Protocol of the Session on December 8, 2005

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Wir möchten erreichen, dass bestehende Gesetze wirklich evaluiert werden können, dass die Änderungsvorschläge aus den verschiedenen Debatten einbezogen werden können und dass es auch eine Kostenabschätzung, eine tatsächliche Kostenabschätzung in diesen Angelegenheiten gibt. Denn allein das Sparprogramm aufzulegen, sichert nicht finanzielle Möglichkeiten und Freiräume, die Sie doch angeblich erreichen wollen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Ich will hier auch deutlich sagen: Das alles soll unter Mitwirkung der Liga der Freien Wohlfahrtspflege, der Landeselternvertretung, der beteiligten Gewerkschaften, der kommunalen Spitzenverbände, von Fachexpertinnen und Fachexperten geschehen. Das alles ist einfach trotz anderer Behauptungen in der Kürze der Zeit, in der diese Gesetzesvorlage tatsächlich diskutiert wurde, nicht möglich geworden. Ich ver

stehe es auch nicht, Herr Ministerpräsident Althaus, warum Sie nicht im Sinne einer klugen Politikführung die breite Debatte und die Argumente ganz verschiedener Bürgerinnen und Bürger und Institutionen in diesem Land in Ihre Entscheidungsfindung einbeziehen wollen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Das ist aus meiner Sicht ein erneutes Zeugnis dafür, wie Sie eigentlich Demokratie, wie Sie die Mitwirkung von Bürgerinnen und Bürgern verstehen. Ich muss davon ausgehen, Sie empfinden sie eher als Last denn als Stütze für die Findung Ihrer politischen Entscheidung.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Die Kritik wird auch genauso von den von mir genannten Institutionen im Grunde genommen geteilt. Von dort kommt auch der Vorschlag eines Moratoriums und einer Nichtverabschiedung heute. Auf das, was in Ihrer eigenen Partei zumindest nach den Medien hier debattiert wird und wie unterschiedlich auch dort die Meinungen sind, wurde bereits eingegangen. Ich brauche das nicht zu wiederholen. Ich glaube, das, was über Ihren Parteitag in Altenburg zu erfahren war, zeigt doch, dass auch dort an Ihrer Parteibasis bei Ihren Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitikern mehr Fragen als Antworten auf dem Tisch liegen und auch daraus eigentlich eine weitergehende Debatte möglich sein müsste. Wenn man es zusammenfasst, dann will ich sagen, es ist einfach so, diese Gesetzesvorlage grenzt Kinder aus. Sie belastet alles in allem Familien und Kommunen. Sie gefährdet die guten Standards Thüringens im Bereich der Kindertagesstätten. Sie benachteiligt Frauen und ist lediglich dazu da, dass die Landesregierung sich im Grunde genommen ihrer konzeptionellen Verantwortung entzieht und dass sie Geld sparen will.

(Zwischenruf Abg. Groß, CDU: Glauben Sie, was Sie sagen?)

Meine Damen und Herren, deshalb, glaube ich, ist auch die Debatte, die sich jetzt zumindest medial schon wieder abzeichnet, dass Sie bereits jetzt darüber nachdenken, wie man denn ein mögliches Volksbegehren vielleicht aus rechtlicher Sicht am besten verhindern könnte und wie man deshalb alles auf das Finanzielle runterziehen will,

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

das Eingeständnis, dass Sie wissen, Sie handeln gegen Mehrheiten von Menschen in diesem Land, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Wir sagen, die Frage lautet natürlich: Was brauchen Kinder, wie sollen Kinder in diesem Land aufwachsen können? Da ist es doch ganz deutlich, der Elementarbereich ist bisher der Bildungsbereich, der die öffentliche Hand am wenigsten kostet.

Meine Damen und Herren, das sind die Fakten. Deshalb müssen eigentlich die Gewichte hier verschoben werden. Deshalb sagen wir ganz deutlich, wir brauchen eine Umverteilung der Bildungsaufgaben zugunsten der Kindertageseinrichtungen vor der Schule und für die Grundschule. Dem wird aber nun Ihr Gesetzentwurf überhaupt nicht gerecht.

Meine Damen und Herren,

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

die Lage ist doch so: Bisher kamen laut Kindertagesstättengesetz und seinen Vorgaben 1,6 VbE pädagogische Fachkräfte auf 18 Kinder zwischen drei und sechs Jahren. Auch da sind sich Experten einig, dass es durchaus schwierige Bedingungen sind. Aber unter diesen Bedingungen muss doch einfach mal festgestellt werden, dass eindrucksvolle Arbeit in Kindergärten in diesem Land geleistet werden konnte, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Das ist doch etwas, was zu dem Standortvorteil, wenn ich in dieser Logik bleibe, dieses Landes Thüringen ohne Zweifel zählt. Aber diese Qualität ist nun mit Ihrem neuen Kindertagesstättengesetz in Gefahr. Das wird auch am Verhältnis zwischen inhaltlichem und organisatorischem Herangehen an diese Fragen deutlich. Anstatt nun zuerst, was ja ein richtiges Ziel ist, den Bildungs- und Erziehungsplan in den Einrichtungen zu entwickeln und einzuführen und dann zu klären, wie unter diesen Voraussetzungen eine sinnvolle pädagogische Arbeit auch zu finanzieren ist - also das Finanzierungsmodell danach auszurichten -, wurde das Pferd an der Stelle doch mal wieder eindeutig von hinten aufgezäumt. Mit der Kostenrückwärtsentwicklung des Gesetzes wird es letzten Endes unmöglich, in den Kindertagesstätten das zu beobachten, die Kinder so zu betrachten im Einzelnen, dass eine individuelle Förderung in Zukunft auf verbesserter Grundlage stattfinden kann, gerade das behaupten Sie zu wollen, aber das tun Sie wirklich nicht mit diesem Gesetzentwurf, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Ich muss auch in diesem Zusammenhang noch einmal auf die Fragen zu sprechen kommen, die insgesamt mit Bildungsproblematik, mit dem, was wir gemeinhin unter PISA diskutieren, verbunden sind. Dort ist doch eindeutig festgelegt, mit der Bildung

in unserem Land ist vor allen Dingen auch verbunden, dass alle Kinder möglichst früh nach Bildungsstandards gefördert werden. Wenn aber Kinder aufgrund der schwierigen finanziellen Situation der Eltern gar nicht oder erst spät in die Kindertagesstätten kommen, widerspricht das eklatant dem Bildungsanspruch einer modernen Wissensgesellschaft. So werden auf Dauer diese Kinder weniger Chancen haben, als die, denen in Kindertagesstätten Bildungsangebote unterbreitet werden konnten, die selbst sozusagen hoch qualifizierten Eltern, die auch noch einer Berufstätigkeit in der Gesellschaft nachgehen wollen, aber auch unabhängig davon, so nicht möglich sind. Unter diesen Gesichtspunkten muss man doch frühkindliche Bildung und alles, was mit Kindertagesstätten zusammenhängt, heute unter ganz anderen Vorzeichen sehen. Ich frage mich, wann die Thüringer Landesregierung sich endlich zu diesen Erkenntnissen bekennt. Aber wir erleben das Gegenteil. Es wird die individuelle Gestaltung eingeschränkt werden und die Einrichtungen werden an Qualität verlieren, ja, zugespitzt steht zu befürchten, dass unser gutes Kindergartensystem wieder in Richtung von Kinderbewahranstalten sich entwickeln wird. Das kann im Jahre 2005 für Thüringen keine Entwicklung sein.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Die Fraktion der Linkspartei.PDS tritt aus diesen Gründen dafür ein, dass Mindeststandards im Gesetz festgeschrieben werden, in denen sowohl strukturelle als auch pädagogische Qualität gesichert werden kann. Ja, und ich sage es auch deutlich, wir müssen uns Gedanken darüber machen, wie langfristig der Kindergarten kostenfrei werden kann und zumindest damit beginnen, dass wir das für das letzte Kindergartenjahr anstreben. Das wäre sozial wie inhaltlich die richtige Entwicklung, die wir im Land brauchen. Dazu gehört auch, dass wir natürlich die konkreten Verhältnisse verbessern müssen. Das heißt, dass Gruppen anzustreben sind, in denen 15 Kinder und zwei Erziehungspersonen gemeinsam den Tag verbringen können, denn Ziel muss doch sein, dass wir die Kindertagesstätte als Kompetenzzentrum für Bildung, Erziehungsberatung und Betreuung eingebettet in das Gemeinwesen sehen müssen. Wir gehen doch von einem ganzheitlichen Anspruch aus, der gerade öffentliche Leistungen, pädagogische und organisatorische Arbeit und die Initiativen, Ansichten und Beiträge der Eltern verbinden muss, wenn wir die Herausforderungen der Zukunft auch im Interesse unserer Kinder ermöglichen wollen. Aber diesen Weg, wie gesagt, sind Sie offensichtlich nicht bereit, zu gehen. Ein neues Thüringer Kindertagesstättengesetz müsste gerade in dieser Richtung die Chance eröffnen, dass wir Kinder mit Behinderungen und solche, die von Behinderung bedroht sind, besser fördern, die Integration voranbringen in dieser

Hinsicht. Der Gesetzentwurf der Landesregierung wird diesem Ziel aber nicht gerecht. Sie will nicht die optimale Förderung, Ihr geht es letzten Endes vor allen Dingen um Fragen der Kostendämpfung.

Um zurückzukommen auf die Frage der Integration: Ja, wir gehen davon aus, dass heilpädagogische Tagesstätten genauso notwendig sind wie integrative Gruppen. Für unsere Fraktion bedeutet das auch ganz deutlich: Welche Einrichtung kann die optimale Förderung leisten, und was ist für das jeweilige Kind das Richtige? Diese Fragen müssen aufgemacht werden. Der Gesetzentwurf der Landesregierung geht in eine andere Richtung. Wir sagen aber ganz deutlich: Es bedarf in dieser Frage vor allen Dingen drei Punkten, denen wir uns annehmen müssen. Das ist erstens eine Zielgruppenbeschreibung für Integrationsgruppen. Das ist zweitens ein ausreichender finanzieller Beitrag, eine finanzielle Förderung der integrativen Bildungs- und Erziehungsarbeit für Kinder mit Behinderungen und drohender Behinderung. Und das ist drittens - auch ein ganz wichtiger Gesichtspunkt - eine qualifizierte Fort- und Weiterbildung des Personals, besonders in die Richtung der Integrationsarbeit sowie einer optimalen Zusammenarbeit zwischen Frühförderung, heilpädagogischen Tagesstätten und Kindertagesstätteneinrichtungen. Das wären die wichtigen Gesichtspunkte gerade auch in diesem Zusammenhang.

Ich möchte auf einige einzelne Fragen weiter eingehen. Zunächst will ich noch mal auf Folgendes verweisen, worüber wir wirklich ernsthaft miteinander nachdenken sollten: Es stellt sich die Frage, ob wir in den nächsten Jahren tatsächlich weniger Betreuungsplätze brauchen. Das aber unterstellt zumindest indirekt Ihr Entwurf. Das Landesjugendamt geht davon aus, dass die Zahl der Thüringer Kinder zwischen 2003 und 2014 in Bezug auf die Bevölkerungszahl ansteigen wird - eine, denke ich, positive Entwicklung. Das heißt aber auch, dass der Bedarf an Plätzen zunehmen wird. Es wird einen Mehrbedarf geben. Nimmt man die Krippen- und Hortplätze zusammen - wenn ich mal davon ausgehe, dass wir über die Frage 2 bis 16, wie Sie angemahnt haben, nachdenken -, dann wird es also diesen gemeinsamen Mehrbedarf von weit über 5.600 Plätzen geben. Das wird sich natürlich auswirken auf das Fachpersonal, aber auch auf die Sachkosten, auf den entsprechenden Mehrbedarf. Da ist schon die Frage zu stellen, ob mit den Zuweisungen von 100 € pro Kind an die Kommunen zukünftig wirklich das geleistet werden kann, was notwendig ist. Ländergrenzen hatten wir heute schon; in Sachsen wurde ein Wert von 150 € gewählt. Wir sollten über unsere Ländergrenzen hinweg nachdenken und Eigenes hier auch durchaus in Frage stellen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Sie sagen, der Rechtsanspruch auf einen Kindertagesstättenplatz ist abgesenkt und gesichert. Das ist richtig. Das ist auch eine Sache, die wir ausdrücklich begrüßen. Ich muss aber andererseits sagen, es nutzt natürlich nichts, wenn die Plätze dann fehlen oder wenn sie so weit entfernt sind, dass es für Eltern nicht zu leisten ist, ihre Kinder dort hinzubringen, weil die kleinen Kindertagesstätten in ihrer Nähe aufgrund der Kürzungen letzten Endes schließen. Sie machen also mit dem, was Sie eigentlich als Vorteil in Ihrem Gesetzentwurf richtig festgeschrieben haben, eine ungeheuere Relativierung und stellen es durch die konkrete Ausführung wieder in Frage.

Es geht um die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie, ein unbestrittener Anspruch sicherlich, zumindest verbal hier in diesem Hause. Ich glaube aber, gerade diesen Fragen wird Ihr Entwurf nicht gerecht. Denn wenn es wirklich um die Möglichkeit für Männer und Frauen geht, berufstätig zu sein und trotzdem Kinder zu erziehen, dann gibt es hier aus unserer Sicht eine ganz entscheidende Schieflage. Ich will in dem Zusammenhang auch auf eine Sache hinweisen, die deutlich macht, wie viel Diskussions-, Debatten- und Berührungsbedarf dieses Gesetz mit anderen gesellschaftlichen Bereichen hat. Es ist natürlich das eine, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu befürworten und zu meinen, man regelt das sozusagen über die Frage von Bildung, Kindertagesstätten und ähnlichen Dingen. Das ist schon ein entscheidender Teil in dieser Richtung. Aber, meine Damen und Herren, dann muss ich auch mit der Wirtschaft darüber reden, wie Flexibilität und welche Möglichkeiten dort entwickelt werden können, um Berufstätigkeit und die Erziehung von Kindern wirklich zu vereinbaren. Es gibt da auch bei Unternehmen viele positive Beispiele. Sie greifen das aber im Grunde genommen noch nicht mal mit einem Verweis auf. Auch insofern muss ich also deutlich sagen: Am Ende bleibt es ein Postulat, das mit Ihrem Gesetz die Vereinbarkeit von Beruf und Familie praktisch gestärkt wird. Wir können davon ausgehen, dass eher eine andere Entwicklung stattfinden wird, ich werde darauf noch zurückkommen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Sie sagen, Thüringer Erziehungsgeld ist sozusagen die zentrale Lösung und Möglichkeit, Eigenverantwortung zu stärken. Ja, Eltern wissen sehr wohl, was für ihre Kinder, denke ich, am wichtigsten ist. Ob sie sich, meine Damen und Herren, das aber dann auch leisten können, ist natürlich eine ganz andere Frage. Wenn Eltern in einer wirtschaftlich schwierigen Situation sind, kann es sehr gut sein, dass sie ihr Kind zwar in die Kindertagesstätte geben würden, sich aufgrund ihres Haushaltsbudgets aber dann doch in die Richtung entscheiden, die 150 € dringend zu benötigen. Dazu gibt es ja auch Dinge, die man weiter

überlegen muss. ALG II-Empfänger - davon kann man ausgehen - werden ihre Einkünfte nicht angerechnet bekommen. Was heißt denn das aber dann? Das wird doch Nachfolgerungen bei der Arbeitsagentur haben. Wir werden mit dieser Situation nichts dazu ausrichten, dass solche Menschen wieder in Berufstätigkeit kommen. Also diese Frage wird mit Ihrem Gesetz völlig kontraproduktiv beantwortet. Sie wollen, ich glaube, hier eine indirekte Bereinigung der Probleme am Arbeitsmarkt, meine Damen und Herren, und das ist unredlich, das sage ich mit aller Deutlichkeit.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Dann bleibt noch zu beachten: Wer sein Kind in die Kindertagesstätte geben will und sich so entscheidet, der wird ja dann aber noch die zusätzlichen Kosten der Kindertagesstättengebühren haben, die sich im Zusammenhang mit Ihrer Gesetzgebung an vielen Punkten demnächst auch noch erhöhen dürften. Da ist doch völlig klar, dass es hier eine ungerechte Behandlung gibt und dass es hier gerade nicht die Wahlmöglichkeit gibt, sondern dass Sie zumindest indirekt auf einen ökonomischen und finanziellen Zwang setzen, der Eltern dazu bringt, ihre Kinder nicht in die Kindertagesstätte zu geben. Das ist die Auswirkung oder wird die Auswirkung Ihres Gesetzes aus unserer Sicht sein.

Ich will hier vielleicht grundsätzlich noch hinzufügen: Wenn Eltern für ihre Erziehungsleistungen Geld bekommen, sollte das deshalb auch nicht, wenn es wirklich um Wahlfreiheit geht, auf Kosten der institutionellen Versorgung gehen. Auch alle internationalen Untersuchungen weisen aus, dass es wichtig ist, den überschaubaren Ausstieg von Frauen aus dem Berufsleben zu finanzieren, dass sich eine Familie ohne großen Lebensstandardverlust auch wirklich Kinder leisten kann und dass insofern mit diesem Grundsatz natürlich die Herausforderung an die institutionelle Betreuung erhöht und hier auch erhöhte Anforderungen an die Öffentlichkeit und an die Politik und Gesetzgebung gestellt sind. Der jetzt vorgesehene Weg befördert aber die Verdrängung von Frauen insbesondere aus dem Arbeitsprozess. Es entspricht offensichtlich Ihrem traditionellen Familienbild, das darin besteht, dass Sie vor allen Dingen auch die Frauen über die ersten Jahren des Kinderhabens und -erziehens dazu bringen möchten, wirklich zu Hause zu bleiben und sich eben nicht anders zu entscheiden.

In dem Zusammenhang will ich auch eingehen auf die Frage der so genannten Tagesmutter. Wir können ja davon ausgehen, dass ganz viele Frauen, die sich dieser Aufgaben widmen, mit großem Engagement und mit entsprechender Initiative dieser Aufgabe nachkommen. Doch ist auch ganz deutlich, dass ein

Rechtsanspruch, wenn er denn nicht sofort eingelöst werden kann, was die Gesetzgebung betrifft, und dann die Entscheidung für eine Tagesmutter im Grunde genommen in einen Raum geht, wo es so gut wie keine Kriterien für die Arbeit und für die entsprechenden Ansprüche gibt. Ich will auch mal durchaus sagen, 2,75 € sozusagen Aufwandsentschädigung pro Stunde für diese Tagesmütter ist doch nun wohl kein angemessener Beitrag. Das ist doch wohl nun der Billiglohnsektor in einer der wichtigsten Bereiche, die diese Gesellschaft betrifft,

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

nämlich die Entwicklung von Kindern, und es ist natürlich eine nicht versicherungspflichtige Tätigkeit. Also auch hier wirken Sie beschäftigungspolitisch und sogar einnahmepolitisch an dieser Stelle wiederum kontraproduktiv, meine Damen und Herren, nicht in die Richtung, in die es gehen müsste. Deshalb sagen wir aber auch, sicherlich ist die Arbeit der Tagesmütter eine mögliche und ggf. angemessene Ergänzung zum Kindertagesstättenangebot, gerade weil in vielen Berufszweigen die Tageszeiten und Arbeitszeiten nicht so flexibel abgestimmt werden können, weil eine Verkäuferin in der Regel späteren Feierabend hat, als das in anderen Berufszweigen oder im öffentlichen Dienst der Fall ist. Es ist also schon eine Möglichkeit, hier auch auszugleichen und indirekt auch Beschäftigung zu unterstützen, aber dann doch bitte unter anderen finanziellen Voraussetzungen, dann doch bitte mit einem Standard, der Räumlichkeiten, Gruppengrößen - denn bis zu fünf Kindern können ja hier auch betreut werden - bzw. auch ein Erziehungs- und Bildungsangebot umreißt. Dazu fehlt im Grunde genommen jede inhaltliche Voraussetzung und Sie ändern dies auch nicht mit Ihrem Gesetzentwurf.

Es ist schon gesagt worden, wir schätzen positiv ein, dass nicht mehr sozusagen die Wohnortgemeinde ausschlaggebend ist für den Besuch der Kindertagesstätten. Aber auch hier - ich hatte schon darauf hingewiesen - besteht die Frage der räumlichen Ausdünnung und damit der schlechteren Bedingungen für die Versorgung in Kindertagesstätten. Andererseits will ich sagen: Durch das vorliegende Gesetz wird natürlich die Wahlfreiheit nach unserer Ansicht auch indirekt eingeschränkt, weil sie auf diesem Wege - und freie Träger haben dazu schon die entsprechenden Positionen deutlich gesagt - nicht verhindern können, dass es zum Teil auch drastische Gebührenerhöhungen gibt. Wenn dann im Sinne der Wahlfreiheit sich Eltern entscheiden, ihr Kind z.B. in eine Kindertagesstätte mit einer bestimmten erzieherischen und bildungspolitischen Voraussetzung zu geben, dann können sie zumindest vor zwei gravierende Fragen gestellt sein. Erste Frage: Ist es räumlich überhaupt für mich möglich, eine solche zu erreichen? Aber zweitens und noch zugespitzter, viel

leicht musste ja der Träger gerade wegen dieses Angebots seine Gebühren erhöhen. Das heißt also, diejenigen, die wahlfrei einen besonderen Bereich für sich, eine besondere Kindertagesstätte auswählen müssen, müssen das am Ende von ihrem Geldbeutel abhängig machen. Deshalb sage ich Ihnen, das ist wieder eine soziale Benachteiligung und soziale Ein- und Ausgrenzung in diesem Land, die Sie mit dieser Politik auf den Weg bringen wollen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Das kann doch nicht unser politischer Anspruch sein, auch nicht der der Landesregierung. Davon gehe ich aus.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube, dass auch die Fragen der weiteren finanziellen Probleme sich durchaus zuspitzen werden im Zusammenhang mit dem Gesetz. Sie sagen, die Sozialverträglichkeit ist dadurch gesichert, dass Elternbeiträge ja gedeckelt bleiben. Die Kindertagesstättengebühren werden bis zum 31.07.2007 eingefroren. Das betrifft aber zunächst natürlich nur die kommunalen Kindertagesstätten und nicht einmal bei denen, meine Damen und Herren, und darauf möchte ich hier noch einmal aufmerksam machen, ist dieses Gebot ja bindend. Wir wissen, wie die Situation der Finanzen in den Städten, Gemeinden und Landkreisen ist. Wenn die Kommunen eine Beitragserhöhung als notwendig erachten oder wenn sie zu ihr gezwungen sind, gibt es natürlich auch weiterhin die Möglichkeit, das umzusetzen. Auf Probleme bei freien Trägern hatte ich schon entsprechend hingewiesen und damit ist klar, es gibt ernst zu nehmende Analysen, z.B. auch der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, dass es Beitragssteigerungen bis zu einem Drittel geben kann. Das ist eine unter unseren gesamtwirtschaftlichen und sozialen Bedingungen nicht zu vertretende Entwicklung. Starthilfen bieten, das ist auch etwas, was Sie ja debattieren im Zusammenhang mit diesem Gesetz, also Familiendarlehen für junge Familien, um es konkret anzusprechen. Ich glaube einfach, so verkürzt stimmt die Aussage nicht. Bevor es das Familiendarlehen geben kann, muss erst einmal diese Stiftung gegründet werden, über die sie das abwickeln will. Diese muss dann zunächst völlig ausfinanziert werden. Das ist frühestens im Jahr 2008 nach Ihren Angaben der Fall. Dann müssen in der Stiftung die Konditionen für dieses Darlehen sozusagen klar gemacht werden. Es fragt sich dann, wann kann denn diese Angelegenheit wirklich greifen? Das ist doch so weit nach vorn geblickt in ihren Wirkungen, dass man gegenwärtig noch nicht einmal einschätzen kann, wie die Auswirkungen überhaupt sind. In dem Zusammenhang will ich überhaupt noch einmal anfassen, es gibt 13 Rechtsverordnungen zu dem Gesetz, die die Umsetzung im Grunde genommen herausfordern. Keine von denen ist auch nur annähernd in ihrer

Richtung hier beschrieben. Sie bringen etwas auf den Weg und sind sich aber völlig im Unklaren darüber, wie es eigentlich konkret umgesetzt werden soll.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Das kann doch nun keine Sicherheit für Kinder, für Eltern, für die Städte und Gemeinden sein. Da ist deshalb auch unklar, nach welchen Kriterien zum Beispiel die Bedarfsplanung erstellt werden soll. Für die Kommunen ist dieses Gesetz vor allem eines, das sie mit neuen Konfliktlagen ausstattet. Bei geringeren Landeszuschüssen und der Deckung bei Elternbeiträgen kommen Sie in die Situation, dass die Kosten möglichst gedrückt werden müssen. Das heißt aber auch, dass sie sich mit den Kitas und den Eltern über Qualitätsstandards in den Kindertagesstätten auseinander setzen müssen und diese möglichst senken müssen. Also wir haben hier wieder dieses berühmte Prinzip: Den letzten beißen die Hunde. Wir übertragen wieder Verantwortung und Konflikte, die durch Landespolitik entstehen, in die Städte und Gemeinden in diesem Land.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)