Protocol of the Session on November 14, 2003

(Beifall bei der CDU)

Ich will wirklich nicht heute die Polemik in den Mittelpunkt stellen, aber Sie bringen es so, als wenn wir nur ein Thüringer Problem hätten. Die Arbeitslosigkeit in Deutschland ist vom letzten Jahr zu diesem Jahr gestiegen und wir haben die höchste Arbeitslosigkeit seit 1998. Deshalb sind die Menschen in Sorge, weil die Arbeitsplätze fehlen und deshalb ist auch die Jugend in Sorge, weil sie nicht glauben, dass ihnen morgen Arbeitsplätze zur Verfügung gestellt werden. Wissen Sie aber, wer dafür verantwortlich ist? Nicht vor allen Dingen dieser Thüringer Landtag, sondern für die makroökonomischen Bedingungen in der Bundesrepublik Deutschland ist der deutsche Bundeskanzler mit seiner Regierung und dem Deutschen Bundestag verantwortlich. So ist die Ordnung in Deutschland.

(Beifall bei der CDU)

Ersparen Sie uns doch, dass wir jetzt den Vermittlungsausschuss hier hereinziehen. Aber Sie haben es uns nicht erspart. Zu jedem der Details kann man etwas sagen.

(Zwischenruf Abg. Pelke, SPD: Das sollen Sie ja auch, deshalb diskutieren wir darüber.)

Aber das gehört doch nicht zur politischen Situation in Thüringen, wenn wir den Thüringen-Monitor betrachten und schauen, wie es im rechtsextremistischen oder ausländerfeindlichen Stimmungstief oder Stimmungshoch ist.

(Zwischenruf Abg. Pelke, SPD: Dafür haben wir ihn doch da.)

Sehr geehrte Frau Pelke, wollen wir anfangen über den Arbeitsmarkt zu reden, dann sage ich Ihnen, 16 : 0 haben beim Bundesrat in der letzten Woche alle Länder die jetzige Arbeitsmarktreform abgelehnt. Wissen Sie auch, warum?

(Beifall bei der CDU)

Weil, wenn die Länder fünf Umsatzsteuerpunkte auf Dauer an den Bund abgeben, ist das eine der dynamischten Einnahmen, die wir haben und die wir dauerhaft an den Bund abgeben und wir schränken unsere Gestaltungsvielfalt in erheblichem Maße ein. Punkt. Das ist ein Streitproblem, das ist ganz schwer zu lösen. Das Brett bohre ich nicht hier einmal schnell, mit so einer Oberflächenbemerkung, wie Sie sie angesprochen haben. Da muss man mehr Mühe anwenden.

(Beifall bei der CDU)

Den Arbeitsmarkt haben Sie angesprochen und haben dann gesagt, Sie haben Herrn Gerster seinen Rücktritt schon gefordert. Na und? Die Politik lebt doch nicht von der Rhetorik, die lebt aus dem Tun. Heute wird im Verwaltungsrat der Bundesanstalt für Arbeit dieser Leistungstitel von 13,5 Mrd.    zu dieser Stunde - das ist die Tat, die Sie zurzeit mit bewegen, denn Sie sind verantwortlich und auch politisch verantwortlich für diese Bundesregierung.

(Beifall bei der CDU)

Sehr geehrte Frau Pelke, Sie haben damit angefangen, warum ziehen Sie das Hohmann-Problem auf das Land? Warum sagen Sie, die Union auch in Thüringen hätte damit ein Problem oder unsere Fraktion? Ich habe mich von der ersten Minute an sehr deutlich geäußert. Ich war der allererste Landesvorsitzende in Deutschland, der das so deutlich gesagt hat. Wer die Rede liest, sieht, es ist ein bewusster Versuch, durch die Zusammensetzung von Dichtung, Wahrheit und Halbwahrheit ein falsches, ein geklittertes Geschichtsbild darzustellen, um mit Überhöhung im Blick auf das Tätervolk plötzlich eine Relativierung

zu erreichen, die wir alle miteinander als Demokraten nicht wollen, weil der Nationalsozialismus gerade an den Juden Verbrechen ohne Ende begangen hat. 6 Mio. Tote mahnen uns hoffentlich und auch die Generationen, die nach uns leben.

(Beifall bei der CDU)

Diese Auffassung ist für mich unmissverständlich. Nur wir haben keine Gesinnungsdiktatur, sondern Menschen können so etwas sagen. Ich mag das nicht. Wenn dann eine Partei - was übrigens nicht einfach ist - einen klaren Schnitt zieht, weil eine Grenzziehung überschritten ist, dann ist das ein Wert in der Demokratie, so zu verfahren. Trotzdem können dann Menschen morgen oder übermorgen mit diesen oder anderen Theorien in die Öffentlichkeit gehen, weil wir es ihnen nicht verbieten können. Wir müssen nur darauf aufpassen, dass unsere eigene Handlung als Demokraten in diesem Land eine klare Sprache spricht und dass eine klare Hand geführt wird. Insofern wehre ich mich, dass die CDU Thüringen oder dass die CDU-Landtagsfraktion bei Hohmann steht. Wir haben gesagt, was wir denken in dieser Demokratie. Wir akzeptieren aber auch, dass andere anders denken und wir setzen uns mit denen auseinander, die zu Feinden der Demokratie werden. Das sind dann aber Extremisten, das sind dann nicht einfach Linke und Rechte. Linke und Rechte muss ich versuchen in die Demokratie einzubinden und darf sie nicht von vornherein ausschließen.

(Beifall bei der CDU)

Ein Wort zum Regierungssprecher und seiner Äußerung am Mittwoch. Er hat das gesagt, was notwendig war nach einer falsch veröffentlichen Äußerung, nämlich: "Die Demokratie ist in Thüringen fest verankert". Ein zentraler Satz der Studie. Das ist die beste Staatsidee. Auf diese Frage wurde geantwortet und 77 Prozent haben gesagt, das ist die beste Staatsidee. Ich finde, das ist ein sehr positives Ergebnis. Aber dann kommt der Nachsatz und den habe ich ganz genau so gesagt hier vorn: Die Unzufriedenheit mit der Demokratie hat eine relative Mehrheit. Damit sind wir wieder beim Ausgangspunkt. Das ist das, was die Menschen erfahren an Ergebnissen, an Handlungen, an konkreten Taten; so bewerten sie die Demokratie. Sie interessiert nämlich nicht die innere Struktur der Demokratie, sondern sie interessiert vor allen Dingen, und das ist auch verständlich, das, was an Ergebnissen für sie, für ihr Familienleben, für ihr gesellschaftliches Leben herauskommt. Und wenn Sie zwei Tage zurückdenken, waren in drei Thüringer Zeitungen interessante Kommentare zu lesen, nicht zum heutigen Tag, aber sie passen.

(Zwischenruf Abg. Vopel, CDU: Ja, ganz genau!)

Die eine Zeitung aus dem Süden: "Kleinkarierte Inszenierung", die eine Zeitung aus dem Osten: "Reden und

Vorleben", also tun, und die Dritte aus der Mitte, die geht dann etwas nach außen: "Die Erwartungsbürger". Alle drei - und ich finde das wichtig, dass das auch getan wird in der Öffentlichkeit - geben ganz wichtige Denkanstöße, ganz wichtige Denkanstöße für uns hier, "Reden und Vorleben", "Kleinkarierte Inszenierung" und auch "Die Erwartungsbürger". Politik tut sich da schwerer, Partei ohnedies, da wir ja auch eine Erwartungshaltung haben. Aber ich finde es schon wichtig, dass man über diese Themen offen spricht, denn man darf sich nicht an den inneren Prinzipien der Demokratie einfach so vorbeimogeln und denken, irgendwie wird die sich schon durchsetzen. Nein, das nehme ich sehr ernst, dass eine viel zu große Zahl sagt, sozialistische Gesellschaft, eine demokratisch sozialistische Gesellschaft wäre eine Alternative. Deswegen glaube ich auch, dass wir, das habe ich auch gesagt, unsere Konzentration verstärken müssen, die Probleme zu lösen, hier, aber vor allen Dingen auch in Berlin, weil das für die globale Wettbewerbspolitik Deutschlands entscheidend ist. Ich bin kein Fantast, sondern ich bin Realist, wenn ich sage, die Wirtschaft und das Wirtschaftswachstum sind die Voraussetzung für die Sozialpolitik unserer Gesellschaft.

(Beifall bei der CDU)

Ich muss erst haben, bevor ich verteile. Vor 40, 50 Jahren gab es in Deutschland unter nationalökonomischer Stringenz noch bessere Möglichkeiten, sich um diese Weisheit herumzumogeln, obwohl sie Adam Smith und auch Ludwig Erhardt alle schon ausgesprochen hatten. Aber heute gibt es diese Möglichkeit nicht mehr. Heute sind wir - Gott sei Dank - in Freiheit, in Globalisierung und die Großen leben sie und die Kleinen hängen davon ab, dass wir Deutschland fit machen, dass sie es mitleben können, weil sie nicht als Bäcker um die Ecke nach Tschechien oder als Mittelständler aus Tambach-Dietharz nach Polen gehen können, sondern sie müssen hier produzieren. Das können sie nur, wenn unsere makroökonomische Kultur sich deutlich verbessert. Wir stehen auf Platz 79 in der Welt. Da kann man vom Kündigungsschutz bis zur Arbeitszeit alles heranführen. Das ist keine Statistik von Althaus oder der Landesregierung, sondern vom WorldEconomicForum, und die ist auch bis zur Stunde nicht bestritten. Wenn wir unsere mikroökonomisch tolle Basis in Thüringen, nämlich tolle Unternehmen mit Leistungskraft, mit Innovation, mit Beschäftigten, die ihren Geist einbringen, das ist ja die Stärke, die wir haben, nutzen wollen, können wir das dauerhaft nur, wenn diese makroökonomische Ausprägung Deutschlands sich deutlich verbessert. Dazu müssen jetzt Weichen gestellt werden, endlich, weil wir schon viel zu viel Zeit verloren haben und weil junge Menschen genauso handeln, wie Sie das beklagt haben. Sie schauen, wo gehen Entwicklungen in dieser Welt, in Deutschland ab, besonders die, die als junge Leute vielleicht studiert haben und damit vielleicht noch größere Entwicklungschancen für sich sehen wollen und sehen. Deswegen will ich, dass Thüringen seine Chance, die sich entwickelt hat,

die wir alle auch mitgestaltet haben, die aber vor allem die Menschen vor Ort bewegt haben, nutzt. Und, ich glaube, wir haben da vorzügliche Bedingungen, denn, wenn man die Daten der letzten Woche sieht, ist ja unser Industriewachstum nun wirklich vorzüglich. Dass wir eine Gesamtnegativbilanz haben in der Wirtschaft, hängt ja mit anderen Faktoren zusammen, die Sie gut genug wissen, z.B. mit der Bauwirtschaft. Warum die Bauwirtschaft so dramatisch zusammengebrochen ist, hängt wieder damit zusammen, dass, wenn die Arbeitslosigkeit wächst, wenn die Investitionskraft von Kommunen und von Ländern nachlässt, weil die Steuermindereinnahmen sich ständig im Haushalt wiederfinden, dann natürlich im Besonderen die Bauwirtschaft betroffen ist. Das heißt, hier ist fahrlässig mit der Wirtschafts- und damit der Wachstumsund damit der Arbeitsmarktsituation Deutschlands umgegangen worden. Und der Sozialstaat, wenn wir den reformieren und zukunftsfähig gestalten wollen, hat sozusagen eine Weiche, die man vorwegstellen muss, das ist für Wirtschaft. Wenn wir die Weiche nicht stellen und auf Wachstum kommen, können sie tun und lassen, was sie wollen, dann werden sie den Verteilungsmotor noch etwas anwerfen können und irgendwann ist nichts mehr zum Verteilen da, weil ihnen erstens das Geld ausgeht und zweitens diejenigen, die Besonderes leisten können, weglaufen. Deswegen glaube ich, Freiheit erfordert auch auf Leistung zu setzen und erfordert auch Leistung zu fördern und auch zu honorieren. Wer Leistung ständig tabuisiert oder schlecht macht, wer die, die Besonderes leisten und dadurch auch besondere Erträge haben, ständig beschimpft, sie mit Vermögenssteuer bedroht, der muss sich nicht wundern, dass unser Standort unattraktiver wird. Ich will, dass unser Standort Thüringen seine Attraktivität weiter ausprägt. Wenn wir das geschafft haben und dann den Staat weiter beschränken, damit er wirklich die Anreize schafft, die die Bürger in ihrer Freiheit brauchen, und sie nicht bevormundet, haben wir einen zweiten wichtigen Beitrag geleistet. Wenn wir außerdem weiter unseren Rechtsstaat mit seinen Institutionen wertschätzen, ihn unterstützen von den Verfassungsorganen bis hin zu den exekutiven Organen von Polizei, Verfassungsschutz und all denen, die wirklich darauf achten, dass innere Sicherheit auch gewahrt bleibt und nicht nur beschützt wird, sondern auch die Ursachen für das Vergehen bei innerer Sicherheit analysiert werden und verändert werden, haben wir ein Drittes getan. Und wenn wir dann gleichzeitig dafür sorgen, dass Familien, dass werthafte Institutionen wie Kirchen, wie diejenigen, die in Vereinen ehrenamtlich tätig sind, hier angenommen sind und weiter gefördert werden, sind wir auf dem richtigen Weg. Wenn wir begreifen, dass sozusagen die Freiheit dieses Miteinander einfordert, Eigenverantwortung zu tragen, aber eben auch gesellschaftliche Verantwortung für den Staat zu ermöglichen, dann bin ich fest überzeugt, können wir nicht nur Freiheit schützen, sondern auch Demokratie weiter gestalten. Genau darum ging es mir. Es wäre schön, wenn Sie mitmachen und sich nicht im Kleinklein verlieren. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Für die PDS-Fraktion hat sich der Abgeordnete Ramelow zu Wort gemeldet.

Werter Herr Ministerpräsident, sehr geehrte Damen und Herren, ich hoffe, ja, ich unterstelle, dass es ein Versprecher Ihrerseits war, dass in dieser Demokratie die Linken und die Rechten nicht von vornherein ausgeschlossen werden sollten. Ja, wann sollen sie den ausgeschlossen werden, wenn nicht von vornherein?

(Unruhe bei der CDU)

Oder war es vielleicht doch nur ein Missverständnis oder ein falsches Wort, dann hätten Sie sagen müssen, was Sie meinen, wann links und rechts in dieser parlamentarischen Demokratie ausgeschlossen werden sollen. Denn nach meinem Dafürhalten gehört das gesamte Spektrum des Denkens, des Handelns und des Fühlens von Menschen in diesem Land zur parlamentarischen Demokratie. Ich hoffe, sehr geehrter Herr Pietzsch, dass es bei Ihnen auch nur ein Missverständnis war, dass Sie im Zusammenhang mit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft von nur 12 Jahren gesprochen haben.

(Zwischenruf aus der CDU-Fraktion)

Ich finde, die 12 Jahre waren 12 Jahre zu viel und Herr Ministerpräsident hat völlig Recht, 6 Mio. Tote viel zu viel. In dem Zusammenhang verbietet es sich, von nur 12 Jahren zu reden. Es waren 12 schreckliche Jahre und es bleibt das Kainsmal der Bundesrepublik Deutschland nach 1945 damit umgehen zu müssen. Ich wiederhole das, was ich am 9. November in der Synagoge in Erfurt gesagt habe: Das Kainsmal Deutschlands bleibt es, dass der Tod, der industriell hergestellte Tod, der ingenieurtechnische Tod seine Heimat in Deutschland hat. Dieses Kainsmal bleibt unser Kainsmal.

(Zwischenruf Abg. Seela, CDU: Was soll denn das jetzt, Herr Ramelow?)

Sehr geehrter Herr Parteivorsitzender Althaus, in diesem Zusammenhang stelle ich schon die Frage, ob ein Erfurter CDU-Stadtrat in einem Leserbrief nicht auch mit einer Diskussion aufgefordert werden sollte, darüber nachzudenken, was er hat verlautbaren lassen, als er gesagt hat, einerseits zu Recht, so wie Sie ganz klar, das will ich ausdrücklich sagen, deswegen habe ich vorhin auch geklopft, als Sie Ihre Haltung zu Hohmann gesagt haben, davon war ich auch sehr überzeugt, dass das Ihre Haltung war, aber wenn ein Erfurter CDU-Stadtrat dann schreibt über das Wort

(Zwischenruf Abg. Panse, CDU: Der ist kein Stadtrat.)

- ist er kein Stadtrat, er ist aber der Geschäftsführer der CDU-Fraktion im Erfurter Stadtrat - in einem Leserbrief schreibt, dass das Wort vom Tätervolk in Deutschland nicht thematisiert werden darf, weil es tabuisiert sei, dann finde ich das genauso falsch, weil ich denke, es geht nicht um die Frage "Tätervolk" als Volk, sondern es geht um das Kainsmal der ingenieurtechnischen Ermordung von Mitmenschen. An dieser ingenieurtechnischen Großleistung waren viele Menschen in Deutschland in einer bestimmten Phase mit kaltem Herzen beteiligt. Deswegen war ich Herrn Panse sehr dankbar, dass er auch in der jüdischen Landesgemeinde für Ihre Partei und für die Fraktion deutliche Worte gefunden hat.

Ich darf nur sagen, dass wir an dieser Stelle gemeinsam dann wirklich den Wertekanon beschwören sollten, was uns denn als Demokraten eint. Da kann ich nur sagen, wehret den Anfängen. Ich bin Ihnen dankbar, dass Sie als Landesvorsitzender, was die Hohmann-Rede angeht, nicht nur aus taktischen Gründen, sondern aus innerer Überzeugung gesagt haben, hier sind Tabus gebrochen worden in einer sehr geschickten Art und Weise der antisemitische Diskurs auf einen Weg gebracht worden, wo ich hoffe, dass wir gemeinschaftlich sagen, so geht es gar nicht. Wir haben uns dieser Verantwortung zu stellen. Aber wenn Sie jetzt in einer sehr intensiven Rede hier vorn in unsere Richtung in einem Gestus sich dahin gehend entäußern, dass wir die Rattenfänger seien und ich das im Kontext zu Ihrer Äußerung sehe, die Linken und die Rechten sind nicht von vornherein auszuschließen, und ich so das Verhalten auch des gestrigen Tages und des gestrigen Abends, Frau Groß, auf mich wirken lasse, habe ich langsam das Gefühl, dass Sie nicht von der von der Bevölkerung gewählten PDS-Fraktion auf Themen angesprochen werden wollen, die Ihnen unangenehm sind.

(Zwischenruf Abg. Groß, CDU: Das hat doch damit nichts zu tun.)

Aber unsere Rolle und unsere Aufgabe ist es, Problementwicklungen darzustellen und insoweit habe ich ein bisschen das Gefühl, Frau Groß, bei dem, was ich von Ihnen hier gehört habe, dass die 77 Prozent, die sagen, die Opposition soll doch die Regierung unterstützen und nicht kritisieren, nicht irgendwoher kommen, sondern dass sie auch tief verankert sind im Herzen in der Mitte dieses hohen Hauses, dass die Opposition nur dann eine gute Opposition ist, wenn sie Laolawellen macht zur Unterstützung, aber nicht das tut, was sie eigentlich in einer Demokratie tun muss, nämlich auch kritische Punkte anzusprechen. Und die Videoüberwachung in Weimar war, bleibt und ist ein kritischer Punkt, den Sie sich, sehr geehrter Herr Althaus, in Ihrer Regierung anziehen müssen, davon können Sie nicht freigesprochen werden.

Das Problem, dass die Pressefreiheit starke Schäden genommen hat, dass dem Anwaltsgeheimnis und der Rolle von Unabhängigkeit von Medien, von Parteien und von Anwälten mit dieser Art der Videoüberwachung wirklich nicht nur ein Bärendienst erwiesen worden ist, sondern die geistige Haltung Ihres Innenministers anschließend auch deutlich wurde.

(Zwischenruf Abg. Gentzel, SPD: Das war das Schlimmste.)

Da habe ich ein bisschen das Gefühl, dass seine eigentliche innere Profession seine Zeit ist aus der DDR, die er gern heute wettmachen würde, indem man darüber nicht mehr redet, indem man den Schuldigen der DDR immer in dieser Ecke festmacht und sagt, daran ist allein die PDS Schuld und das Denken und Fühlen, Frau Groß, der Nationalen Front, das haben Sie doch hier in einer Form kundgetan, dass Sie das Gefühl vermitteln, dass sich im Moment nur die CDU an die Stelle der SED gesetzt hat, aber doch bitte die PDS jetzt den Mund halten soll oder freundlich lachen und Laolawellen machen soll. Das ist nicht die Rolle einer Opposition in einem Parlament. Wir sind gestaltende Opposition, wir machen Vorschläge und wir können gern, wenn wir denn auf dem Niveau des Diskurses einer Wahlveranstaltung wären, sagen, welche Vorschläge wir als Oppositionspartei und als Oppositionsfraktion haben zu längerem gemeinsamen Lernen, zu bürgernah statt bürokratisch, zu einer Wirtschaftspolitik, die regional statt global ist. Und da sagen Sie, Attac hätte die falschen Konzepte, da muss ich Ihnen sagen, ich glaube, Sie haben bei Attac nie nachgelesen.

(Zwischenruf Althaus, Ministerpräsident: Doch, doch.)

Die Tobin Tax - verzeihen Sie, makroökonomisch kann ich nur sagen, wäre etwas, was mir auch US-amerikanische Wirtschaftsmenschen gesagt haben, was sie glauben, was notwendig wäre, wenn nicht irgendwann ganze Währungsspekulationen dazu führen, dass Volkswirtschaften vernichtet werden. Und Tobin Tax wäre eine Antwort der Nationalstaaten, um globaler Spekulation von Vermögen und von floatenden Geldern, die hin und her transferiert werden, ausschließlich mit dem Ziel zur Spekulation. Wenn dann eine Zeitung in Thüringen in den letzten Tagen sogar noch dem Derivathandel das Wort redet als besondere Maßnahme zur Existenzunterstützung kleiner und mittelständischer Betriebe, dann steigen einem wirklich die Haare auf dem Rücken zu Berge, dann kann ich nur sagen, das ist völliger Unsinn. An dieser Stelle hat Attac völlig Recht. Ich denke, dass die Diskussion mit Attac richtig ist, zu sagen, die Globalisierung, die nur dazu dient Neoliberalismus in der Welt dahin gehend zu betreiben, dass alles das, was an sozialer Verantwortung mit Kapital und Vermögen gebunden ist, aufgelöst wird. Da darf ich Sie daran erinnern, Herr Althaus, im Grundgesetz steht, Eigentum verpflichtet. Eigentum verpflichtet und das bedeutet, dass Menschen, die Eigentum ha

ben, dass Unternehmen, das Eigentum hat, dass Vermögende in diesem Land in der Tat auch angesprochen werden müssen auf Vermögenssteuer, auf Kapitalertragssteuer, auf Körperschaftssteuer, so dass es eben nicht so ist, dass mittlerweile festzustellen ist, dass in diesem Land mehr Hundesteuer bezahlt wird als Körperschaftssteuer. Das ist eine Ungerechtigkeit und ein Ungleichgewicht, bei dem man anschließend den Menschen erzählt, die Städte, Gemeinden, Kommunen, das Land seien so verarmt stimmt, die öffentlichen Haushalte sind leer, aber sie sind deswegen leer, weil sie verarmt worden sind. Die Rentenkassen sind leer, die Arbeitslosenkassen sind leer, die Sozialkassen sind leer, weil 5 Mio. Menschen daran gehindert werden, Beiträge in diese Kassen zu zahlen. Dass dann die Verunsicherung um sich greift, sehr geehrter Herr Althaus, hat nicht die PDS zu verantworten. Das hat die Politik der Altparteien zu verantworten, bei denen ich nur noch sagen kann, das ist das Kartell der sozialen Kälte, das den Menschen signalisiert, dass Arbeitslose bekämpft werden, aber die Massenarbeitslosigkeit nicht mehr auf der Agenda der Tagespolitik steht.

Sehr geehrter Herr Althaus, da würden wir uns dann doch wünschen, dass Sie nicht uns die Schuld zuweisen, weil ich ein bisschen das Gefühl habe, die einzige Rolle aus Ihrem Blickwinkel, die die PDS hier im hohen Haus hat, ist die Rolle des Gesamtschuldigen, desjenigen, der für alles verantwortlich ist, für das Sie, meine Damen und Herren, irgendwann auch mal Mitverantwortung getragen haben. Dann sage ich mal, wer ein bisschen die Diskussion, wie Sie Herrn Hahnemann hier angesprochen haben in Bezug auf seine kritischen Anmerkungen zur Videoüberwachung oder Ihre Entäußerung zum Thema Bildung und Erziehung, da muss ich nur sagen, Sie waren auch Teil des Systems, in dem Sie als verantwortlicher Lehrer auch an der Bildung teilgehabt haben. Das ist mir ein wenig zu knapp, wenn Sie dann immer nur mit den Fingern in unsere Richtung zeigen. Ich wäre froh, wenn wir dann darüber reden, welche Fragen der DDR aufzuarbeiten sind und welcher Unterschied zwischen NSDAP und Naziherrschaft und SED-Zeit zu ziehen ist. Da liegen 6 Mio. jüdische Tote im Unterschied dazwischen. Das kann man nicht reduzieren und einfach nur abtun und auf dem gleichen Level abhandeln, das ist ahistorisch und ist meines Erachtens auch eine völlige Negierung des Kalten Kriegs, eine völlige Negierung der Blockauseinandersetzung, eine völlige Negierung, dass es keine freie Entscheidung, weder der DDR noch der BRD, war, dass die Teilung Europas an der Nahtstelle in Deutschland stattgefunden hat. Das war eine Entscheidung der Alliierten als Konsequenz aus dem, was die Deutschen angerichtet haben durch Nationalsozialismus.

Ich finde, an der Stelle sollten Sie ein bisschen historisch genauer sein und ich darf für uns in Anspruch nehmen, dass wir auf diese Art der Reduzierung nicht gewillt sind einzugehen oder weitere Ausführungen dazu zu machen.

Sehr geehrter Herr Althaus, lassen Sie mich zum Schluss eins klar sagen: Ich stelle mich ausdrücklich vor meine Kollegen Dr. Hahnemann und Dittes,

(Unruhe bei der CDU)

die haben im Namen der PDS-Fraktion... Das Benehmen mancher in diesem hohen Haus ist wirklich so unglaublich; die letzten Stunden hier lassen einen wirklich die Fußnägel hochklappen,

(Heiterkeit bei der CDU)