Protocol of the Session on December 12, 2008

(Beifall DIE LINKE)

Es verwundert mich schon, wenn selbst der Wirtschaftsminister dieses Landes noch am Dienstag in der Staatskanzlei erklären kann, dass es sich aus seiner Sicht nicht um eine Finanzkrise oder eine Wirtschaftskrise handelt, sondern bestenfalls um eine konjunkturelle Delle. Da frage ich mich: In welchem Land leben Sie denn? Was nehmen Sie denn von draußen überhaupt noch wahr? Wenn das nicht so schlimm wäre, dann müsste man Sie sofort dafür verantwortlich machen, was Sie hier den Leuten Tag für Tag noch erzählen angesichts der Situation, die von vielen Menschen als heranrollende Tsunamiwelle beschrieben wird. Da stellen Sie sich hin und sagen, bestenfalls haben wir es hier mit einer konjunkturellen Delle zu tun. Wie weltfremd muss man denn sein?

(Zwischenruf Reinholz, Minister für Wirt- schaft, Technologie und Arbeit: Herr Huster, würden Sie sich mal die Statistik vom Landesamt von vor einer Stunde ansehen? Da hatten Sie noch keine Ge- legenheit dazu. Das sollten Sie einfach...)

Wenn Sie sich ein bisschen mit den Nachrichten der letzten Tage beschäftigen, dann wissen Sie, dass wir erst am Beginn einer verhängnisvollen Entwick

lung sind. Aber das kann ich ja nun von einem Wirtschaftsminister auch verlangen, dass er nicht mit den Statistiken der letzten Wochen hier durch die Manege läuft,

(Zwischenruf Reinholz, Minister für Wirt- schaft, Technologie und Arbeit: Sie soll- ten sich einfach mal an den Zahlen orien- tieren.)

sondern sich mit den Problemen beschäftigt, die in den nächsten Wochen auf uns zukommen.

(Beifall DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, Herr Matschie hat es gestern bereits gesagt, wenn man einigermaßen realistisch die Risiken einzuschätzen versucht, die auch vor diesem kleinen Land Thüringen stehen, dann kommt man sehr schnell zu dem Ergebnis, dass es jetzt an der Zeit ist, etwas zu tun und nicht seine Kriegskasse zu füllen, in eine Rücklage zu stecken und zu hoffen, dass man einen Teil der Rücklagen im Jahr 2008 verwenden kann, um die Löcher zu stopfen, die da im Jahr 2009 dann noch auf die öffentlichen Haushalte zukommen mögen.

(Zwischenruf Diezel, Finanzministerin: Sie meinen, Schulden sind das Beste - hören Sie auf.)

Frau Ministerin, ich halte das, was Sie hier einwerfen, für völlig unqualifiziert,

(Zwischenruf Diezel, Finanzministerin: Sie sind unqualifiziert...)

Nein, das ist unqualifiziert,

(Beifall DIE LINKE)

weil es überhaupt nicht darum geht, mehr Schulden zunächst zu machen. Wenn Sie in den letzten Jahren nur einen Vorschlag gemacht hätten,

(Zwischenruf Diezel, Finanzministerin: Sie haben nicht einen Sparvorschlag gemacht.)

wie die riesigen Vermögen, die einen Großteil dieser Spekulationen in Gang gesetzt haben, vernünftig besteuert werden können,

(Zwischenruf Diezel, Finanzministerin: Wir sind im Thüringer Landtag und nicht in Amerika.)

dass dieses Geld in einen real wirtschaftlichen Kreislauf gehört und nicht in die Spekulation mit Finanz

werten, aber Sie haben keinerlei Vorschläge gemacht, sondern Sie haben - im Gegenteil - dafür gesorgt, dass die Umverteilung von unten nach oben noch zugenommen hat. Das wird Ihre Verantwortung sein, da können Sie hier schreien, was Sie wollen.

(Beifall DIE LINKE)

(Zwischenruf Diezel, Finanzministerin: Die trage ich gerne.)

Ich bin sicher, Sie werden froh sein, wenn Sie diese Verantwortung irgendwie loswerden.

Meine Damen und Herren, wir sind der Überzeugung, dass Abwarten in der jetzigen Situation das völlig Falsche ist, sondern jetzt muss etwas getan werden. Nicht in ein paar Wochen, nicht, wie die Kanzlerin versucht, noch irgendwie bis Januar zu kommen und zu schauen, ob das erste Konjunkturpaket wirkt, sondern jetzt brauchen wir Signale sowohl von der Bundesebene, von der EU-Ebene und natürlich auch dort, wo wir Verantwortung tragen, nämlich auf der Ebene des Landes und der Kommunen.

Meine Damen und Herren, wir müssen verhindern, dass sich diese Krise auf alle Sektoren der Volkswirtschaft völlig durchfrisst, weil es dann viel schwerer wird gegenzusteuern und es wird viel teurer, als wenn man jetzt versucht mit den Mitteln, die man sogar mehr hat, etwas gegen die Krise zu tun, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE)

Wir als LINKE sind davon überzeugt, dass zur Finanzierung, Frau Ministerin, der Schuldenweg nicht die beste Variante ist, im Gegenteil. Wir sind überzeugt und wir haben Ihnen das immer gesagt in den letzten Jahren...

(Zwischenruf Diezel, Finanzministerin: Sie wollten die Steuern erhöhen.)

Na, warten Sie doch mal ab. Natürlich wollen wir die Steuern erhöhen. Wir wollen die Steuern erhöhen für die Profiteure dieser völlig falschen Entwicklung, für die Millionäre, für die Milliardäre in diesem Land.

(Zwischenruf Diezel, Finanzministerin: Die haben wir vor allem in Thüringen.)

Ich möchte doch bitten, dass alle, die sich jetzt hier von den Plätzen an der Diskussion beteiligen, sich zu Wort melden und dass wir jetzt dem Redner die

Gelegenheit geben, seine Ausführungen fortzusetzen.

Wenn Sie nur ein bisschen den Versuch unternehmen würden, wahrhaftig zu sein angesichts der Anträge meiner Fraktion in den letzten Jahren zum Thema Umverteilung, dann wüssten Sie, dass wir dort, wo es um beispielsweise die Vermögensteuer ging, wo es um die Veränderung bei der Erbschaftsteuer ging, natürlich auf die Ebene gezielt haben, wo das politisch zu regeln ist, nämlich auf die Bundesebene. Keiner hat erklärt, dass in Thüringen irgendwelche Millionäre abzusteuern sind. Es geht volkswirtschaftlich darum, dass die, die mehr leisten können, wieder ihr Geld real in den volkswirtschaftlichen Kreislauf bringen und nicht spekulieren.

(Beifall DIE LINKE)

Ich hätte die herzliche Bitte, dass Sie versuchen, sich mit diesem Argument auseinanderzusetzen. Wenn das nicht funktioniert, wenn das nicht gewollt ist, diese Umverteilung von oben nach unten, dann bleibt Ihnen zur Abwehrung der Krise nur der Gang in den Schuldenstaat und das ist tatsächlich angesichts der Dimension des Problems kein Ausweg. Sie werden ohne drastische Maßnahmen und damit ohne die drastische Besteuerung von hohen Einkommen und Vermögen die Krise nicht bewältigen, das sage ich Ihnen voraus.

(Beifall DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, neben der Besteuerung von hohen Vermögen und Einkommen, die dringend notwendig ist aus unserer Sicht, werden noch verschiedene Vorschläge derzeit diskutiert, was zu tun ist in der Krise.

Zum Thema Steuersenkungen, was die CDU will: Bei Steuersenkungen ist das Problem - und deshalb ist der Vorschlag falsch -, dass natürlich nur die Leute etwas davon haben, die Steuern zahlen. Wir haben das Problem in Deutschland, dass in den letzten Jahren immer weniger Menschen Steuern gezahlt haben. Die jetzige Krise, die wir weltweit haben, ist auch deshalb entstanden, weil insbesondere die Menschen mit kleinen und geringen Einkommen nicht mehr in diesem kreditfinanzierten System mitspielen können. Die Exzesse, die das hervorbringt, wenn man versucht, Menschen ohne ein eigenes Einkommen auch mit teilhaben zu lassen, das können wir in den USA betrachten, wo die Krise sich sozusagen exponentiell beschleunigt hat. Unsere Politik müsste darauf gerichtet sein, dass wieder mehr Menschen Steuern zahlen können. Meine Damen und Herren, deshalb ist es auch falsch, Lösungsvorschläge in diesen Tagen zu präsentieren, die auf weitere Steuersenkun

gen zielen. Das bedeutet bloß, dass die Menschen, die tendenziell ein vergleichbar höheres Einkommen haben, weniger Steuerlast haben, dass wir aber am Ende des Prozesses einen handlungsfähigen, starken Staat brauchen, um die Verpflichtungen und Verbindlichkeiten aus den heutigen Tagen wieder zurückzuzahlen. Wir brauchen einen handlungsfähigen und starken Staat und dann stehen Sie wieder da mit einem völlig niedrigen Steuerniveau und müssen eine Steuererhöhungsdebatte führen. Ich glaube deshalb, dass dieser Weg falsch ist.

Herr Abgeordneter, lassen Sie eine Frage der Abgeordneten Diezel zu?

Gern.

Bitte schön.

Herr Abgeordneter Huster, ist Ihnen bekannt, dass nur 50 Prozent der Haushalte in Deutschland überhaupt Steuern bezahlen? Ja, Herr Huster, weil Sie von der Umverteilung sprechen. Kennen Sie das Bundesverfassungsgerichtsurteil, das sagt, dass alles das, was über 50 Prozent vom Einkommen entnommen oder weggenommen oder versteuert wird, enteignungsgleich ist?

Also, ich kenne ein entsprechendes Urteil des Bundesverfassungsgerichts, Frau Ministerin. Ich teile Ihre Interpretation des Urteils nicht, ich will Ihnen aber klar sagen zu Ihrer Eingangsbemerkung: Genau darum geht es. Wir reden hier über eine systemische Krise, die dazu führt, dass immer weniger Menschen überhaupt Steuern zahlen. Um die überhaupt mitspielen zu lassen, müssen Sie früher oder später als Finanzministerin denen die Steuerlast ganz erlassen.

(Zwischenruf Reinholz, Minister für Wirt- schaft, Technologie und Arbeit: Dann zahlen sie keine Steuern. Wenn sie jetzt keine Steuern zahlen, können sie auch dann keine zahlen.)

Richtig.

(Zwischenruf Reinholz, Minister für Wirt- schaft, Technologie und Arbeit: Das ist doch unlogisch.)

(Beifall CDU)

Deshalb können Sie sie zur Konsolidierung der öffentlichen Haushalte nicht besteuern, Herr Minister. Das ist doch völlig klar. Aber was Sie ausblenden, ist die andere Seite. Sie blenden den wachsenden Reichtum auf der anderen Seite und die Konzentration von Vermögen völlig aus. Ich sage Ihnen doch bloß, Sie müssen an diese Vermögen ran und Sie müssen umverteilen, wenn Sie wollen, dass die unteren 50 Prozent überhaupt wieder in dem Kreislauf stattfinden. Das ist eine simple Erkenntnis, um die Sie sich seit Jahren herumstreiten. Ich erinnere daran, Frau Ministerin, was Sie hier vor einem Jahr für ein Theater veranstaltet haben, als ich nur das Wort „Umverteilung“ in den Mund genommen habe.

(Zwischenruf Diezel, Finanzministerin: … Löcher entstehen. Hören Sie auf.)