Protocol of the Session on December 22, 2003

unabhängig von der Frage der Bewertung Innenausschuss, welche Informationen hat es gegeben, wie war der Minister informiert. Nein, Sie sind ein Stück weitergegangen. Sie haben gesagt, angesichts der veränderten Technik muss es möglich sein, solche Probeläufe und solche technologischen Dinge auszuprobieren, sie zu debattieren, ihnen einen rechtlichen Rahmen zu geben. Das waren sinngemäß Ihre Worte. Da muss ich Ihnen sagen, da trennen uns in der Tat Welten.

(Zwischenruf Abg. Dr. Pietzsch, CDU: Nicht nur da trennen uns Welten!)

(Beifall bei der PDS)

Herr Pietzsch, Sie können laut rufen: "Nicht nur da", das ist auch gut so, dass es gewisse Unterscheidungen gibt, während ein Teil bei Ihnen wirklich altem Denken verhaftet ist. Also, bei Herrn Fiedler habe ich ganz schnell mal nachgeschaut bei seinem Redebeitrag.

(Zwischenruf Abg. Böck, CDU:... denken, sind Sie noch nicht.)

Herr Abgeordneter Böck, auch Sie können sich melden.

Wer ist der Herr da hinten? Man hört ihn hier vorn selten sprechen, außer dass er da hinten krakeelt und brüllt. Das ist doch der Herr, der auch einmal Innenminister war und ein Leinensäckchen in der Kantine bekam und damit die Tradition des...

Herr Ramelow, kehren Sie zum Thema von heute zurück.

(Zwischenruf Abg. Böck, CDU: Brechen Sie ab!)

Herr Böck, Sie können sich melden, eine Wortmeldung abgeben, wenn Sie etwas sagen möchten.

Meine Damen und Herren, ich verweise in der Tat auf das Grundgesetz. Herr Ministerpräsident, das vereint uns, dass das Grundgesetz die Grundlage all unseres Denkens und staatlichen Handelns sein muss. In der Tat, ich interpretiere informationelles Selbstbestimmungsrecht völlig anders wie Sie.

(Zwischenruf Abg. Wehner, CDU: Als!)

Nein, meine Schwester, ich habe sie gestern gefragt, ist Lehrerin, hat gesagt, der Altministerpräsident und ich dürften in Zukunft "als" und "wie" verwechseln. Also regen Sie sich noch ein bisschen auf da hinten, meine Damen und Herren, zumindest meine Schwester hat mir jetzt Recht gegeben. Sie ist Deutschlehrerin.

(Zwischenruf Abg. Grob, CDU)

Sie können das bei Herrn Dr. Vogel dann auch immer dazwischenrufen. Aber Sie können das ernste Thema gar nicht der Lächerlichkeit preisgeben, weil, es geht um viel mehr, Herr Fiedler, ob ich bei Frau Zimmer war oder nicht. Ich kann Ihnen sogar versichern, ich bin nie dort gewesen. Gabi, du solltest mich mal einladen.

(Heiterkeit bei der PDS)

Es geht um das informelle Selbstbestimmungsrecht des Bürgers und um den Staat. Ob der Staat ein Recht hat alles und jedes aufzunotieren, zu sammeln, zu prüfen,

(Unruhe bei der CDU)

auszuwerten und elektronisch einer Prüfung auszusetzen, die, Herr Minister, eben etwas anderes ist, wie Sie es hier versucht haben nebeneinander zu stellen. Es ist ein Unterschied, ob ein Beamter Dienst tut oder ob eine Maschine automatisch sämtliche Datensätze erfasst, und zwar von jedem Menschen, ohne dass er es weiß, ohne dass er die Konsequenzen kennt, ohne dass man weiß, was mit diesen Daten geschieht. Das ist ein erheblicher Unterschied. Deswegen bin ich sehr für die Verstärkung der Polizei auf der Straße. Das, was Sie immer ankündigen, mehr Grün auf der Straße. Eigentlich wäre es das Gefühl der Sicherheit, das steigen würde. Aber wenn wir die Computer anstelle der Polizei nehmen, dann, Herr Ministerpräsident, und das haben Sie sich zu Eigen gemacht, wird der Generalverdacht gegen den Bürger elektronisch ausgearbeitet - und das ist der rote Faden Ihres Handelns -, der Generalverdacht gegen Bürger, bei dem es eben möglich ist und in der technischen Spielerei dieser Herren im Polizeiamt - oder wo auch immer - einfach als völlig normal angesehen wird, Kennzeichenerfassung an einer öffentlichen Straße, über einer öffentlichen Straße anzumontieren und dem Minister nicht Bescheid zu sagen. Oder vielleicht eine Gesichtsfelderfassung - mir hat man gesagt, mit der Anlage sei es technisch problemlos möglich, auch die Gesichtsfelderfassung. Da Sie vorhin so eine Andeutung gemacht haben, muss ich ja schon wieder fragen, bin ich ja schon wieder hellhörig: Habe ich etwas überhört, gibt es vielleicht schon dort technisch eine Voraussetzung, die nur nicht angeschaltet ist? Elektronik ist eben heute so, dass es nicht mehr die fünf, sieben, zehn großen Kästen sein brauchen, die irgendetwas verarbeiten. Es kann auf Mikrochips eine gigantische Speichermenge aufnotiert werden. Wenn Sie dann zwischendrin mal sagen, es seien nur Millisekunden Kfz-Kennzeichen erfasst, ja, so funktioniert Elektronik. Damit sind sie erfasst und damit entsteht ein Datenschatten und dieser Datenschatten ist sogar nach einer Zeit wieder herstellbar. Und da, wir stehen kurz vor Weihnachten, würde ich gern ein Geschenktipp abgeben, vielleicht hilft es bei dem einen oder anderen hier im Haus. Heinrich Böll hat das geschrieben "Die verlorene Ehre der Katharina Blum". Vielleicht beschäftigen Sie sich mal damit, was in einem Staat passiert, bei dem irgendwann der Wahn des Datensammelns alles und jedes möglich macht und es keine Grenzen mehr gibt. Da rede ich jetzt gar nicht von George Orwell, sondern ich rede von Heinrich Böll, der in einer ganz speziellen Situation in Westdeutschland die Probleme angerissen hat und die Frau, diese Hauptfigur Katharina Blum. sich nicht entlasten konnte, weil alle Fakten gegen sie gesprochen haben. So ist das, wenn man elektronisch alles erfasst und alles Technische möglich macht. Da, meine Damen und Herren, würde ich mir in der Tat eine Datenschützerin wünschen, die zuallererst zubeißt, auf die

Füße tritt, in die Arme fällt und sagt, ohne meine Genehmigung, ohne meine Sicht der Dinge gibt es so etwas gar nicht.

(Beifall bei der PDS)

Herr Ministerpräsident, ich habe Ihnen aufmerksam zugehört. Sie haben versucht, auf die Linie, die der Herr Trautvetter vorgibt, einzugehen, zu sagen, es ist ja eigentlich gar nichts passiert. Wir können uns streiten über das Wort "illegal". War es eine illegale oder war es, wie Herr Trautvetter selbst gesagt hat im Ausschuss, eine rechtlich nicht gedeckte Maßnahme? Wo bitte ist der Unterschied zwischen einer Maßnahme, die rechtlich nicht gedeckt ist, und einer illegalen Maßnahme? Für mich ist das illegal, weil es rechtlich nicht gedeckt ist.

(Beifall bei der PDS)

Es wird erst rechtlich künstlich gedeckt, indem man sagt, es sei ja eine Testphase. Aber wieso ist eine Testphase, wenn Datenerfassung gegen Bürger vorgenommen wird, dann rechtlich gedeckt? Wieso ist das dann genehmigt, wenn der Datenschutz schreibt, wenn Frau Liebaug heute die Fraktionen anschreibt und davon in Kenntnis setzt, dass das Thüringer Innenministerium die Freigabe nicht gegeben hat, dass das Innenministerium deswegen gerügt wird nach § 34 Abs. 2 Thüringer Datenschutzgesetz? Die Genehmigung lag nicht vor und sie schreibt mir jedenfalls als Fraktionsvorsitzenden: Dafür werde ich gegenüber dem TIM eine Beanstandung gemäß § 39 Thüringer Datenschutzgesetz aussprechen. Also gab es doch etwas, was Frau Liebaug zumindest für beanstandenswert gehalten hat. Es gibt ein Zweites, das mir erst in dem Brief deutlich geworden ist und bei dem ich sage, Herr Trautvetter fängt erst an die Dinge auf den Tisch zu legen, wenn der Druck immer massiver wird. Was mir bis heute Morgen nicht bekannt war, dass 658 Autos von Normalbürgern erfasst waren - das steht hier auch drin -, dass nämlich am 9. September diese Erfassungsanlage ganz normal in Betrieb war und alle Durchfahrenden erfasst worden sind. Bis zum 10. Dezember gab es gar nichts. Dann stand am nächsten Tag in der "Thüringer Allgemeinen" ein Foto und ein Beitrag mit einer Nummer eines Kaufvertrags einer Anlage, die am Tag zuvor noch unbekannt war. Dann wurde zurückgerudert. Aber dann wurde gesagt, das war erstens nur ein Test, zweitens wurde nur justiert, drittens waren es nur Polizeiautos. Vorhin war so eine Frage, Heiko Gentzel: Was war mit den anderen Kfz, die durch den Rennsteig gefahren sind, oder waren das vielleicht die Probephasen, wenn Feueralarm gemacht worden ist, dass dort nur Polizeiautos zum Justieren durchfahren durften? Oder wurden alle ein- und ausfahrenden Autos im Rennsteigtunnel zu Polizeifahrzeugen honoris causa, einfach ehrenhalber? Die wurden alle in den Polizeidienst gestellt und auf der anderen Stelle wieder aus dem Polizeidienst entlassen. Und wie erkläre ich mir, dass 658 ganz normale Menschen dort erfasst worden sind? Dass Sie dann sagen, das sei alles gar kein Problem und außer

dem sei das ja nur die Justierung - das, Herr Ministerpräsident, ist das Problem. Sie und wir haben eine völlig andere Auffassung, was die grundgesetzlich normierten Rechte der Bürger sind. Ein Staat, der die Grenzen der Datensammelwut gegen Bürger nicht mehr kennt, dieser Staat ist dabei auszurasten, den Datenwahn auszuleben.

(Beifall bei der PDS)

Und da kann ich nur sagen, das hat es in Westdeutschland schon einmal gegeben - bevor Sie wieder schreien. Dazu gab es beim Bundesverfassungsgericht das Volkszählungsurteil, das die Grenzen dem Staat aufgezeigt hat, und gegen diese Grenzen wird fortlaufend mit Füßen getreten. Das, was dort normiert worden ist, ist vom Thüringer Innenministerium nie anerkannt worden. Er ist so, wie er ist. Das ist das Einzige, wo ich Ihnen Recht gebe. Er ist der Hemdsärmlige, der sich locker über alles hinwegsetzt. Und Herr Fiedler hat heute den Trautvetter Nummer 2 gegeben, indem er wirklich in einer Art und Weise über das Grundgesetz geredet hat, da kann ich nur sagen, ja, so muss die SED früher auch gewesen sein. Wie gesagt, Sie sind ja seit 1985 schon Blockmitglied

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Mir fällt es wenigstens ein.)

in der Blockpartei, von daher haben Sie es ja nicht anders gelernt. Aber da sage ich, das, was die SED und der SEDStaat an Umgang und Druck und Drohhaltung dem Bürger gegenüber eingenommen hat, das muss dann wirklich beendet werden und da muss man sagen, so etwas darf nicht in der Bundesrepublik Deutschland auf Basis des Grundgesetzes allgegenwärtig und alltäglich werden. Wenn ich Ihnen zuhöre, Herr Ministerpräsident, heißt die Devise: Es gab nichts, es war nichts, es bleibt nichts. Er hat sich zwar entschuldigt; hätten wir den Landtag nicht eingeladen, hätte er sich nicht entschuldigt. Eine Fortsetzung der Beratung des Innenausschusses ist sinnlos auf Basis des 10. Dezember, da hat er wider besseres Wissen dem Ausschuss nur die Halbwahrheit gesagt oder nur den Teil der Erkenntnis, der zwischen Großhirn und Kleinhirn bei ihm in den Datenverarbeitungsspeicher gekommen ist. Und das, was bei Ihnen nicht funktioniert, Herr Ministerpräsident,

(Unruhe bei der PDS, SPD)

ist dieses Rollenspiel zwischen good Boy und bad Boy. Sie sind derjenige, der durch die Bundesrepublik durch alle Talkshows geht, den netten Thüringer Ministerpräsident darstellt,

(Zwischenruf Abg. Wunderlich, CDU: Ist er ja.)

- ja, er gibt ihn gut, da gibt es keinen Neid, überhaupt keinen Neid, meine Damen und Herren. Ich denke nur, wenn die Katze aus dem Haus ist, eine alte Volksweisheit, tanzen

die Mäuse auf dem Tisch.

(Beifall bei der PDS)

Herr Trautvetter ist die dickste, die fetteste Maus, die wir in der Thüringer Regierung haben,

(Heiterkeit bei der PDS)

(Unruhe bei der CDU)

(Beifall bei der PDS)

und ich glaube, es wird langsam Zeit, dass man dieser Maus die Mausefalle verpassen sollte, meine Damen und Herren. Es gibt mehrere Möglichkeiten, ich hätte da Vorschläge. Ein Vorschlag, Herr Ministerpräsident, wenn Sie den brutalstmöglichsten Aufklärer von Hessen treffen, sagen Sie ihm doch, man möge bitte die Märchenstraße von Hessen

(Zwischenruf Abg. Wackernagel, CDU: Frau Präsidentin!)

bis zum Thüringer Innenministerium verlängern. Es wäre eine Maßnahme. Eine zweite Maßnahme wäre, den alljährlichen Thüringer Märchenpreis auszuloben. Ich vermute, dass das Innenministerium in Thüringen am meisten betroffen und am häufigsten damit konfrontiert sein wird. Deswegen glaube ich, dass es nicht nur um den Innenminister geht, dessen Entlassung wir beantragt haben, sondern es ist dringend Zeit, das Innenministerium umzustrukturieren.

(Beifall bei der PDS)

Offenkundig ist es in diesem Ministerium völlig egal, wer dort Minister ist, es rankt sich Skandal um Skandal, von Herrn Böck angefangen über alle anderen, die dort gewesen sind, und ich glaube, es wird langsam Zeit, dass im Innenministerium eine andere Struktur versuchen muss, Ordnung hereinzubringen, wenn sich schon der Innenminister nicht mehr erinnert an Dinge, die ihm gesagt worden sind oder die er abgezeichnet hat. Dann braucht er wenigstens jemanden in dem Amt, der ihn daran erinnert.

Wir denken, meine Damen und Herren, es reicht. Wir fordern deshalb das hohe Haus auf, sich zu entscheiden, ob Sie aufgefordert werden, den Innenminister zu entlassen. Wir sagen, 269.000        sem Jahr versenkt an Steuergeldern für die Weimarer Anlage und für das Toll-Collect-System im Thüringer Rennsteigtunnel; Trautvetters Traffic-toll als Alternative zu Herrn Stolpe. Ja, da hätten wir eine Einnahme, nur eben eine illegale. Dann könnten wir auch wieder zur Wegelagerei übergehen.

(Beifall bei der PDS)

Meine Damen und Herren, 269.000       rausgeworfen worden. Dafür haftet Ihre Landesregierung, Herr Ministerpräsident. 300.000    ! nicht da, um im Europäischen Jahr der Behinderten ein Gleichstellungsgesetz auf den Weg zu bringen. Dafür tragen Sie die Verantwortung und deswegen sagen wir, sorgen Sie für Ordnung, dafür, dass mit Steuergeldern nicht so umgegangen wird, und haben Sie die Kraft, dem Grundgesetz Rechnung zu tragen. Jeder Bürger hat das Recht, als unbescholten zu gelten und auch in Thüringen die Straßen zukünftig zu benutzen, ohne elektronisch vom Staat erfasst zu werden. Vielen Dank.

(Beifall bei der PDS)

Für die CDU hat sich, wenn ich das recht verstanden habe, der Fraktionsvorsitzende Dr. Pietzsch zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, es war eigentlich ein Geschäftsordnungsantrag, weshalb ich mich gemeldet habe, aber zur Rede hätte ich mich auch noch gemeldet.

(Beifall bei der CDU)