesprochen.

(Heiterkeit bei der SPD)

Schauen Sie in den Plenarsaal, wenn er voll wäre, hätten wir etwa genau diese Zahl und Sie könnten sich bildlich vorstellen, wie vielen Jugendlichen in diesem Jahr keine Lehrstelle und keine Perspektive geboten wurde.

Noch ein paar andere Fakten zu den neuen Bundesländern, zu denen ja bekanntermaßen auch Thüringen gehört: Für die außerschulische Ausbildungsförderung zahlen die Länder in etwa im Jahr 730 Mio. €. Zwei Drittel davon werden in den neuen Bundesländern gezahlt. Abgeordneter Bausewein hat vorhin auch angesprochen, wie viele Ausbildungsverträge gelöst werden. Ich weiß nicht, ob Sie wussten, dass in den neuen Bundesländern wesentlich mehr Ausbildungsverträge gelöst werden als in den alten. Das sage ich nur, damit Sie mal ein paar Indikatoren dafür bekommen, wie es außerhalb des Ausbildungspakts um die Ausbildungssituation in Thüringen steht.

Sehr geehrte Damen und Herren, der spannendste Teil unseres Antrags war eigentlich der Teil zu den Perspektiven der nachhaltigen Veränderung auf dem Ausbildungsmarkt. Jetzt haben wir einiges gehört, natürlich auch zur wirtschaftlichen Entwicklung, ich begrüße ausdrücklich den Entschließungsantrag der SPD-Fraktion und kann hier schon für meine Frak

tion die Zustimmung ankündigen. Aber Sie verlieren kein Wort zum europäischen Qualifikationsrahmen, in dem Grundsatzentscheidungen für berufliche Bildung in Europa getroffen werden. Diese Entscheidungen wirken erheblich auf die nationalen Bildungssysteme und prägen deutlich. Wir haben hier Handlungsbedarf, aber es wird nicht einmal erwähnt.

Zu der demografischen Entwicklung haben Sie einige Worte verloren, aber zu damit verbundenen Strukturentwicklungen, die zweifellos zur Relativierung der Ausbildungsmisere führen werden, wenig und wenn es zu einer Relativierung der Ausbildungsmisere kommt, dann sicher nicht aus Verdienstgründen der CDU-Fraktion. Kein Wort zu Diskussionen zur Modularisierung und Krise der Beruflichkeit und damit zur zu erwartenden Fragmentierung und Segmentierung des Ausbildungsmarktes, kein Wort zu notwendigen Schritten zur Sicherung von Qualität der beruflichen Ausbildung und dem Erhalt des dualen Systems, wo ich einfach unterstelle, dass sich hier alle Fraktionen einig sind, dass wir das duale System erhalten wollen, und kein Wort zu den Schwierigkeiten in der Ausbildung von Lehrämtern an berufsbildenden Schulen. Ich meine, zumindest dem Kultusminister müsste bekannt sein, dass die Fachleiter angekündigt haben, zum 1. Mai ihre Ämter niederzulegen, somit das 2. Staatsexamen gefährdet ist. Ich bin gespannt, wie die Landesregierung darauf reagiert.

Glauben Sie denn tatsächlich, dass alles, was ich gerade aufgezählt habe, keine Rolle spielt, wenn es um nachhaltige Entwicklungen in der Ausbildung geht? Ich glaube es nicht. Sie haben das Land in eine katastrophale Ausbildungssituation manövriert, an der wir noch alle zu knabbern haben, und halten einfach nur die Füße still. Das können wir nicht weiter hinnehmen. Die Fraktion der Linken im Bundestag hat Ende Januar eine Anhörung zur Umlagefinanzierung durchgeführt, weil wir davon überzeugt sind, dass der nationale Pakt für Ausbildung für gescheitert erklärt werden muss und das Berufsausbildungssicherungsgesetz damit eingesetzt wird. Die Anzuhörenden waren sich alle einig, dass eine Umlagefinanzierung zumindest das Problem der fehlenden Ausbildungsplätze lösen könnte. Wir haben breit eingeladen. Ich kann Ihnen gerne das Protokoll zur Verfügung stellen, Herr Grob. Was ich damit sagen will, wir gehen zumindest Wege, die Sie für sich schon lange abgelehnt haben. Vor diesem Hintergrund fordere ich Sie auf, endlich über ein Konzept zur Ausbildung in Thüringen nachzudenken und nicht immer nur das Instrument der Förderung als das einzig wahre Mittel zu sehen. Danke.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Es gibt eine weitere Redeanmeldung. Für die CDUFraktion der Abgeordnete Kretschmer.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich habe den Eindruck, dass durch die Rednerin und den Redner der Opposition der Aufruf des Ministers nach Sachlichkeit entweder gründlich missverstanden wurde oder absichtlich missachtet wurde. Bei Frau Kollegin Hennig hatte ich zeitweise den Eindruck, Sie haben die Rede vom vorigen Jahr gehabt oder überhaupt auf irgendetwas reagiert, was zumindest mein Kollege Grob überhaupt nicht gesagt hat. Er hat weder über Ihre Aktivitäten bei der Akquise von Ausbildungsplätzen gesprochen, schon gar nicht sie schlecht geredet. Er hat auch nicht darüber geredet, dass Sie nicht ausbilden. Er hat das auch nicht gewürdigt. Sie bilden aus, natürlich. Aber wissen Sie, was ich besonders ärgerlich finde - und ich meine, Frau Kollegin Holbe ist auch Frau genug, sich selber zu verteidigen -, aber das mit dem Genickbiss, das wird zwar von manchen hier belustigt zur Kenntnis genommen, aber ich bin ganz sicher, wenn ich es hier vielleicht zu einem Vertreter der PDS oder der SPD gesagt hätte, hätte ich einen Ordnungsruf bekommen. Wenn ich es gesagt hätte zu einer Frau, dann hätte ich mich noch zum Gleichstellungsausschuss bemühen müssen. Also ich finde das eine wirklich verdammte Situation, dass Sie hier das so machen.

(Beifall bei der CDU)

Sie haben mich schon erstaunt, Herr Kollege Höhn, dass Sie hier diesen Antrag unterschrieben haben. Ich war ja sehr gewiss, dass Herr Kollege Bausewein hier das Thema besetzen wird. Das ist so die Rollenverteilung; man weiß ja nun schon, wer zu welchen Dingen redet. Aber dass er hier zu dem Ausbildungsgipfel sprechen würde und wie, da war ich richtig darauf gespannt. Denn, Herr Kollege Bausewein, ich habe Sie gut im Ohr, wie Sie insbesondere mit Ihren Reden die Ergebnisse des Ausbildungspakts immer wieder diskreditiert haben, ihn letztendlich sogar in Frage gestellt haben. Das hat Herr Reinholz sehr schön gesagt: Jetzt die Kehrtwende der SPD, plötzlich Ausbildungspakt ist gut und dann an die Spitze der Bewegung sich zu setzen, indem man sagt, aber wir müssen ihn jetzt qualifizieren mit einem Ausbildungsgipfel. Also wissen Sie, reden wollen Sie - wir handeln gemeinsam mit den Akteuren des Ausbildungsmarkts. Wenn Sie Rituale beklagen, dann will ich deutlich sagen, wir kennen Ihre Rituale: Angst schüren, die Leute verunsichern und verunglimpfen. Erinnern Sie sich mal daran, jetzt nicht gerade Sie, aber von der PDS ist vor Jahren über die

Qualität der Ausbildung im Handwerk hergezogen worden, also gerade diese Punkte und Schwarzmalerei. Sie sagen, es gibt keine Aussicht - zumindest langfristig - auf eine Verbesserung der betrieblichen Ausbildungsplätze. Früher war Ihre Antwort die Ausbildungsumlage, Herr Kollege Grob hat es gesagt. Jetzt scheint Ihre neue Antwort zu sein: Gipfel. Gipfel ist also jetzt das, um betriebliche Ausbildungsplätze zu sichern. Wissen Sie, warum die betrieblichen Ausbildungsplätze auch in Thüringen, ja nicht nur in Thüringen, zurückgegangen sind? Ich will gar nicht wieder die schlechte wirtschaftliche Situation benennen, die von der Vorgängerregierung zurückgelassen wurde, aber eigentlich ist der Punkt, Herr Minister Reinholz hat es genannt, im Handwerk haben wir genau diese Entwicklung vorausgesagt. Ihr Angriff auf den Meisterstatus, der Meister ist der Ausbilder, Ihr Angriff Rotgrün, nicht Sie persönlich, sondern der alten Bundesregierung Rotgrün, Ihr Angriff auf den Meisterstatus bringt doch dieses Ergebnis, dass im Handwerk nicht mehr ausgebildet werden kann. Da können Sie sich doch jetzt nicht hinstellen mit Krokodilstränen und sagen, es sind weniger betriebliche Ausbildungsplätze.

(Zwischenruf Abg. Dr. Schubert, SPD: Frau Merkel hat es doch in der Hand.)

Ja, ja, das hat sie nicht alleine in der Hand. Ich bin ja froh, wenn ihr dann mitmacht in Berlin, nur, ich bin etwas verunsichert zunächst. Der zuständige Minister hat ja früher einmal geglänzt mit dem - da komme ich jetzt auf Ihre Beschimpfung der Unternehmer zurück - Begriff „Heuschrecken“. Sie setzen der Sache noch einen auf, das ist genau so intelligent, mit „Schmarotzer“ die Unternehmen zu beschimpfen.

(Zwischenruf Abg. Matschie, SPD: Er hat doch nicht die Unternehmer beschimpft, Herr Kretschmer!)

Ja wen denn sonst? Also, Herr Matschie, wenn Sie schon nicht zuhören, wenn Ihre Leute reden, dann kann ich Ihnen nur raten, lesen Sie wenigstens nach. Herr Kollege Bausewein hat sehr deutlich Unternehmen als „Schmarotzer“ beschimpft. Der kann sich vielleicht in der Wirtschaftswoche wieder finden. Ich schlage vor, dass wir vielleicht seine Rede auch an die Unternehmen schicken, das stärkt bestimmt seine Ambitionen bei der Kandidatur zum OB, wenn die Wirtschafter wissen, wie er über sie redet.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, ich will noch mal deutlich sagen: Der Weg, den die Landesregierung gemeinsam mit den Akteuren des Ausbildungsmarkts beschritten hat, ist in Ordnung. Ich erinnere an die Ausbildungsinitiativen und auch die Chancen, die

Ausbildungsverbünde beispielsweise schaffen. Das haben Sie immer wieder in den Skat gedrückt, auf Deutsch gesagt, das ist ja eine Antwort darauf, dass insbesondere Unternehmen, die nicht komplett die Ausbildung anbieten können, eben dennoch Ausbildungsplätze bereitstellen können. Ich denke und bin sicher, dieser Weg ist richtig, und würde mich sehr freuen - dazu bedarf es, wie gesagt, nicht des Entschließungsantrags der SPD -, wenn bei den Ausbildungsinitiativen am Ende auch dabei herausschaut, dass der Gewerkschaftsbund sich am Ausbildungspakt beteiligt. Ich lehne also nochmals für meine Fraktion den Entschließungsantrag ab.

(Beifall bei der CDU)

Für die Fraktion der Linkspartei.PDS hat sich Frau Abgeordnete Hennig noch einmal zu Wort gemeldet.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, ich will an dieser Stelle noch mal eindeutig klarstellen, dass ich Frau Abgeordnete Holbe nicht persönlich zu nahe treten wollte, sondern das symbolisch gemeint war. Ich bitte, wenn das falsch verstanden wurde, an dieser Stelle um Entschuldigung.

Wenn wir zu dem Punkt kommen „lesen“, Herr Kretschmer, sollten wir auch die Rede Ihres Kollegen Grob lesen, der uns durchaus angekreidet hat, dass wir selbst keine Eigeninitiative hätten, was die Beschaffung von Lehrstellen angeht.

(Zwischenruf Abg. Kretschmer, CDU: Ich, heute?)

Doch, gerade heute und eben. Und zum anderen muss ich mal dazu sagen, wir haben unterschiedliche Ansichten, was die Situation auf dem Ausbildungsmarkt angeht. Sie haben an der Stelle zu akzeptieren, dass wir die Opposition sind und nicht mit Ihnen das feiern, was wir nicht feiern können. Deswegen muss ich mich auch nicht vor dem Minister auf die Füße schmeißen und mich dafür bedanken, dass er seine Arbeit macht,

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

weil ich einfach denke, dass er die Verpflichtung gehabt hätte, uns selbst aus eigener Initiative zu unterrichten, wenn ihm das Thema wirklich am Herzen liegen würde. Danke.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

(Zwischenruf Abg. Köckert, CDU: Wir akzeptieren Ihre Oppositionsrolle!)

Mir liegen keine weiteren Redemeldungen seitens der Abgeordneten vor. Der Wirtschaftsminister Reinholz noch einmal.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist doch schon merkwürdig, dass in den Ländern, in denen SPD und Linkspartei.PDS Regierungsverantwortung tragen, alle, aber auch alle Kennziffern wesentlich schlechter sind als in Thüringen.

(Beifall bei der CDU)

(Unruhe bei der Linkspartei.PDS, SPD)

(Zwischenruf Abg. Matschie, SPD: Liefern Sie mal die Beweise.)

Vielleicht sollten SPD und Linkspartei.PDS erst einmal dort, wo sie in Verantwortung stehen, zeigen, was sie tatsächlich können. Dort ist das einfach Fehlanzeige. Gerade die Ausbildungssituation in Mecklenburg-Vorpommern und in Berlin ist die schlechteste Ausbildungssituation in ganz Deutschland, nicht nur in den neuen Bundesländern, in ganz Deutschland, die schlechteste Situation in Mecklenburg-Vorpommern und in Berlin.

(Beifall bei der CDU)

(Zwischenruf Abg. Matschie, SPD: Liefern Sie mal die Zahlen.)

Und Sie sollten vielleicht erst mal vor der eigenen Tür kehren und nicht als Lehrmeister für die Thüringer Landesregierung auftreten.

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Was wollten Sie nur damit sagen?)

Klug reden, wo Sie keine Verantwortung tragen, aber versagen, wo Sie regierend tätig sind, ich denke, das ist auch 2006 leider auf Landesebene noch Tatsache. Danke schön.

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Da fallen ja die Vögel vom Himmel.)

Ich denke, ich kann jetzt die Aussprache schließen. Kann ich davon ausgehen, dass das Berichtsersuchen erfüllt ist? Es erhebt sich kein Widerspruch dagegen. Damit ist das so festgestellt.

Nun kommen wir zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der SPD in Drucksache 4/1735. Es ist keine Ausschussüberweisung beantragt worden, so dass wir direkt über diesen abstimmen. Wer diesem Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Danke schön. Die Gegenstimmen bitte. Das ist eine Mehrheit von Gegenstimmen. Gibt es Stimmenthaltungen? Es gibt keine Stimmenthaltungen. Mit einer Mehrheit von Gegenstimmen ist dieser Entschließungsantrag abgelehnt worden. Ich schließe den Tagesordnungspunkt und komme zum Aufruf des Tagesordnungspunkts 7

Abberufung des Bürgerbeauf- tragten Dr. Karsten Wilsdorf gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 Thü- ringer Bürgerbeauftragtenge- setz (ThürBüG) Antrag der Fraktion der SPD - Drucksache 4/1654 -

Es ist nicht angezeigt worden, dass die SPD-Fraktion das Wort zur Begründung haben möchte. Dann kommen wir gleich zur Aussprache zu diesem Antrag und ich rufe als Ersten den Abgeordneten Heym, CDU-Fraktion, auf.