Protocol of the Session on May 8, 2009

(Unruhe CDU)

Der Innenausschuss ist sogar so weit gegangen oder zumindest die Mehrheit des Innenausschusses hat es versucht,

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Was denn nun, ist er so weit gegangen oder hat er es versucht?)

Herr Mohring, gehen Sie einmal in den Innenausschuss, dann wissen Sie genau, was ich meine. Man hat versucht, Frau Hennig die Teilnahme am Innenausschuss zu verwehren. Sehen Sie, das ist ja nur eine Abgeordnete und wenn wir der einfach einmal die Teilnahme verwehren wollen, warum denn nicht? Was juckt uns denn Demokratie? Was juckt uns denn Parlamentarismus?

(Beifall DIE LINKE)

Das ist Ihre Haltung, das ist Ihre Haltung.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: So ein Lügensack.)

Sie haben die Kollegin Hennig als Beteiligte bezeichnet, und zwar in einem ganz klaren Gestus, nämlich Tatbeteiligte, und ein Abgeordneter Ihrer Fraktion hat mir nach der Sitzung sogar gesagt: Ja, Herr Hahnemann, bei Ihnen müssen wir das, weil Sie ordentliches Ausschussmitglied sind, halt erdulden, dass Sie dabei sind.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Genauso ist das.)

Das ist Ihr Verständnis von parlamentarischer Demokratie.

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Sie ha- ben doch kein Verständnis von Demo- kratie.)

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Wir ha- ben auch parlamentsunwürdige Abge- ordnete, das müssen wir auch ertragen.)

Herr Wolfgang Fiedler, dass wir diese Situation hier haben, orientiert sich auch an der entsprechenden Gesetzgebung. Das ist das Erste.

Das Zweite, es ist jetzt noch einmal ein Versuch, hier ordentlich miteinander umzugehen, um das entsprechend nach außen zu dokumentieren. Wenn Sie dem Redner in irgendeiner Form widersprechen wollen, dann melden Sie sich zu Wort. Sie haben ja alle die Gelegenheit, wir haben noch eine lange Rednerliste, dann kann auch die Frage geklärt werden, ob denn nicht der Innenausschuss des Thüringer Landtags sehr wohl auf dem Boden der Rechtsstaatlichkeit steht.

Nachdem uns verwehrt worden ist, den Polizeieinsatz in der Rudolstädter Straße zu beobachten, hätte ich mich natürlich gefreut, Herr Minister, wenn wir im Innenausschuss z.B. eine Filmaufnahme dieses Fahrzeugs, das - wie hat Herr Fiedler gesagt - in die Polizeireihen hineingefahren ist, gesehen hätten. Was haben Sie uns gezeigt? Einen jungen Mann, ich weiß nicht, wie alt er ist, der - das gebe ich ganz ehrlich zu, das war nicht unbedingt schön, was wir da gesehen haben - sich vor eine Reihe Polizisten hinstellt und uriniert. Das gebe ich zu.

Aber warum zeigen Sie uns gerade so eine Filmsequenz, wenn der Grund für den Polizeieinsatz gewesen ist, dass ein Fahrzeug in Polizisten hineinfährt. Nein, Herr Minister, Sie haben ein Problem mit der Objektivität, und Sie, meine Damen und Herren, haben ein Problem mit Abgeordnetenrechten und deren Aufgaben. Ihnen geht es nicht um Information, Ihnen geht es um Manipulation.

(Beifall DIE LINKE)

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Sie manipulieren doch.)

Sie haben uns beim Ausschluss von der Einsichtnahme in den Polizeieinsatz dazu gezwungen, uns auf Informationen Dritter zu stützen, und das haben Sie uns dann anschließend im Innenausschuss vorgeworfen, dass wir nur Vermutungen hatten, dass wir nur Verdächtigungen aussprechen konnten. Wir

hatten nichts anderes, meine Damen und Herren.

Dann, Herr Minister, eine Kritik kann ich Ihnen nicht ersparen, weil Sie vorhin von den „folgenden“ Ereignissen sprachen, von Weimar bis Heiligenstadt, an allem sind die Hausbesetzer Schuld.

(Zwischenruf Abg. Groß, CDU: Die machen ja ihr Zeichen dran.)

(Zwischenruf Scherer, Innenminister: Ich habe Hausbesetzerszene gesagt.)

Was ist denn die Hausbesetzerszene? Können Sie mir das irgendwie mal ein bisschen… Subsumieren Sie da alles hinein, was an Gewalttaten, was an brennenden Mülltonnen, was an brennen Autos…

(Zwischenruf Scherer, Innenminister: Nehmen Sie Heiligenstadt, da haben sie ihre Sympathie auf die Straße geschrie- ben.)

Meine Damen und Herren, eins kann ich Ihnen auch nicht ersparen, da komme ich zurück zu dem Eingangsstatement, das ich vorhin gegeben habe. Das hat auch etwas mit der Gewaltfrage zu tun. Denn der Grund, warum DIE LINKE sich so gegen die Gewalt stellt, ist, dass Gewalt eben nur immer wieder Gewalt erzeugt. Das ist der Grund.

(Beifall DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, insgesamt haben Sie Schwierigkeiten im Umgang mit alternativem Denken.

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Das stimmt doch gar nicht.)

Je weniger Sie bereit sind und je weniger Sie in der Lage sind, die Probleme der Menschen zu lösen, desto restriktiver benutzen Sie die Mechanismen des demokratischen Rechtsstaats. Sie geraten bei dieser restriktiven Nutzung an seine Grenzen. Sie gehen auch über die Grenzen des rechtsstaatlichen Handelns hinweg. Sie gestalten speziell Innenpolitik - aber nicht nur die - nach dem Prinzip „Wer nicht ist wie wir, wer nicht denkt wie wir, wer nicht lebt wie wir, für den gelten Demokratie und Rechtsstaat nur noch in eingeschränktem Maße. Und das Maß der Einschränkung, das bestimmen wir.“ Sie machen sich zum alleinigen Maßstab. Das, meine Damen und Herren, wird weder der Demokratie noch den Menschen in diesem Lande auf die Dauer guttun.

(Beifall DIE LINKE)

Es liegen weitere Wortmeldungen vor, zunächst Abgeordneter Panse, CDU-Fraktion, dann Abgeordnete Taubert, SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, vorab eine einleitende Bemerkung: Herr Fiedler ist darauf eingegangen, es war gestern hier im Landtag Thema, ich war bei der Räumung des besetzten Hauses vor Ort. Ich habe an dem Tag und an den Tagen danach aus meiner Position zu den Vorgängen dort keinen Hehl gemacht. Ich habe keinen Hehl daraus gemacht, was ich dort für Straftatbestände zu erkennen meinte. Ich habe diese Position öffentlich bekundet.

Seit einigen Tagen versucht eine rechtsextreme Gruppierung in Erfurt, diese Position, die ich dort formuliert habe, für ihre politischen Zwecke zu vereinnahmen und daraus zu erklären, wir hätten Gemeinsamkeiten. Ich will vorab erklären, es gibt keine Gemeinsamkeiten, weder mit Linksextremisten noch mit Rechtsextremisten.

(Beifall CDU)

Wir als CDU-Fraktion distanzieren uns von beiden, von Linksextremisten und von Rechtsextremisten. Das sind beides Gruppierungen, die wir weder in Parlamenten noch im demokratischen Spektrum sehen wollen. Das sind Verfassungsfeinde und Verfassungsfeinde werden jetzt Verfassungsfeinde genannt, werden Verfassungsfeinde in Zukunft von uns genannt und werden als Verfassungsfeinde von uns immer wieder gebrandmarkt. Das ist richtig und das ist notwendig und ich sage das deswegen vorweg, damit bei dem einen oder anderen von Ihnen erst gar keine Irritationen aufkommen.

Ein zweiter Punkt, Herr Kollege Dr. Hahnemann, wenn Sie sich hier hinstellen und die Linkspartei als Opfer von Diffamierung sehen, sage ich Ihnen, Sie sind zuallererst ein Opfer von sich selbst. Von dem, was Sie in der Vergangenheit getan haben, von dem, was Sie hier wieder versucht haben zu rechtfertigen, von dem, wie Sie junge Menschen ermutigt haben, wie Sie jetzt auch meinen, diese Situation zu beschönigen oder umzudrehen und damit noch zu erklären, dass es irgendwo eine Rechtfertigung dafür gäbe; die gibt es nicht. Mich würde sehr interessieren, ob Sie das, was Sie hier vorgetragen haben, für sich persönlich erklärt haben oder für den ganz linken Flügel hier in diesem Parlament oder vielleicht für die Linkspartei in Gänze. Ich sage auch ganz deutlich: Es ist gut, dass das, was Sie hier gesagt haben, sowohl in Textform dokumentiert ist

als auch offensichtlich später mal als Video angeschaut werden kann. Was Sie zu der Situation vor Ort gesagt haben, hätten Sie anders einschätzen können. Sie waren genauso wie die Abgeordnete Hennig sehr frühzeitig vor Ort, ich glaube, zu dem Zeitpunkt, als der Polizeieinsatz dort schon begann. Die Frage ist zu stellen, auf welchem informellen Weg Sie der Meinung waren, dass Sie an diesem Tag dort vor Ort präsent sein müssten. Wie auch immer. Die Räumung dort nicht deeskalierend zu begleiten, sondern Sie meinen, dort beobachten zu müssen. Das war augenscheinlich Ihr Ziel. Das haben Sie uns gerade dargestellt. Das ist offensichtlich auch einer Ihrer zentralen Kritikpunkte, was Sie an dem Einsatz festmachen, dass Sie eben nicht so nah herangelassen wurden, wie Sie vielleicht gemeint haben, dabei sein zu wollen. Im Innenausschuss ist erklärt worden, warum die Abgeordneten gebeten wurden, sich vom Ort des Geschehens zu entfernen - Sie zu einem späteren Zeitpunkt als die Kollegin Hennig -, warum Sie auch wieder, zumindest bis auf Höhe der Pressevertreter, herankommen konnten, als Sie sich dann massiv darüber beklagt haben. Das war alles kein Problem. Das einzige Problem, was Sie haben, ist, dass Sie meinen, Sie konnten dort nicht dokumentieren, Sie konnten nicht beobachten, was geschehen ist. Das ist Ihr tiefes Misstrauen gegenüber dem Rechtsstaat, dass Sie glauben, dass dort etwas geschieht, was Sie beobachten und hinterher brandmarken müssten.

(Zwischenruf Abg. Dr. Hahnemann, DIE LINKE: Nicht gegenüber dem Rechts- staat.)

Ich muss für die CDU Fraktion ganz deutlich sagen, was dort geschehen ist, das war rechtsstaatlich. Was die Polizei dort getan hat, war konsequent, war sachlich und war angemessen. Der Polizei gebührt unser Dank dafür.

(Beifall CDU)

Den 800 Polizeibeamten, die an diesem Tag im Einsatz waren, gebührt unser Dank. Auch deswegen waren sie in einer so hohen Anzahl im Einsatz, um zu vermeiden, dass dort mehr passiert. Es wird von verschiedenen Seiten bis hin zu Ihrem Parteivorsitzenden kritisiert, dass das vielleicht zu viel Polizei gewesen sein könnte. Ich wage die Frage zu formulieren, was geschehen wäre, wenn dort mehrere Polizisten durch die Hausbesetzer zu Schaden gekommen wären. Brandmittel, das haben wir gehört, standen dort bereit, Pflastersteine lagen auf den Dächern, es war eine hohe Bereitschaft da, sich auch in einer Form mit der Polizei auseinanderzusetzen, die offensichtlich zu Verletzungen hätte führen können. Wir haben das in den letzten Tagen gerade in Berlin erlebt. Wir erleben das in anderen Städten in

Deutschland. Ich möchte erleben, was hier los gewesen wäre, wenn Polizeibeamte bei diesem Einsatz zu Schaden gekommen wären. Wie die gleichen Leute, die heute sagen, es war viel zu viel Polizei, dann gesagt hätten, wie kann der Innenminister verantworten, zu wenig Polizisten in zu schlechter Ausrüstung in die Situation zu schicken, wo ihnen etwas passieren kann. Deswegen ist es heuchlerisch zu behaupten, es war zu viel Polizei. Das hat Ihr Parteivorsitzender getan.

(Beifall CDU)

Ich weise das zurück und sage noch mal, es gebührt der Dank den Polizeibeamten und der Einsatzleitung für das, was an diesem Tag geplant und letztendlich durchgeführt wurde.

Ich will mit einem weiteren Punkt aufräumen. Sie haben etwas zur Historie der Besetzung gesagt und versuchen, dies in einen politischen Kontext zu setzen. Das ist nicht so. Als vor acht Jahren dieses Gelände besetzt wurde, sind die damaligen Besetzer über das Thema Topf & Söhne und was dort Furchtbares auf diesem Gelände geschehen ist, erst gestolpert. Das war nicht das Ziel der damaligen Besetzung. Erst Schritt für Schritt ist diese Geschichte dort aufgearbeitet worden und es ist mit dem heutigen Investor erreicht worden, dass dort auch eine Gedenkstätte entstehen soll. Das ist richtig und notwendig und wird auch von meiner Fraktion begrüßt. Wir müssen aber auch zur Kenntnis nehmen, dass selbst diejenigen, die sich in dieser Initiative engagiert haben, am Ende die Hausbesetzer aufgefordert haben, dieses Gelände zu verlassen, um diese Gedenkstättenidee nicht zu gefährden. Das haben Sie nicht getan, das haben die Vertreter Ihrer Fraktion nicht getan. Sie haben im Gegensatz dazu, so wie Sie es hier auch gerade wieder getan haben, immer wieder in Pressemitteilungen darauf hingewiesen, dass doch dieses Konzept benötigt würde, dass man doch - ich zitiere - „schon aus humanitären Gründen Menschen nicht bei solchem Wetter auf die Straße setzen dürfte“. So ist es in Presseerklärungen von Ihnen erklärt worden. Frau Kollegin Hennig hat erklärt, die Stadt trage Verantwortung, dass Menschen ohne festen Wohnsitz nicht einfach obdachlos werden. Selbstverständlich trägt die Stadt dafür Verantwortung, aber in der Stadt werden Menschen ohne festen Wohnsitz nicht einfach obdachlos. Die allermeisten von denen, die sich auf diesem Gelände befanden, sind weder obdachlos noch ohne festen Wohnsitz. Das sind zum Teil Wochenendhausbesetzer gewesen, das sind zum Teil Leute gewesen, die einen festen Wohnsitz bei Vati und Mutti zu Hause hatten, das sind zum Teil Leute gewesen, die zum Duschen mal fix nach Hause gegangen sind und ansonsten einem alternativen Lebensstil gefrönt haben. Insofern ist das, glaube ich,

ein Stückchen schon Verkennung der Tatsachen, was sich auf dem Gelände auch in den letzten Jahren abgespielt hat.

Es gab Versuche, das hat ja, glaube ich, sogar Ihr Parteivorsitzender anerkannt. Ihr Parteivorsitzender, der sonst vorsichtiger ist, so den Keil zwischen die LINKEN und die ganz LINKEN bei Ihnen zu treiben, hat erklärt - ich zitiere auch aus seinen Positionen -: „Es war irgendwann der Zeitpunkt erreicht, wo die Jungen augenscheinlich nicht mehr bereit waren zu verhandeln. Es war augenscheinlich der Zeitpunkt erreicht, wo es nicht mehr anders ging.“ Das muss man zur Kenntnis nehmen. Da kann man sich an der gleichen Stelle nicht hier hinstellen und sagen, dieses Projekt hätte noch ein bisschen weitergehen können oder, wie Sie es erklärt haben, man hätte es politisch lösen können, man hätte es nicht polizeilich lösen müssen. Wo waren denn Ihre Vorschläge, etwas politisch zu lösen an dieser Stelle? Es war nichts. Sie haben dort daneben gestanden bis zu dem Zeitpunkt, als Sie gebeten wurden zu gehen. Sie haben nicht deeskalierend auf die Hausbesetzer eingewirkt und deswegen ist das auch nicht glaubhaft, wenn Sie sagen, man hätte es politisch lösen können. Auch Sie haben nicht den Versuch unternommen, es politisch zu lösen, weder mit Ihren Parteifreunden in der Stadt Erfurt, weder mit der Beigeordneten in der Stadt Erfurt noch mit Bürgermeister, noch mit sonst wem. Es gab Angebote an die Hausbesetzer, die sind ausgeschlagen worden.

Wenn ich jetzt im Nachhinein lese, wie dieser Einsatz bewertet wird - wir haben gerade die Diskussion gehört, dass sich da einige der zeitweilig Festgesetzten auch ungerecht behandelt fühlen -, da kann man die Tageszeitung von heute aufschlagen und da liest man noch ganz andere Töne. Da ist davon die Rede, dass - ich zitiere aus der TLZ - „Waffen auf friedlich frühstückende, biertrinkende oder friedlich an einen Betonklotz gekettete Besetzer“ gerichtet worden wären.

(Heiterkeit CDU)

Da ist davon zu lesen, dass die Steinwürfe gegen Polizisten und brennende Autos vor allem eines für die Besetzer gewesen wäre, ein Zeugnis von Ohnmacht. Wenn man so etwas unwidersprochen im Raum stehen lässt, ist das schlichtweg ein Skandal. Wenn man so etwas unwidersprochen hier im Raum stehen lässt und dazu nicht Position bezieht, ist das politisch verantwortungslos, Herr Kollege Hahnemann.