Protocol of the Session on December 11, 2003

Ehrenamtliches Engagement ist auch ein Bekenntnis zur Subsidiarität. Der Staat kann und darf auch in Zukunft nicht alle Aufgaben übernehmen. Wir wollen daher, dass der Staat darauf verzichtet, Aufgaben an sich zu ziehen, die andere besser erledigen können, sei es der Einzelne, die Familie oder ein Zusammenschluss von Menschen. Das heißt natürlich ausdrücklich nicht, dass ehrenamtliches Engagement an die Stelle gesetzlicher Aufgaben und gesetzlicher Leistungen treten soll. In den letzten drei Jahren haben wir viel für das Ehrenamt geleistet. Unser Land nimmt bundesweit eine vorbildliche Rolle ein. Wir werden weiter bewährte und neue Wege gehen, wir werden das Ehrenamt nachhaltig fördern. Wir wollen ehrenamtliches und freiwilliges Engagement noch stärker in das öffentliche Bewusstsein rücken.

Folgende neue Maßnahmen und Projekte sind geplant:

1. Im nächsten Jahr wird die Umsetzung des Programms "Förderung des Ehrenamts" auf die Thüringer Ehrenamtsstiftung übertragen. Die Weitergabe der Mittel an Ehrenamtliche geschieht auf Basis interner Vergabegrundsätze der Stiftung. Das heißt, es wird nicht mehr im Ministerium, sondern in der Ehrenamtsstiftung entschieden. Die Zuwendungsempfänger sollen unterstützt werden, in ihrem Bereich ehrenamtliches Engagement zu fördern. Die Förderung soll möglichst unbürokratisch erfolgen.

2. Eine neue Initiative der Landesregierung ist das "Thüringenjahr". Es soll 1.000 jungen Menschen die Möglichkeit bieten, sich in Thüringen zu engagieren und dabei gleichzeitig berufliche Erfahrungen zu sammeln.

(Beifall bei der CDU)

Im Rahmen des Thüringenjahrs werden die bisher bekannten freiwilligen Jahre zusammengefasst und inhaltlich erweitert, z.B. für Sport und auch für Schule. Ich darf eine Zahl nennen: Wir haben in dem bisherigen freiwilligen Jahr 257 junge Menschen gefördert. Es werden mit dem Thüringenjahr 1.000 junge Menschen sein, also das Volumen wird vervierfacht.

(Beifall bei der CDU)

Die Thüringer Ehrenamtsstiftung soll die Aufgabe einer zentralen Koordinierungs- und Informationsstelle übernehmen.

3. Wir beabsichtigen 2004 einen Thüringer Ehrenamtspass für ehrenamtlich Tätige einzuführen. Der Ehrenamtspass soll Beleg für freiwilliges und unentgeltliches bürgerschaftliches Engagement sein. Bei Beurteilungen und Bewerbungen soll der Pass seinem Inhaber eine Hilfe sein, aber auch den Personal Suchenden wertvolle Hinweise auf erworbene Kompetenzen geben. Das Zertifikat soll das soziale Engagement im Freistaat Thüringen dokumentieren und würdigen.

(Beifall bei der CDU)

Die Ausstellung und Fortschreibung dieses Dokuments soll durch die Ehrenamtsstiftung erfolgen. Wir haben übrigens erste Kontakte mit den IHK's, den Handwerkskammern und dem Verband der Wirtschaft, aber auch mit kommunalen Spitzenverbänden, mit Universitäten und Fachhochschulen aufgenommen. Es lässt eine hohe Akzeptanz für diese Initiative Thüringer Ehrenamtspass erwarten.

(Beifall bei der CDU)

4. Bei der Förderung des freiwilligen Engagements wird es darauf ankommen, dass Land und Kommunen sich dieses Themas annehmen. Bürgerschaftliches Engagement geschieht vorwiegend in den Kommunen. Sie sind Mittler

zwischen ehrenamtsbereiten Bürgern und staatlicher Verwaltung. Den Kommunen kommt aus diesem Grund eine besondere Bedeutung bei der Mobilisierung freiwilliger Tätigkeit zu. Deshalb wird die Thüringer Ehrenamtsstiftung einen Ehrenamtspreis für Kommunen ausschreiben.

(Beifall bei der CDU)

Ziel des Wettbewerbs ist die Präsentation und Auszeichnung von Thüringer Kommunen, die zur Förderung des freiwilligen und ehrenamtlichen Engagements beispielhaft beitragen.

5. Die Landesehrenamtskonferenzen haben sich außerordentlich erfolgreich etabliert. Sie dienen der inhaltlichen Vernetzung und organisatorischen Zusammenarbeit aller Aktiven, die die Entwicklung bürgerschaftlichen Engagements im Freistaat begleiten. Deshalb sollen diese Konferenzen fortgesetzt werden. Die jüngste Ehrenamtskonferenz fand am 5. Dezember in Erfurt zum Thema "Ehrenamt und Schule" statt. Im Frühjahr 2004 ist eine Konferenz zum Thema "Ehrenamt und Kommune" vorgesehen und dabei soll der vorhin schon genannte Ehrenamtspreis für Kommunen übergeben werden.

6. Weiterhin werden wir einen Thüringer Ehrenamtswegweiser herausbringen. Wir haben viele Menschen in Thüringen, die sich für das Gemeinwesen und für andere engagieren wollen, aber es fehlt oft an Informationen. Daher wird im Internet ein Wegweiser erscheinen, der Fördermöglichkeiten und Ansprechpartner benennt und Interessierten kompetente Auskunft geben kann.

(Beifall bei der CDU)

Ich gebe einen kurzen Ausblick auch zum Sport, meine Damen und Herren. Obwohl in den letzten Jahren Beträchtliches vom Land, den Landkreisen und Gemeinden geleistet wurde, müssen wir natürlich noch vieles bei der Ausstattung unserer Sport- und Spielanlagen tun. Die gegenwärtige Haushaltslage - und da verrate ich Ihnen kein Geheimnis - zwingt auch hier zu einer maßvollen Reduzierung der Sport- und Sportstättenförderung. Bei einem Vergleich der Haushaltszahlen der vergangenen Jahre mit heute darf man aber nicht vergessen, dass in den letzten Jahren Großprojekte finanziert wurden, z.B. das Eisstadion in Erfurt oder die Biathlonarena in Oberhof, wie ich bereits vorhin schon sagte. Man kann und muss aber nicht jedes Jahr eine Eislaufhalle oder ein Biathlonstadion bauen.

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD: Auch nicht ganz so viele Spaßbäder.)

Solche Großvorhaben treiben den Etat natürlich über den begrenzten Zeitraum in die Höhe. Die Haushaltsansätze lassen sich aber auf diesem Niveau natürlich nicht verstetigen. Das schließt natürlich weitere Großprojekte in Zukunft nicht aus; ich denke hier an die Radrennbahn in Erfurt oder Gera. Aber wir müssen unter den gegebenen

Umständen maßvoll mit den Steuern der Bürger umgehen.

Meine Damen und Herren, 1991 hat eine Kommission des Bundes und der Länder die Situation der Sportstätten in den jungen Ländern analysiert. Um das Niveau der alten Länder zu erreichen, wurde für Thüringen ein Nachholbedarf - und man lasse sich das mal auf der Zunge zergehen von ca. 2,5 Mrd.    Sportstätten auf das Niveau der Altländer zu bringen, 2,5 Mrd.  Heute ist festzustellen, dass seit 1991 mit der Förderung durch verschiedene Ministerien der Landesregierung mit den Gemeinden und mit anderen Investoren insgesamt im Bereich der öffentlichen Sportanlagen und Bäder ein Betrag in Höhe von 1,1 Mrd.   #  +  der Wegstrecke ist also fast erreicht. Um den Stand der alten Länder zu erreichen, bedarf es noch bedeutender Finanzmittel. Sie können nur mittel- und langfristig aufgebracht werden.

Im Jahr 1999 - und das darf auch hier nicht verschwiegen werden - wurde von der Bundesregierung das Sonderförderprogramm "Goldener Plan Ost" in Höhe von jährlich 7 bis 10 Mio.      ,  legt. Sie vergleichen mal die Zahl 7 bis 10 Mio.    jungen Länder bei einem Bedarf von 2,5 Mrd.    - ringen. Bei diesem Bedarf, der heute noch ungefähr 1,4 Mrd.  allein für Thüringen beträgt, ist diese Gesamtsumme wohl nicht im entferntesten ausreichend, um den Nachholbedarf zu fördern. Umso bedauerlicher ist es, dass dieses Programm im nächsten Jahr ausläuft. Die Bundesregierung steht hier weiterhin in der Pflicht. Es bleibt unser Bestreben, auf einem eingeschlagenen Weg weiterzugehen. Das Ziel unseres Sportfördergesetzes, allen Bürgern ein entsprechend ihrer "Interessen und Fähigkeiten", so lautet das im Sportfördergesetz, angemessenes Betätigungsfeld in Sport und Spiel anzubieten, wollen wir erreichen. Dazu zählt ebenso die Verbesserung anderer Rahmenbedingungen für den Sport, wie z.B. eine starke Unterstützung des Ehrenamts im Verein. Ich hatte bereits einige Initiativen zur Förderung des Ehrenamts vorgestellt.

Wir unterstützen auch künftig das Ziel des Landessportbundes, den Organisationsgrad in den Sportorganisationen zu erhöhen. Modellprojekte wie z.B. "Im Sportverein in guten Händen", die verstärkt Kinder und Jugendliche als Mitglieder für Vereine gewinnen sollen, werden auch in den kommenden Jahren positiv begleitet. Der 2. Sportbericht der Landesregierung wurde vor wenigen Tagen veröffentlicht. Darin wird detailliert die Entwicklung des Thüringer Sports in den vergangenen fünf Jahren dargestellt. Darauf wollte ich heute aus verständlichen Gründen nicht in aller Ausführlichkeit eingehen.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, der Bericht unterstreicht abermals: Thüringen ist ein Land des Sports wie auch ein Land des Ehrenamts. Und ich wiederhole: Sport und Ehrenamt,

das sind Pluspunkte für Thüringen. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Wir kommen zur Aussprache. Es hat jetzt das Wort Frau Abgeordnete Thierbach, PDS-Fraktion.

(Beifall bei der PDS)

Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen, das Ehrenamt ist unspektakulär, aber die Rede, die der Minister gehalten hat, die war noch weniger als unspektakulär,

(Beifall bei der PDS, SPD)

manches war sehr trivial. Wenn man das lesen konnte, was man vorab bekommen hat, dann war das sehr sachlich. Diese Sachlichkeit ist in der heute von Ihnen vorgetragenen Rede auch übrig geblieben. Das, finde ich, ist schon mal anerkennenswert für diejenigen, die tatsächlich unspektakulär, leise, oft im Verborgenen, sehr viel Ehrenamtliches leisten.

(Zwischenruf Abg. Schemmel, SPD: Sie haben oft genug leise und... gesprochen.)

Und ohne ehrenamtliche Leistungen wäre es tatsächlich in Thüringen entschieden kälter, sozial kälter, es wäre auch ärmer, ärmer an Beziehungen und ärmer in vielen Formen, wo Not gelindert wird durch Ehrenamt.

(Beifall bei der PDS)

(Zwischenruf Dr. Zeh, Minister für Soziales, Familie und Gesundheit: Das habe ich auch so gesagt.)

Ist doch in Ordnung, wenn Sie das auch so sehen, Herr Minister, dass Not gelindert wird durch das Ehrenamt.

(Zwischenruf Dr. Zeh, Minister für Soziales, Familie und Gesundheit: Also nicht trivial.)

Trivial ist nicht immer schlecht, Herr Minister, es ist eben sehr einfach und manchmal zu einfach.

Ich möchte nicht auf alle Probleme eingehen, sondern auf die, die nicht benannt wurden oder meiner Meinung nach zu gering. Zu gering wurde meiner Meinung nach tatsächlich berichtet, denn etwas hatte die Regierungserklärung an sich wie ein Bericht über das, was gelaufen ist oder Bericht an das hohe Haus. Was vollkommen gefehlt hat, war die Entwicklung des Ehrenamts in Thüringen, nämlich die politische Betrachtung dieser Entwicklung.

Diese politische Betrachtung ist schon etwas wert, weil man nämlich überlegen muss: Ist es so, dass die Landesregierung immer in ihrer Verantwortung ohne alle Druckformen, ohne alle anderen Unterstützungen sich so entwickelt hat, dass Ehrenamt heute auch mit dem Titel "Top Thüringen" verbunden wird?

Es gibt eine Geschichte: Im Juni 1994 verkünden alle für den Thüringer Landtag angetretenen Parteien in ihren Wahlprogrammen Thüringer Ehrenamtsgesetze. Im Oktober 1994 gibt es eine Koalitionsvereinbarung zwischen CDU und SPD, in der die Erarbeitung eines eigenen Gesetzentwurfs zur Stärkung und Förderung des Ehrenamts in Thüringen unter Mitwirkung von Vereinen und Verbänden festgeschrieben wurde - Koalitionsaussage.

Im Mai 1996 versucht die PDS-Fraktion, ihren ersten Gesetzentwurf im Thüringer Landtag einzubringen - Drucksache 2/1118 - und wir versuchen, das Thüringer Staatslotterie- und Sportwettengesetz mit zu verändern. September 1996: Die Schwerpunktaussagen des Gesetzes der PDS-Fraktion werden diskutiert im Ministerium für Soziales, Familie und Gesundheit mit Vereinen und Verbänden. Dezember 1996: Der Gesetzentwurf ist im Parlament. Januar 1997: Es wird deutlich, es wird keinen Gesetzentwurf der Landesregierung geben. Ein Jahr lang liegt der Gesetzentwurf, mit dem sich das Parlament beschäftigen könnte, brach im Ausschuss. Dezember 1997: Die Regierung erklärt, der Ministerpräsident konkret, es wird keinen eigenen Gesetzentwurf geben. Im Januar 1998 wird auch der sich im Thüringer Landtag befindliche Gesetzentwurf der PDS-Fraktion abgelehnt. Es geht weiter, dass diejenigen, die ehrenamtlich tätig sind, mit denen nämlich, die Gesetzentwürfe erarbeitet werden sollten, politisch ihre Unterstützung einfordern. Es findet im Kaisersaal im Oktober 2000 unter Schirmherrschaft des DGB eine Ehrenamtskonferenz statt mit den Vertretern aller im Landtag vertretenen Parteien. Wieder wird von allen versprochen, wir unterstützen eure ehrenamtliche Tätigkeit. Diese Forderungen auf der Konferenz im Kaisersaal werden der Landesregierung übergeben. Im März 2001 gibt es eine Antwort des Ministeriums für Soziales, Familie und Gesundheit auf die Große Anfrage der CDU-Fraktion "Ehrenamtliches Engagement in Thüringen" und wir debattieren hier im Landtag, was zu tun ist. Im April 2001 kommt es erneut zu dem Versuch, rechtliche Änderungen für die Unterstützung des Ehrenamts zu fixieren, weil die Landesregierung im April 2001 verkündet, sie wird eine Stiftung Ehrenamt vorbereiten, die aus Mitteln der Spielbanken finanziert werden soll.

Diese Geschichte habe ich deswegen wiederholt, weil bestimmte Aufgabenstellungen, die immer wieder in den Vereinen und Verbänden dargestellt werden, bis heute nicht geregelt sind. Dies beinhaltet auch die Arbeit der Stiftung. Die Idee der Stiftung, 2001 veröffentlicht und dann auch gegründete Stiftung, ist tatsächlich eine Möglichkeit, wie Ehrenamt in Thüringen unterstützt werden kann.

(Zwischenruf Dr. Zeh, Minister für Soziales, Familie und Gesundheit: Immerhin.)

Den heute in der Stiftung arbeitenden zwei Frauen kann man eigentlich nur danken für ihr Engagement, dass sie koordinierend, gemeinsam mit Stiftungsrat und Unterstützung durch das Kuratorium, so schnell eine Institution entwickelt haben, die für Vereine und Verbände eine Unterstützung in der tagtäglichen Arbeit bedeutet. Von dieser tagtäglichen Arbeit: Wie muss ich mich versichern? Wo kann ich mich tatsächlich beteiligen? Wie können wir Weiterbildungsaufgaben machen? An dieser Stelle sollte man den zwei Frauen in der Geschäftsstelle der Stiftung, Frau Mahnke und ihrer Mitarbeiterin, recht herzlich danken.

(Beifall bei der PDS)

Es ist auch richtig, dass die Formen der Ehrenamtskonferenzen eine positive öffentliche Anerkennung erreicht haben. Ich glaube auch, die Veranstaltungen waren tatsächlich von qualifizierten Leistungen ehrenamtlich Tätiger geprägt. Wer war das alles? Der Landesjugendring, der Landessportbund, die Landesseniorenvertretung, die Parität, der Landesfrauenrat oder eben - wie letztlich stattgefunden - Schule und Ehrenamt. Diese Konferenzen waren tatsächlich die Zusammenarbeit auf konkreten Gebieten von ehrenamtlich Tätigen - unkonventionell, unbürokratisch, aber von sehr viel Sachverstand geprägt. Mit Zunahme der Übernahme dieser Aufgabenstellung durch die Geschäftsstelle der Stiftung Ehrenamt ist auch die Qualität dieser Konferenzen und die Beteiligung immer besser geworden.