Protocol of the Session on November 14, 2003

(Heiterkeit bei der CDU)

weil man das Gefühl hat, dass die ganzen Schimpfworte, die aus der Mitte dieses hohen Hauses kommen, hier im Präsidium gar nicht gehört werden. Ich will das nicht wiederholen, was gestern ein Abgeordneter mir gegenüber dreifach, vierfach gerufen hat. Ein bisschen habe ich das Gefühl, Sie haben ein schlechtes Gewissen. Ein bisschen habe ich das Gefühl, Sie scheuen sich vor dem, was Ihnen in den Landtagswahlen bevorsteht und ein bisschen habe ich das Gefühl, Sie sind eine Zusammenrottung von unflätigen Menschen, die im Moment nur damit beschäftigt sind, die Schuld bei uns abzuladen.

(Unruhe bei der CDU)

Ich glaube, dass wir dem Thüringen-Monitor einen schlechten Dienst erweisen, wenn von diesem Pult auch nur eine Fraktion als die "Rattenfänger" bezeichnet werden. Deswegen stelle ich mich ausdrücklich vor meine Kollegen Hahnemann und Dittes und sage, sie haben für unsere Fraktion die Argumente vorgetragen, die wir für bedenklich halten in diesem Land, und diese Art der Videoüberwachung, diese Art, wie mit ausländischen Mitbürgern in Thüringen umgegangen wird, entspricht eben nicht dem, Herr Ministerpräsident Althaus, was Sie hier verkündet haben. Das erinnerte mich eher an eine Sonntagsrede. Wenn ich in Meiningen in einer Asylunterkunft von einer Flüchtlingsfamilie höre, und ich betone Flüchtlingsfamilie, dass das Mädchen eine Ausbildungsstelle gefunden hat und diese Ausbildungsstelle anschließend abgenommen bekommt, dann ist das ein Skandal. Wenn Sie sagen, dass die Menschen hier arbeiten sollen, dann müssen wir uns auch dafür einsetzen, dass sie arbeiten können. An dieser Stelle wäre die Handlung der Landesregierung dringend erforderlich, dass Menschen möglichst schnell aus Asylbewerberunterkünften auch in einer ganz normalen Wohnung untergebracht werden können und anschließend auch arbeiten gehen dürfen. Das scheint mir so der Fall zu sein, dass man das dann abtut und versucht, in eine Ecke zu stellen, dass das gar nicht möglich ist und dass die Ausländer daran Schuld sind. Daran wird dann wiederum nur ein bestimmtes Bild bedient.

Meine Damen und Herren, die PDS-Fraktion ist gewählte Opposition. Wir haben, wenn es gewünscht wird, auch Angebote, wie Landespolitik anders gemacht werden kann. So, wie Sie bisher 14 Jahre Landespolitik be

trieben haben, glauben wir, geht es nicht weiter. Wir sehen die Grenzen einer bestimmten Landespolitik als erreicht. Und immer nur Ihre Wahlkampfreden von hier vorn zu hören, an was die SPD Schuld ist und dass in Berlin alles falsch läuft,

(Unruhe bei der CDU)

meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie hatten vorher als CDU viele Jahre Zeit zu beweisen, dass Sie anderer Meinung waren in der DDR. Ich kann mich nicht erinnern, das nachhaltig von Ihnen gehört zu haben, so dass Sie entweder mit uns gemeinsam über die totalitären Strukturen der DDR reden. Dazu hat sich die PDS bekannt. Aber ich habe das Gefühl, dass die Blockpartei CDU bis heute nicht bereit ist, über ihre eigene Rolle wirklich zu reden. Das ist, glaube ich das, warum Sie jetzt so schimpfen auf den Thüringen-Monitor,

(Zwischenruf Abg. Vopel, CDU: Wer schimpft denn?)

dass Menschen sich erinnern, dass es in der DDR mehr gab als Sandmännchen und den grünen Pfeil. Wir bleiben dabei, es ist möglich, sichere Arbeitsplätze zu schaffen. Es ist möglich, andere alternative Beschäftigungsmodelle zu entwickeln. Es ist möglich, den Non-Profit-Sektor zu entwickeln. Es ist möglich, Langzeitarbeitslosen eine Perspektive zu geben, und es ist möglich, mit der Landespolitik damit zu beginnen. Lassen Sie uns damit anfangen und nicht nur Schuldzuweisungen verteilen. Vielen Dank.

(Beifall bei der PDS)

Herr Abgeordneter Ramelow, der Abgeordnete Althaus möchte Ihnen eine Frage stellen. Gestatten Sie das? Bitte, Herr Althaus.

Herr Kollege Ramelow, wollen Sie behaupten, dass die 1.000 Mauertoten, die 10.000 Stasiopfer und die vielen anderen ungezählten Opfer der DDR Folge der internationalen Politik sind und Folge des so genannten Kalten Krieges?

(Beifall bei der CDU)

Sehr geehrter Herr Althaus, Sie wissen ganz genau, wo die Entscheidung zur Teilung Deutschlands getroffen worden ist.

Beantworten Sie bitte meine Frage. Die sind erschossen worden auf dem Gebiet der ehemaligen DDR. Wer dafür die Verantwortung trägt, das wollte ich von Ihnen nur wissen, da Sie vorhin den Eindruck vermittelt haben, als wäre dafür die ganz normale Welt verantwortlich. Die, die den Kalten Krieg mit zu verantworten haben in West wie in Ost, und ich behaupte, es war der SED-Staat, der hat diese Opfer zu verantworten.

(Beifall bei der CDU)

Sie haben sich ja selbst die Antwort gegeben und ich habe den Eindruck... Wissen Sie, Herr Althaus, das ist das, was ich an Ihnen so oberlehrerhaft finde. Aber das ist ja Ihr Beruf.

(Unruhe bei der CDU)

Dafür sind Sie ja im SED-Staat mit einer Medaille ausgezeichnet worden, dass Sie so reagieren können, wie Sie reagieren.

(Zwischenruf Abg. Dr. Pietzsch, CDU: Ich habe auch einmal eine Frage.)

Herr Abgeordneter Ramelow, beantworten Sie eine weitere Frage des Abgeordneten Dr. Pietzsch?

Ich habe keine Lust, an diesem Schauspiel weiter teilzunehmen.

(Heiterkeit bei der CDU)

Als nächste Rednerin hat sich zu Wort gemeldet Frau Abgeordnete Pelke, SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, zunächst, Herr Ministerpräsident, herzlichen Dank, dass Sie so umfassend auf meine Ausführungen eingegangen sind. Ich freue mich, dass ich Ihnen die Gelegenheit gegeben habe mit u.a. meinem Redebeitrag, dass Sie hier eine allgemeine Regierungserklärung abgeben konnten. Aber nichtsdestotrotz, was mich persönlich betroffen macht, ist, dass die Diskussion und die Art und Weise des Umgangs in den letzten Stunden hier in diesem Haus, sowohl was den Ton als auch was den Inhalt angeht, weder dem Thema noch dem Haus würdig gewesen sind.

(Beifall bei der SPD)

Auch Sie, Herr Ministerpräsident, wenn Sie immer lauter werden und man im Prinzip die Mikrofone ausschalten könnte, dann bedeutet das nicht, dass der, der laut redet, Recht hat. Ich finde es schon schade, wenn Sie einem das Wort im Munde herumdrehen. Ich werde Ihnen meine Ausführungen schriftlich zur Verfügung stellen. Ich finde eine solche Art, wenn man vorher an der gleichen Stelle, wie Sie es getan haben, einen fairen und offenen Umgang miteinander einfordert und man muss miteinander reden, so haben Sie es gesagt, dann finde ich die Art und Weise nicht in Ordnung. Ich lasse mir von Ihnen nicht bewerten oder in Frage stellen, ob ich in einer Rede wie der heutigen zum Thüringen-Monitor das Thema "Arbeitsmarkt" mit anspreche. Die Themen "Arbeitsmarkt, soziale Unsicherheiten und Abwanderung" gehören zu diesem Themenkomplex. Ich habe ihn in zwei Richtungen angesprochen, indem ich den Thüringer Wirtschaftsminister aufgefordert habe, in dieser Richtung tätig zu werden, und zugleich auf die Verantwortung der Bundesregierung hingewiesen habe. Das war der erste Punkt.

Der zweite Punkt: Das Thema "Bildung" habe ich auch ebenfalls nur kurz angesprochen, u.a. im Zusammenhang mit der Bewertung der Oppositionsrolle in einer Demokratie, ich habe hingewiesen auf das Thema "Erwachsenenbildung" und damit verbunden "politische Bildung". Auch dieses halte ich für einen wichtigen Punkt und, ich glaube, dass alle wissen, dass hier nicht jeder Aspekt in einer solchen Rede und in der Bewertung des ThüringenMonitors bis ins kleinste Detail untersetzt werden kann.

Dritter Punkt: Ich habe nicht allgemein Bürokratie als Dilettanten bezeichnet, sondern im speziellen Zusammenhang, was den Umgang mit der Verfahrensweise und der Handlungsweise hinsichtlich Rechtsextremismus angeht. Dazu stehe ich. Aber dass Sie mir unterstellen wollen, dass ich allgemein behaupten würde, Mitarbeiter in Ministerien oder anderen Bereichen seien Dilettanten, das weise ich ausdrücklich zurück, so lasse ich mir das Wort im Munde nicht herumdrehen.

Der letzte Punkt: Sie haben das Thema "Hohmann" angesprochen und in welchem Zusammenhang es überhaupt notwendig ist, es hier anzusprechen. Erstens: Ich halte das Thema "Hohmann" für wichtig, dass es angesprochen wird in einem Parlament und gerade zu einem solchen Thema wie heute. Außerdem haben Sie selbst Ihre Position in Ihrer Rede noch einmal beschrieben, für die ich im Übrigen sehr dankbar bin. Zum Dritten habe ich lediglich das Ergebnis der Abstimmung der CDU-Bundestagsfraktion hier vorgetragen und in die Richtung der Mehrheitsfraktion gesagt, darüber bitte ich Sie nachzudenken - nicht mehr und nicht weniger. Ich habe weder das Ergebnis bewertet noch sonst irgendetwas. Ich denke, das steht uns zu. Das steht jedem zu, darüber nachzudenken, ob es denn nur einen oder mehrere Hohmänner gibt und ob ein solches Gedankengut, wie er es beschrieben

hat, möglicherweise auch bei anderen zu sehen ist. Ich bitte Sie, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, solche Bewertungen, wie Sie sie hier gemacht haben gegenüber Rednern der Oppositionspartei, schlichtweg zu unterlassen. Und das Allerletzte: Sie begannen sofort sehr lautstark auf meine Bemerkungen hinsichtlich Arbeitsmarktpolitik und Bundesanstalt für Arbeit einzugehen. Dieses war, und das sage ich ausdrücklich, nicht verbunden mit der Rede zum Thüringen-Monitor, sondern eine ehrliche, offene und deutliche Antwort auf die Zwischenfrage der CDU-Abgeordneten Vopel. Dazu stehe ich auch und, ich denke, das Recht habe ich und das lasse ich auch nicht in Frage stellen. Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Weitere Wortmeldungen liegen jetzt nicht mehr vor. Doch, Herr Abgeordneter Dr. Hahnemann, PDS-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich will an das von Frau Pelke Gesagte anschließen. Ich glaube auch, dass viele Erwiderungen auf das, was hier von der Opposition vorgetragen worden war, und die Aufregung dieser Abwehr völlig fehl am Platz waren und dass sie dem Ansehen der Politik geschadet haben. Denn, Herr Ministerpräsident und Herr Dr. Pietzsch, machtgespeiste Aufregung und demokratisches Engagement, das ist nicht dasselbe. Insofern hat die Debatte tatsächlich schon wieder einen kleinen Grundstein für die nächsten negativen Ergebnisse in einem Thüringen-Monitor gelegt. Es ist ja schon schlimm, dass Frau Pelke sich hier vorn hinstellen und auf die Rechte der Opposition klopfen muss. Nur, wir müssen uns darüber nicht wundern, Herr Ministerpräsident, ich wundere mich allerdings über Sie, wenn Sie sich bei der Diskussion über Demokratieverdrossenheit einerseits hinstellen und uns vorwerfen, dass wir uns den demokratischen Regeln nicht gemäß verhalten würden und dann anschließend die SPD-Fraktion auffordern, sie möge aus dem "Schatten der Opposition" heraustreten. Das ist im doppelten Sinne interessant. Also wenn es diesen Schatten gibt, dann kommt er ganz bestimmt nicht vom Sonnenlicht der Regierungspolitik. Aber wie kommen Sie überhaupt zu der Auffassung, dass die Opposition die Schattenseite der Demokratie sei?

(Beifall bei der PDS)

Da muss ich Ihnen eines sagen: Wenn Ihre Hoffnungsund Zielgruppe für die - sagen wir mal - Verbesserung des Ansehens der Demokratie die 18- bis 24-Jährigen sind, dann sollten Sie sie bitte nicht mit solchen Grundauffassungen über das Verhältnis von Opposition und Regierungskoalition oder regierender Fraktion speisen.

Vor allem zu den Ausländerfragen hat Kollege Ramelow alles gesagt. Wenn Ihnen ernsthaft daran gelegen ist das Ansehen von Politik zu verbessern, dann sollten Sie abrücken von einer Art und Weise von Politik, die mit demokratischen Normen in einem Parlament absolut nichts zu tun hat. Man kann nicht eine Parlamentsdebatte auf der Grundlage von "nicht hören", "nicht zuhören" oder "nicht verstehen wollen" führen. Die Beispiele will ich Ihnen ganz kurz nennen.

Frau Groß - ich kann sie im Moment nicht sehen, ist auch egal -, ich habe nicht gesagt, wie sie behauptet hat, Sicherheit mache den Bürgerinnen und Bürgern Angst, nein, ich habe gesagt, Sicherheitspolitik, die sich auf Beobachtung stützt und gleichzeitig dabei Pressefreiheit, Parteifreiheit, Anwaltsfreiheit gefährdet, das macht Bürgerinnen und Bürgern Angst.

(Beifall bei der PDS)

Ich habe auch nicht gesagt, die Polizei sei eine Distanzbehörde, ich habe gesagt, wir müssen aufpassen, dass Polizei nicht eine Distanzbehörde wird, denn die Bürgerinnen und Bürger in Weimar haben anderen, aber auch mir gesagt, wir wollen nicht Kameras, wir wollen Polizisten auf diesem Platz haben, die eingreifen können, wir wollen mit den Verantwortlichen über andere Möglichkeiten als über Kamerainstallationen reden.

(Beifall bei der PDS)

Bei Frau Groß habe ich den Eindruck, sie hört nicht zu, denn sie hat ganz offensichtlich Herrn Ramelow gestern Abend auch nicht zugehört. Aber auf Nichtzuhören kann man keine Attacken reiten, das hat mit demokratischer Auseinandersetzung nichts zu tun.

Herr Kollege Pietzsch, es tut mir einfach Leid. Bei Ihnen verstehe ich auch nicht: Wie glauben Sie ernsthaft, an 18und 24-Jährige ihren Begriff von Demokratie vermitteln zu können? Sie werfen uns vor, wir hätten der Verfassung nicht zugestimmt und deswegen hätten Sie den Eindruck, wir würden die Verfassung hassen. Wissen Sie, welche Haltung dahinter steht? Da steht diese schlimme Haltung - und diese Haltung kenne ich seit 20, 30 Jahren dahinter, jeder, der irgendetwas kritisiert, der verwirft das Kritisierte auch im Ganzen. Und das ist DDR-Denkart. Sie haben auch gesagt, meine Meinung über die herrschende Politik würde bewirken, dass Bürgerinnen und Bürger darüber so denken. Nein, Herr Pietzsch, die Bürgerinnen und Bürger, die brauchen nicht den Vermittler, die Politik gibt ihr Bild von ganz allein ab und diese Diskussion hier hat einen Beitrag für das verheerende Bild der Politik geleistet, denn Bürgerinnen und Bürger, die brauchen diese Art von Diskussionen, wo nicht zugehört wird, nicht verstanden wird, aber ein politisch anders Denkender attackiert wird, teilweise vernichtend attackiert wird, nicht.

(Beifall bei der PDS)

Im Übrigen ist das auch diese typische Haltet-den-DiebMethode. Man ist selbst für etwas verantwortlich, aber man kritisiert vernichtend denjenigen, der es wagt, die Kritik hervorzubringen. Auch dieses kenne ich aus DDRZeiten sehr gut. Herr Pietzsch, wenn Sie wissen wollen, wer in Ihren Reihen an dem Rand marschiert, wo auch ein Herr Hohmann marschiert, dann schauen Sie "Monitor", dann schauen Sie "Report", aber schaffen Sie in Ihrem Laden selbst Ordnung und bürden Sie das uns nicht auch noch auf. Der Innenminister hat uns gestern mit den Aufgaben zur Sicherheitspolitik genug aufgeladen.

(Beifall bei der PDS)

Ein Letztes noch, das scheint mir besonders wichtig zu sein: Wenn es darum geht, Bürgerinnen und Bürger von der Zukunftsträchtigkeit von Demokratie zu überzeugen, dann hilft es überhaupt nichts, wenn man seinen eingeschränkten Blickwinkel auf eine Thematik, unabhängig davon, ob es nun rechtsextremistische Straftaten und rechtsextremistische Einstellungen sind, dadurch z.B. an der Opposition austobt, dass man der Opposition vorschreibt, welche Themen sie nicht in die Debatte einbringen darf, obwohl der Thüringen-Monitor eindeutig sagt, dass soziale Aussichtslosigkeit eine der maßgeblichen Ursachen für die Speisung von solchen Haltungen und solchen Taten im Bereich des Rechtsextremismus und des Rassismus ist. Wer also bereits wieder versucht, vor dem Hintergrund einer Mehrheit die Gedanken sogar innerhalb eines Parlaments zu beschneiden, zu beschränken und zu verbieten, der fügt der Demokratie viel, viel mehr Schaden zu, als er begreifen kann. Danke schön.

(Zwischenruf Abg. Schwäblein, CDU: Böse Unterstellung.)

(Beifall bei der PDS)

Es gibt eine Redemeldung des Abgeordneten Sonntag, CDU-Fraktion.