Protocol of the Session on June 18, 2009

Ich sage Ihnen auch, Herr Mohring, warum es so teuer wird.

Jetzt spricht der Kollege Matschie. Herr Mohring, Ihre Redemeldung ist angekommen. Sie sind der nächste Redner.

Beruhigen Sie sich doch. Sie kennen den alten Spruch mit den getroffenen Hunden. Herr Mohring,

ich sage Ihnen auch, weshalb es jetzt so teuer wird. Sie haben nämlich beim Fundament gepfuscht mit der Lösung, die Dieter Althaus damals durchgesetzt hat. Jetzt muss das halbe Haus wieder abgerissen und neu aufgebaut werden. Jeder weiß, wer bei den Grundlagen pfuscht, der muss am Ende draufzahlen. Genau das passiert jetzt.

(Beifall SPD)

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Sie haben keine Ahnung von der Materie.)

Sie haben seit 1999 mit absoluter Mehrheit in Thüringen regiert. Sie hatten zehn Jahre Zeit, eine vernünftige Lösung für die Bürgerinnen und Bürger zu finden. Sie haben zehn Jahre verschlafen, nichts Vernünftiges zustande gebracht und jetzt am Ende wird es für die Bürger teuer. Das ist die Konsequenz Ihrer Politik.

(Beifall SPD)

(Unruhe CDU)

Dann kommen Sie, Herr Althaus, mit dem Spruch „keine Experimente“. Wer sich Ihre Experimente mit der Polizei anschaut, wer sich Ihre Experimente bei Wasser und Abwasser anschaut, der kann bei Ihrer Aufforderung nur zu dem Schluss kommen: Die CDU in Thüringen können wir uns nicht mehr leisten, dieses Experiment ist danebengegangen.

(Zwischenruf Abg. Heym, CDU: Und was habt ihr gemacht?)

(Beifall SPD)

Gute Politik, die beginnt mit dem Aussprechen dessen, was ist. Sie haben vieles angesprochen, nicht alles hatte mit der Realität in Thüringen zu tun, aber gute Politik, die muss auch über den Tag hinaus denken. Wir müssen uns heute die Frage stellen: Wo wollen wir in 10, in 15 Jahren stehen? Auch Roman Herzog hat einmal gesagt: „Visionen sind Strategien des Handelns, das unterscheidet sie von Utopien. Zur Vision“ - so der Altbundespräsident - „gehören Mut, Kraft und die Bereitschaft, sie zu verwirklichen.“ Bei Ihnen habe ich heute weder Mut noch Kraft, noch Bereitschaft gespürt, Herr Ministerpräsident. Aber die Menschen erwarten von der Politik, dass wir ihnen Antworten geben auf die Zukunftsfragen. Politik ist die Kunst, das Notwendige möglich zu machen, und deshalb will ich die Frage stellen: Was ist notwendig in Thüringen und was ist möglich in Thüringen? Ganz konkret gefragt: Vor welchen Herausforderungen stehen wir eigentlich in den nächsten Jahren? Ich will fünf große Felder benennen, die die Menschen hier in Thüringen beschäftigen.

Das erste Feld ist die Frage der Entwicklung bei Arbeitsplätzen und Löhnen.

Die zweite wichtige Frage ist: Wie sieht es eigentlich mit den Bildungschancen aus? Schaffen wir es wirklich, allen Kindern und Jugendlichen gleiche Bildungschancen zu garantieren?

Die dritte wichtige Frage ist aus meiner Sicht: Wie sorgen wir für sozialen Zusammenhalt in der Gesellschaft? Wie sorgen wir dafür, dass auch die, die nicht so schnell laufen können, nicht auf der Strecke bleiben?

Die vierte große Frage ist: Wie sorgen wir eigentlich in Zukunft für bezahlbare und sichere Energie? Denn die Energieversorgung, die wir heute haben, können wir uns in Zukunft nicht mehr leisten.

Die letzte Frage, die ich ansprechen will, die auch viele beschäftigt: Wie gehen wir eigentlich um mit einer Gesellschaft, in der es deutlich mehr Ältere gibt? Wie gehen wir aber auch mit einer Situation in Thüringen um, dass wir mit weniger Einwohnern rechnen müssen?

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Das steht alles im Protokoll, das haben Sie schon fünfmal erzählt, das ist langweilig.)

(Zwischenruf Abg. Döring, SPD: Aber verstanden hast du es auch nicht.)

(Unruhe SPD)

Herr Mohring, beruhigen Sie sich doch. (Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Fünf- mal hat er das schon erzählt, das ist langweilig.)

Lassen Sie sich einmal ein neues Argument einfallen. Wenn das Stichwort „langweilig“ zutrifft, dann auf die Regierungserklärung, die Dieter Althaus heute gehalten hat.

(Beifall SPD)

Ich will mit der für die meisten Menschen sehr existenziellen Frage nach Arbeitsplätzen und Löhnen beginnen. Die aktuelle Wirtschaftskrise hat diese Frage weiter zugespitzt. Natürlich kann man sagen, wir müssen die Krise auch als Chance nutzen, da bin ich ganz Ihrer Meinung, Herr Althaus, aber wir müssen zunächst einmal wahrnehmen, was im Moment passiert, und hier sehen wir, dass immer Menschen um ihre Arbeitsplätze bangen, 90.000 sind inzwischen in Kurzarbeit gemeldet. Ein renommiertes Unternehmen wie Carl Zeiss in Jena konnte nur durch

deutlichen Lohnverzicht Entlassungen vermeiden, wie wir gerade in den Zeitungen lesen konnten. Ich war bei der IHK in Südthüringen vor wenigen Tagen, wo mir deutlich gemacht wurde, wie es dort aussieht, dass 40 Prozent der Unternehmen im industriellen Bereich über Entlassungen nachdenken. Deshalb müssen wir die Frage stellen: Was soll, was kann, was muss der Staat in einer solchen Situation tun, sich raushalten oder einmischen? Das ist die Grundsatzfrage, die in den letzten Wochen intensiv diskutiert worden ist. Am Fall Opel wurde das zur ideologischen Debatte. Der Spiegel titelte: „Der geplünderte Staat - wie viel Opel darf sich Deutschland noch leisten?“ Ich sage ganz offen, ich halte diese Frage für einigermaßen theoretisch, denn in Sachen Opel und auch bei der Hilfe für andere Unternehmen, die im Kern gesund sind, gibt es nach meiner Überzeugung keine vernünftige Alternative zu staatlichem Eingreifen.

(Beifall SPD)

Es kann doch niemand glauben, dass uns eine Insolvenz billiger gekommen wäre. Deshalb kann ich bis heute nicht verstehen, Herr Althaus, weshalb Sie Herrn zu Guttenberg nicht widersprochen haben, als er Opel in die Insolvenz schicken wollte.

(Beifall SPD)

Denn auch ein Konkursverfahren kostet natürlich Geld. Aber noch schlimmer: Es standen 100.000 Beschäftigte bei Opel und in der Zulieferindustrie auf dem Spiel. Unter dem Strich hätte eine Insolvenz den Staat 6,5 Mrd. € gekostet. Das ist nicht meine Rechnung, sondern das hat der Autoexperte Ferdinand Dudenhöfer ausgerechnet. Was wäre also wirklich besser gewesen: Insolvenz oder Rettung? Ich sage, wenn man alles vernünftig anschaut, gab es nur eine richtige Entscheidung und das war die Entscheidung für die Rettung von Opel und deshalb haben wir uns von Anfang an für diese Lösung stark gemacht.

(Beifall SPD)

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Alt- haus hat der Lösung doch zugestimmt. Was erzählen Sie für Geschichten? Er hat doch da mit verhandelt; da waren Sie doch gar nicht dabei.)

Herr Mohring.

Herr Abgeordneter Mohring, Ihre Redeanmeldung ist hier. Sie sind der nächste Redner und jetzt spricht Herr Matschie, so einfach ist das.

Ich wäre an Ihrer Stelle nicht so vorlaut, Herr Mohring. Ich habe Herrn Althaus nicht widersprechen hören, als zu Guttenberg Opel in die Insolvenz schicken wollte.

(Zwischenruf Abg. Prof. Dr. Goebel, CDU: Das wollte er nicht.)

Zeigen Sie mir eine Äußerung dazu.

(Unruhe CDU)

(Beifall SPD)

(Zwischenruf Abg. Prof. Dr. Goebel, CDU: Das wollte er nicht.)

Herr Goebel, Sie sind ja auch da, schön.

Ich habe erlebt, als ein wichtiger Investor hier in Thüringen war, dass der Thüringer Ministerpräsident nicht bereit war, mit ihm zu reden, sondern auf der Flucht war. Deshalb sage ich hier noch einmal, ich hätte mir hier von Anfang an mehr und klareren Einsatz gewünscht.

Aber noch einmal zurück zum Grundproblem. Mir geht die Situation Anfang der 90er-Jahre dabei durch den Kopf. Wir haben erlebt, was es bedeutet, wenn strukturbestimmende Unternehmen dicht gemacht werden. Es waren nicht wenige, die von der Treuhand damals aufgegeben worden sind oder die für 1 DM damals an Investoren gegangen sind, die nichts anderes im Blick hatten, als solche Unternehmen vom Markt zu nehmen. Wir wissen, was die Folge war. Wir wissen, wie viel Zeit und wie viel Geld es gekostet hat, solche Regionen hinterher wirtschaftlich wiederzubeleben, und deshalb noch einmal: Ich bin der festen Überzeugung, in dieser Krise ist es besser, Arbeitsplätze zu finanzieren als Arbeitslosigkeit bezahlen zu müssen.

(Beifall SPD)

Das gilt auch für die vielen kleinen und mittleren Unternehmen im Land, die auch auf Unterstützung warten. Ich sage Ihnen auch deutlich, ich finde es richtig, wenn der Bürgschaftsrahmen gerade auch für kleine und mittlere Unternehmen jetzt ausgeweitet werden soll - übrigens eine Forderung, die wir schon vor Monaten erhoben haben. Damals hat uns die CDU-Fraktion erklärt, das sei alles überhaupt nicht notwendig, wir haben ja schon einen Bürgschaftsrahmen und der sei längst nicht ausgeschöpft, es besteht überhaupt kein Handlungsbedarf. Aber gut, das gehört zur Vergangenheitsbewältigung. Jetzt sind Sie auch so weit, dass Sie sagen, wir brauchen eine

Ausweitung des Bürgschaftsrahmens. Aber bitte, Herr Ministerpräsident, nicht wieder ein Vorgehen, was nicht gesetzeskonform ist. Die Landeshaushaltsordnung sagt es eindeutig, wenn Sie den Bürgschaftsrahmen ausweiten wollen, dann müssen Sie dazu das Haushaltsgesetz ändern. Es muss im Haushaltsgesetz geregelt werden. Sie können nicht neben dem Haushaltsgesetz ein anderes Gesetz auf den Weg bringen und damit den Bürgschaftsrahmen ausweiten. Wenn Sie weiter so Pfusch machen, werden Sie wieder auf die Nase fallen.

(Beifall SPD)

(Zwischenruf Diezel, Finanzministerin)

(Unruhe CDU)

Am Ende ist es genauso wie bei Wasser und Abwasser, wieder werden Bürger und Unternehmen die Zeche für den Pfusch zahlen, den Sie hier angerichtet haben.

(Beifall SPD)