Protocol of the Session on August 7, 2009

Doch, ich unterstelle denen das mal. Man muss auch mal Positives unterstellen, Herr Buse. Letzte Sitzung heute, da kann man doch mal etwas Positives unterstellen. Da muss ich auch sagen, das Innenministerium ist immer von sachkundigen Juristen geführt worden in der letzten Legislaturperiode. Wir hatten erst Herrn Dr. Gasser, das war ein sachkundiger Jurist, das kann man überhaupt nicht bestreiten. Wir haben jetzt Herrn Scherer, das ist auch ein sachkundiger Jurist, er war ab 1993 Landgerichtspräsident in Erfurt, er war Mitglied des Verfassungsgerichtshofs, er war auch drei Jahre Innenstaatssekretär sogar in der vorhergehenden Legislaturperiode.

Da muss man schon sagen, da war Zeit genug, sich dieser schwierigen - das will ich gut eingestehen, das geht allen so, das ist eine schwierige Materie und sehr vielschichtig - Materie tatsächlich zu widmen.

Und jetzt zu sagen, dass dazu nicht mehr die Zeit ist, das ist doch unverfroren.

(Beifall SPD)

Wir haben bereits 2007 zum Straßenausbau einen Änderungsantrag eingebracht. Sie können sich auch da erinnern.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Du hast jemanden vergessen, Richard war auch ein Jurist.)

Sieh mal an. Ja, ja, ich kann mich auch entsinnen. Er hat sich gemüht, die Rechtslage tatsächlich umzusetzen.

(Unruhe CDU)

Kann ich Ihnen nur sagen, kommen Sie mal nach Ronneburg, reden Sie mit Ihrem CDU-Bürgermeister, da können wir noch aus diesen alten Zeiten schwärmen, als die Straßenausbaubeiträge unbedingt umgesetzt werden sollten. Da können Sie mal kommen.

Aber ich will noch mal sagen, wir haben 2007 einen Gesetzentwurf bereits eingebracht, der den Umstand heilen sollte, dass man rückwirkend einmalige Beiträge erheben sollte. Auch und gerade bei den wiederkehrenden Straßenausbaubeiträgen, die viele Gemeinden haben, ist das einfach eine Zumutung für die Gemeinde und auch für die Bürger.

Wir haben heute wieder einen Änderungsantrag zu Ihrem Gesetzentwurf eingebracht, meine Damen und Herren von der CDU, der nochmals einen veränderten Versuch unternimmt, dieser Materie Herr zu werden. Ich denke, es ist an der Zeit, vor der Wahl genau noch mal zu sagen, was man zum Thema Straßenausbaubeiträge sagen will, und nicht nur Einzelmeinungen in der Presse kundzutun, dass man sich manches vorstellen könnte. Ich denke, dazu sind wir verpflichtet, sowohl wir als Abgeordnete als auch die Landesregierung. Deswegen bitte ich Sie, unserem Änderungsantrag zuzustimmen, damit wir auch das Thema Straßenausbaubeiträge in Thüringen endlich beiseite legen können. Danke.

(Beifall SPD)

Für die Fraktion DIE LINKE hat sich Abgeordneter Kuschel zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, wir ändern heute zum wiederholten Mal das Kommunalabgabengesetz. Ich habe aufgehört, die Anzahl der Änderungen zu zählen, ich weiß nur von den Kommentatoren, dass diese überhaupt nicht nachkommen, die Kommentare rechtzeitig zur Druckerei zu bringen. Nämlich bevor sie bei der Druckerei angekommen sind, sind sie schon nicht mehr das Papier wert, auf dem sie stehen, weil der Gesetzgeber erneut gehandelt hat oder handeln musste. Diesmal müssen wir handeln, weil das Verfassungsgericht den ursprünglichen Entwurf oder das ursprüngliche Gesetz der CDU gekippt hat. Das erzeugt natürlich Verunsicherung bei allen Beteiligten, bei den Aufsichtsbehörden, bei den Aufgabenträgern, bei den Gemeinden und bei den Bürgern. Eine Ursache ist, dass in den vergangenen Jahren insbesondere die Regierungsfraktion sich geweigert hat, tatsächlich in diesem Bereich eine Reform auf den Weg zu bringen, die den Namen verdient hat und sich von einem Finanzierungsinstrument zu verabschieden, das im 19. Jahrhundert entwickelt wurde und vielleicht damals seine Berechtigung hatte. Sie können natürlich nicht die Probleme des 21. Jahrhunderts mit Methoden und gesetzlichen Regelungen des 19. Jahrhunderts lösen, das wird immer schiefgehen. Die CDU bezeichnet oder definiert sich selbst als die Partei, die Thüringen weiterhin auch im 21. Jahrhundert führen will. Aber da müssen Sie zumindest bereit sein, die Instrumente des 19. Jahrhunderts endlich im Museum zu lassen und sich damit zu beschäftigen, wie Sie sich den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts stellen. Das machen Sie nicht, Sie halten am System weiter fest. Deshalb wird es wieder dazu führen, da braucht man kein Prophet zu sein, dass sich in absehbarer Zeit wieder Gerichte mit diesem Gesetz beschäftigen.

(Beifall DIE LINKE)

Aus ideologischen Gründen waren Sie ja nicht mal bereit, einige Detailfragen zu klären, die einfach nur Vollzugsprobleme betreffen. Ich werde dann noch an der einen oder anderen Stelle darauf eingehen.

Ihre Politik ist geprägt von einem Wechselbad aus Schockstarre und hektischen Aktivitäten, dann leiten Sie außergewöhnliche Maßnahmen ein, dann bedienen Sie sich einer rigorosen Rhetorik und beschwörender Gesundbeterei. Was allerdings im Ansatz überhaupt fehlt, wäre mal etwas Selbstkritik, ein ganz klein wenig Selbstkritik, und zwar zu den

Fehlleistungen dieser Misere, die Sie hier verursacht haben.

(Beifall DIE LINKE)

Auf dem Rücken der Bürger wird diese Misere ausgetragen. Wie verunsichert Sie sind und überhaupt nicht bereit sind, dort auch mit den Bürgern in den Dialog zu treten, macht das bisherige parlamentarische Verfahren erneut deutlich. Da weigern Sie sich, eine mündliche öffentliche Anhörung durchzuführen. Der „arme“ Herr Kölbel muss da nun als Berichterstatter erklären „aus Zeitgründen“ und hat so beschämt nach unten geschaut, weil er natürlich weiß, dass der Unterschied zwischen der schriftlichen Anhörung und der mündlichen Anhörung kein zeitliches Problem darstellt.

(Unruhe CDU)

Aber der Vorteil der mündlichen Anhörung wäre gewesen, wir hätten mit den Sachverständigen in den Dialog treten können. Das war bei der schriftlichen Anhörung nicht der Fall. Sie haben eine öffentliche Debatte verhindert. Eine öffentliche Debatte wäre aber notwendig, weil dieses komplizierte System der Kommunalabgaben einer hohen Akzeptanz bei den Bürgern bedarf. Die erreicht man nur durch Transparenz und durch Öffentlichkeit. Wenn Sie aber nicht einmal zu einem Gesetzgebungsverfahren diesen öffentlichen Dialog wollen, da brauchen wir uns nicht zu wundern, dass die Zweckverbände ihrer Informationspflicht vor Ort nicht nachkommen, weil die sagen: Wenn der Gesetzgeber alles hinter verschlossenen Türen machen kann, warum sollen wir da ein anderes Maß an Transparenz an den Tag legen. Ihr hilfloser Versuch, die Innenausschuss-Sitzung als öffentliche Ausschuss-Sitzung zu Beginn zu definieren, wo die Öffentlichkeit gar nicht darüber informiert war, dass es eine öffentliche Ausschuss-Sitzung geben würde, war auch nur der Versuch, dass Ihr Versagen bei den demokratischen Spielregeln im Gesetzgebungsverfahren nicht weiter in der Öffentlichkeit thematisiert wird.

Wir haben mit dem jetzigen Verfahren erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken. Deshalb haben wir heute zu Beginn der Sitzung den Antrag gestellt, diesen Tagesordnungspunkt abzusetzen. Wir wollten der einreichenden CDU-Fraktion die Möglichkeit geben, die Verfahrensfehler zu heilen, die aus unserer Sicht gemacht wurden und die wieder zur Nichtigkeit des Gesetzes führen könnten. Das wollen wir ja verhindern. Wir wollen verhindern, dass wieder in zwei oder drei Jahren das Verfassungsgericht das Gesetz für nichtig erachtet, weil Verfahrensfehler begangen wurden.

Herr Fiedler hat in einer persönlichen Erklärung hier zu seinem Abstimmungsverhalten einfach behauptet, es gibt keine Verfahrensfehler. Das ist natürlich kein überzeugendes Argument. Deshalb will ich noch einmal aus unserer Sicht unsere verfassungsrechtlichen Bedenken darstellen. Dann hat sicherlich Herr Fiedler auch noch einmal Gelegenheit, darauf zu reagieren.

Die CDU macht eine schriftliche Anhörung. Innerhalb der schriftlichen Anhörung regen auch die kommunalen Spitzenverbände an, über die Frage zu diskutieren, ob das Gesetz nicht zum 01.01.2005 rückwirkend in Kraft gesetzt werden könnte - mehr nicht. Diesen Vorschlag greift die CDU auf - sie ist ja selbst Einreicher des Gesetzentwurfs - und legt zur Innenausschuss-Sitzung - schon das ist eine Brüskierung der anderen Fraktion, weil die nicht mal die Chance hatten, innerhalb der Fraktionen sich mit diesen Änderungsanträgen auseinanderzusetzen - einen Änderungsantrag vor, der diese rückwirkende Inkraftsetzung regeln soll.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Ihr habt doch die Fachleute.)

Kein Mensch weiß aber, ob die gesetzgeberische Umsetzung dieser Anregung der Spitzenverbände tatsächlich auch dem Anliegen der Spitzenverbände entspricht. Deshalb hat das Verfassungsgericht 2004 gefordert - und wir haben sogar die Geschäftsordnung des Landtags, ich glaube § 79 ist das, dahin gehend geändert -, dass bei solchen Änderungen die Spitzenverbände nochmals anzuhören sind, damit wir hier in der Debatte einschätzen können, ob die Änderungsanträge den Anregungen in der Anhörung entsprechen. Das machen wir aber nicht, weil die CDU es nicht will. Das kann dazu führen, dass es wieder gekippt wird, denn die Umsetzung ist dann sehr widersprüchlich. Sie setzen jetzt das Gesetz rückwirkend zum 01.01.2005 in Kraft, aber die Erstattungsleistungen an die Gemeinden und Zweckverbände verbleiben beim frühesten Zeitpunkt 2010. Das ist doch eine Einladung an die Gemeinden und Zweckverbände, erneut zum Verfassungsgericht zu gehen und zu sagen, liebe Leute, warum erhalten wir denn nicht vom 01.01.2005 an diese Erstattungsleistungen im Bereich Tilgung? Sie haben ja nur geregelt, dass die Erstattungsleistungen im Bereich Zinsen gezahlt werden, aber nicht im Bereich Tilgung. Aber gerade dieser Punkt, die Nichterstattung der Tilgungsleistungen, war der Hauptpunkt, weshalb das Verfassungsgericht das Gesetz für verfassungswidrig erklärt hat. In einer solchen Situation, bei einem solchen Regelungsgegenstand regeln Sie das so widersprüchlich und hören die Betroffenen nicht mal mehr an und zerren hier das Gesetzgebungsverfahren durch und verlangen von uns, dass wir dem einfach zustimmen. Wir wollen die Poli

tik nicht nach Weimar verlagern zu neun Verfassungsrichtern, sondern wir haben hier die Politik im Haus zu machen.

(Beifall DIE LINKE)

Wenn Sie nicht mehr wollen, dann müssen Sie einfach gehen. Ich glaube, jeder Jurastudent, der im ersten Semester in seiner Klausurarbeit so einen Unsinn machen würde, würde aus dem Studiengang rausgeschmissen. Das ist ja das Enttäuschende, dass wir einen Innenminister haben, der Jurist ist, der aber offenbar überhaupt keine Beziehung mehr zu seiner Fraktion hat. Es kann natürlich auch sein, er will die Fraktion bewusst wieder ins Messer laufen lassen, damit er dann besser dasteht.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: So ei- nen dummen Quatsch habe ich lange nicht gehört.)

Anders ist das nicht zu erklären, meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist einfach verantwortungslos. Ich kann nur an Sie als Jurist appellieren: Machen Sie das doch.

Sie sind ja auch ein falscher Thüringer, dass will ich mal betonen. Ich bin da tolerant. Andere sagen übrigens, Sie wären ein falscher Fünfziger, aber das würde ich nicht sagen, aber falscher Thüringer, das müssen Sie sich vorhalten lassen, die Debatte haben andere auf den Weg gebracht.

(Beifall DIE LINKE)

(Unruhe CDU)

Aber hier geht es doch um eine fachliche Sache. Da sollten Sie tatsächlich mit der einreichenden Fraktion noch mal in Klausur gehen und ihnen die Verfassungsgrundsätze erklären.

(Beifall DIE LINKE)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben jetzt die einmalige Chance, aus diesem Beitragssystem auszusteigen, ein System, das im 19. Jahrhundert, ich wiederhole es noch mal, in Preußen entwickelt wurde. Damals war es unstrittig so, dass sich durch Investitionen im Wasser-, Abwasser- und Straßenbereich die Situation am Grundstück, was die Erschließungssituation betrifft, geändert hat. Wir thematisieren ja nicht die Ersterschließung nach Baugesetzbuch. Da sind wir uns auch einig, da muss der Grundstückseigentümer die entsprechenden Kosten anteilig tragen. Hier geht es aber um die Bestandsgrundstücke, die baulich oder gewerblich seit Längerem genutzt werden.

Das Verfassungsgericht hat doch gesagt, die Abschaffung der Wasserbeiträge ist verfassungskonform. Warum steigen wir also nicht in eine Diskussion ein, auch beim Abwasser und bei der Straße diese Beiträge abzuschaffen? Die gibt es nirgends mehr in Europa. Wenn wir von Rechtsharmonisierung in Europa reden, dann müssen wir uns doch von solchen deutschen Eigenarten, die Ulkigkeiten sind, verabschieden. Sie müssen sich mal vorstellen, der Bürger bezahlt Steuern, für die Inanspruchnahme bezahlt er Gebühren und dann soll er ganz abstrakt für die Möglichkeit der Inanspruchnahme noch mal einen Kostenanteil übernehmen. Das ist einfach nicht mehr zeitgemäß. Die Europäische Union verlangt von den Mitgliedsländern, alle Entgeltsysteme nach dem Äquivalenzgrundsatz zu gestalten, also der, der es in Anspruch nimmt, soll es zahlen. Das ist ja die Ermächtigung für die Autobahnmaut und dergleichen. Überall geht man dazu über, dass der, der es in Anspruch nimmt, auch entsprechend zahlt. Das ist nun mal bei leitungsgebundenen Einrichtungen der Verbrauch und nicht die Möglichkeit der Inanspruchnahme. Zum Schluss kommen wir noch auf die Idee und sagen, weil wir hier den schönen Landtag gebaut haben, hier 88 Abgeordnete arbeiten können, muss jeder Thüringer erst einmal 1.000 € auf den Tisch legen, weil er diesen Landtag irgendwann mal in Anspruch nehmen kann. Ob er es dann macht oder nicht, ist seine Sache. Es ist doch so weit weg vom realen Leben, das müssten selbst Sie feststellen, die sehr wertkonservativ sind, dass das nicht mehr zeitgemäß sein kann. Sie brauchen jetzt 1,8 Mrd. €, um das System dieser Beitragserhebung aufrechtzuerhalten. Diese Beitragserhebung im Abwasserbereich ist auch nicht mehr in Thüringen flächendeckend. Die Hälfte der Thüringer Bürger, 1,1 Mio., sind nicht mehr von der Beitragserhebung betroffen, weil 47 Aufgabenträger diese Form der Refinanzierung ihrer Investitionen nicht mehr zur Anwendung bringen. Also nur noch die andere Hälfte, nur noch 1,1 Mio. sind überhaupt betroffen. Da muss doch die Diskussion gestattet sein, wenn das für die eine Hälfte geht, warum nicht auch für die andere Hälfte dies zur Anwendung gebracht wird. Wir brauchen jetzt 1,8 Mrd. €, um das System aufrechtzuerhalten. Wenn wir das System abschaffen würden - hier haben wir Änderungsanträge gestellt, Vorschläge gemacht, das ist auch nicht zum Nulltarif zu haben, weil Ihre Politik, Sie haben Dinge vor die Wand gefahren, unterirdisch sieht keiner, es geht ja um Leitungen, aber Sie haben es richtig vor die Wand gefahren, das kostet so viel Geld, aber unsere Vorschläge würde nur 700 bis 800 Mio. € kosten und nicht 1,8 Mrd. €. Wir hätten endlich Ruhe. So haben wir die Ruhe nicht, ich weiß, auch der 5. Thüringer Landtag wird sich, bin ich mir sicher, sehr oft mit diesem Bereich zu beschäftigen haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Titel „Beitragsbegrenzungsgesetz“ ist Zynismus pur und eine Verhöhnung der Öffentlichkeit.

(Beifall DIE LINKE)

Sie reden den Leuten ein, Sie würden jetzt die Beiträge begrenzen, Sie machen etwas anderes und deshalb wäre der richtige Titel „Beitragsermächtigungsgesetz“ oder so ähnlich. Sie laden die Aufgabenträger im Bereich der Abwasserentsorgung ein, weiter zu investieren. Sie haben bisher 3,5 Mrd. € investiert. Dort mussten wir 1,5 Mrd. € fördern. 1,1 Mrd. € sind Beiträge bezahlt worden, der Rest geht über Gebühren oder Kredite. Jetzt kommen noch einmal 3,5 Mrd. €. Die Fördermittel werden nicht mehr 1,5 Mrd. € betragen, das werden weniger werden. Da ist es doch keine übertriebene Hochrechnung, wenn man sagt, da steht noch einmal 1 Mrd. € Beiträge mindestens im Raum. Das müssen Sie den Bürgern sagen. Da ist doch Ihr Titel falsch. Beim Straßenausbau, den Sie nicht anfassen, drohen 240 Mio. € nur durch die rückwirkende Erhebung für Maßnahmen aus den 90erJahren. Sie sitzen hier und sagen, hier lösen Sie nicht ein Problem. In den 90er-Jahren werden einfach Straßen gebaut und nach 10 bis 15 Jahren sollen die Thüringer 240 Mio. € dafür bezahlen. Das bezeichnen Sie dann noch als seriöse Politik. Ich weiß nicht, ich habe davon andere Vorstellungen. Jeden Bürgermeister würde man zum Dorf hinausjagen, der so agieren würde. Aber Sie produzieren die Konflikte auf kommunaler Ebene und freuen sich dann, wenn die sich die Köpfe einhauen. Das ist auch keine seriöse Politik. Das ist eine Irreführung der Öffentlichkeit. Es ist aber ein Umsteuern noch möglich. 3,5 Mrd. € sollen erst noch investiert werden und das vorrangig in Leitungen. Wenn wir endlich umstellen von zentralen Anlagen auf dezentrale grundstücksbezogene Gruppenlösungen, dann ist es tatsächlich möglich, einen Großteil dieser 3,5 Mrd. € zu sparen.

Jetzt haben Sie so eine Investitionsbremse eingesetzt. Erst einmal unterstellen Sie den Kommunen oder gestehen es ein, dass Sie bisher zu groß gebaut haben. Das kann aber nicht sein, weil die Abwasserbeseitigungskonzepte das Land - alles als Fachaufsichtsbehörde - genehmig hat. Das durften die Zweckverbände überhaupt nicht allein machen. Jeder Haushalt des Zweckverbandes wird durch die Rechtsaufsichtsbehörde, das ist eine Landesbehörde, genehmigt. Jede Kreditaufnahme wird durch das Land genehmigt, kein Zweckverband kann einen Kredit ohne Land aufnehmen. Dann stellen Sie sich hier hin und sagen, die jetzigen Investitionen, das war alles nicht so sachgerecht, jetzt bauen wir mal eine Investitionsbremse ein. Das ist auch nicht seriös. Sie haben das alles mit verursacht. Klar haben auch Kommunalpolitiker, das weiß ich - Herr von der Krone ist in der CDU-Fraktion, dafür auch das Beispiel -,

natürlich auch manchmal von den Zweckverbänden gefordert, weil sie hier die Straße machen, macht doch gleich Kanal und Wasserleitung, das ist alles okay. Das ist ein Wechselspiel. Aber jetzt einfach zu sagen, durch so eine gesetzliche Investitionsbremse lösen wir das Problem, das wird nicht zum Ziel führen, sondern was zum Ziel führt, ist eine Umstellung auf eine reine Gebührenfinanzierung. Dann entsteht Kostentransparenz, dann wissen die Leute, was kostet denn das Abwasser. Sie wissen es nämlich jetzt nicht, weil wir die Beiträge haben, wir haben die Grundgebühr, wir haben die Schmutzgebühr und wir haben die Oberflächenwassergebühr, so dass keiner mehr nachvollziehen kann, wie denn überhaupt die Kostenstruktur des Aufgabenträgers ist. Wenn man aber nur noch die Gebühren hat, können wir auch einen ordentlichen interkommunalen Vergleich machen. Dann können wir überprüfen, warum im Ilmenauer Zweckverband die Abwasserbeseitigung um 30 Prozent kostengünstiger ist als im Arnstädter Zweckverband. Da kann man mal darüber diskutieren. Aber so ist diese Diskussion immer schwierig, weil wir diese vier Säulen der Finanzierung haben. Dass es eine Einladung an die Zweckverbände ist, jetzt auf Teufel komm raus noch mehr zu investieren, will ich Ihnen an einer Debatte im Abwasserzweckverband Arnstadt festmachen, noch einmal erläutern; ich hatte das schon während der ersten Lesung gemacht. Dort waren wir so weit als Verbraucherbeirat, dass der Abwasserbeitrag gesenkt wird von 3,40 € auf 2,65 pro Quadratmeter gewichtete Fläche. Jetzt sagt der Zweckverband, wir wären doch doof, den Beitrag zu senken - je höher der Beitrag, umso höher sind die Erstattungsleistungen des Landes. Das ist die Wirkung Ihres Gesetzes, genau das ist die Wirkung Ihres Gesetzes. Da werden wir nicht mitmachen. Ich kann Ihnen das versprechen, da wissen Sie, alle meine Kraft schmeiße ich in dieses Thema.

(Beifall DIE LINKE)

Das allein sollte ja schon Drohung für Sie genug sein.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie haben sich auch geweigert, Einzelprobleme in dem Gesetzentwurf zu lösen. Das wird auch dazu führen, dass das Gesetz wieder vor dem Gericht landet. Sie haben es aus reinen ideologischen Gründen gemacht, weil es sachliche Gründe zur Ablehnung nicht gab. Ich will das an wenigen Beispielen festmachen. Im Gesetz steht: Für unbebaute Grundstücke werden keine Beiträge erhoben, erst zum Zeitpunkt der Bebauung. Jetzt gibt es ein Anwendungsproblem seit 2005: Was ist ein unbebautes Grundstück? Nun sage ich mal, eine Landesregierung, die nicht mal das lösen kann, nämlich die Definition, was ist ein bebautes oder unbebautes Grundstück, die darf dieses Land nicht länger führen.

(Beifall DIE LINKE)

Sie dürften nicht einmal Bürgermeister oder Gemeinderat sein, wenn Sie das nicht wissen. Ziel des Gesetzgebers - und das haben alle Fraktionen immer wieder betont - war ja 2005 und ist es heute auch wieder, dass man sagt, von dem Grundstück, von dem kein Abwasser anfällt, das soll auch keinen Beitrag bezahlen. Jetzt haben aber wieder ganz schlaue Juristen gesagt, sobald das Grundstück eine Baulichkeit aufweist, selbst wenn es kein Abwasser produziert, gilt das Grundstück als bebaut, also wenn ein Carport drauf ist, wenn eine Hundehütte drauf ist oder sonst was. Das führt dazu, ich habe in Arnstadt jetzt ein Beispiel, 2.000 m² großes Grundstück mit einem Carport, kein Wasseranschluss, kein Abwasser und nichts, 9.400 € Abwasserbeitrag, weil der Zweckverband sagt, das Grundstück ist bebaut. Dann sagen sie, ja, wir privilegieren, weil das zweite Vollgeschoss, das Carport hat zwar gar keine Vollgeschosse, aber berechnet wird es ja mit zwei Vollgeschossen, für das zweite Vollgeschoss, das stunden wir Ihnen erst einmal, Sie brauchen nur noch 5.200 € zu bezahlen. Was der Bürger zu Ihrem Beitragsbegrenzungsgesetz sagt, das kann ich Ihnen hier mitteilen; das steht aber auch in der Petition, das können Sie auch Ihre Petitionsausschussmitglieder fragen. Übrigens haben die Zweckverbände einen vernünftigen Vorschlag gemacht, wie wir dieses Problem regeln können, indem in das Gesetz nur eine kleine Ergänzung reinkommt: unbebaute und die Grundstücke, von denen kein Abwasser anfällt. Nun frage ich Sie, meine Damen und Herren der CDU, warum nehmen Sie denn nicht wenigstens das Problem auf in Ihren Gesetzentwurf? Warum nicht mal das?

(Beifall DIE LINKE)

Das zweite Problem: Im Gesetz steht, die Aufgabenträger müssen die Grundstücke einteilen, Durchschnittsgrundstücke bilden in drei Kategorien, in Grundstücke, die überwiegend zum Wohnen geeignet sind. Oh, jetzt geht es los. Welches Grundstück ist denn überwiegend zum Wohnen geeignet? Es gab bereits mal ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das hat entschieden, die Garage war nicht Lebensmittelpunkt der Ostdeutschen. Immerhin, da sind wir uns mal schon sicher, ein Garagengrundstück scheint nicht zu Wohnzwecken geeignet zu sein. Bei Erholungsgrundstücken ist es aber anders, da haben Sie gesagt, das war für viele, die in der Platte wohnen, durchaus Lebensmittelpunkt. Das wissen Sie ja aber nicht, Herr Scherer, weil, Sie sind ja ein falscher Thüringer.