Protocol of the Session on April 22, 2005

los, denn es geht immerhin um eine Art, ja ich sage es einmal provozierend, es geht um eine Art „sozialen Tod“ durch Barrieren in der Arbeitswelt und im gesellschaftlichen Leben, auch durch einen gewissen Rechtfertigungsdruck gegenüber jenen, die da nicht mitziehen wollen. Auf die Frage, ob der Staat hier seine Rechte nicht weit überdehnt und den gesellschaftlichen Bereich bevormundet, will ich am Schluss noch einmal zurückkommen. Zunächst ergibt sich aber jedoch die Frage, ob Zweck und Mittel nicht außer Verhältnis geraten. Zumindest muss man definieren, wer denn ein Rechtsextremist sei und was genau geächtet werden soll: benennbare Handlungen, Meinungen, das ist kein Problem. Wenn jemand wegen fortgesetzter rassistischer oder ausländerfeindlicher Sprüche, so wie das Punkt 6 des Antrags ausdrückt, Schwierigkeiten bekommt, dann ist das schon richtig. Bei der Gesinnung wird es allerdings schon etwas fragwürdiger, denn welche Fähigkeiten, fangen wir doch einmal bei einem einfachen Beispiel an, soll denn zum Beispiel ein Vereinsvorsitzender mitbringen, um das zu prüfen. Beim Ächten von Organisationen ergeben sich Abgrenzungsprobleme und beim Ächten von Personen habe ich erhebliche, auch ethische Bedenken, wenn nicht wenigstens ganz klar definiert wird, wer denn nun im Sinne Ihres Antrags ein Rechtsextremist sei. Denn bei einer solchen Totalmobilmachung der gesamten Gesellschaft mit dem Ziel einer völligen sozialen Isolierung müsste doch zumindest klar sein, wer gemeint ist. Das kann man doch nicht so im Vagen lassen. Je tiefer eine solche Maßnahme eingreift - und tiefer geht es ja kaum noch, was Sie vorgeschlagen haben, wir kommen dann noch einmal darauf zurück, was denn dann alles für Gesetzlichkeiten davon berührt werden -, desto genauer muss der Zweck doch benannt werden.

Der Begriff „Rechtsextremist“ ist nämlich nicht ganz scharf. Man könnte natürlich die ganz weite Auslegung nehmen. Der Thüringen-Monitor hat von 23 Prozent Thüringern mit rechtsextremen Einstellungen gesprochen. Das unterstelle ich Ihnen ausdrücklich nicht, dass Sie diese 23 Prozent meinen. Ich will ja hier nicht boshaft erscheinen. Ich bin aber deshalb misstrauisch, Herr Matschie, weil beim Kampf von so genannten links gegen rechts immer wieder alles Mögliche unter die Räder kommt, was meines Erachtens dort gar nicht hingehört.

Dass es bei der Ausgrenzung unliebsamer Positionen im Namen der politischen Korrektheit zu oft ganz abenteuerlichen Entgrenzungen kommt, das haben wir ja nun weiß Gott auch in diesem hohen Hause schon erlebt und Erfahrungen gemacht in diesem Parlament. Was ist denn mit einem Herrn Dr. Krause, der von Frau Thierbach von diesem Pult aus ohne jeden Bezug und Beleg der Gleichsetzung von Diktaturen geziemt wurde? Oder was ist denn mit einem Siegfried Wetzel, der auf Antrag des SPD-Abgeord

neten Höhn öffentlich vor dem Parlament gerügt werden sollte? Oder was ist gar mit der Landtagspräsidentin Prof. Schipanski, deren Rede zur GestapoAusstellung in diesem Haus nach der Meinung des Herrn Kollegen Döring einer fahrlässigen Relativierung der NS-Verbrechen gleichkomme?

(Zwischenruf Abg. Döring, SPD: Das habe ich nie gesagt. So ein Quatsch. Das ist doch Blödsinn.)

Das ist so gesagt worden. Meine Damen und Herren, das sind gedankliche Zuckungen und Verschrobenheiten, bei denen ich mich frage, wo bleibt denn beim viel besprochenen Aufstand der Anständigen der Anstand der Aufständischen, meine Damen und Herren?

(Beifall bei der CDU)

Natürlich werden Sie sagen, das ist alles gar nicht so gemeint, selbstverständlich nicht. Nur haben Sie zum einen das Spiel nicht mehr in der Hand, schon gar nicht, wenn Sie es zu einer Art Massenbewegung machen, mit Tausenden von Akteuren. Die Skandalisierung politischer Positionen im bürgerlichen Bereich, das ist ein durchaus gängiges politisches Instrumentarium. Es fragt sich eben, ob Sie die Geister, die Sie rufen, am Ende noch beherrschen oder ob nicht irgendwann ein sanft totalitäres antifaschistisches Meinungsklima entsteht,

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Gilt das auch für Ihre Rede jetzt?)

das die Meinungs- und Gedankenfreiheit letztlich erstickt.

(Beifall bei der CDU)

Und ich verhehle nicht, meine Damen und Herren, dass sich manche Kollegen in meiner Fraktion bei Ihrem Antrag an den Weg in eine Art antifaschistische DDR-light zurückgesetzt fühlen.

(Beifall bei der CDU)

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Langsam wird es albern. Wirklich.)

Ja, Ihre Zwischenrufe sind nicht von Sachlichkeit geprägt. Sie können sich im Übrigen dann noch in die Diskussion mit einmengen.

Wir sind uns einig - nein, ich muss noch einmal zu den Organisationen kommen. In Punkt 6 zitieren Sie aus der Schalke-Satzung, „dass eine Mitgliedschaft in der NPD, bei den Republikanern oder Parteien mit gleichen oder ähnlichen politischen Zielen unver

einbar ist mit der Mitgliedschaft im Verein“ und das empfehlen Sie als Norm. Wir sind uns sicher in diesem Hause einig, dass es politisch besser wäre, es gäbe die NPD und die Republikaner und die ähnlichen Parteien nicht - damit hier gar keine Missverständnisse aufkommen. Nur müssen wir auch hier genauer hinschauen. Es gibt Organisationen, die der Verfassungsschutz ohne Wenn und Aber als rechtsextrem einstuft - das sind die NPD und die Kameradschaften z.B. Dann gibt es Organisationen, bei denen er davon spricht, dass es tatsächliche Anhaltspunkte für rechtsextremistische Bestrebungen gibt, mit dem Zusatz, dass nicht jedes Parteimitglied verfassungsfeindliche Ziele verfolgt.

Diese so genannte Verdachtsberichterstattung des Verfassungsschutzes ist nicht unumstritten. Das kann aber hier einmal dahingestellt bleiben. Nur frage ich Sie, was sollen die Vereine denn mit einem Republikanermitglied machen, von dem gar nicht klar ist, dass er verfassungsfeindliche Ziele verfolgt? Sollen Sie den etwa auf Verdacht hin ächten?

Natürlich gibt es auch hier ein Analogon im Bereich des Linksextremismus. Über die PDS heißt es im jüngsten Verfassungsschutzbericht des Bundes: Das runderneuerte Programm der PDS biete, und hier zitiere ich: „weiterhin tatsächliche Anhaltspunkte für linksextremistische Bestrebungen im Sinne des Bundesverfassungsschutzgesetzes. Nach wie vor können offene extremistische Kräfte innerhalb der Partei wirken. Auch arbeitet die PDS weiter mit in- und ausländischen Linksextremisten zusammen.“

(Beifall bei der CDU)

Was machen wir denn nun damit? Jedenfalls, wenn wir, wie meine Fraktion, davon ausgehen, dass unser Problem Extremismus und Gewalt heißt, und es nicht nur einfach auf Rechtsextremismus und rechtsextremistische Gewalt verkürzen. Ich will das an dieser Stelle gar nicht vertiefen, sondern lediglich an diesem spiegelbildlichen Fall verdeutlichen, dass es schon in Probleme führen kann, wenn man nicht politisch genau definiert.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, sicherlich nicht im angestrebten Szenario, aber im schlimmsten Fall wird das mit dem Ächten dann kein Ende nehmen, wenn wir nicht sorgfältig vorgehen. Am Ende steht dann eine Herrschaft des Verdachts, die unsere Gesellschaft auf andere Weise als den Rechtsextremismus vergiftet, aber eben auch vergiftet. Und es ist für mich höchst zweifelhaft, dass sich so die gewünschten Effekte einstellen und der Rechtsextremismus tatsächlich eingedämmt wird. Vor allem, wir sollten eines nicht vergessen bei dem Thema: Wir reden bei diesem Thema vielfach über junge Menschen. Sollen die wirklich von Feuerwehrvereinen,

Jugendvereinen und anderen Orten des zivilgesellschaftlichen Lebens ferngehalten werden, damit sie sich nicht „in die Mitte der Gesellschaft schleichen“, wie Sie in Ihrem Punkt 3 des Antrags ausführen? Hat die SPD schon die Hoffnung aufgegeben, dass in der Mitte der Gesellschaft Menschen sind, die junge Menschen im demokratischen Sinn beeinflussen können, so dass sie wieder abkommen von dem Weg, den sie eingeschlagen haben?

(Beifall bei der CDU)

(Zwischenruf Abg. Matschie, SPD: Herr Köckert, haben Sie bei meiner Rede überhaupt zugehört? Offen- sichtlich nicht.)

Ist es wirklich sinnvoll? Herr Matschie, Ich habe Ihrer Rede sehr gut zugehört und ich habe vor allen Dingen auch Ihren Antrag gut gelesen. Verstehen Sie? Was da schwarz auf weiß steht, da können Sie in Ihre Rede zwar Nuancen hineinbringen, aber auch das steht schwarz auf weiß. Ich will gar nicht davon reden, in welche Schwierigkeiten Sie kommen, z.B. mit dem von Ihnen in Berlin so toll vertretenen Antidiskriminierungsgesetz, um das gestritten wird. Das ist natürlich auch ein Thema. Wir werden heute wahrscheinlich nicht mehr zu diesem Tagesordnungspunkt kommen,

(Zwischenruf Abg. Matschie, SPD: Un- glaublich, was Sie für Parallelen ziehen!)

aber wir können doch, bitte schön, die Dinge nicht so drehen, wie man es gerade will.

(Beifall bei der CDU)

Ich meine jetzt gar nicht die, damit wir uns mal richtig verstehen, bei denen ganz klar ist, hier steht eine urgründige rechtsextremistische Gesinnung dahinter. Aber was Sie hier betreiben wollen, ist, dass Sie versuchen, eine Grauzone zu schaffen, die Sie am Schluss gar nicht mehr beherrschen und einordnen können.

(Unruhe bei der PDS)

Herr Abgeordneter Köckert, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Herr Ramelow kann danach fragen.

(Heiterkeit bei der PDS)

Aber er hat vielleicht eine Wortmeldung.

(Zwischenruf Abg. Buse, PDS: Nein, der geht gerade.)

Bitte schön.

Ach, Herr...

Herr Köckert, vom Thüringen-Monitor haben wir geredet, er ist Ihnen ja auch bekannt. Wie erklären Sie sich dann, dass in diesem Thüringen-Monitor bei der Frage, wo es um lebenswertes und unlebenswertes Leben geht, es prozentual doch ziemlich hoch in Thüringen beantwortet wird, dass es diese Unterscheidung gibt? Die Zeiten der Euthanasie sind noch gar nicht so lange her. Wie erklären Sie sich das?

Ich verstehe jetzt nicht den Zusammenhang zu dem, was ich jetzt hier vorgetragen habe.

Wie erklären Sie sich dieses Menschenbild in Thüringen?

Erklärungen lassen sich dafür sicher finden. Ich bin mit Herrn Matschie schon einig, dass man hier manchen Dingen auf die Spur kommen kann, auch schon gekommen ist. In einem Punkt streiten wir uns gar nicht. Was ich wichtig finde, das ist die öffentliche Diskussion über diese Geschichten. Die wird nicht hier in dieser Art ausgetragen werden, sondern dass man die Leute sensibilisiert, dass man mit ihnen redet, meinetwegen auch in Betrieben, in Sportvereinen, dass das notwendig ist, das bestreite ich gar nicht.

(Beifall bei der CDU)

Ich bestreite nur, dass Sie mit dem, was Sie hier mit Ihrem Antrag vorschlagen, diese Diskussion erreichen. Die hätten Sie nicht bei EKO STAHL erreicht und die erreichen Sie bei Schalke 04 auch nicht, wenn Sie das so verordnen und das Sie mit Satzungen und mit allem möglichen Kram erreichen wollen. Da bedarf es Persönlichkeiten, da bedarf es Leute, die sich hinstellen und auch ohne Satzungen und ohne Reglementierung diese Diskussion beginnen und durchführen. Das ist entscheidend und dazu müssen wir kommen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Ist es denn wirklich sinnvoll, diese jungen Leute von Feuerwehrvereinen, Jugendvereinen und anderen Orten des zivilgesellschaftlichen Lebens auszuschließen? Ist es denn wirklich sinnvoll, Mitglieder der NPD, der Republikaner oder Parteien mit gleichen oder ähnlichen politischen Zielen aus allen Vereinen herauszuhalten? Was bringt es denn, wenn ein Rechtsextremist in keinem Verein mehr Ball spielen kann? Wird er denn dadurch nicht vollends auf sich, seine Kameradschaft und deren kruden Ideologien zurückgeworfen? Ich befürchte, dass ein Großteil dieser so genannten Geächteten sich zwar an Sprach- und Verhaltensgebote hält, aber im Zweifelsfall, wenn es darauf ankommt, dann wird er keinen Finger rühren für die freiheitliche demokratische Grundordnung, für unseren demokratischen Verfassungsstaat und für die pluralistische Gesellschaft. Und warum wird er keinen Finger rühren? Weil er ihn für verlogen hält, meine Damen und Herren. Weit schlimmer aber ist, ein Bodensatz wird sich verfestigen, seinen Hass steigern und sich weiter radikalisieren.

Es tut mir Leid, das ist eine brandgefährliche Strategie und die wird hier empfohlen. Die passt doch aber eher zu einer Gesellschaft, die den Glauben an ihre Überlegenheit und Attraktivität und die vor allen Dingen den Glauben an ihre innere Souveränität verloren hat. Leben wir denn schon in einer solchen Gesellschaft? Das, meine Damen und Herren, will ich mir hier nicht einreden lassen, dass wir schon wieder so weit sind, dass die Extremisten in unserer Gesellschaft die Demokraten dahin bringen, die Werte unserer freiheitlichen und demokratischen Grundordnung freiwillig an die Wand zu hängen, weil sie es der Gesellschaft mit der ihr innewohnenden Kraft nicht mehr zutrauen, mit diesen extremistischen Kräften fertig zu werden.

(Beifall bei der CDU)

Dort, denke ich, sind wir noch nicht. Was bewirkt denn nun die einseitige Ausrichtung gegen Rechtsextremismus? Etwa wenn in Punkt 1 in den Schulen Rechtsextremismus und Gewalt in verbaler und nonverbaler Form geächtet wird. Wenn gar in Punkt 2 allein rechtsextremistische Gewalt geächtet werden soll, als gäbe es nur diese. Ist denn linksextremistische Gewalt besser? Und wieso sollen in Mustermietverträgen ausschließlich rechtsextreme Inhalte von Veranstaltungen ausgeschlossen werden? Selbstverständlich auch hier, um keinen Irrtum aufkommen zu lassen, wir wollen keine NPDParteitage und wir wollen keine Skinhead-Konzerte. Wir wollen natürlich verhindern, dass in Pößneck und anderswo Kristallisationspunkte der extremen Rechten entstehen. Aber hier wird ein sehr fragwürdiger Hebel angesetzt. Besteht nicht die Gefahr, dass ein solch formulierter Antrag die Rechtsextremen in ihrer Wahrnehmung bestärkt, es werde nicht ge

gen Verfassungsfeinde, Gewalt und Extremismus zu Felde gezogen, sondern allein gegen sie. Ich glaube, wir sollten uns nicht täuschen. Wenn Sie sich einmal näher mit den Chefideologen beschäftigen, das sind ja gar nicht die Krawallmacher, die Glatzen, die draußen herumziehen, das sind doch nicht die Chefideologen. Wenn Sie sich einmal mit denen beschäftigen, die beziehen einen wesentlichen Teil ihrer Argumentationskraft genau daraus, diesen Opfermythos für ihre Leute auszumalen. Sie wähnen sich als Fürsprecher der eigentlichen Demokratie gegen ein, wie sie verächtlich sagen, System, das ihnen demokratische Rechte vorenthält. Und das ist ganz gewiss ein Zerrbild, aber es fällt auf fruchtbaren Boden.

Nur sollten wir vermeiden, Mosaiksteine für dieses Bild zu liefern. Deshalb gilt es klar zu sagen: die wehrhafte Demokratie setzt sich mit Verfassungsfeinden, mit Extremisten, mit politisch motivierter Gewalt auseinander, wie auch immer diese ideologisch begründet sein mögen. Deshalb gilt es auf klare Maßstäbe, auf Augenmaß, auf Verhältnismäßigkeit zu achten. Kurz: Es gilt darauf zu achten, den Rechtsstaat nicht durch einen überschießenden politischen Willen über die Klinge springen zu lassen. Darauf kommt es an, meine Damen und Herren.