Protocol of the Session on January 29, 2004

(Beifall bei der PDS)

Ein zweites Problem: Man kann individuell sicher sehr unterschiedlicher Meinung sein, wie Familie ihr Leben mit Kindern gestalten möchte. Es ist auch richtig, dass die Nähe und die Wärme von Eltern für Kinder notwendig ist. Aber dieses Argument darf nicht dazu führen, dass man, wie es aus den Reihen der CDU-Fraktion im Moment zu hören war, der Meinung ist, jede Familie, jede junge Frau müsse ihr Kind bis zum Ende des zweiten Lebensjahres zu Hause halten. Die ganze Debatte um die Wichtigkeit der Vater-Mutter-Kind-Beziehung darf überhaupt nicht dazu führen, dass eine Konkurrenz zu Kindertagesstätten, ob zu Krippen oder zu Kindergärten, entsteht. Dieses muss hier erwähnt werden, weil wir nämlich selbst in der Hartz-Novelle in § 24 KJHG auch schon wieder Änderungen haben, wo wir Ostdeutschen sagen könnten: Dort haben sie was begriffen, dass nämlich auch arbeitslose Mütter das Recht haben müssen, einen Kindertagesstättenplatz in Anspruch zu nehmen.

(Zwischenruf Abg. Arenhövel, CDU: Das haben Sie doch auch.)

Ich bitte darum, in der Diskussion nicht das Eltern-KindVerhältnis gegenüber Kindertageseinrichtungen konfrontativ zu führen, sondern das muss zusammengepackt werden und für Eltern wahrnehmbar sein. Da sollten Sie überlegen, was das Land tun kann, damit die Gebühren für die Kindertagesstätten nicht so hoch sind, dass sich Eltern dann in dieser Situation gegen Kindertagesstätten entscheiden.

(Zwischenruf Abg. Dr. Pietzsch, CDU: Das ist doch Stuss, was Sie reden.)

Zu der Argumentation, Frau Nitzpon hätte hier doch das Armutsrisiko Kind herbeigeredet: Auch dieses hat sie nicht getan, sondern sie hat darauf aufmerksam gemacht, was im Bundesarmutsbericht steht, was aber auch im Sozialbericht des Landes Thüringen steht, dass nämlich die Kinder,

(Beifall bei der PDS)

die geborenen Kinder, einen ganz hohen Anteil ausmachen bei den Angaben von Sozialhilfeempfängern als Ursache, warum sie in Sozialhilfe gerutscht sind. Spätestens diese Zahlen über Kinder, die in Sozialhilfehaushalten leben, müssten bei Ihnen doch mal eine Klingel lostreten und überlegen lassen, wie diese Situation über das Landeserziehungsgeldgesetz verändert werden kann. Wie gesagt, wir müssen an dieser Stelle nachbessern im Interesse von Familien. Denn dieser Satz, Frau Arenhövel, klar, Kinder sind das beste Gut einer Gesellschaft, aber in manchen Familien können sie nicht das Beste erleben. Genau das muss beseitigt werden, weil die Gesellschaft nämlich nicht gleiche Chancen ab Geburt für Kinder überhaupt bietet. Wenn Sie das daran messen, dann ändern Sie Ihr Landeserziehungsgeldgesetz auch sehr schnell. Danke.

(Beifall bei der PDS)

Jetzt ist der Redebedarf erschöpft. Ich schließe diesen ersten Teil der Fragestunde und komme zum Aufruf des zweiten Teils

b) auf Antrag der Fraktion der PDS zum Thema: "Auswirkungen des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Moder- nisierungsgesetz - GMG) auf die Thüringerinnen und Thüringer" Unterrichtung durch die Präsidentin des Landtags - Drucksache 3/3911

Ich darf als ersten Redner den Abgeordneten Wolf bitten, CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung füllt ja im Moment die eine oder andere Schlagzeile in den Zeitungen, und auch in den anderen Medien wird vieles diskutiert. Vielleicht noch mal zurück zur aktuellen Situation im deutschen Gesundheitswesen und der Kostenexplosion, wie es viele bezeichnen. Das mag durchaus unterschiedliche und vielfältige Ursachen haben. Das eine ist der wissenschaftlich-technische Fortschritt, der dazu geführt hat, dass die Kosten durchaus auch im Gesundheitswesen gestiegen sind, wobei ich es für richtig halte, dass so, wie es im deutschen Gesundheitswesen im Moment noch möglich ist, jeder die Möglichkeit und das Recht hat, wirklich alle Errungenschaften des wissenschaftlich-technischen Fortschritts auch zu nutzen.

(Beifall bei der CDU)

Dies ist nicht in allen Ländern auf der Welt so. Selbst in fortschrittlichen Ländern wie den USA oder in England ist es eben nicht mehr so eine Selbstverständlichkeit. Wir haben eine große Ursache, die darin besteht, dass die Ausgaben den Einnahmen davonlaufen, das ist die Arbeitsmarktsituation. Wenn mehrere Millionen den Krankenkassen entzogen werden, weil es keine beitragspflichtigen Arbeitnehmer mehr sind, dann führt dies auch dazu, dass es eine Situation gibt, dass die Einnahmen weit hinter den Ausgaben zurückbleiben. Eine Ursache, auf die wir leider keinen größeren Einfluss haben, ist der demographische Faktor. Aufgabe der Politik ist es aber, diese Situation nach Möglichkeit zu lösen, Lösungsvorschläge zu bringen, und Aufgabe der Politik ist es, diese Lösungsvorschläge den Betroffenen auch zu vermitteln. Ein vernünftiger Ansatz war das vorgelegte Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung. Vieles, was in diesem Gesetz enthalten ist, ist auch durchaus den Betroffenen zu vermitteln. Leider ist durch die wirklich dilettantische Umsetzung dieses Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung vieles in der Akzeptanz bei den Bürgern zu diesen notwendigen Maßnahmen verloren gegangen. Viele dieser Beispiele haben ihre Ursache darin, dass das Gesetz, als es in Kraft getreten ist, noch gar nicht fertig war. Die 10 3xisgebühr: Ich mache es mal aus dem ganz speziellen Fachgebiet der Zahnmedizin. Wenn ein Zahnarzt einen komplizierten Fall hat, den er nicht selbst weiterbehandeln will, sondern er möchte einen Kollegen zu Rate ziehen, der kieferchirurgisch tätig ist, dann ist es schon ein Unterschied, ob dieser Kieferchirurg die Approbation als Zahnarzt hat, dann kann nämlich der Zahnarzt einfach überweisen und es werden keine 10  362 - Wenn es aber ein approbierter Arzt ist, der sich als Chirurg auf die Kiefer-Gesichts-Chirurgie spezialisiert hat, dann sind wiederum noch mal 10 362 - +

ist aber dem normalen Bürger nicht mehr zu vermitteln. Oder das Beispiel des Radiologen. Wenn eine Frau zur Vorsorgeuntersuchung geht, zur Mammographie, und das als Sonographie gemacht wird, damit die Strahlenbelastung nicht so groß ist, dann hat der Radiologe ein großes Problem. Er kann nämlich nur eine Sonographie je Tag je Patient machen. Wenn die gleiche Patientin, weil sie inzwischen schon 10 oder 20 Jahre lang die Pille nimmt, eventuell auch Probleme mit Gallensteinen hat und auch den Radiologen bitten möchte, eventuell auch mal da nachzuschauen, dann kann er diese Untersuchung am selben Tag gar nicht mehr machen, weil er sie nämlich nicht abrechnen kann. Das ist volkswirtschaftlicher Unsinn, denn diese Patientin muss dann zweimal zu einer Untersuchung, die man innerhalb von wenigen Minuten an dieser Patientin auch an einem Tag machen könnte. Es gibt ein unbeschreibliches Chaos bei den Medikamenten. Ein Beispiel: Es gibt nicht verschreibungspflichtige Medikamente, die aber ein Arzt verordnen kann - Beispiel Acetylsalizylsäure -, das berühmte Aspirin, was der eine oder andere auch zur Thromboseprophylaxe bekommt, wenn eine Venenthrombose in den Beinen vorhanden ist oder auch als Herzinfarktprophylaxe. Die meisten Ärzte trauen sich dieses Medikament heutzutage nicht aufzuschreiben, schreiben ein viel teureres auf, und das hat die Ursache darin, dass die Liste, wo diese Medikamente aufgeführt sind, welche nicht verschreibungspflichtigen, aber verordnungsfähigen Medikamente bezahlt werden durch die Krankenkasse, überhaupt noch nicht existiert. Oder die Hilfsmittel: Irgend jemand ist auf die Idee gekommen, Hilfsmittel zu unterteilen in Hilfsmittel, die zum Verbrauch bestimmt sind

Herr Kollege, es brennt eine rote Lampe.

ich komme zum Schluss - und Hilfsmittel, die nicht zum Verbrauch bestimmt sind. Ich empfehle jedem, einfach mal in eine Apotheke zu gehen, in eine Arztpraxis zu gehen oder in ein Krankenhaus zu gehen und sich das anzusehen, wenn im laufenden Geschäftsbetrieb regelmäßig Faxe eintreffen, die die Rahmenbedingungen des Abrechensystems regelmäßig ändern. Das Gesetz hat nicht dazu geführt, dass es moderner wurde, sondern dass die Bürokratie um ein Vielfaches gestiegen ist. Danke für die Aufmerksamkeit.

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD: Und da waren Sie nicht beteiligt, Herr Wolf?)

Es hat jetzt als Nächste das Wort Frau Abgeordnete Künast, SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Wolf, wenn ich Ihre Rede hier gehört habe, frage ich mich schon, ob denn die CDU in Berlin nicht mit daran beteiligt gewesen ist an diesem Gesetz

(Beifall bei der PDS, SPD)

und Sie wissen selber, dass das Gesetz...

(Zwischenruf Abg. B. Wolf, CDU: Aber Sie sind nicht fertig geworden, das ist das Prob- lem.)

Dann hätte aber Ihre Partei nicht mit abstimmen können. Wie kann ich denn im Bundestag ein Gesetz abstimmen, was noch nicht fertig ist. Das ist doch alles Populismus, was jetzt von Ihrer Seite hier gebracht wird.

(Unruhe bei der CDU)

Geht das jetzt ab von den 5 Minuten?

Ja. Sie haben dann 5 Sekunden länger und ich bitte aber, dass das Auditorium Ihrer Rede lauscht.

Die von der PDS-Fraktion eingebrachte Aktuelle Stunde hat meiner Meinung nach nichts mit der Verantwortung gegenüber den Menschen betreffs Gesundheitspolitik zu tun. Jeder weiß, dass das GMG erst zum 1. Januar 2004 in Kraft getreten ist. Und die Änderungen haben ja nicht nur eine Änderung, z.B. die 10 362  sie haben 68 Seiten im Bundesgesetzblatt. Eine fundierte inhaltliche Diskussion über die Auswirkungen des GMG kann so in den 5 Minuten einer Aktuellen Stunde wohl nicht stattfinden, geschweige denn zu diesem Zeitpunkt. Auswirkungen auf den einzelnen Versicherten jetzt schon feststellen zu wollen, grenzt deshalb an Hellseherei. Was bezweckt also die PDS mit dieser Aktuellen Stunde? Nicht nur die beiden großen Volksparteien, sondern auch viele Menschen haben erkannt, dass an unserem Gesundheitssystem Änderungen dringend notwendig sind. Einerseits liegen wir bei den Gesundheitsausgaben aller Länder an zweiter Stelle, aber bei der Qualität der medizinischen Versorgung sind wir auf den hinteren Plätzen zu finden. Ich bin davon überzeugt, dass unser Gesundheitssystem aufgrund des wissenschaftlichen Fortschritts in der Medizin und Medizintechnik und auch wegen der demographischen Entwicklung eine ständige Weiterentwicklung benötigt. Ziel dieser Gesundheitsreform ist die jetzige und zukünftige Sicherung der medizinisch notwendigen Versorgung unserer Bevölkerung bei gleichzeitig bezahlbaren Beiträgen. Die PDS nimmt die Unsicherheiten der Leistungserbringer und der Versicherten im

Umgang mit der neuen gesetzlichen Regelung zum Anlass für populistisches Getöse. Nur, ich frage, wo sind da Ihre eigenen Vorstellungen und Anregungen?

(Zwischenruf Abg. Thierbach, PDS: Das ist das Problem der Bundesregierung.)

Wobei ich mich jetzt schon wundere, dass der Herr Wolf ja nun als CDU-Mitglied in dieselbe Richtung reingeht. Verursacht wurde diese unschöne Situation durch eine Blockadehaltung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und vieler, nicht aller Landes-KVen. Die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein hat z.B. für ihre Mitglieder bzw. deren Mitarbeiterinnen Schulungen zu den neuen gesetzlichen Regelungen angeboten. Wie hat die Kassenärztliche Vereinigung in Thüringen reagiert? Die Spitzengremien der Selbstverwaltung wurden schon im Oktober 2003 durch das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung aufgefordert, ihre aus dem GMG resultierenden Hausaufgaben wie die Chronikerregelung, Ausnahmen zu den Fahrtkosten usw. zu machen. Die einen gefielen sich in populistischer Blockadehaltung und die anderen wurden auch nicht sonderlich aktiv. Dazu kam, dass die von Ihnen vorgeschlagene Chronikerregelung so eng gefasst wurde, dass sie einfach dem Willen des Gesetzgebers nach einem entsprechenden sozialen Ausgleich nicht entsprach und folgerichtig durch das BMGS abgelehnt werden musste. Unterdessen haben sich die Spitzenverbände der Selbstverwaltung im gemeinsamen Bundesausschuss endlich auf eine Chronikerregelung und für die Ausnahmefälle zur Übernahme der Fahrtkosten am 22. Januar geeinigt. Die jetzige Überforderungsklausel - übrigens beträgt sie für Sozialhilfeempfänger 70 bzw. 35 %! halte ich für korrekter und auch für besser handhabbar. Bei den bisherigen Zuzahlungsbefreiungen, es waren ca. 57 Prozent der DKV-Versicherten zeitweise von Zuzahlungen befreit, wurde zu großzügig der gesetzliche Rahmen angelegt. Wie die "Ärztezeitung" vom 10. Oktober 2003 über eine Studie aus Oxford über Arztbesuche in Europa berichtet, haben wir in Deutschland bei der Häufigkeit der Arztbesuche eine Spitzenposition. 42 Prozent der Deutschen gaben an, wenigstens einmal in den letzten vier Wochen beim Arzt gewesen zu sein. Schweden im gleichen Zeitraum liegt z.B. bei 14 Prozent. Ist die deutsche Bevölkerung denn viermal mehr medizinisch behandlungsbedürftiger als die schwedische? Wer will das wohl ernsthaft glauben. Da habe ich noch die Frage an die PDS: Für wie sozial halten Sie denn eine Beitragserhöhung in der DKV, die z.B. durch nicht notwendige Inanspruchnahme ärztlicher Leistungen, Arzneimittelwunschverschreibungen usw. verursacht werden? Laut Aussage der Rürup-Kommission werden 565 Millionen Arztbesuche pro Jahr in Deutschland getätigt - und das sind die erfassten Erstbesuche, die Wiederbestellungen sind hier gar nicht mit dabei. Eine Praxisgebühr ist in den meisten Ländern der EU schon seit Jahren üblich. In Schweden sind z.B. pro Hausbesuch zwischen 11 und 16  -    #     *  3    Arzthonorars.

Frau Kollegin Künast, trotz Zugabe geht auch Ihre Redezeit zu Ende.

Ja. Es muss allen bewusst werden, medizinische Leistungen sind nicht zum Nulltarif zu haben. Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD)

Frau Abgeordnete Dr. Fischer, PDS-Fraktion, bitte.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, erst mal möchte ich mich bedanken, dass ich als Letzte von den Parteien hier reden darf, obwohl wir die Aktuelle Stunde eingebracht haben.

Es geht nach Geschäftsordnung.

Ja, das wird alles gehandhabt, das haben Sie ja im Vorfeld gesehen. Ein Wort erst einmal zu Herrn Wolf. Herr Wolf, Sie sprechen von einer dilettantischen Umsetzung des Gesetzes. Ich habe im Laufe Ihrer Rede gemerkt, dass Sie das nicht gemeint haben. Deswegen will ich Ihnen das nachsehen. Herr Wolf, das stimmt so nicht. Es geht um eine dilettantische Erarbeitung eines Gesetzes.

(Beifall bei der PDS)

Das muss ich an dieser Stelle wirklich sagen. Ich bin ziemlich wütend, auch über Frau Künast. Sie wissen doch sicher sehr gut, dass ich eine sehr kontinuierliche Arbeit gemacht habe in diesem Landtag. Ich glaube, das wissen Sie. Ich weiß auch, wer Ihnen die Reden schreibt zum Teil, das habe ich Sie schon das letzte Mal gefragt. Und Sie wissen sehr gut, dass es sich hier um keine Praxisgebühr handelt. Das ist ein Wort, ich sage dann noch etwas dazu, was so einfach nicht stimmt. Es ist eine Kassengebühr und, Gott sei Dank, ich bin sehr beschäftigt mit dem Thema, ich bin nämlich in einer allgemeinmedizinischen Praxis im Moment. Ich habe das erlebt, die Menschen wissen es zum Teil und sie verstehen sehr viel.

Meine Damen und Herren, wenn es denn stimmt, was tatsächlich über die Hintergründe dieses Gesetzes gesagt wird, dann muss ich sagen, dass ich es noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, so lange ich sie erlebe, erlebt habe, dass ein Gesetz mit so heißer Nadel gestrickt worden ist. Zumindest habe ich in mei

ner politischen Laufbahn so viele handwerkliche Fehler, die dann zu Umsetzungsschwierigkeiten führen müssen, um nicht Pfusch zu sagen, erlebt.

Meine Damen und Herren, ich bin tatsächlich etwas ärgerlich an dieser Stelle. Wir haben im Antrag kurz vor Weihnachten darüber gesprochen, haben verschiedene Vorschläge gemacht, wie wir Veränderungen, wie wir Reformbedarf sehen. Ich sage Ihnen jetzt noch etwas. Gesundheitsministerin Ulla Schmidt redet einmal von Stärkung der Selbstverwaltung und dann wieder von Abschaffung der Kassenärztlichen Vereinigung - weiß sie eigentlich, was sie will und mit welchem Ziel? Weiß sie tatsächlich, was ein Sicherstellungsauftrag in allem Umfang bedeutet? Wissen Sie es? Reformbedarf, meine Damen und Herren, gibt es doch überall. Das wissen wir doch. Das wissen z.B. die KV auch. Und ich empfinde es wie z.B. die Forderung nach Abschaffung der Parteien, denn auch da, denke ich, sind wir so weit, dass es auch hier sehr viel Reformbedarf gibt. Da wird mir entgegengehalten, dass dann ein gesellschaftliches Chaos entstehen würde. Ja, ich sehe das auch so. Aber die Abschaffung der KV, bei aller Kritik, hätte meiner Meinung nach ein gesundheitspolitisches Chaos zur Folge und ich kann mich einfach nicht entschließen, da irgendwo mitzumachen. Meine Damen und Herren, Sie werden bemerkt haben, dass ich über die Praxisgebühr gar nicht so viel rede. Davon abgesehen, dass die Bezeichnung, wie gesagt, grundsätzlich falsch ist und auch mir Ärger verursacht hat, erlebe ich tagtäglich etwas ganz anderes - und das hat Herr Wolf hier zum Teil auch angesprochen -, denn das ist nicht der eigentliche Stein des Anstoßes. Ich sage Ihnen eines, die Beitragsgrenze auf der einen Seite herunterzusetzen und auf der anderen Seite alles dazu zu tun, den Leuten das Geld aus der Tasche zu ziehen, das ist nicht redlich, Frau Künast, das muss ich Ihnen so sagen an der Stelle. Es gab übrigens noch etwas anderes, die Klassifikation der Krankheiten wurde geändert, keiner wusste "german modification", wie es langgeht. Medikamente - es war nicht mehr sicher, was bezahlen die Kassen, was bezahlen sie nicht und für welche Indikation. Ich sage Ihnen eins, Folge dieses Desasters ist für Thüringen - auch da irrt Ulla Schmidt -, dass zum 01.01.2004 25 Ärzte ihre Zulassung zurückgegeben haben, weitere Anträge auf Ruhen der Zulassung liegen vor. Es stimmt auch für Thüringen, dass es in den neuen Bundesländern dazu führen wird, dass ärztlicher Nachwuchs kaum zu finden ist.

Meine Damen und Herren, ich will es auch kurz machen an der Stelle und mit einer Forderung enden, übrigens analog einer Forderung der Gesundheitsministerin Ulla Schmidt. Nach einem TÜV für Mediziner, den ich bejahe, sollte auch über die Forderung der Einführung eines TÜV für Minister und Ministerinnen in Zukunft nachgedacht werden,

(Beifall bei der PDS)

damit in Zukunft sachlich und fachlich saubere Gesetze zustande kommen, die erst dann in Kraft treten, wenn auch die Durchführungsbestimmungen existieren. Danke.

(Beifall bei der PDS)

Es hat jetzt Frau Abgeordnete Arenhövel, CDU-Fraktion, das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, Gesundheitspolitik ist, glaube ich, eine der schwierigsten Veranstaltungen, die man sich vorstellen kann. Ich glaube, Politiker von allen großen Parteien haben sich hier schon gehörig verkämpft, weil es sich hier um ein Gebiet handelt, was a) sehr komplex ist und was b) mit vielen Lobbygruppen auch zu tun hat, so dass das keine einfache Geschichte ist. Natürlich - das ist ja auch völlig klar hat sich die CDU an diesen letzten Gesetzesänderungen beteiligt, aber doch nicht, weil wir Lust darauf hatten, meine sehr verehrten Damen und Herren, sondern weil die gesetzliche Krankenversicherung kurz vor ihrem finanziellen Kollaps gestanden hat und weil wir das als große Volkspartei nicht verantworten können und einzig aus diesem Grund haben wir uns bereit erklärt, an dieser Reform mitzuwirken.

(Beifall bei der CDU)