Obwohl in der ersten Lesung bereits deutlich zum Ausdruck gebracht, möchte ich nochmals begründen: Die Christlich Demokratische Union ist gegen nationalsozialistisches Gedankengut, gegen Verherrlichung der NS-Herrschaft, gegen Antisemitismus, gegen Fremdenfeindlichkeit und auch gegen Rassismus.
Erstens: Die Einreicher haben die Absicht, ihre antifaschistische Klausel in den ersten Teil der Verfassung des Freistaats Thüringen einzubauen. Das heißt, dieser neue Absatz 3, der so gefordert wird, soll ein - ich will mal sagen - Oberstaatsziel dadurch werden, direkt nach der Würde des Menschen und den Menschenrechten, die Grundrechte sind. Dazu gibt es zwei Fakten zu bedenken: a) Es entsteht eine einseitige Einengung des Absatzes 1 der Präambel und es ergibt sich b) im Umkehrschluss zu
dem vorgeschlagenen Text, dass der nicht genannte Teil, nämlich die Bekämpfung von linksextremen Diktaturen, nicht mehr Staatsziel sei. Auf diesem Weg kommt man zu guter und schlechter Diktatur und das wollte der Verfassungsgeber so nie und, ich glaube, auch heute nicht.
Zweitens: Der Einreicher hat die Absicht, das Staatsziel Antifaschismus zu benutzen, um dann über den Artikel 43 der Verfassung des Freistaats Thüringen die Pflicht zur Verwirklichung einzuklagen - eine, so meinen wir, einseitige Pflicht gemäß des Vorschlags der Linkspartei.PDS.
Drittens: Würde man eine solche einseitige Regelung in den Verfassungstext aufnehmen, entsteht eine Kollision mit anderen Teilen der Verfassung, besonders zu den Artikeln 2 und 3. In Artikel 3 Abs. 2 - ich zitiere - heißt es: „Jeder hat das Recht der freien Entfaltung der Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt oder nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung verstößt.“ Besonders dort wie auch an anderen Stellen wird durch Einseitigkeit Widersprüchliches entstehen, z.B. auch im Gleichheitsgebot.
Viertens: Das hohe Gut Verfassung bedarf bei jeder Änderung einer Betrachtung der Allgemeingültigkeit. Im vorgeschlagenen Fall ist dies eine spezielle Regelung - nicht allgemein gültig.
Fünftens und zum Schluss: Der jetzige Verfassungsgegenstand ist ausreichend, um dem zu Beginn genannten Problemkreis zu begegnen. Die jetzige Verfassungslage stützt sich selbst durch Artikel 83 Abs. 3. Der Antrag der Linkspartei.PDS berührt die in Artikel 1, 45 und 47 Abs. 4 niedergelegten Grundsätze und ist daher unzulässig. Aus diesem Grund lehnt die Fraktion der CDU eine Ausschussüberweisung ab. Vielen Dank.
Danke, Herr Abgeordneter Schröter. Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Es ist beantragt worden, diesen Antrag an den Ausschuss für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten zu überweisen. Wir stimmen über diesen Antrag ab. Wer ist für die Überweisung an den Justizausschuss, den bitte ich um das Handzeichen. Danke. Wer ist gegen die Überweisung an den Justizausschuss? Wer enthält sich der Stimme? Es sind keine Stimmenthaltungen da. Es ist mit übergroßer Mehrheit die Überweisung abgelehnt worden. Ich beende damit die zweite Beratung. Die dritte Beratung zu dem Gesetzentwurf wird
Thüringer Kommunalrechts- Änderungsgesetz Gesetzentwurf der Fraktion der Linkspartei.PDS - Drucksache 4/1310 - Neufassung - ZWEITE BERATUNG
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, mit Rückblick auf die erste Lesung zu unserem Gesetzentwurf braucht man kein Prophet zu sein, um das Abstimmungsergebnis heute vorauszusagen. CDU-Fraktion und Landesregierung haben sich eindeutig positioniert. Sie lehnen unseren Gesetzentwurf ab und haben deshalb selbst die Ausschussüberweisung verhindert - ein bedenklicher Vorgang, geht es doch um Fragen und Probleme, die eine Vielzahl von Bürgern betreffen. Die Problemlagen, auf die unser Gesetzentwurf reflektiert, sind derart akut, dass zumindest eine Diskussion darüber in den Ausschüssen angemessen und sachdienlich gewesen wäre. Doch selbst dieser Diskussion haben Sie sich verweigert. Die Probleme der Bürger sind dadurch aber keineswegs vom Tisch. Sie können die Realität nicht einfach durch Diskussionsverweigerungen negieren. Sie müssen mit dem Vorwurf leben, als Regierung und Regierungspartei offensichtlich Problemlagen ungelöst lassen zu wollen. Dabei gibt es für die angesprochenen Probleme Lösungen, die für alle Beteiligten zumutbar sind. Wir haben mit unserem Gesetzentwurf mögliche Lösungsansätze dargestellt und diese auch zur Diskussion dargestellt. Sie hätten Alternativlösungen anbieten können. Doch Sie verweigern sich stattdessen und dies ist eben aus unserer Sicht keine verantwortungsbewusste Politik.
Meine Damen und Herren, Sie verweigern nicht nur Problemlösungen, sondern Sie brechen gemachte Zusagen und untergraben damit das ohnehin schon sehr geringe Vertrauen in die Landespolitik. Sie machen noch etwas anderes: Sie versuchen, die Interessen der verschiedenen Betroffenengruppen gegeneinander auszuspielen, anstatt einen Interessenausgleich herzustellen. Hauptanliegen von Politik muss jedoch sein, einen Interessenausgleich zu bilden. Der Innenminister hat in seiner Rede zur ersten Lesung des Gesetzentwurfs in mehrfacher Hinsicht Bemerkenswertes geäußert. Hierauf will ich insbesondere heute nochmals eingehen.
Ich achte den Innenminister, nicht weil er ein glühender Verfechter der Grundsätze der sozialen Gerechtigkeit ist - das ist er wahrlich nicht -, sondern weil ich davon ausgehe, dass er zumindest ein Jurist ist, der die Grundsätze unseres Rechtssystems in starkem Maße akzeptiert und daran auch sein politisches Wirken ausrichtet. Insbesondere das Zweite ist wichtig, nämlich Ausrichtung des politischen Wirkens nach diesen Grundsätzen. Gerechtigkeit muss es auch im rechtlichen Sinne geben und ich appelliere an Sie, Herr Innenminister, in diesem Sinne zu handeln und sich diesbezüglich in der Landesregierung durchzusetzen und dies auch in der CDU-Fraktion zu vermitteln.
Meine Damen und Herren, bevor ich nochmals konkret auf unseren Gesetzentwurf eingehe und mich dabei mit den Äußerungen des Innenministers während der ersten Lesung auseinander setze, erlaube ich mir noch eine Bemerkung. Die wissenschaftlichen Mitarbeiter unserer Fraktion haben mich gebeten, mich ausdrücklich bei Ihnen, Herr Innenminister, für das ausgesprochene Lob für Ihre Arbeit zu bedanken. Es wird deutlich, dass zumindest die Arbeit der Mitarbeiter unserer Fraktion mit Respekt bedacht wird.
Dass demgegenüber mein Agieren als Abgeordneter durch den Innenminister abwertig betrachtet wird, ist zwar ein bedenklicher Vorgang, muss aber wohl im Rahmen der politischen Auseinandersetzung als zulässig hingenommen werden. Ich bewerte Ihre ständigen Attacken und Unterstellungen gegen mich als Ausdruck der Wirksamkeit meiner Arbeit. Offensichtlich fehlen Ihnen die Argumente für eine sachliche Auseinandersetzung und deshalb agieren Sie meist etwas hilflos persönlich gegen mich.
Herr Innenminister, wir werfen keine Nebelgranaten, wie Sie das in der ersten Lesung formuliert haben, sondern wir reflektieren Problemlagen. Wir wären froh, wenn dies nicht notwendig wäre. Dies würde aber voraussetzen, dass Sie sich dieser Probleme annehmen, anstatt im Regierungshandeln die Augen vor den Realitäten zu verschließen. Die Diskussion über die Erhebungspflicht von Straßenausbaubeiträgen hat nicht die Linkspartei.PDS eröffnet, sie wird real seit über zehn Jahren geführt und hat eine neue Dynamik durch das Urteil des Thüringer Oberverwaltungsgerichts erhalten. In den Gemeinden laufen die Diskussionen. Sowohl Kommunalpolitiker als auch die Bürger können die derzeitige Rechtslage nicht nachvollziehen. Weshalb sollen die Gemeinden hinsichtlich der Erhebung von Straßenausbaubeiträgen kein Ermessen mehr haben? Die kommunale Realität der letzten Jahre ist zudem völlig abweichend von der Gesetzeslage. Was spricht also dagegen, die Gesetzeslage den Realitäten anzupassen? Die Kommunen
wollen dies, die Bürger wollen dies, für das Land entstehen keine unmittelbaren zusätzlichen Kosten. Die Kommunen müssen seit Jahren mit einer angespannten Finanzsituation umgehen - eine Situation, die sie selbst nicht zu verantworten haben. Vielmehr liegt hier die Verantwortung beim Bund und Land. Aber trotz dieser angespannten Finanzsituation haben die Kommunen bisher eine verantwortungsbewusste Finanzpolitik betrieben, die beispielhaft für das Land wäre. Dazu gehört auch die Entscheidung, ob und wie Straßenausbaubeiträge erhoben werden sollen. Hier gehen die Gemeinden nicht sorglos vor und wir haben ein hohes Maß an Vertrauen in das kommunale Handeln, dass das auch künftig so sein wird. Wir wollen nur, dass die Rechtslage der jetzigen kommunalen Praxis angepasst wird. Was soll daran eine Nebelgranate sein, Herr Innenminister?
Nein, etwas anderes wird gerade hier sichtbar: eine widersprüchliche Rechtsanwendung, der Sie natürlich auch in Ihrer Rede zur ersten Lesung vehement widersprochen haben. Doch die Widersprüche sind offensichtlich, wir thematisieren sie nur. Eigentlich wäre das Ihre Aufgabe und Ihre Verantwortung.
Meine Damen und Herren, bei aller Zulässigkeit von Verunglimpfung in der politischen Auseinandersetzung gibt es aber auch irgendwo Grenzen. Diese Grenzen hat der Innenminister während seiner Rede zur ersten Lesung nicht zum ersten Mal überschritten. Der Innenminister führte aus und ich zitiere mit Ihrer Genehmigung, Frau Präsidentin: „Eine Bewertung des Gesetzentwurfs im Detail zeigt, dass die Fraktion Die Linkspartei.PDS die Grundsätze unserer Verfassung einfach nicht zur Kenntnis nimmt.“
Was meinen Sie denn damit, Herr Innenminister? Wollen Sie zum Ausdruck bringen, dass unsere Fraktion verfassungswidrig handelt? Mit derartigen Unterstellungen sollten gerade Sie behutsam umgehen. Liefern Sie Argumente, anstatt unhaltbare Behauptungen aufzustellen. Das wirkt im Übrigen hilflos und das haben Sie eigentlich überhaupt nicht nötig. Sie sollten sich nicht auf das Niveau mancher CDULandtagsabgeordneter begeben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie müssen hier schon einmal erklären, weshalb unsere Forderung, die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen in das Ermessen der Gemeinden in Abhängigkeit ihrer finanziellen Leistungskraft zu setzen, verfassungswidrig sein soll. In vier Bundesländern gibt es die
se Form der Erhebung von Straßenausbaubeiträgen nicht mehr. Das sind die drei Stadtstaaten Hamburg, Bremen und Berlin und Baden-Württemberg. Handeln die alle verfassungswidrig oder missachten die die Grundzüge der Verfassung? Auch ein Drittel der Thüringer Gemeinden hat keine Straßenausbaubeiträge. Unterstellen Sie auch diesen 291 Gemeinden, das sind die Angaben aus Ihrem Ministerium - übrigens auf die Überarbeitung der Anlage zu der Anfrage warte ich immer noch, weil Ihr Pressesprecher hatte mich gebeten, die Anlage zunächst nicht weiter zu verwenden, weil es offenbar Übermittlungsprobleme gab -, aber gehen wir einmal von den 291 Gemeinden aus, auch denen unterstellen Sie damit letztlich Verstöße gegen die Verfassung. Dies können Sie sicherlich nicht ernsthaft behaupten. Andererseits stellen Sie die These auf, der Nachweis der dauernden finanziellen Leistungsfähigkeit wäre kein taugliches Mittel für die Ausübung des Ermessens bei der Entscheidung, ob und wie Straßenausbaubeiträge erhoben werden. Dieser Einwand ist schon erstaunlich und zeigt, dass Sie hier die Diskussion nur formalrechtlich führen wollen, um so eine politische Positionierung zu umgehen. Doch damit werden Sie keinen Erfolg haben. Der Nachweis der dauernden Leistungsfähigkeit, der den Zeitraum der nächsten drei Jahre umfasst, ist für die Aufsichtsbehörden, die unterstehen Ihnen, Herr Innenminister, ausreichend, um den Kommunen weitere Kreditaufnahmen zu genehmigen, Kredite, die die kommunalen Haushalte über Jahre belasten.
Im Zusammenhang mit der Erhebung von Straßenausbaubeiträgen soll aber diese Methode der Risikoabwägung nach Ihrer Auffassung nicht geeignet sein, obwohl es hier um Zeiträume geht, die identisch sind mit der Laufzeit von Krediten. Diesen Widerspruch müssen Sie der Öffentlichkeit erklären, Herr Innenminister. Somit bricht Ihr Gegenargument wie ein Kartenhaus zusammen. Auch das hat mit Nebelgranaten nichts zu tun, mehr schon mit Vorgängen aus der kommunalen Praxis und die können Sie nicht wegdiskutieren.
Meine Damen und Herren, ein weiterer Vorwurf ist, dass wir angeblich nicht darstellen würden, wie unsere Vorschläge zu finanzieren wären. Dieser Vorwurf wird immer gegen die Linkspartei.PDS erhoben, wenn die sachlichen Argumente ausgehen. Dies rechtfertigt jedoch nicht, dass Sie unbegründet derartige Behauptungen aufstellen. Keiner unserer Vorschläge verursacht beim Land zusätzliche Kosten. Hinsichtlich der Erhebung von Straßenausbaubeiträgen orientieren wir an der finanziellen Leistungskraft der Gemeinden und überlassen diese Entscheidung den Gemeinden im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung. Missbrauch ist ja kaum zu befürchten, das Land hat ausreichend Möglichkeiten, über die Kommunalaufsichten hier einzugreifen.
Unsere Vorschläge im Bereich der Abfallgebühren durchbrechen das Kostendeckungsprinzip nicht und bewegen sich im Rahmen dessen, was durch Gerichte für zulässig erklärt wurde. Verbraucherbeiräte verursachen unmittelbar auch keine Kosten. Mittelbar entstehen durch die Tätigkeit von Verbraucherbeiräten unbestritten so genannte Demokratiekosten. Doch wollen Sie wirklich diese Demokratiekosten anmahnen, Herr Innenminister? Wenn ja, sollten Sie offen sagen, dass Sie eine kostengünstigere Gesellschaftsform lieben, vielleicht die Monarchie ohne Mitwirkung von Bürgern, die ist tatsächlich noch preiswerter als das Wirken von Verbraucherbeiräten.
Meine Damen und Herren, bleibt ein Vorschlag, bei dem es tatsächlich um Kosten geht, wo die Kostenfrage gestellt werden kann. Das betrifft unsere Forderung, dass für alle Beitragsbescheide, die unter die Neuregelung des Thüringer Kommunalabgabengesetzes fallen, keine steuerlichen Nebenleistungen erhoben werden sollen. Bevor ich mich dieser Kostenfrage zuwende, macht sich nochmals ein Verweis auf die Ausführungen des Innenministers während der Debatte zur ersten Lesung unseres Gesetzentwurfs notwendig - notwendig, weil sich hier der Innenminister nach meiner Auffassung erheblich im Ton vergriffen hat und hier eine klarstellende Entschuldigung angebracht ist.
Herr Innenminister, obwohl wir die Nichterhebung der steuerlichen Nebenleistung nur für die Beitragsbescheide fordern, die unter die Neuregelung des Thüringer Kommunalabgabengesetzes fallen, argumentieren Sie entlang anderer Sachverhalte. Sie sagten - und ich zitiere hier erneut mit Genehmigung der Präsidentin -: „Wenn künftig keine Hinterziehungszinsen mehr erhoben werden dürfen, werden all diejenigen privilegiert, die rechtswidrig Abgaben hinterzogen haben, also eine strafbare Handlung begangen haben.“ Wissen Sie eigentlich, Herr Innenminister, welche Wirkung eine solche Aussage im Zusammenhang mit unseren Vorschlägen auslöst? Ich will es Ihnen sagen: Sie bezeichnen zunächst Säumniszuschläge als Hinterziehungszinsen und rücken damit die Betroffenen in die Nähe von Straftätern. Sie unterstellen die Nichtbezahlung von Beiträgen, z.B. weil Anträge auf Aussetzung der Vollziehung oder auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung noch nicht entschieden sind, erfüllen den Tatbestand der Abgabenhinterziehung. Ich finde, das ist ungeheuerlich; das Stellen derartiger Anträge ist ausdrücklich zulässig und legitimes Recht der Bürger. Dies als mögliche kriminelle Handlung zu geißeln, ist aus meiner Sicht ungeheuerlich. Hier sollten Sie tatsächlich
auch deshalb, weil Sie bereits als Innenminister durch Erlass die Widerspruchsbehörden aufgefordert haben, bei Rücknahme der Widersprüche im Wasserbereich keine Verwaltungskostengebühren zu erheben. Dies ist vernünftig, dort stehen Sie auch im Wort. Aber letztlich, gemessen an Ihren Worten, ist das auch eine Aufforderung zur rechtswidrigen Abgabenhinterziehung.
Meine Damen und Herren, im Übrigen, wenn Ihre Auffassung stimmt, Herr Innenminister, hat der Ministerpräsident ebenfalls zur Begehung von Straftaten aufgefordert. Im Mai 2004
hat der Ministerpräsident ein Beitragsmoratorium verkündet und die Aufgabenträger der Wasserver- und Abwasserentsorgung aufgefordert, keine Beiträge mehr zu erheben bzw. zu vollziehen. War dies der Aufruf, rechtswidrig Abgaben zu hinterziehen? Wohl kaum, deshalb sollten Sie Ihre Worte wohl abwägen.
Hier sind wir gleich beim sachlichen Hintergrund unseres Vorschlags im Gesetzentwurf. Bei den Wasserbeiträgen haben Sie Ihre Zusage eingehalten, dass bei den anhängigen Widerspruchsverfahren die Bürger angehört und bei Widerspruchsrücknahme für die Betroffenen keine Kosten entstehen. Doch weshalb haben Sie das nicht in gleicher Weise für die Widerspruchsverfahren bei den Abwasserbeiträgen veranlasst bzw. dies hinsichtlich der Kommunalaufsichten klargestellt? Die Rechtslage ist doch hier vergleichbar. Bis zum Neuerlass der Abwasserbeitragssatzung kann nicht abschließend geklärt werden, welche Auswirkungen für die einzelnen Bescheide entstehen. Trotzdem ist bereits einschätzbar, auf welche Bescheide die Neuregelung anwendbar ist. Insofern macht es doch Sinn, die Widerspruchsführer durch die Kommunalaufsichtsbehörden nochmals anzuhören und ihnen die Gelegenheit zu geben, die Widersprüche zurückzuziehen und dann auch gebührenfrei, genauso, wie das bei den Wasserbescheiden ja erfolgt. Ich kann hier nur an Sie als Jurist appellieren, heben Sie hier die Ungleichbehandlung gleicher Sachverhalte auf. Es gibt keine sachliche Begründung, bei den Widersprüchen gegen Wasserbescheide anders zu verfahren als bei den Widersprüchen gegen Abwasserbescheide. Und stoppen Sie den Unsinn mancher Kommunalaufsichten, der dort gegenwärtig vollzogen wird, diese bearbeiten Widersprüche gegen Abwasserbescheide ohne nochmalige Anhörung nach der alten Rechtslage. Was soll ein Bürger von der Politik halten, der
beispielsweise für ein unbebautes, aber bebaubares Grundstück einen Abwasserbescheid erhalten hat, dagegen Widerspruch einlegte, zwischenzeitlich das Gesetz geändert wurde, der Verband den Bescheid deshalb abänderte und jetzt die Widerspruchsbehörde dem Bürger bescheinigt, das Grundstück sei theoretisch bebaubar und deshalb sei der alte Bescheid rechtens, selbst wenn dieser vom zuständigen Zweckverband geändert wurde? Ich kann verstehen, dass die Leute das nicht verstehen, und ich bin mir sicher, Herr Dr. Gasser, Sie verstehen es auch nicht, aber offenbar haben Sie die Beamten und Angestellten Ihrer Behörde nicht im Griff.
Meine Damen und Herren, Sie sind für dieses Handeln der Kommunalaufsicht nicht unmittelbar verantwortlich, aber wenn Sie über solche Vorgänge Kenntnis erhalten, müssten Sie handeln, handeln, weil hier die Bürger berechtigterweise empört sind.
Jetzt noch zu den Säumniszuschlägen, meine Damen und Herren: Hier steht die Zusage, dass die Bürger im Zusammenhang mit den Neuregelungen des Kommunalabgabengesetzes mit keiner Mehrbelastung zu rechnen haben. Jetzt müssen die Bürger zur Kenntnis nehmen, dass sie zwar keine oder weniger Beiträge zahlen müssen, aber Säumniszuschläge entrichten sollen. Das ist kaum verständlich; der Vollzug der Bescheide wird rückwirkend ausgesetzt, deshalb ja auch die Rückerstattung der bereits gezahlten Beiträge. Die Bürger, die bisher die Beiträge nicht entrichtet haben, haben dies nicht mit der Absicht gemacht, Abgaben zu hinterziehen. Vielmehr wurden Anträge auf Aussetzung der Vollziehung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung gestellt. Eine Entscheidung über diese Anträge erfolgt nicht mehr, ausschließlich deshalb, weil das Gesetz geändert wurde. Dieses jetzt den Bürgern anzulasten, ist kaum vermittelbar. Hier muss eine politische Entscheidung getroffen werden, keine formalrechtliche, auch deshalb keine formalrechtliche, weil eben die Gesetze und Rechtsprechung die besondere Situation in Thüringen bisher nicht erfassen, weil es ein einmaliger Vorgang ist, dass ein Gesetzgeber eine Gesetzeslage de facto in dieser Art und Weise vollständig ändert. Dies müsste Ihnen, Herr Innenminister, als Jurist durchaus verständlich sein. Jetzt argumentieren Sie, Herr Innenminister, die Bürger, die bisher die Beiträge nicht gezahlt haben, würden bei Nichterhebung von Säumniszuschlägen privilegiert sein, weil sie einen Zinsvorteil erzielen würden. Diese Argumentation ist betriebswirtschaftlich nicht haltbar. Da habe ich Verständnis, wenn Sie das als Jurist nicht durchdringen, aber dafür haben Sie ja viele Mitarbeiter.
Der angebliche Zinsvorteil wegen der Nichtzahlung der Beiträge wird nämlich dadurch kompensiert, dass die Aufgabenträger diese Beiträge nicht erstatten müssen. Dadurch braucht der Zweckverband bzw.
das Land keine Zinsaufwendungen zu tragen und von den 33 Mio. €, die Sie im Jahr für diese Umstellung bereitstellen müssen, sind es allein 28 Mio. € Zinsaufwendungen. Also, Sie müssen sich schon etwas anderes einfallen lassen, um die jetzige Erhebung von Säumniszuschlägen zu begründen.