Herr Matschie, Sie erlauben eine Nachfrage. Weil Sie das Beispiel Mecklenburg-Vorpommern angebracht haben: Ist Ihnen bekannt, dass der Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern die Landesregierung gebeten hat, einmal nachzuweisen, was denn die Kosteneinsparungen der Verwaltungs- und Gebietsreform in Mecklenburg-Vorpommern sind, und diese Nachweise nicht erbracht wurden?
Ich bin mir ganz sicher, Herr Kollege, dass die Verwaltungs- und Gebietsreform, die nicht nur in Meck
lenburg-Vorpommern, sondern auch in allen anderen neuen Bundesländern in Angriff genommen worden ist, deutliche Kosteneinsparungen bringen werden. Das ist auch der Grund, weshalb die jeweiligen Landesregierungen diese Reformen auf den Weg bringen, und das ist auch der Grund, weshalb wir hier in Thüringen eine solche durchgreifende Verwaltungs- und Gebietsreform einfordern.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie reden gern vom Subventionsabbau. Aber warum sorgen Sie denn nicht mit Ihrer Thüringer Stimme im Bundesrat dafür, dass Subventionsabbau auch beschlossen werden kann? Die Bundesregierung hatte vor einiger Zeit schon ein Gesetz vorgelegt zum Abbau von Steuervergünstigungen. Auch Thüringen hat im Bundesrat gegen dieses Gesetz gestimmt.
Ja, und Sie sagen das Stichwort, ich komme gleich dazu. Durch Ihr Nein im Bundesrat fehlt dem Thüringer Landeshaushalt Jahr für Jahr eine Größenordnung von etwa 200 Mio. €. Die könnten mehr im Haushalt sein, wenn Sie den Subventionsabbau nicht verweigert hätten, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Union.
Und jetzt zu Ihrem Stichwort, was Sie mir gerade noch geben: Eigenheimzulage. Es ist ja schon grotesk. Bei jeder sich bietenden Gelegenheit redet Dieter Althaus davon, dass der Staat überfordert sei und der Einzelne mehr Eigeninitiative übernehmen müsse. Auch Sie haben das in Ihrer Rede noch mal ganz eindrücklich vorgetragen, Frau Finanzministerin. Gleichzeitig krallt sich der gleiche Ministerpräsident, der immer von der Überforderung des Staates redet, an der Eigenheimzulage fest, als ginge es um Leben oder Tod an dieser Stelle. Wer denn, wenn nicht diejenigen, die sich ein Eigenheim bauen können, ist in der Lage in diesem Staat auf eigenen Füßen zu stehen? Wer denn, wenn nicht die, kann ohne staatliche Subventionen leben, Frau Finanzministerin?
10 Mrd. € gibt Deutschland im Jahr für die Förderung der Eigenheimzulage aus, 10 Mrd. €, und dass dieser Wahnsinn bis heute fortgesetzt wird, das ist auch Ihnen zu verdanken, weil Sie nicht den Mut hatten, an diese Subventionen endlich einmal heranzugehen.
Wie schizophren muss man denn eigentlich sein, um auf der einen Seite den überforderten Staat zu beklagen und auf der anderen Seite mit Zähnen und Klauen die Eigenheimzulage zu verteidigen. Mir will das nicht in den Kopf und eine vernünftige Begründung habe ich heute von Ihnen auch dafür nicht gehört.
Herr Kollege, Sie waren auf der anderen Seite bereit, bei der Jugendarbeit zu kürzen, bei den Zuschüssen für die Schulbücher zu kürzen, beim Blindengeld zu kürzen, bei der Telefonseelsorge zu kürzen, aber gleichzeitig halten Sie an der Eigenheimzulage fest. Ich frage Sie: Was für eine Auffassung von Gerechtigkeit steht denn dahinter?
(Zwischenruf Diezel, Finanzministerin: Sie wollten es wieder verteilen und nicht zur Konsolidierung...)
Frau Finanzministerin, sorgen Sie dafür, dass die Einnahmen, die dem Land zustehen laut unseren Steuergesetzen, auch in den Haushalt kommen. Laut Statistik erwirtschaftet ein Steuerprüfer pro Jahr mehr als 1 Mio. €. Wir haben mal nachgefragt - im Frühjahr war das - wie viele Steuerprüfer in Thüringen fehlen. Es sind mehr als 100 unbesetzte Stellen bei der Steuerprüfung und bei der Betriebsprüfung. Frau Finanzministerin, die Grundrechenarten beherrschen Sie, davon gehe ich aus; rechnen Sie mal kurz durch, was es bedeutet, wenn ein Steuerprüfer etwa 1 Mio. € zusätzlich in den Haushalt bringt, wenn man die fehlenden über 100 Stellen hier in Thüringen besetzt. Frau Finanzministerin, beklagen Sie nicht nur die Zustände, sondern handeln Sie endlich dort, wo Sie handeln können.
Und was ist eigentlich aus der Initiative Mitteldeutschland geworden, die ja auch Einsparungen bringen sollte? Hier sind die Einsparpotenziale durch die Zusammenarbeit der drei Länder Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt längst nicht erschöpft.
Aber auch da große Worte, medienwirksame Auftritte und hinterher: außer Spesen nichts gewesen. Sie klagen ja oft über die Unwirksamkeit von ABM. Hier haben Sie mal eine ABM, deren Wirksamkeit tatsächlich gegen null geht, nämlich Althaus, Böh
Denn aus diesem Trio ist bisher nichts für die Zusammenarbeit dieser drei Bundesländer herausgekommen, keine Einsparungen. Nichts von dem, was anfangs groß angekündigt war, ist in die Tat bisher umgesetzt worden. Es gibt Handlungsmöglichkeiten, Frau Finanzministerin, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen von der Union, wie wir die finanzielle Lage des Freistaats verbessern können, einige von ihnen habe ich gerade aufgezählt. Also kann ich Ihnen nur sagen, kommen Sie aus den Sesseln hoch, handeln Sie da, wo Sie handeln können, und beklagen Sie nicht, dass die Bedingungen so schlecht sind.
Und noch etwas: Was in aller Welt bringt Sie eigentlich dazu, in einer so dramatischen Haushaltslage, wie sie die Finanzministerin gerade noch einmal beklagt hat, neue zusätzliche staatliche Ausgaben und Leistungen zu beschließen. Sie beklagen die hohe Verschuldung, Sie erzählen uns, der Staat müsse sich zurückziehen und auf das Notwendigste beschränken, und dann beschließen Sie mit den Stimmen dieser Fraktion im letzten Jahr insgesamt 1 Mrd. € zusätzlich auszugeben, um das Wahlversprechen des Ministerpräsidenten bei Wasser und Abwasser zu bezahlen, um die Wasserbeiträge zurückzubezahlen -
eine neue staatliche Leistung im Umfang von insgesamt 1 Mrd. € bei einem so desaströsen Haushalt. Wie das zusammengeht, das müssen Sie mir wirklich noch einmal erklären. Jetzt sagen Sie, weil es für die Menschen gut ist. Gerade eben hat die Finanzministerin erzählt, wer sich selbst helfen kann, benötigt unsere Hilfe nicht.
Dann will ich Ihnen ein weiteres Beispiel für Ihre absurde Politik hier bringen. Nehmen wir einmal die Familienoffensive, die wir im letzten Plenum schon diskutiert haben und die ja jetzt auch intensiv überall draußen diskutiert wird. Sie wollen allen Ernstes angesichts einer dramatischen Haushaltslage eine neue Sozialleistung einführen. Sie wollen jetzt den Familien, die bisher kein Landeselterngeld bekommen haben, weil sie über der Einkommensgrenze liegen, und die bisher auch nicht gesagt haben, wir kommen ohne Landeselterngeld nicht zurecht, denjenigen also, die auf eigenen Füßen stehen können und bisher gut gestanden haben, eine zusätzliche Sozialleistung geben. Wie geht denn das zusammen mit dem, was Sie uns hier an Theorie immerzu verkünden?
Das lässt sich doch überhaupt nicht zusammenbringen, einerseits zu sagen, diejenigen, die das aus eigener Kraft können, die müssen auf eigenen Füßen stehen, und gleichzeitig neue Sozialleistungen hier im Haus beschließen zu wollen. Es wird ja noch absurder, wenn man sich die Familienoffensive genau anschaut. Diejenigen Familien, die bisher das Landeselterngeld bekommen haben, weil sie wenig Einkommen haben, die haben nach Ihrer Familienoffensive weniger im Portemonnaie, weil sie das Landeserziehungsgeld dann, wenn das Kind im Kindergarten bleibt, an den Kindergarten abgeben müssen. Ihre Logik in der Familienoffensive: Die, die ein ausreichendes Einkommen haben, bekommen jetzt was dazu; die, die ein kleines Einkommen haben, bekommen etwas weggenommen. Die Logik, die müssen Sie uns in diesem Hause wirklich noch einmal erklären. Das ist doch ein Schildbürgerstreich und keine Politik, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Die Kindergärten schließlich haben dann nach der vollständigen Umsetzung Ihrer so genannten Familienoffensive ein Drittel weniger Geld für den Betrieb zur Verfügung. Das ist doch ein Stück aus Absurdistan, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das können Sie doch nicht ernsthaft als Politik verkaufen!
Frau Finanzministerin, damit der Haushalt wenigstens noch den Anschein von Verfassungsmäßigkeit erweckt - Sie haben das vorhin noch einmal betont -, wollen Sie jetzt die verbliebenen Anteile von Jenoptik verkaufen. Frau Finanzministerin, das ist ein Panikverkauf in höchster Haushaltsnot und es ist ein Verkauf zur Unzeit. Ich erinnere Sie daran, als die Debatte über den Verkauf von Jenoptikanteilen vor vier Jahren schon einmal geführt wurde, warnte an dieser Stelle Bernhard Vogel - ich zitiere ihn einmal: „Wenn ich den heutigen Börsenkurs der Jenoptikaktie mir anschaue, dann rate ich im gegenwärtigen Augenblick vom Verkauf dieser Aktie dringend ab.“ So der damalige Ministerpräsident. Damals lag der Kurs der Aktie bei etwa 20 €. Gestern lag der Kurs der Aktie bei 7,60 €. Und jetzt, Frau Finanzministerin, wollen Sie verkaufen bei einem Kurs, der nur knapp über dem absoluten Tiefststand der Aktie von etwa 6 € liegt. Ein guter Zeitpunkt kann das jedenfalls nicht sein. Eine gute Haushaltspolitik kann ein solcher Notverkauf auch nicht sein. Nein, Frau Diezel,
Sie handeln aus blanker Not, weil Sie sonst überhaupt keinen verfassungsmäßigen Haushalt mehr zusammenbringen. Dieser Panikverkauf zur Unzeit, der wird dem Land am Ende mehr Schaden als Nut
Dann haben Sie ja allen Ernstes behauptet, die Einnahmen würden in zusätzliche Ausgaben für Forschung und Bildung fließen. Also wenn man sich den Haushalt anschaut, dann sucht man diese zusätzlichen Ausgaben vergeblich. Im Gegenteil, bei der Bildung und Forschung wird weiter gekürzt, Frau Finanzministerin. Nicht nur das Erfinderzentrum in Ilmenau, was ja schon durch die Presse ging, bekommt kein Geld mehr. Nein, auch die Verbundforschung sinkt weiter ab, von 10,7 Mio. € in diesem Jahr auf 8,3 Mio. €. Ich erinnere, 1999 standen mal über 30 Mio. € für die Verbundforschung zur Verfügung, jetzt sind wir bei 8,3 Mio. € angekommen.
In der Bildung werden im Doppelhaushalt 44 Mio. € gekürzt, darunter bei der Schuljugendarbeit weitere 1,5 Mio. €, bei der Computertechnik für die Schulen 1 Mio. €. Da stellen Sie sich allen Ernstes in die Öffentlichkeit und sagen, mit dem Verkauf dieser Jenoptikanteile wollen wir zusätzliche Ausgaben bei Bildung und Forschung finanzieren. Dann erklären Sie uns doch einmal, wo sich diese zusätzlichen Ausgaben für Bildung und Forschung finden! Wir können in diesem Haushalt nur Kürzungen in diesem Bereich sehen.
Das ist die bittere Wahrheit. Also lassen Sie das Täuschungsmanöver, es fällt in diesem Hause niemand mehr darauf herein.
Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen von der Unionsfraktion, lassen Sie mich zum Schluss noch einmal der Frage nachgehen: Welche Ausgaben will sich die CDU in den nächsten Jahren leisten und welche Ausgaben will sie streichen? Vielleicht gestatten Sie mir die Bemerkung an dieser Stelle: Was uns hier eine Partei, die sich christlich nennt, mit dem vorliegenden Haushalt zumutet, ist schon bemerkenswert. Die CDU leistet es sich, Fluglinien mit 3,6 Mio. € zu fördern. Die CDU leistet es sich, das Landesverwaltungsamt für insgesamt 70 Mio. € zu sanieren in einer Situation, wo allen bekannt ist, dass wir eine Debatte auch über die Zukunft dieses Landesverwaltungsamtes und über die zukünftigen Strukturen zu führen haben. Die CDU leistet es sich, in eine Spielbank, die schon über eine halbe Mio. € Steuergelder verschluckt hat, auch in den nächsten Jahren weitere Steuergelder zu stecken. Dafür streicht die gleiche CDU-Fraktion die Unterstützung für Verbraucherzentralen von 1 Mio. € in diesem Jahr auf nur noch 200.000 € 2007 zusammen. Dafür streicht die CDU die Förderung von Beratungsstellen in der Behindertenhilfe von 318.000 €
auf 194.000 €. Dafür streicht die CDU bei der Suchtprävention und Drogenhilfe von 877.000 € auf 674.000 €. Dafür streicht die CDU die Zuschüsse, die Frauen in großen Notlagen brauchen, wenn sie Zuflucht suchen müssen in Frauenhäusern oder Schutzwohnungen von 1,6 auf 1 Mio. €. Dafür verliert die Schuljugendarbeit nach massiven Kürzungen in diesem Jahr weitere 1,5 Mio. €.
Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Unionsfraktion, halten Sie das wirklich für eine gerechte und für eine verantwortbare Haushaltspolitik?
Wir jedenfalls, meine sehr geehrten Damen und Herren, die SPD-Fraktion, werden in den Beratungen in den nächsten Wochen alles daran setzen, damit wenigstens die schlimmsten Ungerechtigkeiten in diesem Haushaltsentwurf korrigiert werden. Wir wollen verhindern, dass soziale Strukturen zerstört werden, die unsere Gesellschaft dringend braucht. Das fängt bei der Behindertenhilfe an und es geht bis hin zur Kindergartenstruktur. Wir werden nicht hinnehmen, dass Sie insbesondere bei den Schwächsten den Rotstift ansetzen, denn die Stärke einer Gemeinschaft zeigt sich auch und gerade im Umgang mit ihren schwächsten Gliedern.
Wir werden auch nicht hinnehmen, dass den Kindergärten in den nächsten Jahren ein Drittel der Mittel für den Betrieb entzogen werden sollen, denn wir wollen, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass die frühkindliche Bildung verbessert wird. Das müssen wir auch gemeinsam wollen, denn die frühkindliche Bildung ist der wichtigste Baustein für den sozialen Ausgleich in der Gesellschaft. Nur wenn Kinder von Anfang an gefördert werden, können wir soziale Unterschiede in den Lebensläufen ausgleichen und Chancengleichheit herstellen. Das muss doch auch Ihr Anliegen sein, da können Sie doch nicht hergehen und bei dieser wichtigen Aufgabe der Gesellschaft den Rotstift ansetzen. Wir werden uns mit aller Entschiedenheit gegen diese Kürzungen bei den Kindergärten wehren.
Werte Kolleginnen und Kollegen von der Unionsfraktion, wachen Sie endlich auf. Machen Sie sich an die Strukturreformen, die dieses Land dringend braucht. Verweigern Sie sich nicht länger einer durchgreifenden Verwaltungs- und Gebietsreform, damit wir endlich aus der Schuldenfalle rauskommen. Die anderen Länder sind uns längst weit voraus. Wir müssen aufholen und nicht weiter auf der Bremse stehen, wie das der Thüringer Ministerpräsident immer wieder tut. Sorgen Sie in den aktuellen Haushaltsberatungen dafür, darum bitte ich Sie, werte Kolleginnen