Protocol of the Session on January 29, 2004

se Aussage vermittelt doch auch einen wahrhaft anarchistischen Grundgedanken der Thüringer Landesregierung: Je mehr Vorschriften, je mehr Regelungen des Staates, der in die Rechte der Betroffenen

(Beifall bei der PDS)

eingreift, abgeschafft werden, umso besser. Und so muss man doch vermuten, dass Herr Reinholz irgendwann im Thüringer Landtag berichtet: Ja, der Plan ist erfüllt. Durch neue Anstrengungen der Stabsstelle der Landesregierung konnte eine Deregulierungsquote von 100 Prozent erreicht werden. Im vorliegenden Fall der Bauordnung könnte das heißen, die Bauordnung würde abgeschafft.

(Zwischenruf Abg. Groß, CDU: Erzählen Sie nicht so einen Quatsch.)

Es ist ja richtig, Frau Groß, das habe ich ja eingangs gesagt, dass das natürlich totaler Unsinn ist. Ich unterstelle ja auch im Thüringer Landtag keinem, dem Reinholz'schen Deregulierungsquotenwahn zu verfallen und die Bauordnung hier gänzlich abschaffen zu wollen, weil es eben nicht geht. Aber warum geht das nicht, Frau Groß, und warum, Herr Wetzel, ist es in Zukunft den Menschen in diesem Land auch nicht freigestellt, ob sie sich an die Bauordnung halten oder nicht? Weil es, meine Damen und Herren, ernst zu nehmende Interessen unterschiedlicher Gruppen gibt, die eine Regulierung im Bauordnungsrecht einfach notwendig machen. Deshalb, meine Damen und Herren, ist für uns nicht der Grad der Deregulierung entscheidend, auch nicht vordergründig die besonderen Interessen von Lobbyvertretungen, sondern entscheidend für uns bei der Bewertung der Vorschriften und der Thüringer Bauordnung sind die Kriterien, die Lebensqualität für Menschen in diesem Land ausmachen, wie diese Kriterien im Bauplanungs- und insbesondere hier im Bauordnungsrecht umgesetzt werden. Dabei ist für uns natürlich in erster Linie die Frage, wie wir einer künftig zunehmenden Verbauung und Versiegelung wirksam entgegentreten können, entscheidend, genauso wie die Frage, wie beispielsweise die kommunale Entwicklung in der Fläche mit den natürlichen Umweltbedingungen in Einklang gebracht werden kann. Es ist natürlich entscheidend, dass Gebäude gleich welcher Art durch Menschen, unabhängig ihres Alters und ihrer körperlichen Verfasstheit, jederzeit genutzt werden können, und es ist auch entscheidend, dass Gefahren durch Bauten weitestgehend vermieden werden. Und ein Kriterium, meine Damen und Herren, ist auch, dass das gesetzlich verbriefte Recht von Menschen nicht allzu sehr durch staatliche Eingriffe beschränkt wird. Das meint nicht nur, wie oftmals in den Beratungen der Eindruck entstanden ist, die Rechte der Bauherren, meine Damen und Herren der CDU-Fraktion, das meinte auch die Rechte betroffener Nachbarn zum Beispiel. An einem konkreten Beispiel möchte ich Ihnen auch deutlich machen, wo eine andere Interessenabwägung unsererseits im Gegensatz zur CDU-Fraktion deutlich wird und mit welchen Interessen sie den Begriff der Deregulierung versu

chen neoliberal auszugestalten. Auf Antrag der CDU-Fraktion im Innenausschuss wurde in § 63 Abs. 1 Nr. 1 b die Flächenbegrenzung für den verfahrensfreien Bau von Garagen von 30 m² auf 40 m² angehoben. Die Begründung des Abgeordneten Fiedler im Ausschuss dazu war, dass eine Doppelgarage eben so groß sei. Dass 40 m² genau 10 m² mehr sind als 30 m², ist genauso richtig wie die Fiedler'sche Begründung und sie hat auch denselben Begründungsgehalt. Sie kommen nicht mal auf die Idee, dass vielleicht, Herr Fiedler, eine Doppelgarage mit einer Größe von 40 m² Grundfläche schon so einen erheblichen Eingriff in die Landschaft darstellt, dass man behördlich auch überprüfen muss, ob hier vielleicht andere Interessen dem entgegenstehen. Sie sagen einfach mit Ihrer Begründung: Eine Doppelgarage hat per se genehmigungsfrei, verfahrensfrei zu sein und hier verfolgen wir, meine Damen und Herren der CDU-Fraktion, einfach andere Interessen als Sie.

Auf die Bedenklichkeit dieser Regelung, die ohnehin schon mit der Thüringer Bauordnung bestanden hat mit der Verfahrensfreiheit bei 30 m² großen Garagen, hat ja der Gemeinde- und Städtebund deutlich hingewiesen und hat dabei insbesondere die Verkehrssituation benannt, aber auch die drohende Versiegelung von Vorgartenflächen. Ich möchte unter dem Stichwort der Interessenabwägung in diesem Zusammenhang noch auf einen anderen Aspekt hinweisen. In der Nr. 1 a des § 63 im ersten Absatz sind eingeschossige Gebäude mit einer Bruttogrundfläche bis zu 10 m² verfahrensfrei. Das heißt doch nichts anderes, meine Damen und Herren, als dass ein Freizeitraum, ein Aufenthaltsraum für Kinder beispielsweise oder eine Hobbywerkstatt, wenn er denn mehr als 10 m² Grundfläche beansprucht - und dabei ist es sogar unerheblich, ob er eine Höhe von 2,50 m oder 2,80 m hat - schlichtweg ins Genehmigungsverfahren muss, eine Doppelgarage aber, die 3 m hoch ist, die 40 m² Grundfläche in Anspruch nimmt, deshalb verfahrensfrei ist, weil man zwei Kraftfahrzeuge, weil man zwei Autos dort zum Schutz vor dem Wetter zeitweilig abstellen kann. Meine Damen und Herren, hier verfolgen wir tatsächlich andere Interessen als Sie, die Anhänger des motorisierten Individualverkehrs.

(Beifall bei der PDS)

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Welt- fremd!)

Wie bitte?

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Welt- fremd!)

Weltfremd, Herr Fiedler, das können Sie mir ja gern unterstellen, was die Normalität tatsächlich im Ausstattungsgrad Thüringer Familien oder Familien in der Bundesrepublik Deutschland mit Autos anbetrifft. Aber die Frage, woran messen wir denn tatsächlich die Weltfremd

heit, doch bitte nicht an der Realität, sondern aus der ökologischen Notwendigkeit heraus, die uns dazu zwingt Maßnahmen einzuleiten, die den motorisierten Individualverkehr zurückzudrängen vermögen und zu ökologischen Fortbewegungsmitteln versuchen zu kommen. Dann können wir doch nicht gerade im Baurecht versuchen, auch noch konträre Regelungen hier zu verankern, die über lange Zeit dann hier gelten.

Meine Damen und Herren, ich möchte natürlich für die PDS-Fraktion gar nicht ausschließen, dass es auch um Verfahrensvereinfachungen geht, aber sie ist eben nicht unser alleiniges Ziel. Gerade dann ist sie kein Ziel, wenn dabei berechtigte Interessen von Menschen missachtet werden. Wir müssen auch hinterfragen, ob dort, wo Verfahrensvereinfachung draufsteht, auch tatsächlich Verfahrensvereinfachung drinsteckt. Nehmen wir beispielsweise das vereinfachte Genehmigungsverfahren in § 63 b: Über die Genehmigungsfiktion nach drei Monaten ist angesichts einer durchschnittlichen Genehmigungszeit in Thüringen von zweieinhalb Monaten und der Möglichkeit der Genehmigungsbehörde, die Frist um zwei Monate fast problemlos zu verlängern, nicht wirklich unter dem Aspekt der Verfahrensbeschleunigung zu reden. Wir wollen hier auch nicht mehr hineininterpretieren, als diese Regelung tatsächlich hergibt.

Wichtiger erscheint uns aber, meine Damen und Herren, dass mit dem vereinfachten Verfahren lediglich die Einhaltung mit bauplanungsrechtlichen Zulässigkeitsbestimmungen überprüft wird, die Prüfung bauordnungsrechtlicher Vorgaben aus dem Prüfprogramm aber entfällt. Der Thüringische Landkreistag hat in der Anhörung und auch in seiner Zuschrift dieser Regelung ausdrücklich und vehement widersprochen und er hat deutlich gemacht, dass eine präventive Lösung von Konflikten, z.B. im Abstandsflächenrecht, dann nicht mehr gewährleistet sein wird, sondern die Verletzung nur noch Repressivmaßnahmen zur Folge haben kann, das heißt bis hin zu Teilabrissverfügungen zur Einhaltung nachbarschützender Vorschriften beispielsweise. Das heißt in der Folge, keine Rechts- und keine Investitionssicherheit des Bauherrn, keine ausreichende Berücksichtigung des Nachbarschaftsrechtes und letztendlich die Gefahr langjähriger Verfahren. Die Verfahrensbeschleunigung, die hier scheinbar erreicht wird, hat einen hohen Preis, und den sind wir gemeinsam mit anderen nicht bereit in diesem Punkt zu tragen.

Meine Damen und Herren, wir haben Ihnen zu den eben angesprochenen Komplexen Änderungsanträge vorgelegt, die genehmigungsfreien Tatbestände und den Schutz vor unkontrollierbarer Verbauung und den Behalt nachbarschützender Vorschriften. Änderungsanträge haben wir aber auch vorgelegt zu § 53 der Thüringer Bauordnung zum barrierefreien Bauen und in dem Zusammenhang natürlich notwendig auch ein Änderungsantrag zu § 12 zum Verunstaltungsverbot, was nicht die Barrierefreiheit im Baurecht unterlaufen darf.

Aber, meine Damen und Herren, was sind Barrieren? Barrieren sind all die Gegenstände oder Wirkungen, die uns im Alltag einschränken, die eine überdurchschnittliche Kraftanstrengung von uns erfordern, um bestimmte Orte und Plätze zu erreichen oder auch um bestimmte Gebäude zu nutzen. Im Baurecht, meine Damen und Herren, wird doch eigentlich auch alles dafür getan, dass Barrierefreiheit tatsächlich besteht. Das heißt, es wird alles dafür getan, dass Plätze ungehindert, ohne Einschränkung erreichbar sind. Es wird auch alles dafür getan, dass auch Gebäude für jedermann ohne größere Kraftanstrengung nutzbar sind. Nur, meine Damen und Herren, und jetzt hören Sie bitte die sehr kritischen Anführungsstriche in diesem Punkt mit, nur für den gesunden Menschen. Keiner, meine Damen und Herren, käme doch in diesem Land auf die Idee, eine Eingangstür zu einem Rathaus in 1 m Höhe zu bauen und davor keine Treppenstufen anzubringen. Und warum nicht? Weil eben dann das Rathaus für die vermeintliche normale Mehrheitsbevölkerung eben nicht mehr barrierefrei ohne Kraftanstrengung zugänglich wäre. Keiner käme auf die Idee, beispielsweise eine Tür in einem solchen Rathaus so anzubringen, weil das Rathaus dann für die normale Mehrheitsbevölkerung nicht mehr zugänglich, nicht mehr ohne Kraftanstrengung nutzbar wäre. Deshalb gibt es im Bauordnungsrecht die Vorschriften, dass Treppenstufen soundsoviel cm hoch sein müssen, dass Türen soundsoviel cm breit sein müssen, dass sogar Lichtschalter in einer bestimmten Höhe angebracht werden müssen. Nur, meine Damen und Herren, Pate stand dabei der scheinbar normale Mensch, der der Mehrheitsbevölkerung angehört. Aber dieser Mensch gehört eben nicht zum realen Bild dieser Gesellschaft, weil nicht berücksichtigt wird, dass Barrierefreiheit heißt, ein Leben lang barrierefrei zu leben, als Kind genauso wie als Senior, weil nicht berücksichtigt wird, dass bauliche Einschränkungen für mobilitätsbehinderte und für sinnbehinderte Menschen durch diesen Zustand scheinbarer Normalität ja geradezu erst manifestiert werden. Wenn ich im Baurecht vorschreibe, dass eine Treppenstufe soundso hoch sein kann, dann wird sie natürlich gebaut und dann wird sie eben zur Barriere für beeinträchtigte Menschen.

Die Presseerklärung des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes vom gestrigen Tag benennt ja auch deutlich seine Kritik an dem vorliegenden Gesetzentwurf und er schreibt, dass die Überschrift des § 53 "Barrierefreies Bauen" zwar vollmundig vorgenommen worden ist, aber das, was selbst im Paragraphen steht, keine Barrierefreiheit im Bauen gewährleistet, sondern Barrierefreiheit, meine Damen und Herren, wird im vorliegenden Gesetzentwurf immer noch als Entsprechung für einen Sonderfall angesehen, für etwas Außergewöhnliches betrachtet, dem man begegnen muss. Dabei wird noch nicht einmal tatsächliche Barrierefreiheit für sinnbehinderte Menschen mit umfasst und zudem kann man sich der Verpflichtung zum barrierefreien Bauen auch noch entziehen, wenn man vermeintlich ungerechtfertigte wirtschaftliche Aufwände nicht bereit ist zu tragen. Da verkennt der Gesetzgeber ausdrücklich,

dass es nachweislich nicht so ist, dass es ungerechtfertigte Mehrausgaben beim Neubau barrierefreier Gebäude gibt, sondern dass die Mehrbelastung lediglich 2 Prozent der Gesamtinvestitionssumme beträgt. Herr Schwäblein, da nehme ich die Verfassung ausgesprochen ernst in diesem Punkt. In Artikel 3 Abs. 3 Grundgesetz im zweiten Satz steht nämlich ausdrücklich: "Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden." Aber wenn ich hier einen Sonderfall als Erstes schaffe und als Zweites die wirtschaftliche Rechenbarkeit noch über den ungehinderten Zugang für Menschen mit Beeinträchtigungen hebe, dann muss ich allerdings fragen: Wie ernst nimmt man den Verfassungsgrundsatz, wenn man diese Bauordnung hier novelliert?

(Beifall bei der PDS)

Mit unserem Änderungsantrag streben wir einen zweifachen Paradigmenwechsel im Baurecht an. Wir wollen die Umkehrung des Regelausnahmeprinzips und wir wollen, dass Barrierefreiheit erst dann gegeben ist, wenn bauliche Anlagen sowie andere gestaltete Lebensbereiche für alle Menschen, für behinderte Menschen, unabhängig der Art ihrer Behinderung, von alten Menschen und von Personen mit Kleinkindern, barrierefrei und ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe erreicht und genutzt werden können.

(Beifall bei der PDS)

Und das, meine Damen und Herren, schließt ausdrücklich die Vermeidung von optischen und akustischen Barrieren ebenso ein wie die Vermeidung gegenständlicher Barrieren. Barrierefreiheit, meine Damen und Herren, ist keine besondere Form der Behindertenpolitik, sondern sie ist Grundlage dafür, dass alle Menschen unabhängig ihrer körperlichen Verfasstheit an gesellschaftlichen Prozessen und am gesellschaftlichen Leben teilhaben können, weil sie durch bauliche Gestaltung nicht von bestimmten Orten ausgeschlossen werden. Barrierefreiheit ist deshalb für uns auch ein Gradmesser, welches Menschenbild der Novellierung der Thüringer Bauordnung zugrunde liegt - der Mensch als Individuum oder der scheinbar genormte Mensch. Deshalb, meine Damen und Herren, beantragen wir zu unserem Änderungsantrag zu den Punkten 3 und 5 namentliche Abstimmung.

Meine Damen und Herren, ich möchte natürlich auch nicht unversucht lassen, meinen Redebeitrag auch in Ihren Augen als ausgewogen erscheinen zu lassen, deshalb sage ich Ihnen ausdrücklich, die PDS-Fraktion begrüßt die Änderung des § 83, in dem der Gemeinderat selbst wieder die Hoheit über die Gestaltung der Gemeinde kriegt, indem er dazu berechtigt wird, die Gestaltungssatzung zu erlassen, das bisher Aufgabe alleinig der Verwaltung selbst war. In einem anderen Punkt möchte ich Ihnen auch Recht geben, es war Ziel der Landesregierung, mit der Novellierung der Thüringer Bauordnung eine Verringerung der Baukosten - billiger kann man vielleicht

in dem Zusammenhang gar nicht sagen -, aber eine Verringerung der Gesamtbaukosten zu erreichen, und ich sage Ihnen, zu einer ausgewogenen Darstellung gehört aber auch, wenn man sagt, dieses Ziel wurde erreicht, zu sagen, wer denn die Kosten übernimmt, denn die bleiben in vielen Fällen letztendlich bei den Kommunen und bei den Gemeinden hängen und deswegen unterstützen wir ausdrücklich die Entschließungsanträge, die genau diesen Aspekt mit berücksichtigen. Wir müssen doch mal sehen, wie viel Kosten bei den Gemeinden bei der Errichtung von Spielplätzen hängen bleiben, wie viel Kosten denn durch die Veränderung des § 49 zu den Stellplätzen bei den Gemeinden letztendlich hängen bleiben werden. Wir glauben, dass hier eine Kostenverlagerung vom Bauherren zuungunsten der Kommune stattgefunden hat, aber das wird letztendlich auch in den Berichten zur Novellierung der Bauordnung, denke ich, dann tatsächlich nachzuweisen sein.

In diesem Zusammenhang, meine Damen und Herren der SPD, noch eine Bemerkung zu Ihren beiden Anträgen, die Sie uns vorgelegt haben: Mit dem Antrag zu § 46 greifen Sie ein auch in Thüringen viel diskutiertes Thema an, nämlich die Frage der Rauchmeldung in Wohnungen. Es gibt angesichts der Opferstatistiken hinsichtlich Todesursache, Todeszeitpunkt, aber auch Alter der Opfer sicherlich berechtigte Gründe, dieses Thema auch weiter zu verfolgen. Nur, wir bezweifeln - und das hatten wir Ihnen auch schon mal bei der Behandlung eines Antrags gesagt -, ob die Thüringer Bauordnung der richtige Ort, der richtige Platz ist, um eine Regelung zu vollziehen, eine richtige, und auch einen gangbaren Weg tatsächlich festzuschreiben. Die von Ihnen konkret vorgeschlagene Regelung für den § 46 ist aber von uns abzulehnen, weil sie eher einen populistischen Umgang mit dem Thema zugrunde liegen hat, als den Versuch unternimmt, durch eine tatsächlich umsetzbare und eindeutige gesetzliche Vorschrift den Brandschutz durch akustische Rauchmeldung zu erhöhen.

(Zwischenruf Abg. Schemmel, SPD: Ich schäme mich, so populistisch zu sein.)

Herr Schemmel, wenn Sie damit nicht einverstanden sind, Sie schreiben in Absatz 4 Satz 2: "Die Rauchwarnmelder müssen so eingebaut und betrieben werden, dass Brandrauch frühzeitig erkannt und gemeldet wird." Dann ist doch klar, dass hier die Frage auftaucht: Was für ein Rauchmeldesystem wollen wir denn gesetzlich vorschreiben, wem soll denn dieses Rauchmeldesystem tatsächlich melden? Soll es nur akustisch melden? Es sind viele Fragen. Oder soll es beispielsweise, wie ja auch möglich ist, an Feuerwehrleiteinrichtungen mit angeschlossen sein? Diese Fragen sind doch zu klären und die sind doch nicht durch eine so derart unkonkrete Formulierung tatsächlich zu erfassen. Auch die Einschränkung, die Sie im ersten Satz vornehmen, ist doch nicht praktikabel: "In Wohnungen, in denen Schlafräume und Kinderzimmer..." liegen. Warum denn nicht in allen? Warum müssen wir erst wieder

eine Verwaltungshürde aufbauen, die sagt, wir müssen als Erstes erfassen, welche Wohnungen überhaupt mit dieser gesetzlichen Regelung tatsächlich mit erfasst werden. Ihr Vorschlag, wie er formuliert ist, ist nicht geeignet, tatsächlich Rechtssicherheit in diesem Bereich zu schaffen. Wir sehen da eher die Möglichkeit, dass ein verbindliches Recht seitens des Mieters gegenüber dem Vermieter im Mietrecht festgeschrieben wird, d.h., wenn der Mieter von seinem Vermieter die Einrichtung eines Rauchmeldesystems verlangt, der Vermieter dies realisieren muss. Aber das sind alles Fragen, die in anderen Zusammenhängen zu diskutieren sind. Wir halten den Vorschlag, den Sie unterbreitet haben, für nicht gangbar und nicht für einen Lösungsweg in diesem Punkt.

Auch Ihr zweiter Antrag wird nicht zur Verfahrensvereinfachung beitragen, sondern eher dazu führen, das Chaos in Thüringer Verwaltungsbehörden zu erhöhen.

Aber auch abschließend noch zwei Bemerkungen zu den Entschließungsanträgen: Sie scheinen sich ja offensichtlich - CDU und SPD - gerade im Wettstreit zu befinden, wer dasselbe irgendwie schöner in einem Entschließungsantrag formulieren kann. So weit sind Sie ja nicht voneinander entfernt und wir unterstützen es, das hatte ich schon gesagt, ausdrücklich, dass die Landesregierung nach einem angemessenen Zeitraum über die Erfahrung berichtet und es sollte über den Zeitraum, ob zwei oder drei Jahre, tatsächlich hier noch Konsens herbeigeführt werden können. Tatsächlich erscheint uns aber auch der SPDAntrag in diesem Punkt als der konkretere, weil er konkret Anforderungen an einen Bericht formuliert, was die CDU in ihrem Antrag nicht tut bzw. unterlässt.

Meine Damen und Herren, es versteht sich doch von selbst, dass, wenn eine Bauordnung novelliert wird, die so einen erheblichen Einfluss auf das Verwaltungsverfahren in Thüringen hat, dass alle begleitenden Verwaltungsvorschriften zeitgleich den Verwaltungsbehörden in Thüringen zur Verfügung stehen. Ich glaube, meine Damen und Herren der CDU-Fraktion, dieser Aufforderung in Ihrem Entschließungsantrag hat es nicht bedurft, diese Aufforderung hat die Thüringer Landesregierung nicht nötig, es sei denn, Herr Fiedler, man hat berechtigte Zweifel an dem Handeln des Innenministeriums, ob sich das stets nach Recht und Gesetz orientiert.

Abschließend kann ich Ihnen noch erklären, dass die PDSFraktion nach Würdigung ihrer eigenen inhaltlichen Vorstellungen und Bewertungen des Gesetzentwurfs, aber auch nach Würdigung der Beiträge, die in der Anhörung dem Landtag dargestellt worden sind, der Bauordnung, sollte sie zur Beschlussfassung in der Fassung der Beschlussempfehlung kommen, nicht zustimmen wird, sondern ihre Ablehnung aus den genannten Gründen aussprechen wird. Vielen Dank.

(Beifall bei der PDS)

Als Nächste hat jetzt das Wort Frau Abgeordnete Doht, SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, die Thüringer Bauordnung liegt dem Landtag heute in zweiter Lesung vor, dem ist eine intensive Beratung im Innenausschuss und im Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Strukturpolitik vorausgegangen. Ein Dreivierteljahr hat sich diese Beratung hingezogen. Es gab eine Anhörung mit sehr vielen Anzuhörenden zu diesem Thema und auch die einzelnen Fraktionen hatten danach entsprechend Zeit, sich über die einzelnen Paragraphen im Klaren zu werden, die in der Anhörung vorgebrachten Einwände oder Zustimmungen abzuwägen.

Zu den Inhalten: Die Bauordnung bietet eine weitgehende Anlehnung an die Musterbauordnung, d.h., die Vergleichbarkeit mit den Bauordnungen anderer Bundesländer ist gegeben. Damit erhoffen wir uns auch eine Vereinfachung der Arbeit der Architekten und Ingenieure, die sich jetzt nicht mehr so speziell in das Landesrecht einarbeiten müssen, sondern, wenn sie in mehreren Bundesländern tätig sind, hier durchaus auf einheitliche Grundsätze zurückgreifen können. Die Brandschutzvorschriften sind neu geschaffen worden, künftig wird auch die Holzbauweise verstärkt zur Anwendung kommen können, was letztendlich auch ein Schritt in die Richtung ökologisches Bauen, Kosten sparendes Bauen ist. Das Abstandsflächenrecht wird vereinfacht, es kommt zu einer Erweiterung der Genehmigungsfreistellung und Prüfaufgaben werden auf externe Stellen verlagert. All dies kann man sicherlich unter dem schönen, aber, ich sage auch, abgedroschenen Begriff "Deregulierung" zusammenfassen. Wir erhoffen uns davon letztendlich eine Ankurbelung der Bauwirtschaft und damit auch der Wirtschaft in Thüringen insgesamt. Deswegen trägt die SPD-Fraktion diese Gesetzesnovelle in weiten Teilen mit.

(Beifall bei der SPD)

Eins, meine Damen und Herren der CDU-Fraktion und der Landesregierung, müssen Sie mir allerdings in dem Zusammenhang schon erklären. Sie reden hier von Deregulierung, Sie stellen Pläne auf, wie viel dereguliert werden soll. Wenn aber der Bund das Gleiche tut, ich erinnere hier nur an die erfolgte Änderung der Handwerksordnung oder die noch ausstehende Novelle der HOAI, dann brechen Sie hier in ein Geschrei aus, als stünde der Untergang des Abendlandes kurz bevor. Das ist dann schon ziemlich doppelbödig. Wir sollten uns schon darauf verständigen, wenn wir deregulieren wollen, um aus verkrusteten Strukturen wieder aufzubrechen, um die Wirtschaft anzukurbeln, dann kann das Thüringen nicht allein tun, dann muss der Bund das genauso tun und da müssen Sie sich dann auch einen Schritt bewegen.

(Unruhe bei der CDU)

(Beifall bei der SPD)

Die Deregulierung in diesem Fall, das heißt, vor allem die weitgehende Genehmigungsfreistellung birgt natürlich auch gewisse Risiken für den Bauherrn. Das ist im Ausschuss diskutiert worden. Ich habe damals auch für unsere Fraktion deutlich gemacht, dass wir hier Bauchschmerzen haben. Es wird in Zukunft nicht mehr so sein, dass der Bauherr eine Genehmigung der Behörde hat, auf die er sich dann auch verlassen kann, sondern er ist letztendlich dafür selbst verantwortlich, dass sein Architekturbüro, sein Ingenieurbüro, das er für sein Bauvorhaben auswählt, die Regelungen der Bauordnung einhält, Abstandsflächen etc. Wenn Fehler gemacht werden, dann sind die bislang meist festgestellt worden, bevor das Bauvorhaben begonnen wurde. Es könnte in Zukunft dazu kommen, dass Fehler erst festgestellt werden, wenn der Bau vollendet ist. Hier sehen wir Risiken, deswegen haben wir im Innenausschuss einen entsprechenden Änderungsantrag gestellt. Wir wollen nämlich - und das ist ja bei der Teilungsgenehmigung ähnlich gelaufen - für diese genehmigungsfreien Verfahren noch eine Übergangsfrist für die Bauherren von drei Jahren. Das heißt, wenn ein Bauherr sich nicht sicher ist, ob alle Bedingungen eingehalten sind, dass dann auf Antrag die Bauordnungsbehörde prüft. Die Bauordnungsbehörde könnte sich diese besondere Dienstleistung auch durch entsprechende Gebühren vergüten lassen und der Bauherr hätte die Sicherheit.

Meine Damen und Herren der CDU-Fraktion, wir stellen diesen Antrag auch hier im Plenum noch einmal, um vielleicht doch noch einen Sinneswandel bei Ihnen hervorzurufen, denn was die Teilungsgenehmigung betraf, da waren wir uns ja im Ausschuss einig. Hier haben wir diese Möglichkeit geschaffen, dass auf besonderen Antrag des Grundstückseigentümers oder des künftigen Grundstückseigentümers die Bauordnungsbehörde letztendlich ein Zeugnis darüber abzugeben hat, ob die Teilung des Grundstücks auch allen rechtlichen Bestimmungen entspricht, nicht, dass am Ende durch eine Grundstücksteilung ein gefangenes Grundstück entsteht, was sich nicht mehr bebauen lässt. Hier haben Sie ja durchaus auch die in der Anhörung vorgetragenen Bedenken geteilt. Dieser Antrag ist gemeinsam im Ausschuss angenommen worden. Das Gleiche betrifft im Prinzip die Genehmigungsfreistellung, dass wir hier für einen Übergangszeitraum noch dem Bauherrn, der diesen besonderen Schutz wünscht, diesen auch verschaffen wollen. Wir sind auch der Auffassung, dass das entsprechende Personal in den Bauordnungsbehörden noch vorhanden ist, denn von heute auf morgen wird man nicht Personal einsparen können, was sicherlich im Zuge der Genehmigungsfreistellung dann auch ein Schritt ist, der kommen wird. Noch ist dieses Personal vorhanden, noch könnte dieser besondere Service für den Bürger angeboten werden.

Einen zweiten Änderungsantrag, den stellen wir heute wieder, und das ist der zu den Rauchmeldern. Hier sage ich sehr deutlich, für die SPD-Fraktion hört die Deregulierung dann auf, wenn es um Menschenleben geht, und in diesem Fall geht es um Menschenleben. Es geht um Gefahrenabwehr. Bei über 200.000 registrierten Bränden jährlich in Deutschland verlieren ca. 600 Menschen ihr Leben und weitere 6.000 werden lebensgefährlich verletzt. Das sind schockierende Zahlen und der Einbau eines Rauchmelders demgegenüber ist nur ein geringer Kostenfaktor und die ganzen Argumente, die auch im Ausschuss vorgetragen wurden, hinsichtlich Überprüfung etc. die Bauordnung regelt nun mal die Brandschutzbestimmungen und genauso wie eine Heizungsanlage jährlich überprüft wird, kann so ein Rauchmelder mit überprüft werden. Die Erfahrungen aus anderen europäischen Ländern zeigen ja, dass da, wo Rauchmelder in Größenordnungen in Wohnungen eingebaut werden, auch die Verletzungsquote und die Anzahl der Todesfälle bei Bränden zurückgegangen ist. In England sind z.B. 74 Prozent der Privatwohnungen mit Rauchmeldern ausgerüstet und die Zahl der Brandtoten ging dort um ein Drittel zurück. Ähnliche Erfahrungen gibt es auch aus den USA, wo ca. 90 Prozent der Privathaushalte mit Rauchmeldern ausgerüstet sind.

Wenn die PDS-Fraktion uns hier vorwirft, wir hätten das nicht weitgehend in unserem Änderungsantrag ausgeführt, dann muss ich sagen, dann hat Herr Dittes von der Materie nicht viel Ahnung,

(Beifall bei der CDU)

denn es gibt die DIN 14/676 für Rauchwarnmelder für Wohnhäuser, Wohnungen und Räume mit wohnungsähnlicher Nutzung; Einbau, Betrieb und Instandhaltung, sind detailgenau geregelt bis hin zur Überprüfung der Montageart, wie die Melder angebracht werden müssen, um Fehlalarme zu vermeiden. All dies ist dort geregelt. Es gibt Bundesländer, z.B. Rheinland-Pfalz, die dies in ihre Bauordnung aufgenommen haben.

Namens meiner Fraktion fordere ich auch noch mal hier auf, unserem Antrag zuzustimmen. Es geht um Menschenleben, es geht um das Leben von Kindern, Kleinkindern, aber auch älteren oder behinderten Menschen. In dem Sinne: Springen Sie in diesem Punkt über Ihren Schatten.

Eine letzte Bemerkung noch zu den beiden Entschließungsanträgen: Uns schien der Entschließungsantrag der CDUFraktion zum einen doch etwas kurz gesprungen, was die Frist betrifft. Wir halten zwei Jahre für nicht ausreichend genug, um die Erfahrungen dokumentieren zu können. Wir befinden uns in einer Zeit, in der das Bauwesen nicht gerade Konjunktur hat und selbst wenn die Konjunktur wieder anspringt und mehr gebaut wird, denke ich, sind zwei Jahre nicht genügend Zeit, um hier auf Erfahrungen zurückzugreifen. Zum anderen haben wir natürlich in unserem Entschließungsantrag auch sehr klar

gefordert, über was denn die Landesregierung berichten soll, weil die allgemeine Aufforderung zum Bericht uns nicht reicht - die SPD-Fraktion hat in der Vergangenheit durchaus Erfahrungen gemacht mit Berichten der Landesregierung. Wir wollen dann schon konkret hier festgelegt haben, über was berichtet werden soll, nämlich auch nicht nur, ob es zu einem Mehr von Nachbarschaftsstreitigkeiten gekommen ist, sondern wie sich die Gebühreneinnahmen bei den Bauordnungsämtern geändert haben, welchen Einfluss dies auf Personalkosten hat, all diese Dinge bis hin zu dem Thema, ob es durch diesen Paradigmenwechsel letztendlich zu einer Häufung zivilrechtlicher Streitigkeiten gekommen ist. Was die Veröffentlichung betrifft, also Broschüre ist schön und gut, wollen wir auch, aber im Zeitalter des Internets sollte das auch dort veröffentlicht werden, zumal dann auch ganz andere Möglichkeiten bestehen, auch mit dem Bürger in Kontakt, in einen Dialog zu treten, was die noch offenen Fragen zur Bauordnung betrifft. In diesem Sinne werbe ich für unseren Entschließungsantrag und ich bitte Sie nochmals, unseren beiden Änderungsanträgen zuzustimmen.

(Beifall bei der SPD)