Protocol of the Session on January 27, 2006

Frau Präsidentin, meine Herren Kollegen, ich bin ja regelrecht aufgefordert worden, zwei, drei Fragen hier zu beantworten. Ich habe meiner Wortmeldung sozusagen Ausdruck verliehen innerlich in der Mitte des Beitrags von Herrn Carius und da hatte ich das Ende noch nicht wahrgenommen. Demzufolge erübrigt sich fast eine Debatte über die Frage, welcher der beiden Anträge nun wirklich die Landtage in die entsprechende Arbeit, in die entsprechende Diskussion des Föderalismus einbezieht. Ich gehe davon aus, dass wir hier unterschiedliche Blickwinkel, unterschiedliche Positionen haben. Ich habe vorhin in meinem Beitrag kundgetan, ich kann nicht entnehmen - und Sie haben es ja deutlich gesagt, Sie haben den Alternativantrag stellen müssen auf Grundlage unseres Antrags -, ich kann mir aber nicht vorstellen, wo in Ihrem Antrag, auch in Ihren Begründungen, die Sie hier gegeben haben, in Ihren Darstellungen, in Ihren Zielen, wo hier überhaupt der Landtag als ein Element der tragenden Säule in diesem bundesstaatlichen System eine Rolle spielt. Hier geht es meiner Meinung nach oder unserer Meinung nach auch darum, dass wir endlich an den Punkt kommen, wo nicht nur die Arbeit eines Tages beginnt, Kollege Höhn, wenn die Gesetze von oben kommen oder die Verantwortung von oben kommt, sondern wir wollen vorher darüber reden, welche Verantwortung runterkommt und wo im Grunde genommen Thüringen und das Thüringer Parlament mitreden kann.

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Jederzeit.)

Ja, wo können wir das in diesem Diskussionsprozess? Erzählen Sie mir an dieser Stelle, wo wir in diesem Diskussionsprozess, den Sie sehr straff hier dargestellt haben, wo wir uns als Thüringer Parlament dort einbringen können. Das ist meiner Meinung

nach nicht möglich. Herr Carius, natürlich - Moment, wo ist er hin, da rüber sind Sie gewechselt, danke -, ich gebe Ihnen ja Recht, vielleicht war es nicht eine Sternstunde in der Formulierung des Punkts 3, den wir dort vorgenommen haben. Es ist Ihnen auch gelungen, da die Kritik zu finden. Aber dennoch will ich durchaus an der Position stehen bleiben, dass ich sage, wir haben mit diesem Punkt 3 die Möglichkeit überhaupt oder hätten die Möglichkeit, hier im Thüringer Landtag in den entsprechenden Fachausschüssen einzelne Positionen, die oben bei der Entscheidung eine Rolle spielen werden auf Bundesebene, zu diskutieren und Positionen festzumachen. Wo ist denn nun die Entwicklung, die in Föderalismusdiskussionen angesprochen wird, die Stärkung der Parlamente. Selbst Sie haben hier in Ihrer Begründung eben immer wieder das Wort des Exekutivföderalismus in den Mund genommen. Ich glaube, hier wollen wir doch auch einen Schritt weiterkommen. Hier sollten wir einen Schritt weiterkommen. Deshalb glaube ich, wir haben hier unterschiedliche Auffassungen und wir haben unterschiedliche Positionen, wie Landesparlamente hier einwirken sollen und meine Antwort und unsere Positionen haben Sie und damit müssen Sie umgehen und damit müssen wir umgehen. Danke.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Bitte, Herr Abgeordneter Kuschel.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich will auf einen speziellen Punkt eingehen, der sich in beiden Anträgen widerspiegelt, sowohl in unserem Antrag als auch im Alternativantrag, und zwar sind das die Auswirkungen auf die Kommunen. Das wird Sie sicherlich nicht überraschen, dass ich mich dazu noch einmal äußere. Aber zunächst, glaube ich, machen sich noch einige Anmerkungen zu dem notwendig, was hier Herr Höhn formuliert hat, wenn er dann der Debatte noch folgt, was wahrscheinlich nicht der Fall ist. Herr Höhn, Sie haben formuliert oder haben von Erahnungen gesprochen hinsichtlich unseres Punkts 2, haben aber das nicht näher erläutert. Es wäre sehr nett, wenn Sie uns mal darlegen, welche Ahnungen Sie denn haben, was wir mit unserem Antrag beabsichtigen, weil wir nur dann in die Sachdebatte einsteigen können. Ich glaube, der Prozess der Diskussion, auch der fortschreitenden Diskussion, ist noch kein Wert an sich, wenn bestimmte Grundprämissen und Forderungen, die wir an diese Diskussion stellen, nicht einmal ansatzweise sich im gegenwärtigen Zwischenergebnis der Diskussion widerspiegeln. Und ein Ergebnis ist eben, dass zwar die Rechte des Bundesrates gestärkt werden

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Das mei- nen Sie aber jetzt nicht ernst.)

- doch -, dass die Wirkungen oder die Mitwirkung des Bundesrates gestärkt werden soll, aber im Bundesrat haben wir als Landesparlament kein Mitspracherecht, sondern nur die Landesregierung entscheidet, und das ist der qualitative Unterschied, den wir wollen.

Meine Damen und Herren, Herr Carius hat gesagt, Mindeststandards und Entscheidungsspielräume stehen sich antagonistisch gegenüber und würden miteinander in Konkurrenz stehen, würden sich widersprechen. Wenn wir einmal Mindeststandards fordern und gleichzeitig sagen, wir wollen ein hohes Ermessen für die Akteure - haben Sie ja zum Beispiel in Bezug auf die Kommunen formuliert - oder auch die Länder, wenn wir sagen, wenn die Rahmengesetzgebung entfällt, dass wir dann Mindeststandards führen, ich glaube, schon das Grundgesetz und auch die Thüringer Verfassung fordern von uns als Gesetzgeber, beim Bund vom Bundesgesetzgeber, dass wir auf Mindeststandards in dieser Gesellschaft nicht verzichten können. Eine Gesellschaft, die sich am Grundzug der Solidarität orientiert, braucht diese Mindeststandards und gleichwertige Lebensverhältnisse. Wie wollen wir die sonst erreichen, wenn wir nicht zumindest Mindeststandards formulieren? Ich habe bisher nicht festgestellt, dass Mindeststandards dazu führen, dass es überhaupt keine differenzierte Politikgestaltung mehr gibt. Das merken wir hier in Thüringen genau. Wir haben in der Kommunalordnung eine Vielzahl von Mindeststandards festgeschrieben und trotzdem ist das kommunale Leben derart vielfältig und hindert nicht daran, dass die Kommunen selbst gestalten können, und genauso kann das auf Landes- und Bundesebene realisiert werden. Also, wir meinen, es ist Verfassungsauftrag, Mindeststandards in den gesellschaftlichen Bereichen festzulegen, weil sonst eine auf Solidarität gestaltete Gesellschaft sich nicht verwirklichen lässt, außer Sie formulieren, Sie wollen überhaupt keinen Ansatz mehr von Solidarität oder sozialer Gerechtigkeit, dann hätten Sie Recht, dann können wir auf jegliche Mindeststandards verzichten.

Meine Damen und Herren, ich hatte gesagt, ich wollte noch einmal auf beide Anträge eingehen in Bezug auf die Kommunen. Ich darf noch einmal zitieren, dass wir in unserem Antrag fordern, und zwar in Punkt 2c): Mit der Föderalismusreform wird eine Stärkung der Städte, Gemeinden und Kreise angestrebt, wobei zielgerichtet eine notwendige Kommunalfinanzreform als Voraussetzung gegenwärtiger und zukünftiger Handlungsspielräume der Kommunen unbedingt mit einzuschließen ist. Dabei bildet das Konnexitätsprinzip einen Eckpunkt der Finanz

beziehungen von Bund, Ländern und Kommunen. Sie als CDU haben in Ihrem so genannten Alternativantrag, den ich nicht als Alternativantrag bewerte, aber Sie haben ihn so benannt, in Ihrem Punkt 2 c formuliert: „etwaige Auswirkungen der Föderalismusdiskussion auf die Beziehungen zwischen Land und seinen Kommunen in enger Abstimmung mit den kommunalen Spitzenverbänden zu regeln.“ Also man braucht nur der deutschen Sprache mächtig zu sein, um die qualitativen Unterschiede entsprechend festzustellen. Sie wollen irgendwelche Auswirkungen, dass die mit den Spitzenverbänden dann letztlich in Abstimmung geregelt werden. Sie geben aber keinerlei Zielrichtung vor, was wollen wir denn in den Finanzbeziehungen zwischen Bund, Ländern und Kommunen ändern. Also es ist kein Wert an sich, was Sie formulieren, man kann auch ein grottenschlechtes Ergebnis letztlich mit den kommunalen Spitzenverbänden abstimmen, wo die Kommunen weiterhin benachteiligt werden. Wir geben eine zentrale Zielstellung vor, nämlich Stärkung der kommunalen Ebene, und hier hatten Sie sich auch dazu geäußert, Herr Carius, dass Sie gesagt haben, Sie sehen keinen Zusammenhang zwischen der Forderung nach Konnexitäts- und Gemeindefinanzreform. Offenbar haben Sie bisher nicht zur Kenntnis genommen, dass der Bund in den letzten zwei Jahren einen Tabubruch vollzogen hat, zum Beispiel im Zusammenhang mit der Grundsicherung. Zum ersten Mal hat der Bund unmittelbar auf die Kommunen durchgegriffen und hat eine Aufgabe übertragen, ohne die Finanzen zu regeln. Die Länder haben zugestimmt, weil natürlich auch Thüringen dadurch fein raus war, die Grundsicherung mit zu finanzieren. Und nicht umsonst klagt der Deutsche Landkreistag dagegen vor dem Bundesverfassungsgericht, weil er sagt, dieser Durchgriff darf nicht sein. Das Konnexitätsprinzip ist ein hohes Gut und hat natürlich unmittelbare Auswirkungen auch auf die Kommunalfinanzen. Deshalb ist es für uns eine zentrale Forderung, dass das Konnexitätsprinzip sowohl im Grundgesetz als auch in der Landesverfassung Thüringen, wo es nur einfachgesetzlich oder einfach geregelt ist, nicht zwingend geregelt ist, dass das dort seinen Niederschlag findet.

Wir sind uns der Kompliziertheit dieser Diskussionsprozesse bewusst, weil bedauerlicherweise in der Föderalismusdiskussion die Interessen der Kommunen durch die Länder mit vertreten werden. Dort haben wir nicht das Gefühl, dass bei dieser Landesregierung die Interessen der Thüringer Kommunen gut aufgehoben sind,

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

(Unruhe bei der CDU)

sondern im Zweifelsfall wird diese Thüringer Landesregierung zunächst an das Land und an den katastrophalen Haushalt, für den Sie die Verantwortung tragen, denken, und nur wenn was übrig ist, können die Kommunen mal darauf hoffen, dass auch ihre Rechte mit gestärkt werden. Das ist kompliziert. Übrigens, beim Lübecker Konvent, weil Sie darauf verwiesen haben, dass die jetzige Fraktionsvorsitzende diesen Prozess mit angeschoben hat, gab es zwei, die nicht mit am Verhandlungstisch saßen, die draußen vor der Tür saßen, das waren die Linkspartei.PDS und die kommunalen Spitzenverbände. Also bei der Linkspartei.PDS kann ich ja immer noch sagen, okay, obwohl wir an zwei Landesregierungen mit beteiligt sind, aber dass Sie sich überhaupt wagen, die kommunalen Spitzenverbände vor der Tür zu lassen, und dann darüber reden, dass angeblich die kommunalen Interessen mit berücksichtigt sind, das ist schon ein starkes Stück.

(Zwischenruf Abg. von der Krone, CDU: Das kann man ja nicht mehr anhören.)

Deshalb fordern wir, dass die Kommunen bei der Föderalismusdiskussion enger mit beteiligt werden. Das geht in diesem Hause los und da reicht es nicht, kommunale Spitzenverbände zu informieren und dann zu sagen, das Ergebnis wird dann im Gespräch in Abstimmung mit den kommunalen Spitzenverbänden geregelt. Das ist Ihr Antrag, den können Sie sich ersparen.

Wir glauben, die Kommunen brauchen eine stärkere Stellung im föderalen System, weil das diese Gesellschaft tatsächlich verändern würde, das würde die Gesellschaft verändern. Dabei haben wir vier Säulen: Zunächst muss der Rechtsrahmen für die Kommunen verbessert werden. Dazu gehört das Konnexitätsprinzip, dazu gehört die verbindliche Beteiligung der Kommunen am Gesetzgebungsverfahren. Da können wir auch hier Vorbildwirkung haben, indem wir aufhören, formale schriftliche Anhörungen der kommunalen Spitzenverbände zu machen. Das Papier lochen Sie nicht mal, Sie schmeißen es gleich weg. Also verbindliche Mitwirkung der Kommunen am Gesetzgebungsverfahren nicht nur auf Landesebene, auch auf Bundesebene.

Zweitens: Reform der Kommunalverfassung will ich hier nicht weiter ausführen, weil wir darüber schon mehrfach diskutiert haben. Sicherung der wirtschaftlichen Betätigung der Kommunen, das muss gesichert werden, insbesondere rechtlich. Und letztens muss Vorsorge getroffen werden, dass das kommunale Eigentum weitestgehend erhalten bleibt. Nur wenn diese vier Säulen verwirklicht werden, auch im Rahmen der Föderalismusdiskussion, kann die Stellung der Kommunen im föderalen System letztlich gestaltet werden. Dort zeigt unser Antrag eine kon

krete Zielrichtung, während Sie nur darauf verweisen, dass Sie ein Ergebnis, egal wie es ausfällt, einfach mal mit den kommunalen Spitzenverbänden bereden wollen. Damit stehen Sie natürlich in Kontinuität Ihrer Politik, wir in unserer Kontinuität und dann werden wir mal sehen, wie die Diskussion weiter verläuft und wie die kommunalen Spitzenverbände sich letztlich äußern. Dass es da eine hohe Übereinstimmung zwischen den Forderungen der kommunalen Spitzenverbände und der Linkspartei.PDS gibt, das können Sie ja uns nicht zum Vorwurf machen,

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

denn wir beherrschen die kommunalen Spitzenverbände nicht, sondern Sie sollten nachdenken, wie Sie deren Interessen tatsächlich heute noch vertreten. Danke.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit schließe ich die Aussprache und wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der Linkspartei.PDS in Drucksache 4/1580. Es ist Ausschussüberweisung beantragt worden, und zwar die Überweisung an den Ausschuss für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten. Ich lasse also als Erstes über diese Überweisung abstimmen. Wer ist für die Überweisung des Antrags an den Ausschuss für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten, den bitte ich um das Handzeichen? Danke. Wer ist gegen diese Überweisung, den bitte ich um das Handzeichen? Danke. Wer enthält sich der Stimme? Bei einigen Stimmenthaltungen ist die Überweisung abgelehnt.

Damit stimmen wir direkt über den Antrag der Fraktion der Linkspartei.PDS in Drucksache 4/1580 ab. Wer ist für diesen Antrag, den bitte ich um das Handzeichen? Danke. Wer ist gegen diesen Antrag? Danke. Wer enthält sich der Stimme? Keine Stimmenthaltungen. Damit ist dieser Antrag mit großer Mehrheit abgelehnt worden.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Alternativantrag der Fraktion der CDU in Drucksache 4/1616. Auch hier ist beantragt worden, den Antrag an den Ausschuss für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten zu überweisen. Wir stimmen zuerst über die Ausschussüberweisung ab. Wer für die Überweisung dieses Antrags an den Ausschuss ist, den bitte ich um das Handzeichen. Danke. Wer ist gegen diese Überweisung? Danke. Wer enthält sich der Stimme? Bei einigen Stimmenthaltungen ist die Überweisung an den Ausschuss abgelehnt.

Wir stimmen jetzt direkt über den Alternativantrag der Fraktion der CDU in Drucksache 4/1616 ab. Wer ist für diesen Alternativantrag, den bitte ich um das Handzeichen? Danke. Wer ist gegen diesen Alternativantrag? Wer enthält sich der Stimme? Bei 1 Stimmenthaltung ist dieser Antrag der Fraktion der CDU angenommen. Ich schließe diesen Tagesordnungspunkt.

Mir ist von den Fraktionen signalisiert worden, dass heute einvernehmlich kein weiterer Tagesordnungspunkt aufgerufen wird. Damit schließe ich die heutige Sitzung.

Die nächsten Plenarsitzungen finden am 2. und 3. März 2006 statt. Ich wünsche Ihnen einen guten Nachhauseweg und ein schönes Wochenende.

E n d e d e r S i t z u n g: 17.39 Uhr