Protocol of the Session on March 20, 2009

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, mit dem Gesetzentwurf versucht die Fraktion DIE LINKE, sogenannte Widerspruchsausschüsse auf kommunaler Ebene zu installieren. Mit einer Änderung der Kommunalordnung soll gewährleistet werden, dass künftig in jeder Gemeinde mit mehr als 1.000 Einwohnern ein Ausschuss zu bilden ist, der im Rahmen der Abhilfeprüfung eines Widerspruchsverfahrens den Widerspruchsführer zu Verwaltungsakten der Gemeinde oder der Verwaltungsgemeinschaft mündlich zu hören hat. Danach soll auf der Landkreisebene vom Kreistag ein Ausschuss gebildet werden, der im Rahmen der Abhilfeentscheidung den Widerspruchsführer zu Verwaltungsakten des Landkreises und von Gemeinden, in denen kein eigener Widerspruchsausschuss eingerichtet ist, mündlich zu hören hat. Im Rahmen seiner mündlichen Anhörung wird der Widerspruchsausschuss laut Gesetzentwurf dazu angehalten, auf eine gütliche Einigung hinzuwirken. Für den Bereich der Landesebene soll der Bürgerbeauftragte durch entsprechende Ergänzungen des Thüringer Gesetzes für den Bürgerbeauftragten verpflichtet werden, mit dem Widerspruchsführer und der Landesbehörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, die Sach- und Rechtslage mündlich zu erörtern und zeitnah auf eine gütliche Einigung hinzuwirken.

Meine Damen und Herren, für die Annahme des Gesetzentwurfs spricht, dass er im Prinzip versucht, im Widerspruchsverfahren eine gütliche Einigung zu erreichen, um den Gang vor das Verwaltungsgericht zu vermeiden. Das Projekt der Güterichter, an dem u.a. das Verwaltungsgericht Gera teilnimmt, versucht dies ebenfalls. Ein weiteres Argument dafür ergibt sich aus der Historie. Bis zum Jahr 1992 gab es in Thüringen die Regelung im Thüringer Gesetz zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung, dass vor jeder Entscheidung über Widersprüche gegen Verwaltungsakte der Gemeinden, Landkreise und Landräte als untere staatliche Verwaltungsbehörde, der Widerspruchsführer durch einen

Ausschuss mündlich zu hören sei. Der Einschränkung dieser Regelung im Jahr 1992 wurde vonseiten der SPD-Landtagsfraktion heftig widersprochen. Gegen die Annahme des Gesetzentwurfs sprechen praktische Gesichtspunkte wie ein hoher Organisations- und Verwaltungsaufwand zur Bestellung von Widerspruchsausschüssen, zur Vorbereitung ihrer Arbeit sowie Kostenargumente. Gegen den Gesetzentwurf spricht des Weiteren, dass eine bessere Akzeptanz von Widerspruchsbescheiden gerade in Verfahren, in denen Landesbehörden beteiligt sind, nicht erreicht wird, wenn der Bürgerbeauftragte als Einzelperson und kein Widerspruchsausschuss die gütliche Einigung zwischen den streitenden Parteien herbeiführen soll.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Gesetzentwurf wurde nach der ersten Beratung nicht zur weiteren Beratung an einen Ausschuss überwiesen. Somit erfolgt die zweite Beratung im Plenum ohne gründliche Beratung durch den Thüringer Landtag. Da eine Abwägung der Argumente mangels Ausschussberatung nicht erfolgen konnte, wird sich die SPD-Fraktion bei der Schlussabstimmung zu dem Gesetzentwurf enthalten. Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD)

Das Wort hat Abgeordneter Kuschel, Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Baumann hat schon darauf verwiesen, wir haben heute die zweite Lesung zu unserem Gesetzentwurf. Die CDU hat bedauerlicherweise eine Ausschussüberweisung und damit eine Diskussion in den Ausschüssen blockiert; nicht zum ersten Mal. Es ist eben so bei dieser Regierungsfraktion und das spricht nicht gerade von Selbstvertrauen, denn wenn Sie gute Argumente haben, würden Sie sich in den Ausschüssen mit uns auseinandersetzen. Insofern bleibt nur die Möglichkeit, unsere Argumente heute zur zweiten Lesung vorzutragen, weshalb wir eine Weiterentwicklung der Widerspruchsverfahren in Thüringen für absolut notwendig erachten. Ich darf noch einmal erinnern: Die CDULandesregierung hatte vor geraumer Zeit einen Gesetzentwurf an den Landtag geleitet und wollte mit diesem Gesetzentwurf in vielen Bereichen die Widerspruchsverfahren komplett abschaffen und damit erreichen, dass die Überprüfung von Verwaltungsakten dann sofort beim Gericht erfolgt.

Dieses Verfahren ist durch die eigene Fraktion gestoppt worden. Das spricht offenbar für die starken Auseinandersetzungen zwischen der Fraktion und der Landesregierung. Das ist auch nicht alltäglich, aber in dem Sinne hat die CDU-Fraktion richtig gehandelt. Es wäre fatal gewesen, wenn die Widerspruchsverfahren in vielen Bereichen abgeschafft worden wären. Da geht es nicht nur um die Rechte der Bürger, sondern es geht insbesondere dort auch um die Selbstkontrolle der Verwaltung und der Behörden, und die wäre damit völlig auf der Strecke geblieben.

Allerdings ist die CDU in dieser Frage inkonsequent. Man darf nicht nur das Vorhaben der eigenen Landesregierung stoppen, sondern Sie hätten dann selbst Ihre Vorschläge zur Weiterentwicklung der Widerspruchsverfahren hier vortragen, einreichen müssen, denn dass etwas geschehen muss, da sind wir uns ja alle einig. Es gibt ein hohes Maß an Unzufriedenheit mit den gegenwärtigen Widerspruchsverfahren. Bürger kritisieren insbesondere, dass diese Verfahren wenig transparent sind. Sie kritisieren auch die Verfahrensdauer und dass oftmals die Behörde, die die Verwaltungsakte erlässt, auch die Entscheidung über die Widersprüche trifft, ohne dass die Bürger im Wesentlichen beteiligt werden. Sie werden im Regelfall noch mal schriftlich angehört, wo formalrechtliche Vorträge gemacht werden, die der Bürger kaum nachvollziehen kann, aber es kommt nicht zum Dialog zwischen der Behörde und der Verwaltung. Herr Baumann hatte richtigerweise schon darauf verwiesen, dass bis 1992 die mündliche Anhörung der Widerspruchsführer im Verfahren vorgeschrieben war. Das war eine ordentliche Sache, weil sich in vielen Widerspruchs- und Rechtsmittelverfahren herausstellte, dass mangelnde Information eine Hauptursache dafür ist, dass Bürger Verwaltungsentscheidungen widersprechen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, uns geht es um Transparenz, uns geht es um Selbstkontrolle der Behörden. Wir wollen, dass die Behörden in Thüringen künftig nicht mehr ausschließlich ordnungspolitisch agieren und den Bürger als Adressaten von Verwaltungshandeln definieren, sondern dass die Behörden kooperativ mit dem Bürger zusammenarbeiten. Wir sind davon überzeugt, das qualifiziert das Verwaltungshandeln und führt zu einer höheren Akzeptanz der Entscheidungen bei den Bürgern. Für uns gilt der Grundsatz: Die Behörde ist für den Bürger da und nicht umgekehrt. Daraus ergibt sich, dass wir in den Widerspruchsverfahren bestimmte Dinge neu regeln müssen.

Ich möchte mich jetzt mit einigen Anregungen aus der ersten Lesung auseinandersetzen. Das muss ich an dieser Stelle machen, weil die Ausschussberatung hierzu nicht stattgefunden hat. Ich bin ins

besondere der SPD und Herrn Baumann dankbar, dass er unseren Gesetzentwurf hier sehr differenziert bewertet hat, sowohl das, was die SPD an unserem Gesetzentwurf für positiv erachtet, aber auch, wo noch Bedenken bestehen. Das ist eine Herangehensweise, die hätten wir uns auch von der CDU gewünscht. Herr Baumann hat das hier noch mal wie in der ersten Lesung vorgetragen, das war fast identisch, aber es blieb ihm auch nichts anderes übrig, weil eine Diskussion nicht stattgefunden hat. Positiv sieht er die gütliche Einigung als Schwerpunkt und auch, dass die Wiederaufnahme der Regelung, die es bis 1992 gab, in das Gesetz durchaus diskussionswürdig wäre. Natürlich erkennen auch wir die Probleme, was die Praktikabilität betrifft. Auch uns ist bewusst, dass eine mündliche Anhörung der Widerspruchsführer und die Arbeit der Widerspruchsausschüsse einen bestimmten Organisations- und Verwaltungsaufwand erzeugen. Aber da gilt für uns der Grundsatz: Dieser Aufwand ist notwendig im Interesse des Bürgers, weil die Verwaltung für den Bürger da ist.

Von Herrn Baumann wurden auch letztlich die Kosten thematisiert. Auch da sagen wir, Demokratie, Bürgerbeteiligung, Bürgermitwirkung verursachen immer Kosten, unmittelbare oder mittelbare. Aber wir sagen auch, diese Kosten sind gerechtfertigt, wenn sich dadurch das Verwaltungshandeln qualifiziert und die Akzeptanz von Verwaltungsentscheidungen bei den Bürgern steigt. Im Übrigen kann unser Vorschlag auch zu einer Kostenreduzierung führen, wenn nämlich die Rechtsmittelverfahren beschleunigt, in ihrer Anzahl zurückgedrängt werden und sich viele Streitigkeiten zwischen der Behörde und dem Bürger bereits in der Phase des Widerspruchs erledigen und damit nicht erst der Rechtsstreit zu den Verwaltungsgerichten getragen wird. Dann können letztlich Kosten gespart werden, sowohl Kosten der Behörden oder des Landes, wenn es bei den Gerichten ist, aber auch bei dem Bürger, der dann beim Unterliegen keine Gerichtskosten zu tragen hätte.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, auch mit dem Hinweis der SPD zum Vorschlag, den Bürgerbeauftragten für dieses Moderationsverfahren zwischen den Bürgern und den Behörden verantwortlich zu machen, haben wir uns beschäftigt. Wir sind davon überzeugt, der Bürgerbeauftragte ist dafür die richtige Institution. Auf Landesebene wäre es tatsächlich kompliziert, das auf einen Ausschuss zu übertragen. Insofern sehen wir dort, was die Umsetzung betrifft, auch noch Diskussions- und Klärungsbedarf, aber von der Zuordnung her sind wir überzeugt, dass der Bürgerbeauftragte die richtige Adresse ist. Die SPD wollte mit uns gemeinsam in den Ausschüssen darüber diskutieren, dazu ist es nicht gekommen.

Die CDU, also Herr Kölbel, hat zumindest einen positiven Ansatz in unserem Gesetzentwurf gesehen, nämlich unser Ansinnen des Interessenausgleichs. Er hat gesagt, das möchte die CDU auch, aber Herr Kölbel konnte sich wahrscheinlich in seiner Fraktion nicht durchsetzen, um weiterhin im Rahmen der Ausschussberatung mit uns in einen Dialog zu treten. Allerdings hat er auch eingewandt, dass unser Verfahren einen hohen Aufwand bedeutet, und die Frage gestellt, warum wir uns diesem hohen Aufwand stellen sollen, wenn die Widerspruchsausschüsse zum Schluss nicht entscheiden, sondern nur Empfehlungen geben. Zum Schluss bleibt es ja bei der behördlichen Entscheidung. Darüber haben wir lange diskutiert. Wir sind davon überzeugt, dass bereits dieser Dialog in den Ausschüssen dazu führt, dass sich eine Vielzahl von Verfahren erledigt und es dadurch gar nicht mehr zur Behördenentscheidung kommen muss. Natürlich muss die Behörde schon überlegen, was sie mit der Empfehlung dieser Ausschüsse macht. Da kommt die Behörde natürlich in einen bestimmten Erklärungsdruck, wenn sie der Empfehlung nicht folgt. Ich bin überzeugt, dieses Wechselspiel zwischen einem Ausschuss und der Behörde ist schon sehr spannend, schafft zumindest Transparenz und zwingt die Behörde, sich mit den Empfehlungen der Ausschüsse auseinanderzusetzen. Ihren Vorwurf, Herr Kölbel, den Sie formuliert haben, dass das Recht damit auf der Strecke bleibt, den können wir überhaupt nicht teilen, im Gegenteil, die Ausschüsse tragen durch ihre Arbeit letztlich zu einer Fortentwicklung des Verfahrens, auch des Rechts bei. Insofern ist diese Einschätzung auch im Rahmen Ihrer Argumentationslinie nicht nachvollziehbar, eigentlich auch unlogisch. Sie haben einen Konflikt prognostiziert, den wir auch nicht so erkennen können. Sie haben nämlich gesagt, es wird neue Probleme geben zwischen den Bürgern, die vom Instrument des Widerspruchs Gebrauch machen und den Bürgern, die dieses Instrument nicht nutzen.

Abgeordneter Kuschel, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja, bitte.

(Zuruf Abg. Dr. Krapp, CDU: Am Ende.)

Bitte, Abgeordneter Krapp. Gut, am Ende.

Diesen Widerspruch oder diese Konflikte können wir überhaupt nicht erkennen. Es liegt immer im Ermessen des Bürgers selbst, ob er von diesem Instrument des Widerspruchs Gebrauch macht oder nicht. Aber das Problem ist jetzt schon da. Bleiben wir zum Beispiel im Abgabenbereich, da legt ein bestimmter Teil der Bürger Widerspruch ein und im Verfahren stellt sich dann heraus, dass tatsächlich die behördlichen Entscheidungen fehlerhaft waren. Da haben wir dann einen Teil der Bürger, deren Bescheide bestandskräftig sind und einen anderen Teil, deren Bescheide geändert werden. Auch da gibt es manchmal Diskussionen, dass der Bürger, der von dem Rechtsweg keinen Gebrauch gemacht hat, berechtigt die Frage stellt, warum nicht seine Entscheidung auch noch einmal aufgehoben wird. Da kann er einen Antrag stellen, das weiß ich. Dann kann die Behörde im Rahmen ihres Ermessens entscheiden, ob sie einen bestandskräftigen, aber rechtswidrigen Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit aufhebt oder nicht. Das heißt, zum jetzigen Zustand würde sich nichts verändern. Insofern sehen wir dort kein neues Konfliktpotenzial, so wie das Herr Kölbel in der ersten Lesung thematisiert hat.

Herr Scherer hat sich für die Landesregierung geäußert und rechtliche Unzulänglichkeiten gesehen. Und, meine Damen und Herren, er hat gesagt, er hätte eine halbe Stunde gebraucht, um die zu benennen. Er hat aber nicht einmal den Versuch gestartet, eine zu thematisieren. Das hätte ja vielleicht nur 30 Sekunden gedauert, vielleicht hat er heute den Mut, uns auf rechtliche Unzulänglichkeiten hinzuweisen, denn wir sind durchaus bereit, Hinweise aufzunehmen. Das unterscheidet uns ja - Ihre Bereitschaft hält sich da stark in Grenzen. Sie müssen dann immer in Kauf nehmen, dass Ihnen im Zweifelsfall das Verfassungsgericht sagt, was richtig und was nicht richtig ist.

(Zwischenruf Abg. Grüner, CDU: Keine Unterstellungen.)

Darauf darf ich einmal verweisen. Das Verfassungsgericht hat unsere Entscheidungen noch nicht aufgehoben, aber eben Ihre. Insofern seien Sie mutig, stellen Sie sich dem Dialog, benennen Sie diese rechtlichen Unzulänglichkeiten. Wir würden sie sehr wohlwollend prüfen und wären dankbar, wenn Sie uns dort helfen. Sie haben zudem gesagt, die Widerspruchsausschüsse verlängern nur das Verfahren. Also, Herr Innenminister, die jetzige Verfahrensdauer bei den Widersprüchen ist tatsächlich für viele Bürger nicht nachvollziehbar. Ich begleite zurzeit Verfahren, das sind Widersprüche aus dem Jahre 2003. Die werden jetzt durch Behörden im Jahre 2009 entschieden. Uns dann den Vorwurf zu machen, wir

würden etwas verlängern - alle Achtung. Wenn wir zu einer Regelbearbeitungsfrist von Widersprüchen kämen, die in der Verwaltungsgerichtsordnung eigentlich mit drei Monaten definiert ist, denn nach drei Monaten kann der Bürger Untätigkeitsklage erheben, dann wäre Ihr Hinweis vielleicht gerechtfertigt. Wenn man sagt, dass wir dann noch die Widerspruchsausschüsse damit beschäftigen, dann könnten die drei Monate vielleicht infrage gestellt werden. Aber die jetzige Praxis sieht völlig anders aus. Zudem haben wir eine zeitliche Befristung hereingenommen, wann die Widerspruchsausschüsse mit dem Sachverhalt konfrontiert werden müssen. Insofern sind wir davon überzeugt, dass es zu keiner Verlängerung kommt, zumindest der Fristen, die gegenwärtig hier in Thüringen üblich sind.

Dann haben Sie auch, wie Herr Kölbel, formuliert, der Ausschuss hat nichts zu sagen. Da bleibe ich bei meinen Argumenten, die brauche ich hier nicht zu wiederholen, die Empfehlungen der Ausschüsse sind durchaus sehr wirksam und die Behörde wird es sich überlegen, diesen Empfehlungen letztlich nicht zu folgen.

Sie haben etwas zu den Kosten gesagt und für Ihren Berufsstand, nämlich die Juristen und die Rechtsanwälte, ein neues Betätigungsfeld erkannt. Ich sehe es nicht so, dass die Bürger sich bereits in der Phase des Widerspruchs der Anwälte bedienen. Da ist jeder Bürger frei, das ist auch gut so. Es besteht diese Möglichkeit, das muss jeder Bürger selbst entscheiden. Das kann er auch jetzt schon entscheiden, aber die Tätigkeit der Widerspruchsausschüsse wird insbesondere dazu führen, dass der Bürger höheres Vertrauen in die behördlichen Entscheidungen gewinnt und deshalb nicht gleich den Weg zum Anwalt sucht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, dann haben Sie, Herr Innenminister, eine letzte Anmerkung gemacht, die spricht für wenig Vertrauen in das Handeln von Landesbehörden - dafür sind Sie aber zuständig -, indem Sie gesagt haben, beim Bürgerbeauftragten müsste eine Behörde von 100 Mann geschaffen werden, um praktisch dieses Moderationsverfahren zwischen den Landesbehörden und den Bürgern, die sich gegen Entscheidungen der Landesbehörden wenden, zu moderieren.

(Zwischenruf Scherer, Innenminister: Umgekehrt.)

Wir haben ein höheres Maß an Vertrauen in die Landesbehörden und sagen, das wird nur der Ausnahmefall sein. Wir wissen nicht, wie viel Leute beschäftigt sind, aber 100 nicht und Sie haben die Gelegenheit, das Verwaltungshandeln der Landesbehörden zu qualifizieren, so dass es erst gar nicht

zu Widersprüchen kommt. Dann braucht man beim Bürgerbeauftragten auch nicht 100 Leute.

(Beifall DIE LINKE)

Von daher, Herr Innenminister, haben Sie alle Fäden in der Hand, den Aufwand beim Bürgerbeauftragten in Grenzen zu halten, aber das müssen Sie eben machen. Wir können es noch nicht machen. Das kann in einigen Monaten anders sein und dann können wir das ja vergleichen, was dann im Interesse des Bürgers besser war.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich beantrage im Namen unserer Fraktion nochmals die Überweisung an den Innenausschuss und den Justizausschuss. Wir brauchen die weitere Diskussion, wir haben gesagt, wir sind nicht diejenigen, die sagen, alles, was wir in den Gesetzentwurf reingeschrieben haben, ist genau das, was wir brauchen, sondern es ist ein Diskussionsangebot. Die CDUFraktion, aber auch die Landesregierung können zur Qualifizierung dieses Gesetzentwurfs beitragen, aber dazu brauchen wir die Beratung in den Ausschüssen und deshalb noch mal der Antrag, es an die Ausschüsse zu überweisen. Danke.

(Beifall DIE LINKE)

Bitte die Nachfrage des Abgeordneten Dr. Krapp.

Herr Kuschel, in Ziffer 2 Ihres Gesetzentwurfs ist formuliert, dass der Ausschuss aus dem Kreistag heraus zu bilden ist. Das verstehe ich. In Artikel 1 wird gesagt, dass auf Gemeindeebene der Ausschuss aus der Gemeinde heraus zu bilden ist. Wollen Sie eine neue Räterepublik?

Wir sind für mehr Bürgerbeteiligung und wir sind für das Projekt „Bürgerkommune“. Wenn Sie dazu Räterepublik sagen, ist das Ihre Interpretation. Aber es ist natürlich klar, wir wollen sowohl auf gemeindlicher als auch auf kreislicher Ebene den Bürger näher an die Verwaltung heranholen und wir wollen mehr Kooperation zwischen Bürger und Verwaltung. Was Sie wollen, ist nach wie vor die ordnungsbehördliche Orientierung von Verwaltungshandeln. Das wollen wir nicht. Insofern teile ich nicht Ihre Bezeichnung dieses Projekts, sondern wir sagen, wir wollen das Projekt „Bürgerkommune“.

(Beifall DIE LINKE)

Gestatten Sie eine weitere Nachfrage?

Ja, bitte.

Bitte, Abgeordneter Dr. Krapp.

Ich stelle fest, auf Kreisebene wollen Sie den Ausschuss durch den Kreistag - also ein gewähltes Organ - bilden, auf Gemeindeebene wollen Sie nicht den Gemeinderat, sondern die Gemeinde insgesamt als Grundlage für die Ausschussbildung haben.

Nein, da interpretieren Sie unseren Gesetzentwurf falsch. Wir wollen auch auf Gemeindeebene, dass ein Ausschuss gebildet wird, und zwar nach den Regelungen des § 27 Thüringer Kommunalordnung. Das ist ein Ausschuss des Gemeinderats. Das Verfahren ist dort vorgeschrieben. Wir sind uns fast sicher, dass die Gemeinde dabei möglicherweise auf bestehende Ausschüsse schon zurückgreift oder einen neuen Ausschuss bildet, in dem können berufene Bürger tätig sein. Es kann sein, dass wir im Gesetzentwurf die Formulierung nicht punktgenau getroffen haben. Dafür ist auch der Justizausschuss da, um möglicherweise derartige Dinge nachzujustieren. Da bleibe ich bei meiner Auffassung, dafür gibt es das parlamentarische Verfahren. Da sind solche Hinweise immer richtig. Danke.

Das Wort hat Abgeordneter Kölbel, CDU-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, verehrte Abgeordnete und Gäste, in zweiter Lesung behandeln wir heute die Drucksache 4/4816. Man muss sich das immer noch mal in Erinnerung rufen, „Weiterentwicklung, Demokratisierung und Beschleunigung von Widerspruchsverfahren“ von der Fraktion DIE LINKE als Gesetzentwurf eingebracht. Ich erinnere nochmals, in Gemeinden über 1.000 Einwohner sollen Ausschüsse, wie es heißt, zur gütlichen Einigung von Widersprüchen gebildet werden. Deren Ziel soll es sein, zwischen den Behörden und dem Widerspruchsführen eine Lösung zu finden und zu vermitteln. Parallel soll es das Gleiche auf Kreisebene für kreisliche Angelegenheiten geben. Beide Seiten

sollen angehört werden. Es soll eine zusätzliche Instanz etabliert werden, die letztlich der Widerspruchsbehörde eine Empfehlung aussprechen soll. Nun ist die Widerspruchsbehörde in letzter Konsequenz daran jedoch nicht - das hatten wir heute hier schon festgestellt - gebunden. Da die Beratung dann aber auch noch öffentlich stattfinden soll, deshalb kommen wir auf solche Nachfragen wie vom Herrn Abgeordneten Dr. Krapp. Da werden diejenigen, die daran interessiert sind, alle mit erscheinen, gerade im gemeindlichen Bereich. Es soll zu einer Beschleunigung der ganzen Verfahren beitragen. Herr Kuschel, Sie haben das eben noch mal erläutert anhand der langen Dauer, die so ein Widerspruchsverfahren in der Regel in Thüringen hat. Da mahne ich durchaus eine Portion Skepsis an.

Dies wird auch nicht besser, wenn man in diesem Sinne die Thüringer Kommunalordnung noch durch gesetzliche Regelungen ergänzt. Bei Widerspruchsverfahren auf Landesebene sollte, wie der Einbringer des Gesetzentwurfs vorgeschlagen hat, der Bürgerbeauftragte zwischen den im Streit befindlichen Seiten möglichst eine Lösung herbeiführen. Auch hier ist eine Gesetzesänderung vorgeschlagen worden. Ich frage mich ernsthaft an dieser Stelle: Kann die Bürgerbeauftragte ohne Gesetzesänderung nicht unter der derzeit bestehenden Gesetzeslage bereits eine Vermittlung durchführen? Das könnte sie meines Erachtens auch heute schon, zumal wir solche Fälle ja im Petitionsausschuss schon gehabt haben. Wenn man für die verärgerten, fragenden oder zweifelnden Bürger das gesetzlich vorschlagen will seitens der einbringenden Fraktion, hätte man das Ganze - das ist nach wie vor meine Meinung - in den von Ihnen eingebrachten Gesetzentwurf 4/4816 einbauen können und keine erneute Gesetzesinitiative starten brauchen. Dann hätten wir es universell und es bräuchte nur noch ein Ausschuss ins Leben gerufen zu werden auf gemeindlichen und kreislichen Ebenen. Mir stellen sich Zweifel, erreichen wir mit dieser Streitschlichtungseinrichtung - ich nenne sie einmal so - eine höhere Qualität bei den entsprechenden Behörden? Ich muss noch sagen, weil Herr Kuschel mich auch persönlich angesprochen hat, meine Erfahrungen auf diesem Gebiet über die vielen Jahre sind ganz andere gewesen, denn diejenigen, gegen die Widerspruch erhoben wurde, haben dann nach langen Diskussionen erklärt: „Nein, wir bleiben dabei, das ist unsere Überzeugung.“ Wird es nicht - und da bin ich angesprochen worden soeben - letztlich noch mehr Verdruss geben? Sie sagen, der zunächst nicht in Widerspruch Gegangene kann ja durchaus seinen Widerspruch erneut einlegen in dem Bereich. Manche werden das nie machen, sondern die nehmen ihren Verdruss mit und sagen, es ist trotzdem ungerecht, ich habe eben meinen Beitrag überwiesen, obwohl ich das nicht einsehe. Insgesamt kann ich nur noch mal feststellen, die CDU-Fraktion kann diesem

in der Drucksache 4/4816 vorgeschlagenen Gesetzentwurf nicht zustimmen. Warum sollten wir in unserem Bundesland auch erst ein Instrument etablieren, das sich in anderen Konstellationen nicht bewährt hat und deshalb gar nicht mehr praktiziert wird? Allein eine klangvolle Überschrift bringt meines Erachtens nicht den gewünschten Erfolg.

Abgeordneter Kölbel, gestatten Sie eine Nachfrage des Abgeordneten Kuschel?

Danke, Frau Präsidentin, danke, Herr Kölbel. Sie hatten formuliert, wir hätten unser gesetzliches Anliegen auch im Petitionsgesetz verankern können. Würden Sie mir zustimmen, dass wir dort den Versuch gestartet hatten, das kommunale Petitionsrecht zu verankern und dass sich Ihre Fraktion dagegen heftig ausgesprochen hat?