Protocol of the Session on December 21, 2005

Dritte Spätzündung: Sie vernachlässigen die soziale Situation von Familien. An Ganztagsschulen gehört ein gesundes und warmes Mittagessen zum Konzept. Die Bereitstellung einer bezahlbaren und gesunden Schulspeisung ist nicht nur eine bildungspolitische, sondern auch eine gesundheitspolitische Aufgabe. Angesichts der besorgniserregenden Tendenzen hinsichtlich der Schülergesundheit - Thüringen hat im

übrigen den bundesweit höchsten Anteil an übergewichtigen Kindern - halten wir Kampagnen allein wie die bewegungsfreundlichste Schule und andere Absichtserklärungen für nicht wirklich zielführend. Laut einem Presseartikel der TLZ vom 12.12.05 gar ist jeder dritte Tafel- oder Suppenküchenbesucher in Thüringen ein Kind. In Weimar versorgt das DRK seit Schuljahresbeginn bedürftige Kinder mit Pausenbroten. Immer mehr Familien können offensichtlich ihren Kindern aus eigener Kraft selbst die Grundernährung nicht mehr gewährleisten. Das Gerede von Elternverantwortung erscheint vor diesem Hintergrund einfach verantwortungslos. Genauso verantwortungslos ist es, dies als Landesregierung widerspruchslos hinzunehmen. Unsere Fraktion beantragt die Wiedereinführung des Zuschusses für die Schulspeisung von jährlich 2,6 Mio. €.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Auch das Dauerproblem der Schulsozialarbeit, besonders in den berufsbildenden Schulen, wird sich angesichts der Mittelzusammenlegung und -reduktion noch weiter verschärfen. Herr Emde, Sie haben es bei der Veranstaltung in Zeulenroda doch selbst mitbekommen, aber Ihre Antwort war offensichtlich laut Presse nicht schlüssig. In vielen Schulen hat man den aussichtslosen Kampf offensichtlich bereits aufgegeben. Ich nenne nur das Berufsbildende Zentrum in Jena-Göschwitz exemplarisch. An anderen Schulen wird versucht, die Schulsozialarbeiterstelle zu streichen mit der Begründung, man habe dort ja gar keine sozialen Probleme. Da werden nun wirklich Ursache und Wirkung verwechselt. Insgesamt sind 50 Sozialpädagogen an Berufsschulen in Thüringen tätig, der Hauptschwerpunkt ihrer Arbeit ist die Betreuung sozial benachteiligter und auffälliger Schüler der BVJ- und BFS-Klassen. Das sind Schüler mit sehr geringen Integrationsperspektiven, geringer Schulbildung, oft Schulabbrecher und massiven Verhaltensauffälligkeiten, die häufig einen normalen Unterricht unmöglich machen. Wer der Sozialpädagogik an Berufsschulen die Finanzierungsgrundlage zu entziehen versucht oder die Verantwortung auf die Kommunen abwälzt, sollte selbst einmal als Lehrer in BVJ-Klassen unterrichten. Uns fehlen ja bekanntlich die Lehrer, auch Seiteneinsteiger. Ich bin sicher, dass Sie dann die Notwendigkeit dieser wichtigen unterstützenden Arbeit an den Berufsschulen am eigenen Leib verspüren würden. Nur anmerken möchte ich, dass nicht nur Kinder so genannter bildungsferner Schichten Erziehungsdefizite haben können, wie ja nun auch in diesem Hause bekannt sein dürfte.

In einem weiteren Antrag fordert unsere Fraktion die Wiedereinführung der tatsächlichen Lernmittelfreiheit. Aufwand und Nutzen dieser Geldeinsammelaktion stehen in keinem Verhältnis. Der Ansatz

von jährlich 4,5 Mio. € ist viel zu gering; bereits in diesem Jahr waren zusätzliche 1,3 Mio. € nötig. Offensichtlich gibt es doch wesentlich mehr Familien, die auf die Förderung aus öffentlichen Haushalten angewiesen sind und somit laut Lernmittelordnung keine Lernmittelgebühr entrichten müssen. Unserer Fraktion sind es jedenfalls Mehrausgaben von 2,5 Mio. € wert.

Vierte Spätzündung: Sie vernachlässigen sträflichst die Personalentwicklung an den Thüringer Schulen. In den nächsten zwei Jahren will das Land allein 33,8 Mio. € durch den Personalabbau an den Schulen einsparen. Das geschieht trotz Personalmangel an den Förderschulen und an den Berufsschulen. Fakt aber ist, mit einem Durchschnittsalter von 47,8 Jahren und bei Grundschullehrern gar 49,1 Jahren hat Thüringen im europäischen Vergleich eine der höchsten Altersstrukturen. Also einmal praktisch anschaulich: Selbst wenn 2010 alle noch jetzt im Dienst befindlichen Grundschullehrer voll arbeiten würden, dann sind das 3.100 Personen. Sie selbst haben einen Bedarf von 5.500 Personen ausgemacht. Das heißt, wir müssten jährlich 480 Stellen jetzt schon einstellen, um diesen zukünftigen Lehrerbedarf an Grundschulen tatsächlich absichern zu können;

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

aber im Plan sind nur 243. Das ist nicht ausreichend. Noch gravierender zeigt es sich an der Ausbildungsplatzhöchstzahl in den Thüringer Studienseminaren von 81 Grundschullehrern und 157 über alle Schularten. Das ist angesichts des in Kürze zu erwartenden Bedarfs geradezu lächerlich. Wir haben eine Wartefrist von drei bis vier Jahren. Das provoziert direkt die weitere Abwanderung. Ich hoffe auf Ihre Zustimmung zu unserem Entschließungsantrag.

Zu den Entschließungsanträgen der CDU möchte ich nur Folgendes anmerken: Zu dem Punkt 8 wird meine Kollegin Skibbe noch reden. Verhindern Sie heute die Änderung des Schulgesetzes in freier Trägerschaft, solange das Gutachten nicht vorliegt.

Zum Punkt 9 Ihres Entschließungsantrags - die Absicht der Privatisierung wird mit uns nicht zu machen sein. Und zu Punkt 10 und 11 - der Pilotversuch erscheint vernünftig, macht jedoch die Schulämter oder, soll ich sagen, die Statistikämter zukünftig überflüssig. Ich kann nur sagen, bei uns steht schon im Landtagswahlprogramm: Zusammenlegung von Schulämtern und Schulverwaltungsämtern.

Zur fünften und vorläufig letzten Spätzündung: Sie greifen per Haushaltsbegleitgesetz massiv in die Bildungslandschaft ein. Herr Mohring, wenn es Ihnen heute langweilig ist, dann kann ich nur sagen, mir

war es im Bildungsausschuss langweilig. Ich hätte Artikel 11 und Artikel 13 gerne dort beraten, denn dort gehören die Gesetze hin und dort hätte man Anhörungsmöglichkeiten gehabt. Man hätte dann ganz qualifiziert darüber entscheiden können. Sie scheuen die Auseinandersetzung im Bildungsschuss und Sie kastrieren das beratende Erwachsenenbildungskuratorium sogar noch so, dass keine kritischen Stimmen mehr die Öffentlichkeit erreichen. Leises Sterben auf der einen Seite und vollmundige Sonntagsreden auf der anderen Seite. Es gäbe noch sehr viel mehr zu sagen. Meine Kolleginnen und Kollegen werden sich noch zu Wort melden und wir werden auch im Ausschuss nicht locker lassen.

Ganz zuletzt erinnere ich noch an folgende geschichtliche Begebenheit, gedacht für die Finanzpolitiker, Herr Mohring, eigentlich für Sie: Als der dänische Staat im Jahr 1813 nach dem Krieg mit England bankrott ging, wurden die Ausgaben für Bildung erhöht. Auf den Protest des Finanzministers antwortete der damalige König Christian der VIII: „Arm und elend sind wir; wenn wir jetzt auch noch dumm werden, können wir aufhören, ein Staat zu sein.“ Danke.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Das Wort hat der Abgeordnete Emde, CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, ich will gleich etwas sagen zu den Haushaltszahlen im Verhältnis in den verschiedenen Jahren und im Verhältnis zum Gesamthaushalt. Dort muss man sagen, der Einzelplan 04 hat im Jahr 2004 Ausgaben von 1,95 Mrd. €, in diesem Jahr 1,78 Mrd. €, im Jahr 2006 2 Mrd. € und im Jahr 2007 1,97 Mrd. €. Wenn man diese Gesamtzahlen sieht, dann, glaube ich, wird doch deutlich, dass die hier so dramatisch dargestellten Kürzungen, die zu einer angeblichen Bildungskatastrophe in Thüringen führen, so gar nicht gegeben sind und überhaupt gar nicht stattfinden. Natürlich muss man dann in einzelne Haushaltspläne oder in einzelne Haushaltstitel hineingehen. Dazu werde ich später noch etwas sagen. Auch bei den Stellen, bei den vorgesehenen Stellen wird ja hier der Untergang nicht erst seit heute propagiert. Für die Grundschulen ist zu sagen, dass im Grundschulbereich Personal aufgestockt wird. Wir haben im Jahr 2005 3.900 Stellen und im Jahr 2007 sind es dann 4.100 Stellen. Für die anderen Schularten bleiben ja die Personalzahlen laut Plan ungefähr gleich. Aber das Problem des Nichtbesetzens einiger Stellen, insbesondere an den berufsbildenden Schulen, an den Förderschulen, aber auch in einigen Schulfächern. lösen wir nicht dadurch, dass wir

schreien, es sind keine Lehrer da, sondern man muss sich bemühen, junge Menschen für diesen Berufszweig zu gewinnen. Sie wissen genau, dass wir hier ein Problem haben in ganz Deutschland und wir uns in diesem Reigen befinden. Da brauchen wir intelligente Lösungen. Aber allein das Meckern über die Situation bringt nichts. Wir gewinnen Lehrernachwuchs. 680 Stellen sind im Plan über all die Jahre immer wieder freigehalten. In diesem Jahr sind ca. 500 Stellen besetzt worden. Auch dort wird deutlich, wir haben den Einstellungskorridor, um junge Leute nachzuholen, aber wir können nicht alle Stellen fach- und sachgerecht besetzen.

Ich will auf den Punkt Schuljugendarbeit eingehen, um ein paar Punkte zu streifen, die hier kritisch gesagt wurden. Natürlich wurde gekürzt. Jetzt werden die Mittel auf der Höhe festgeschrieben, wie sie im Jahr 2005 ausgegeben wurden. Frau Reimann, Sie haben jetzt mal 100 € pro Schule und Woche gerechnet. Ich weiß jetzt nicht, ob die Zahl stimmt, ich habe es jetzt nicht ausgerechnet, aber ich nehme die Zahl einfach mal. Das würde dann heißen, das sind 20 Stunden, wenn ich mit 5 € vergüte. Dann sind das vier Stunden pro Tag. Wenn ich meinen Sportverein nehme, dann verdoppelt sich das, weil wir Trainingseinheiten machen, dann sind das acht Stunden pro Tag. Das müssen Sie an einer Schule erst mal alles organisieren, so viel Zeit haben Sie gar nicht. Ich will damit sagen, man kann eine ganze Menge mit dem Geld machen, was jetzt vorhanden ist. Ich gehe davon aus, dass dies auch so stattfinden wird.

Herr Döring sprach von Steinbrüchen in der Bildungspolitik und nannte zuerst den Bereich der Erwachsenenbildung. Nun war es sicherlich nicht schön, dass vom letzten Jahr auf dieses Jahr dort gekürzt wurde.

(Zwischenruf Abg. Döring, SPD: Halbiert!)

Das hat auch zu hohen Anstrengungen bei den Trägern geführt. Man muss aber auch sagen, es ist kein Steinbruch, in dem alles zusammengebrochen ist. Die Mittel werden nun auf der Höhe von 2005 fortgeschrieben. Ich denke, die Träger können damit leben. Es war wichtig, dass wir mit den Änderungen des Erwachsenenbildungsgesetzes jetzt eine gewisse Sicherheit festgeschrieben haben.

Zum Gesetz über die Schulen in freier Trägerschaft - ein wichtiger Punkt in der Auseinandersetzung jetzt: Meine Fraktion hat im Laufe der Beratungszeit auch intern eine Gesprächsrunde - ich will nicht sagen Anhörung, aber Gesprächsrunde - mit freien Trägern durchgeführt, wo wir mal in die Tiefe gegangen sind. Ein Ergebnis sehen Sie auch in den Änderungsanträgen, die wir zum Gesetz vorgelegt haben. Wir möchten, dass die Schulen in freier Trägerschaft möglichst frei in ihren Entscheidungen sind und dass

wir von staatlicher Seite möglichst wenig dort regulierend eingreifen. Wir müssen dort die Qualität sichern, das ist klar, aber das heißt nicht, dass man die Schulen in freier Trägerschaft am Gängelband führen muss. Aber eins ist doch klar - Herr Döring, ich komme gleich noch mal zu dem, was Sie vor vielen Jahren hier schon einmal gesagt haben -, die Schulen in freier Trägerschaft sind von einer CDU-geführten Landesregierung immer gewollt worden. Es ist unterstützt worden, dass diese Schulen entstehen. Wenn man sich die Zahlen so anschaut,

(Zwischenruf Abg. Künast, SPD: Da müssen Sie sie aber auch bezahlen!)

dann war es im Jahr 2004 so, dass 4,2 Prozent Schüler eine Schule in freier Trägerschaft besuchten. Im Bundesdurchschnitt war das mehr, aber im Schnitt der neuen Länder lag man nur bei 3,6 Prozent. Dort sieht man schon, dass wir den Aufbauprozess so gefördert und begleitet haben, dass mehr Schulen entstanden sind. Mittlerweile gelten diese 4,2 Prozent ganz sicher nicht mehr, weil natürlich die Schulen weiterhin aufwachsen, auch einige Schulen jetzt noch hinzugekommen sind. Insofern liegen wir jetzt ungefähr auf dem Schnitt bundesweit. Das ist auch gewollt. Man sieht es auch in den Zahlen des Haushalts. Trotz Kürzungen gehen die Ausgaben leicht nach oben.

Jetzt noch mal zu Herrn Döring: Das war ja vorhin recht lustig, dass Wolfgang Fiedler diesen Namen prägte, der vergleicht ja dann mit dem Igel. Mal gespannt, was Wolfgang Fiedler sich für mich einfallen lässt, das wird mit dem Igel wohl nichts mehr werden. Aber der Igel ist ja ein schlaues Tier, nicht wahr, der ist trotz kurzer Beine vor dem Hasen da gewesen. Herr Döring hat 1994 in der Beratung des Landtags, als wir über das Gesetz über Schulen in freier Trägerschaft sprachen, schon gesagt: „Die Schulen in freier Trägerschaft werden den Freistaat Thüringen so teuer zu stehen kommen. Durch undifferenzierte finanzielle Förderung kommt er - der Gesetzentwurf - den Freistaat teuer zu stehen, deshalb lehnen wir den Gesetzentwurf ab.“ Damals „undifferenzierte finanzielle Förderung“ - also hat Herr Döring ja damals schon in die Ferne geblickt und hat das richtig erkannt. Nur, Herr Döring, dann müssten Sie ja heute das Gesetz so annehmen, wie es jetzt ist, und könnten nicht Ihren Antrag, den der SPD-Fraktion, verfolgen, das Gesetz soll beim Alten bleiben. Das passt jetzt irgendwie nicht so richtig zusammen. Da kann ich Sie nur noch mal an Ihre Worte von damals erinnern. Nun ist es sicherlich so, dass wir eine Entscheidung treffen müssen und in den nächsten beiden Jahren hier Kürzungen vornehmen, bis wir dann eine Studie vorliegen haben, die uns die Förderung analog oder vergleichbar an den Kosten für staatliche Schüler ausrichten lässt. Da kann man

sagen, den Schritt hätten wir vielleicht auch schon eher gehen können. Wichtig ist, dass wir das jetzt tun und dass das gemeinsam mit den freien Trägern gemacht wird, damit nicht am Ende zwei Gutachten da sind und wir uns streiten. Aber wenn man sich mal das Niveau der jetzt vorgesehenen Förderung für die nächsten beiden Jahre anschaut und es mit anderen Bundesländern vergleicht und schaut auch mal in die Steinbeißgutachten hinein, die es für einige Bundesländer gibt, dann wird man feststellen, dass wir mit unseren Förderhöhen gar nicht so schlecht dastehen. Deswegen ist es wichtig, dass man den freien Trägern jetzt in dieser Übergangszeit auch Spielräume eröffnet, indem man zum Beispiel die Überweisungen der Gelder frühzeitig vornimmt, damit sie Spielraum haben. Wir haben auch einen Antrag eingebracht, wo das Kultusministerium noch mal helfen kann, wenn ein Träger wirklich in nachgewiesene Schwierigkeiten kommt. Insofern, denke ich, werden die freien Träger mit den Neuregelungen klarkommen, da bin ich mir auch ganz sicher.

Ich will abschließend noch sagen, Frau Reimann, Sie haben das ja eingangs erwähnt: Bildung ist eine Investition in die Zukunft. Ich denke, das unterstreichen wir alle, das ist auch allen klar. Bei der Interpretation sieht es dann immer etwas unterschiedlich aus. Aber wenn Sie die Gesamthaushaltszahl nehmen, dann muss man doch sagen, die CDU-geführte Landesregierung räumt der Bildung auch weiterhin hohe Priorität ein, denn die Ausgaben liegen bei über einem Fünftel des Haushalts insgesamt. Und die CDU-Fraktion setzt dann noch einen obendrauf, nicht, indem wir irgendwo neue Einnahmen generiert haben, sondern indem wir sagen, wir wollen hier neue Wege gehen. Das Personalbudget für Schulen, wo es neben Stellenzuweisungen auch mal Geld geben kann und hier auch Modellversuche, das ist ein moderner Weg, genauso wie die Übertragung von Grundschulen in kommunale Hand, was man ja gemeinsam durch die Initiative des Landkreistags in der nächsten Zeit beschreiten will, ist mit Sicherheit ein innovativer Weg und wird uns bei der Weiterentwicklung von Schulqualität, was der zentrale Punkt ist in dieser Legislaturperiode, weiterbringen. Insofern bin ich optimistisch, dass die Thüringer Schule auch weiterhin eine gute Schule bleibt mit diesem Haushaltsplan.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat die Abgeordnete Skibbe, Linkspartei.PDS.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, die Gesetzesänderungen für Schulen in freier Trägerschaft gewannen dennoch, trotz Ihrer Anhörungen in den letzten Wochen und Monaten, zunehmend an Brisanz. Täglich lesen wir in der Presse davon. Elterninitiativen, Lehrerinnen und Lehrer, Schülerinnen und Schüler dieser Schulen, aber auch ihre Träger formulierten ihre Befürchtungen und Proteste gegen dieses Gesetz. Sogar die Kirchen laufen Sturm dagegen an. Mir unverständlich sind die Verwirrung stiftenden Zahlenspielereien des Kultusministers, der auf seiner Internetseite die durchschnittlichen Kosten eines Schülers von staatlichen und freien Schulen miteinander vergleicht. Aber dieser Vergleich hinkt, denn der Anteil an Förderschulen in freier Trägerschaft ist überproportional hoch. Der Abgeordnete Döring sprach vorhin schon davon. Förderschulen sind nun einmal wesentlich teurer als andere Schularten. Vielleicht war das ja auch gerade der Grund dafür, warum das Land so viele Förderschulen in freie Trägerschaft überführte. Aus einer Anfrage der Abgeordneten Dr. Krause und Panse geht hervor, dass schulartspezifisch gar keine Angaben zu diesen Aufwendungen für Schüler an allgemein bildenden Schulen in Thüringen für das Jahr 2004 vorliegen. Ein Gutachten mit derartigen Zahlen - Sie sprachen es vorhin an - soll wohl noch erstellt werden und - so lautet die Antwort aus dem Kultusministerium - der Vorbereitung für eine Gesetzesneuregelung dienen. Der eigenen Logik widersprechend, liegen nun die Gesetzesänderungen ohne Vergleichsdaten auf dem Tisch.

Ein weiterer Kritikpunkt unserer Fraktion ist, dass so eine wichtige Gesetzesnovelle am Fachausschuss vorbei den Landtag passieren kann. Dennoch werden für Schulen in freier Trägerschaft die Mittel in den nächsten beiden Haushaltsjahren gekürzt. Das ist so nicht hinnehmbar, verstößt gerade dieses Vorgehen gegen das Gleichheitsprinzip und stellt die Schulen selbst und ihre Schülerinnen und Schüler an freien Schulen schlechter, da der Zugang zu diesen weiter erschwert wird.

(Beifall bei der SPD)

Hier meine ich auch die Landeszuschüsse pro Schule. Sie hatten ja vorhin angesprochen, Herr Abgeordneter Emde, dass es in Thüringen auch mehr Schulen, mehr Ausbildungsrichtungen gibt.

In der vergangenen Woche besuchten Schülerinnen und Schüler der freien Regelschule Reudnitz aus dem Landkreis Greiz den Thüringer Landtag. Sie sind äußerst besorgt über den Fortbestand ihrer Regelschule, die im Territorium einen sehr guten Ruf genießt. Freie Schulen, deren Konzepte sich erst drei

Jahre bewähren müssen, bevor sie Landesmittel erhalten, arbeiten derzeit bereits am finanziellen Limit. Diese Schulen müssen in diesen ersten drei Jahren Kredite zur Überbrückung der finanziellen Situation aufnehmen. Weitere Einschränkungen werden Schulschließungen oder höhere Elternbeiträge nach sich ziehen. Eine weitere Reduzierung bei den Gehältern der Lehrer ist kaum noch möglich, da diese bereits schlechter bezahlt werden als an staatlichen Schulen.

Besonders Besorgnis erregend und dramatisch ist die Situation bei Förderschulen und Berufsschulen in freier Trägerschaft - es wurde bereits erwähnt, aber es ist uns auch sehr wichtig -, hat doch das Land in den letzten Jahren nicht nur diese ermutigt, sich als freie Schulen zu profilieren, sondern sich auch in zunehmendem Maße aus der Verantwortung gezogen. Oder wie soll man das verstehen, wenn es bereits jetzt Landkreise ohne staatliche Förderschulen gibt oder staatliche Berufsschulen gar nicht in der Lage sind, bestimmte Berufsfelder anzubieten, weil ihnen die technischen Voraussetzungen fehlen oder sie schlicht keine Genehmigung erhalten? Mit den privaten Berufsschulen konnte sich das Land seiner Verantwortung für die berufliche Erstausbildung für einige Jugendliche entziehen. Freie Förderschulen dürfen kein Schulgeld nehmen, um die Chancengleichheit zu wahren. Wie sollen sie die Kürzungen auffangen? Ist das Land bereit, diese wieder in staatliche Trägerschaft zu übernehmen? Werden die Kosten da nicht für das Land um ein Vielfaches höher ausfallen? Denkt diese Landesregierung hier nicht viel zu kurzsichtig? Wir glauben, dass es andere Wege gibt, um die Zahl der Förderschüler zu verringern. Mit der veränderten Schuleingangsphase gibt es die Möglichkeit, wesentlich mehr Kindern das Lernen an der Grundschule zu ermöglichen. Ich bin der Meinung, dass fast alle Kinder in den ersten beiden oder drei Grundschuljahren diese besuchen könnten. Einschulungen in Förderschulen halte ich nur noch in Ausnahmefällen für notwendig. Andere Bundesländer sind uns dabei bereits einen Schritt voraus. Da aber die Durchsetzung der Schuleingangsphase mit klassenübergreifendem Unterricht und einem rhythmisierten Schultag eher schleppend vollzogen wird, sehen wir hier enormen Handlungsbedarf.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Um das Modell der veränderten Schuleingangsphase besser und überzeugender an die Grundschulen zu bringen, bedarf es nun einmal zusätzlicher Ressourcen. Noch besser wäre es natürlich, wenn die Erkennung und Behandlung von Behinderungen, Entwicklungsstörungen oder auch Verhaltensauffälligkeiten bereits im frühkindlichen Bereich beginnen. Dabei gibt es bereits jetzt in einigen Landkreisen gute, ja sehr gute Erfahrungen. Integrative Gruppen,

integrative Kindertagesstätten ermöglichen den gemeinsamen Besuch dieser Einrichtungen für normale und behinderte bzw. von Behinderung bedrohte Kinder. Die Landesregierung hatte im Zusammenhang mit der Erarbeitung des Kindertagesstättengesetzes immer wieder betont, wie unterschiedlich die Ausstattung der Landkreise mit integrativen Einrichtungen ist. Der Landkreis Greiz mit einem überdurchschnittlich hohen Angebot und vielen Kindern, die integrativ betreut werden, wurde dabei als Negativbeispiel herausgestellt. Im Vordergrund standen immer wieder die Kosten für das Land. Auch hier werfe ich der Landesregierung Kurzsichtigkeit im Umgang mit den Landesmitteln vor.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Alle integrativen Einrichtungen, die ich in den letzten Monaten besucht habe, zeichnen sich durch engagierte Arbeit und gut abgestimmte und immer wieder für die Einrichtung überarbeitete Konzepte aus. Evaluation wurde in einigen Einrichtungen vermutlich nicht nur auf dem Papier betrieben.

Zu den Äußerungen des Abgeordneten Fiedler bezüglich des Volksbegehrens zur Thüringer Familienoffensive möchte ich nur zwei Sätze sagen: Zum einen hat sich ein breites Bündnis gegen das so genannte Familienfördergesetz formiert, und zwar deshalb, weil in diesem Land offensichtlich andere Protestformen nichts bewirkt haben. Dieses Bündnis besteht aus den Thüringer Elternverbänden, aus Elterninitiativen, Gewerkschaften und oppositionellen Parteien wie Linkspartei.PDS, SPD, Grüne und auch die FDP. Ich verfolge die Entwicklung unseres Bildungssystems hier in diesem Land hin zur Verwaltung von finanziellen Zwängen mit großer Sorge. Deshalb möchte ich noch einmal zum Beginn meiner Rede zurückkommen und Stellung beziehen für die Fraktion der Linkspartei.PDS zum Gesetz der Schulen in freier Trägerschaft. Wir lehnen das Gesetz ab und fordern die Anhebung der Landesförderung um 2 Mio. € in 2006 und 4 Mio. € in 2007 für diese Schulen. Es wurden zwar ursprünglich vorgesehene inhaltliche Änderungen im Bereich der Schulaufsicht nach Protesten der Schulträger zurückgenommen, die Förderbestimmungen, welche vor allem Gegenstand massiver Proteste der Schulträger sind, wurden jedoch nicht geändert. Dies wird den freien Schulen den Boden entziehen. Die Folge werden Schulschließungen oder Rückführungen in staatliche Trägerschaft oder die Erhöhung des Schulgeldes sein. Schulen in freier Trägerschaft sind gemäß Grundgesetz und Verfassung des Freistaats Thüringen gegenüber staatlichen Schulen gleichgestellt. An freien Schulen erfüllen Schülerinnen und Schüler ihre Schulpflicht. Insbesondere durch Förderschulen und Berufsschulen in freier Trägerschaft wird ein bedarfsgerechtes Bildungsangebot gewährleistet. Dieses

kann allein durch staatliche Schulen nicht abgedeckt werden. Man kann nicht über Jahre hinweg die Herausbildung und Profilierung von freien Schulen anstreben bzw. forcieren und dann quasi im Handstreich den Schulen, die eine qualitativ hervorragende Arbeit leisten und in ihren speziellen Angeboten nicht ersetzbare Aufgaben erfüllen, ihre Basis entziehen. In einigen Landkreisen in Thüringen gibt es infolge der Privatisierung von Förderschulen bereits keine vergleichbaren staatlichen Schulen mehr. Wir sind also auf diese Schulen angewiesen. Diese Schulen sind im gleichen Umfang zu fördern wie staatliche Schulen. Dies gebietet allein die Vernunft, aber auch der Respekt gegenüber diesen Schulen, den darin arbeitenden Pädagogen sowie gegenüber ihren Schülern und deren Eltern.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Das Wort hat der Abgeordnete Bausewein, SPDFraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, „Wirtschaftsstandort und Wissenschaftsstandort gehören zusammen und wenn das Forschungsland Thüringen gut aufgestellt ist, hilft das einer soliden, zukunftsfähigen und auch arbeitsplatzintensiven Thüringer Wirtschaftsentwicklung.“ Dieser Satz stammt aus der Regierungserklärung von Ministerpräsident Althaus vom September des vergangenen Jahres. Ich denke, jeder von uns wird der eben zitierten Aussage bedenkenlos zustimmen können. Ich glaube auch, dass es jeder von uns begrüßen würde, wenn die Landesregierung tatsächlich gemäß dieser Maxime handeln würde. Aber was ist die Realität? Die Landesregierung beabsichtigt, die Mittel für die Förderung der wirtschaftsnahen und Grundlagenforschung weiter zu kürzen. Waren dort für 2005 noch 16 Mio. € veranschlagt, so sind im Haushaltsplan 2006 lediglich noch 13,1 Mio. € eingestellt. In diesem Bereich erneut von Mittelstreichungen betroffen ist die Förderung der Verbundforschung. Ihr Haushaltsansatz soll von 10,7 Mio. € auf 8,3 Mio. € reduziert werden. Falls das Thüringens Beitrag zum Einsteinjahr sein soll, brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn der Freistaat in der Forschung noch weiter gegenüber dem Westen zurückfällt, als dies ohnehin schon der Fall ist.

(Beifall bei der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, eines sollte uns allen bewusst sein: Die erneuten Reduzierungen sind höchst brisant, da die Landesregierung die Forschungsförderung bereits seit Jahren immer mehr

zusammenstreicht. Zur Erinnerung: 1999 waren für diesen Bereich im Landeshaushalt noch 53,6 Mio. € eingestellt. 2006 ist davon nicht einmal ein Viertel übrig geblieben. Besonders betroffen von dieser Negativentwicklung ist eigentlich ihr Herzstück der Forschungsförderung, nämlich die Verbundforschung. Standen ihr im Jahr 1999 noch 33,1 Mio. € zur Verfügung, so sind es im Haushaltsjahr 2006 rund 75 Prozent weniger. Das Land wendet heute also lediglich noch einen Bruchteil dessen für die Forschungsförderung auf, was dort vor wenigen Jahren noch zur Verfügung gestellt wurde und was dort auch heute noch unbedingt vonnöten wäre. Damit wird sehenden Auges ein nachweislich sehr erfolgreiches Landesprogramm an die Wand gefahren und der Forschung werden dringend benötigte Mittel entzogen. Letztendlich steht bei einem Festhalten an einer derart verfehlten Politik auch die Zukunft des Forschungs- und Technologiestandorts Thüringen auf dem Spiel. Ich erinnere hier noch einmal ausdrücklich an die eingangs zitierte Aussage des Ministerpräsidenten: „Wirtschaftsstandort und Wissenschaftsstandort gehören zusammen.“ Ziehe ich das Geld aus der Forschung, untergrabe ich also über kurz oder lang meine eigene ökonomische Basis. Das müsste eigentlich hierzulande jedem einleuchten. Nur der Landesregierung ist dieses Licht offensichtlich noch nicht aufgegangen.