Meine Damen und Herren, um es noch einmal ganz deutlich zu sagen, natürlich gibt es erhebliche, von uns auch geteilte Rechtsbedenken gegenüber der Lernmittelpauschale, sonst hätten die Landeselternvertretungen und die GEW doch wohl kaum den Klageweg eingeschlagen. So etwas kann man doch nicht einfach wegphilosophieren; das sind, meine Damen und Herren, klare Fakten. Und Realität ist auch, dass die Landesbeauftragte für den Datenschutz eine geradezu vernichtende Kritik an der vom Kultusministerium ursprünglich geplanten Form der Erhebung des Büchergeldes an den Schulen geübt hat. Erst nach der Intervention der Datenschutzbeauftragten ist es zu einigen Nachbesserungen seitens des Kultusministeriums gekommen. In einigen Schulen kam das aber leider erheblich zu spät. Ob sie allerdings auch ausreichen, alle datenschutzrechtlichen Probleme auszuräumen, bleibt abzuwarten. Ich bin da eher skeptisch. Für völlig unangemessen halte ich es daher, wenn Kollege Emde diese Einwände sozusagen als pures Gedönse abtut.
(Zwischenruf Abg. Emde, CDU: Das habe ich so nicht gesagt. Legen Sie mir nichts in den Mund, was ich nicht gesagt habe!)
Das Recht auf informelle Selbstbestimmung ist für meine Fraktion ein hohes Gut und das gilt es zu wahren und erst recht, wenn es um Erhebung und Verwaltung von Daten über individuelle Sozialverhältnisse geht, und noch viel mehr, wenn das in einem so sensiblen Bereich wie der Schule geschieht. Kollegin Reimann hat das sehr plastisch dargestellt.
Ein Letztes noch zu Ihnen, Kollege Emde: Sie haben hier behauptet, wir hätten für die 2,9 Mio. €, die eine Realisierung unseres Gesetzentwurfs bedeuten würde, keine Deckung anzubieten. Ich weise auch das entschieden zurück. Natürlich haben wir einen Deckungsvorschlag und den hätten wir auch gern im Bildungsausschuss mit den anderen Fraktionen diskutiert. Aber Sie waren überhaupt nicht bereit
dazu, im Ausschuss über dieses Gesetz zu reden. Sie wollten doch gar keine ernsthafte Beratung über den Gesetzentwurf. Ich kann mir auch denken, warum das so ist. In einer vom Bildungsausschuss anberaumten Anhörung zu unserer Gesetzesinitiative hätte sich womöglich die übergroße Mehrheit der Anzuhörenden gegen das neue Büchergeld ausgesprochen. Und einem solchen Realitätsschock mag sich die CDU verständlicherweise nicht aussetzen.
Meine Damen und Herren, ähnlich dürftig wie die seinerzeitigen Ausführungen des Kollegen Emde waren jene des Kultusministers. Als Hauptargument gegen unseren Gesetzentwurf hatte er dargelegt, dass die von uns postulierte Rückkehr zur uneingeschränkten Lernmittelfreiheit nicht möglich sei. Begründet wurde dies damit, dass es eine derartige vollständige Lernmittelfreiheit nie gegeben habe, da auch Arbeits- und Verbrauchsmaterialien Lernmittel seien, für die das Land aber nie habe aufkommen müssen. Also bei aller Liebe, Herr Minister Goebel, für so manche Spitzfindigkeiten, es ist doch wohl so, dass derartige Arbeits- und Verbrauchsmaterialien auch noch nie ernsthaft mit der Lernmittelfreiheit in Verbindung gebracht wurden. Die waren zu keiner Zeit Bestandteil der Lernmittelfreiheit und das ist uns doch allen klar. Das ist auch jedem verständigen Menschen klar, dass eine Rückkehr zur uneingeschränkten Lernmittelfreiheit nicht bedeutet, dass der Freistaat den Schülern fortan ihre Schreibhefte und Radiergummis bezahlt. Nur bei unserer Landesregierung scheint das Motto zu gelten: „Was wir nicht verstehen wollen, das verstehen wir eben nicht.“
Meine Damen und Herren, ein anderer Punkt gibt mir wesentlich mehr zu denken. Der Minister hat auf meine Anfrage hin bezweifelt, dass die Landeselternvertretung mit ihrer deutlichen Ablehnung des neuen Büchergeldes „wirklich die mehrheitliche Meinung der Thüringer Eltern vertritt“. Wie Sie zu einer solchen Einschätzung angesichts der von mir zitierten und vorliegenden 38.000 Widersprüchen von Eltern gegen die Lernmittelpauschale kommen, ist mir absolut rätselhaft.
Eine solche hohe Zahl von Einwänden muss einem doch zu denken geben. Da kann man doch nicht einfach so tun, als gäbe es keine nennenswerte Kritik am eigenen Vorgehen. Wenn Sie mich fragen, gibt es gegenwärtig eine ganz andere Institution, die in der Frage des Büchergeldes nicht die Interessen der Thüringer Eltern vertritt, und das ist die Thüringer Landesregierung.
Meine Damen und Herren, unser Gesetzentwurf ist Ihnen ja schon aus der ersten Lesung hinreichend bekannt. Ich möchte nur kurz noch einmal auf die Zielsetzung eingehen, um es auf den Punkt zu bringen. Das Gesetz geht mit unserer Initiative auf die unverzügliche Wiederherstellung des bisherigen Status quo bei der Lernmittelfreiheit ein. Da sieht der Gesetzentwurf die ersatzlose Streichung des neuen Büchergeldes und die Rückkehr zur Lernmittelfreiheit in ihrem bisherigen aus unserer Sicht uneingeschränkten Umfang vor. Unser Gesetzestext lehnt sich dabei weitgehend an die gesetzlichen Bestimmungen an, wie sie bis einschließlich des Schuljahres 2004/05 Gültigkeit besessen haben. So viel in aller Kürze zu unserer Gesetzesinitiative.
Ich appelliere noch mal an die Kolleginnen und Kollegen der CDU-Fraktion, nicht länger die Augen und Ohren vor den rechtlichen, bildungspolitischen und familienpolitischen Problemen zu verschließen, die mit der Einführung der Lernmittelpauschale einhergehen. Verhalten Sie sich nicht länger, meine Damen und Herren, wie die drei Affen in den buddhistischen Schreinen. Öffnen Sie sich der Realität an unseren Schulen, wichtiger noch, beziehen Sie Stellung. Ich bitte Sie mit Nachdruck um Zustimmung für unseren Gesetzentwurf. Ich danke Ihnen.
Weitere Wortmeldungen von Abgeordneten liegen mir nicht vor. Das Wort hat Kultusminister Prof. Dr. Goebel.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, die SPD-Fraktion begehrt die Änderung des Thüringer Schulgesetzes dahin gehend, dass die eingeführte Elternbeteiligung an den Lernmitteln wieder rückgängig gemacht wird.
Meine Damen und Herren, wir haben darüber bereits hier ausführlich diskutiert im Zusammenhang mit dem Haushaltsgesetz für das Jahr 2005. Im Rahmen dieses Haushaltsgesetzes, des Haushaltsbegleitgesetzes, haben wir die Möglichkeit zur Erhebung solcher Beiträge eröffnet.
Dies ist in den Ausschüssen und hier im Plenum diskutiert worden und dieses hohe Haus hat eine Entscheidung getroffen. Ich kann verstehen, dass einzelne Abgeordnete, auch ganze Fraktionen mit dieser Entscheidung nicht zufrieden sind. Ich kann auch verstehen, dass Sie dann sagen, wir wollen das
wieder ändern. Aber dass wir alle Diskussionsprozesse immer wieder vom Anfang führen sollen, bis auch der Letzte überzeugt ist, das, denke ich, wird uns nicht möglich sein. Wir haben mit dem Verfahren, das wir nach der Änderung des Schulgesetzes im Frühjahr dieses Jahres in Gang setzen konnten, inzwischen einen Zustand erreicht, der die Versorgung aller Schulen mit Lehrbüchern gut absichert. Bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt, bis heute also, haben mehr als 95 Prozent aller Schulen auch die Landesmittel, also den Anteil, der die Gelder ersetzt, die in den Schulen nicht eingesammelt werden konnten, beim Land abgerufen. Und das Schuljahr hat insgesamt sehr gut begonnen. Störungen bei der Buchversorgung hat es nicht gegeben. Nennenswerte Schwierigkeiten sind, auch in der Öffentlichkeit, nicht bekannt geworden. Bei verschiedenen Einzelproblemen haben Schulämter und Schulen gemeinsame Lösungen gefunden.
Ich denke, es ist an dieser Stelle richtig und wichtig, den Schulen und den Lehrern, die sicherlich in relativ kurzer und gedrängter Zeit das erste Mal dieses Verfahren umsetzen mussten, für ihre Umsicht in dieser Frage zu danken.
Meine Damen und Herren, das Land ist nicht beliebig leistungsfähig. Wir haben - der Abgeordnete Emde hat das hier noch einmal deutlich gemacht - die Situation, dass die Einnahmen in den letzten Jahren drastisch zurückgegangen sind, dass wir also auch bei den Ausgaben alles auf den Prüfstand stellen müssen. Und wir haben bei der Versorgung mit Lernmitteln die Situation, dass es einerseits die periodisch wieder verwendbaren Lernmittel, Schulbücher in aller Regel, gibt, und andererseits die Schulen bei der Gestaltung des Unterrichts mit Arbeitsmaterialien und ähnlichen Dingen arbeiten, die sie den Schülern zur Anschaffung anempfehlen. Die Situation ist die, dass in den letzten Jahren, das ist eine sehr breit angelegte Beobachtung, die Aufwendungen, die die Schüler ohne Einschränkung für diese einmalig verwertbaren Lernmittel erbringen mussten, ständig gestiegen sind.
Deshalb wollten wir hier auch eine Umkehr mit unserer Regelung finden und haben den Schulen auferlegt, diese einmaligen Arbeitsmittel künftig nur noch dann zur Anschaffung zu empfehlen, wenn sie einen bestimmten Betrag nicht übersteigen und wenn dies mit der Schulkonferenz abgesprochen ist. Die Schulen halten sich an dieses Verfahren und es wird dazu führen, schon in diesem Jahr, dass die Gesamtaufwendungen für die Eltern, auch für die, die Vollzahler
dieses Beitrags für die Lehrbücher sind, frühere Aufwendungen nicht überschreiten. Damit haben wir eine Situation geschaffen, denke ich, die durchaus vertretbar ist. Im Übrigen, auch das ist hier mehrfach gesagt worden, Regelungen zur Beteiligungen an Lernmitteln sind durchaus nicht unüblich in den deutschen Ländern. Verfassungsrechtliche Bedenken oder andere rechtliche Bedenken jedenfalls, können wir nicht erkennen. Das Verfahren, das wir entwickelt haben, ist in einem Maße gestaltet, dass es vertretbar ist, es an den Schulen abzuwickeln, und es hat den Vorteil, dass die Gelder, die künftig für Lehr- und Lernmittel in den Schulen zu verausgaben sind, sicher auch bei den Schulen verfügbar sind. Das heißt, das Lernmittelbudget bleibt ein Schulbudget und stärkt damit die Eigenverantwortung der Schulen.
In diesem Sinne ist der notwendige zusätzliche Verwaltungsaufwand nicht nur vertretbar; eine Schule, die eigenverantwortlich handeln will, muss auch Verwaltungsaufgaben eigenverantwortlich durchführen können, muss planen können, muss protokollieren können, muss optimieren können.
Ich hoffe, Sie gehen in Ihren weiteren Ausführungen noch auf das Thema Schulkonten ein. Ich erinnere mich an eine Zeit, da durfte ich die 12.000 DM für eine Klassenfahrt nicht auf mein Privatkonto, aber auch nicht auf ein Schulkonto überweisen und da musste ein Privatkonto einer Elternsprecherin her. Das, was jetzt praktiziert wird, ist genauso unsauber, ich hoffe, da gibt es noch eine juristische Klärung oder Sie werden uns das jetzt erklären.
Die Konteneinrichtung, so wie sie von uns vorgeschlagen und genehmigt ist, ist insoweit als Schulkonto durchaus rechtlich sauber.
Fazit: Meine Damen und Herren, die Entscheidung des Landtags im Zusammenhang mit dem Haushalt 2005 war richtig und sinnvoll. Bildung muss bezahlbar bleiben für alle, auch in Zukunft. Dafür tragen wir Sorge.
Langfristige Perspektiven sind das Ziel und nicht nur kurzfristige Schnellschüsse. Im Übrigen, wir werden ja heute vielleicht noch darüber reden, PISA-E 2003 hat eindeutig festgestellt, in keinem anderen deutschen Land ist die soziale Herkunft so wenig ausschlaggebend für den Bildungserfolg wie in Thüringen. Wir liegen da bei der Spitzengruppe der PISA-Länder.
Das wird so bleiben, da können Sie sicher sein, Herr Matschie. Lassen Sie mich mit einem Satz von Moliére enden: „Wir sind nicht nur verantwortlich für das, was wir tun, sondern auch für das, was wir nicht tun.“ Und nichts zu tun in dieser Frage ist sicherlich nicht der richtige Weg.
Weil Sie gerade PISA angesprochen haben und die Perspektive, die sich daraus ergibt und die ganzen Kürzungen, möchte ich eine Frage stellen. Ne
ben der Einführung der Lehrmittelpauschale zeichnet sich ja jetzt in Schulen ab, gerade auch im Eichsfeld, dass Stunden gekürzt werden, nicht mehr finanziert werden. Ich habe z.B. meinen Sohn angemeldet in einer Schule, da wurden mir 31 Stunden Wochenstunden versichert -
genau -, jetzt sind es nur noch 28, weil die 3 zusätzlichen Stunden, die sonst immer gegeben wurden, nicht mehr finanziert werden.