Protocol of the Session on December 11, 2003

(Zwischenruf Abg. Döring, SPD:... Abschaffung...)

hören Sie doch mal auf mit solchen billigen Dingen. Wir haben nur wegen dem Umbau dieses Gebäudes überhaupt diese Anpassung gemacht. Das wird jetzt so hingestellt, als ob wir uns abschotten, dass keiner mehr herkönnte usw. usf., das ist doch einfach billig. Sie haben jetzt die Verwaltung des sächsischen Landtags bemüht, die Dinge hier vorzutragen. Wir haben ein hervorragendes Konzept. Hier kann jeder demonstrieren, es gibt überhaupt keine Prob

leme, es gibt jede Menge Gespräche, wenn es zu diesen Demonstrationen kommt, dass mit den Betroffenen gesprochen wird. Es gibt ein hervorragendes Konzept, wo wir nicht erst irgendwelche Befehle brauchen von irgendwelchen Polizeistationen o.Ä., die Präsidentin hat das im Hausrecht im Griff und wenn notwendig werden entsprechend dann die weiteren Schritte eingeleitet und das hat bisher hier hervorragend geklappt. Meine Damen und Herren, wenn Sie schon zu konsequent sind, ich verweise noch mal darauf - und da muss ich in dem Falle leider mal der PDS Recht geben, das schmerzt natürlich -, die Drucksache der PDS-Fraktion ist vom 11.11.2003 und die Drucksache der SPD-Fraktion vom 03.12.2003. Man meinte, jetzt ganz schnell noch mal nachhaken zu müssen, um das irgendwo so in eine Ecke zu stellen. Meine Damen und Herren der SPD, entscheiden Sie sich doch mal beizeiten, Sie haben das zehn Jahre mitgemacht. Ich sehe überhaupt kein Problem in dem befriedeten Raum, der im Landtag angewendet wird, wir können und werden weiter mit allen Bürgerinnen und Bürgern sprechen. Wir lehnen diese beiden Anträge ab, weil wir das inhaltlich eigentlich schon fünfmal diskutiert haben, wir werden auch keiner Überweisung an den Ausschuss zustimmen, billige politische Polemik ist das.

(Beifall bei der CDU)

Für die PDS-Fraktion hat sich der Abgeordnete Dr. Hahnemann gemeldet.

(Zwischenruf aus der CDU-Fraktion: Ach, du lieber Gott.)

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Jetzt wird's interessant.)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, lieber Kollege Schemmel, Sie haben mich zumindest, aber ich glaube, auch andere Kolleginnen und Kollegen unserer Fraktion mit Ihrem Ausbruch vorhin, so glaube ich, durchaus überrascht und ich frage mich,

(Zwischenruf Abg. Ramelow, PDS: Es kam so überraschend.)

warum Sie jetzt plötzlich dafür plädieren, hier keinen politischen Streit haben zu wollen. Ich kann es nicht nachvollziehen. Für meine Begriffe sind wir genau zu diesem Zwecke hier. Für einen kulturvollen politischen Streit allerdings, Herr Schemmel,

(Beifall bei der PDS)

diesen Bereich haben Sie, glaube ich, ein Stück weit verlassen und Sie haben eher den Eindruck erweckt, als ob

Sie bei diesem Tagesordnungspunkt oder bei anderen Tagesordnungspunkten, zu denen Sie vielleicht eine andere Affinität haben als wir, als ob Sie sich da so ein Friede-Freude-Eierkuchen wünschen, bei dem aber Sie bestimmen,

(Zwischenruf Abg. Schemmel, SPD: Was ein Eierkuchen ist.)

was, wer und wann an Positionen vertreten darf. Das deckt sich nicht mit unseren Auffassungen von Demokratie.

Den Tagesordnungspunkt, den wir momentan beraten, den verdanken wir ja gar nicht so sehr der gängigen parlamentarischen Praxis, denn nach den Regularien eines Parlaments dürften eigentlich die Gesetzentwürfe gar nicht auf der Tagesordnung stehen. Wir verdanken diesen Tagesordnungspunkt eigentlich mehr einer Art politischer Gedankenlosigkeit, politischer Geschmacklosigkeit des hohen Hauses, und zwar einer politischen Geschmacklosigkeit der regierenden Mehrheit. Vor weniger als drei Monaten, meine Damen und Herren, wurde das Bannmeilengesetz geändert. Es wurde nach dem Willen der CDUFraktion angeblich den neuen Baulichkeiten angepasst. Das mag vielleicht tatsächlich so sein. Eines wurde allerdings nicht gemacht, das Bannmeilengesetz wurde nicht den politischen Gegebenheiten angepasst. Die politischen Gegebenheiten verlangen kein Gesetz, das Bürgerinnen und Bürger an Sitzungstagen vom Landtag fernhält, wenn sie eine Versammlung unter öffentlichem Himmel abhalten wollen.

(Zwischenruf Abg. Grüner, CDU: So ein Quatsch!)

Wir haben historische Traditionen und eine politische Situation, die keiner Bannmeile bedürfen. Wie bei den letzten beiden Beratungen zum Bannmeilengesetz erinnere ich Sie daran, dass andere Parlamente sehr gut ohne eine solche Ausgrenzung der Bürgerschaft auskommen. Die Kollegin Klaubert hat vorhin darauf hingewiesen, dass man in Paris, in London oder in Washington nicht meint, dass Demonstrierende in gebührlicher Distanz zum Kernstück der Repräsentation gehalten werden müssten.

(Zwischenruf Abg. Seela, CDU: Sieben Meter!)

Und Frau Klaubert hat auch darauf hingewiesen, dass in den neuen Bundesländern mit Ausnahme des Berliner Abgeordnetenhauses, und das ist historisch begründet, die Landtage keine solche Einrichtung haben. Ganz offensichtlich dominiert in den neuen Bundesländern eher die Erinnerung an die Meinungsäußerungen der politischen Veränderungen des Herbstes 89. Ihre Souveränität, ihre Friedlichkeit bestimmt offensichtlich die Anschauung der Abgeordneten in den anderen Ostländern. Die Bannmeilengesetzgebung, auch darauf habe ich in den vergangenen Beratungen zu dem Gesetzentwurf immer hingewie

sen, war in Deutschland eine aus Krisensituationen heraus entstandene. Wir haben diese kritischen Verhältnisse nicht, ganz im Gegenteil. Die Demonstrationen um den Thüringer Landtag in den letzten 12 Jahren haben bewiesen, dass die Demonstrationskultur hier in Thüringen eine verlässlich hohe ist.

(Zwischenruf Abg. Wunderlich, CDU: Außer wenn es von Ihnen organisiert worden ist.)

Und sie ist es immer, und sie ist es in diesen letzten 12, 13 Jahren immer gewesen, bis hin heute zu der Mahnwache der Kolleginnen und Kollegen der Gewerkschaft der Polizei.

(Zwischenruf Abg. Dr. Pietzsch, CDU: Allerdings!)

Außerdem lässt sich die Arbeitsfähigkeit des Landtags und lässt sich die Sicherheit der Abgeordneten bei öffentlichen Versammlungen auch ohne ein politisches Misstrauensvotum der Repräsentanten gegen die Bevölkerung aufrechterhalten.

(Beifall bei der PDS)

Hausrecht, Versammlungsrecht, Ordnungs- und Strafrecht reichen dafür völlig aus.

Hinzu kommt nun aber eben die politische Peinlichkeit, die rund um die beiden letzten Plenarwochen die politischen Gemüter und die Medien beherrscht hat. Diejenigen, die sich so gern in der Tradition der Bürgerrechtsbewegung der DDR sehen, leisten sich eine bemerkenswerte Empfindungs- und Geschmacklosigkeit. Sie schmücken sich mit der Jürgen-Fuchs-Straße als Adresse, berufen sich auf das politische Vermächtnis des Jenaer Bürgerrechtlers und beziehen dann die Straße aber ohne mit der Wimper zu zucken in die Bannmeile um den Thüringer Landtag ein. Das verstehe, wer will. Ich verstehe es nicht.

(Zwischenruf Abg. Groß, CDU: Sie waren aber mit im Innenausschuss!)

Ja glauben Sie denn, dass die Beratung im Innenausschuss sehr stark zum Verständnis hätte beitragen können?

(Beifall bei der PDS)

Sie überschätzen das Niveau. Ich verstehe es nicht, und ich bin der Auffassung, Jürgen Fuchs hätte es wohl auch nicht verstanden, und ich kann die Reaktion der Familie voll und ganz verstehen.

Um aber eines ganz deutlich zu machen, auch in Ihre Richtung, Herr Schemmel, in die Richtung Ihrer für mich unbegreiflichen Aufregung. Wir verstehen uns nicht als die selbst erklärten Verfechter des Andenkens an Jürgen Fuchs.

Das will seine Familie nicht, und dafür haben wir auch Verständnis. Wofür ich allerdings kein Verständnis habe, Herr Schemmel, das ist Ihr Ausflug in die Selbstherrlichkeit der Ignoranz.

(Beifall bei der PDS)

Denn das, was Sie uns hier vorgeworfen haben, lässt sich schwerlich aus dem Versuch, möglichst viele Aspekte der Begründung unseres Gesetzentwurfs in dieser Begründung zu fixieren, erklären. Und ich teile auch nicht Ihre Auffassung, dass wir es hier mit einer Art, wie haben Sie gesagt, "Vergangenheitsüberwältigung" zu tun hätten. Nein, wenn Sie die Äußerungen der PDS und der PDS-Fraktion, was Vergangenheit angeht, zurückverfolgen, werden Sie sehr selten das Wort Vergangenheitsbewältigung finden. Ich glaube, man kann eine Vergangenheit nicht bewältigen.

(Beifall bei der PDS)

Man kann Vergangenheit aufarbeiten und man kann sich Geschichte aneignen.

(Unruhe bei der CDU)

Bewältigen kann man Vergangenheit nicht. Vor allem aber kann man nicht sinnvoll und erfolgreich Umgang mit der Vergangenheit betreiben, wenn man es macht wie Sie, Herr Schemmel. Ich antworte Ihnen auf Ihren Ausfall von vorhin eines ganz klar: Wir machen unsere politische Meinung nicht abhängig davon, was Sie über uns denken oder welches Denken Sie uns gestatten wollen.

(Beifall bei der PDS)

Ich wiederhole es. Wir sind nicht die selbst ernannten Verfechter der Interessen der Familie Fuchs und des Andenkens von Jürgen Fuchs. Unser Anliegen ist auch nicht die Behandlung der Spitze des Eisbergs. Unser Ansinnen richtet sich auf die übergroße Masse des im unspektakulären, nicht im Licht der öffentlichen Meinung stehenden Teils. Uns geht es um die Wiedereinsetzung der vielen Tausenden Bürgerinnen und Bürger in ihr verfassungsgemäßes Recht auf Versammlungsfreiheit, auch vor dem Thüringer Landtag und auch an Tagen, an denen hier Sitzungen stattfinden.

(Unruhe bei der CDU)

(Beifall bei der PDS)

Meine Damen und Herren, Sie mögen sich aufregen so viel Sie wollen, ein Gebäude des Parlamentarismus, das den anerkannten Verfassungsgrundsätzen genügt, kann man nicht konstruieren oder bauen. Demokratie, Transparenz und Öffentlichkeit kann man nur gestalten, indem man die Bürgernähe sucht. Bewegungsfreiheit der Journalisten von Presse und Rundfunk oder die Besuchergruppen sind nur ein Teil dessen. Die kommentar- und kritiklose Beobach

tung der Parlamentsarbeit bedarf auch der kritischen Betrachtung des Repräsentantentums unter freien Meinungsäußerungen. Lautstarke Demonstrationen muss die Demokratie aushalten und kann sie aushalten, egal ob es sich um Beschäftigte eines gefährdeten Betriebes, um Angehörige von Sozialverbänden oder -vereinen, um Menschen aus dem Einzugsgebiet eines Wasser- und Abwasserzweckverbands, um Vertreter einer Initiative für mehr Demokratie oder um Polizisten, Forstbeamte und Lehrer handelt. Solche Ereignisse, meine Damen und Herren, sind jeweilige Prüfungen und Prüfsteine der lebendigen Demokratie, die Bannmeile aber ist lediglich eines ihrer Hindernisse. Also schaffen Sie sie am besten einfach ab.

(Beifall bei der PDS)

Für die SPD-Fraktion hat sich noch einmal der Abgeordnete Schemmel zu Wort gemeldet.

Da werde ich wohl nun damit leben müssen, dass wir ein zerrüttetes Verhältnis haben, Herr Dr. Hahnemann. Ich werde es halt überleben. Aber mir ging es um etwas anderes. Als ich vorhin das mit dem sächsischen Beispiel brachte, da haben mir die meisten von der CDU eigentlich, glaubte ich, aufmerksam zugehört. Dann haben Sie vielleicht doch gedacht, mein Gott, dieses politische Unding, die Jürgen-Fuchs-Straße in die Bannmeile einzubeziehen, lässt sich vielleicht doch schön vom Eis bringen, wenn wir nach dem sächsischen Vorbild handeln.

(Zwischenruf Abg. Dittes, PDS:... ist Ver- sammlungsrecht, wir haben es doch gesagt!)

Ich glaubte, eine ganze Menge Kollegen von der CDU hatten da eigentlich ein bisschen Verständnis, dass man sich eines solchen Problems entledigen kann, sage ich mal respektlos, auf eine wirklich vernünftige Art und Weise, wie es die Sachsen seit 1990 tun, wie alle, bloß dann hat Herr Fiedler sich nicht von seiner vorbereiteten Rede lösen können