Protocol of the Session on October 16, 2003

In der Aussprache hat sich der Abgeordnete Dr. Pietzsch für die CDU-Fraktion zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube, Sie haben es heute schon in der Zeitung gelesen, ich habe mich gestern gegenüber den Medien so ausgedrückt, dass ich gesagt habe, das trifft voll unsere Intention. Liebe Kollegen von der SPD, ich denke, wir sollten uns nicht bemühen um ein Wettlaufen, wer der Intensivere in dieser Frage ist. Ich hätte nichts dagegen gehabt, nachdem wir auch andere Gesetze zusammen eingebracht hatten, wenn wir dieses gemeinsam eingebracht hätten. Ich sage noch einmal, das trifft voll unsere Intention, aber in einem Punkt doch nicht ganz. Deswegen, meine ich, sollten wir uns darüber noch mal im Ausschuss unterhalten. Wir haben eine neue Situation durch die Rosenholz-Akten und es war in der Tat die Frage, bringen diese Rosenholz-Akten neue Erkenntnisse, die es sinnvoll und notwendig erscheinen lassen, eine erneute Überprüfung der Abgeordneten durchzuführen? Meine Damen und Herren, Sie wissen, dass sich der Ministerpräsident, mein Vorgänger im Amt des Fraktionsvorsitzenden - und an seiner grundsätzlichen Einstellung hat sich nichts geändert -, bemüht hat und, Gott sei Dank, auch eine Mehrheit im Bundesrat für dieses Ansinnen erreicht hat. Und genauso die CDU-Fraktion; wir sind mit der baden-württembergischen Fraktion zusammengekommen und ich bin mit anderen Fraktionsvorsitzenden natürlich im Gespräch gewesen und mir ist von allen signalisiert worden - übrigens auch aus den alten Bundesländern, das ist eine neue Situation -, dass sie im Licht der Rosenholz-Akten auch eine Überprüfung der Abgeordneten in den alten Bundesländern für erforderlich halten. Ich denke, das ist etwas, was auch durch unsere aktive Arbeit hier aus Thüringen zustande gekommen ist. Wir haben uns ja im Ältestenrat sehr intensiv mit der Frage befasst und deswegen auch jemanden aus der BirthlerBehörde - insofern ist auch die Kritik, die Herr Direktor Linck geübt hat, durchaus berechtigt gewesen - geholt. Ich berichte nun nicht aus dem Ältestenrat, wenn ich sage, uns ist in der Tat mitgeteilt worden, es gibt neue Erkenntnisse und kann neue Erkenntnisse geben und wir uns dort geeinigt haben, die Konsequenzen aus dieser Feststellung werden wir in weiteren Gesprächen ziehen. Nun haben Sie ein Gesetz vorher eingebracht, ehe wir gemeinsam Konsequenzen gezogen haben. Es soll Ihnen zustehen, ein Gesetz auch nur mit der SPD-Unterschrift im Landtag durchzubringen. Das möchte natürlich sein. Aber, Herr Schemmel, ein Problem ist nicht ganz sicher gelöst, und zwar das Problem, worüber wir uns auch unterhal

ten haben im Ältestenrat: Ist mit Ihrem Gesetzentwurf die Möglichkeit gegeben, auch gegen den Willen der Abgeordneten eine zweite Überprüfung der 3. Legislaturperiode zu machen. Denn es steht bisher im Gesetz drin, wenn ich das richtig sehe, dass die Abgeordneten sich einer Überprüfung zu unterziehen haben. Wir haben uns alle einer Überprüfung unterzogen. Können wir gezwungen werden, auch eine zweite Überprüfung in der 3. Legislaturperiode durchzuführen? Ich würde es zumindest für sinnvoll halten, dass wir im Ältestenrat überfraktionär zumindest einen Beschluss fassen - das ist das Mindeste, vielleicht ist es besser gesetzlich geregelt -, dass sich alle Abgeordneten der 3. Legislaturperiode ein zweites Mal überprüfen lassen. Wenn von Seiten der PDS signalisiert wird, man weiß das nicht so genau, dann sage ich den Kolleginnen und Kollegen von der PDS, überlegen Sie sich das sehr genau. Denn mit den gleichen Argumenten, die Sie jetzt bringen werden, sich nicht ein zweites Mal überprüfen zu lassen, haben Sie sich heftig gegen eine Überprüfung in der 2. Legislaturperiode gewehrt. Wir würden Ihre Argumente, die Sie jetzt bringen, sich nicht überprüfen zu lassen, vor dem Hintergrund einer Erfahrung im Falle Beck betrachten. Das bitte ich einfach in die Überlegungen mit einzubeziehen.

Meine Damen und Herren, was wir von der CDU wollen, ist klar. Wir wollen eine zweite Überprüfung aller Abgeordneten vor dem Hintergrund neuer Erkenntnisse durch die Rosenholz-Akten in der 3. Legislaturperiode. Und wir wollen diese Überprüfung nicht bei der 3. Legislaturperiode beenden lassen, sondern wir wollen eine Prüfung auch für die 4. Legislaturperiode. Das habe ich oft genug gesagt, dazu brauchen wir eine Gesetzesänderung noch in dieser Legislatur. Denn nicht die 4. Legislatur kann dann darüber entscheiden. Ich bitte, dass wir dieses, wo ich meine Bedenken habe, noch einmal im Ausschuss beraten. Meine prinzipielle Zustimmung ist aber für meine Fraktion da. Danke sehr.

(Beifall bei der CDU)

Herr Abgeordneter Dr. Pietzsch, ich habe eine Frage. An welchen Ausschuss möchten Sie überwiesen haben? An den Justizausschuss. Für die PDS-Fraktion hat sich der Abgeordnete Dr. Hahnemann zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, auf den ersten Blick scheint der Gesetzentwurf eher unproblematisch zu sein und das, was Herr Schemmel hier dargestellt hat, klingt beim ersten Hören auch unproblematisch - ist es aber nicht. Zwei oder drei kurze Bemerkungen von uns dazu.

Erstens: Die Begründungen, die angeführt werden für den Gesetzentwurf, sind ungeeignet. Das gilt erstens für das Auftauchen der Rosenholz-Dateien. Sie taugen zur

Begründung für die Gesetzesinitiative eigentlich nicht. Spezialisten mit Fachkenntnis und Erfahrung sagen, dass diese Dateien einer ernsthaften Überprüfung nicht standhalten, geschweige denn einer rechtlichen.

(Beifall bei der PDS)

Und das Ergebnis der Beratung im Ältestenrat, Herr Kollege Pietzsch, ist ja wohl doch nicht ganz so gewesen, dass es eine uneingeschränkte Empfehlung gegeben hat, sondern es hat dort auch Bedenken gegen die Brauchbarkeit dieser Dateien gegeben. Es hat schon seinen Grund, wenn angesichts der Tatsache, dass es sich bei diesen Akten oder bei diesen Dateien um Abschriften von Kopien von Originalen, die nicht einmal ganz fehlerfrei sind, handelt. Der Beauftragte für die Unterlagen des ehemaligen Staatssicherheitsdienstes Jürgen Haschke hat unlängst verlauten lassen, ich zitiere das "Freie Wort": er "erwarte von der Auswertung der Rosenholz-Dateien keine neuen Erkenntnisse. Eine weitere Überprüfung der Landesbediensteten mit den Rosenholz-Akten bringe überhaupt nichts. Da es sich nur um Abschriften aus Originalakten handele, seien sie für Personalentscheidungen völlig ungeeignet."

(Beifall bei der PDS)

Ich kenne den Jürgen Haschke seit 1989. Wir sind die ersten Schritte in die politische Betätigung nach der Veränderung des Herbstes gemeinsam gegangen. Er ist ein gerader Charakter und er ist ein Fachmann, auf dessen Sachkenntnis man sich verlassen kann. Wenn er dem Ministerpräsidenten die Stirn bietet, dann gibt es dafür sehr gute Gründe. Er steht im Übrigen mit seinem Urteil nicht allein. Der ursprüngliche Chef der Berliner Behörde, Joachim Gauck, hat ihn genau in diesen Auffassungen unterstützt.

Die zweite Begründung, nämlich der Fall Hausdorf, taugt auch nicht für die Begründung für die Gesetzesnovelle, denn Fälle, wie den Fall Hausdorf, wird es immer wieder geben. Was der Fall Hausdorf eigentlich zeigt, das ist, dass Stasi-Überprüfung immer wieder so etwas wie eine Ersatzvornahme für tatsächliche Geschichtsaneignung wird. Es gibt ja auch genügend Stimmen, die von zu befürchtender neuerlicher Stasihysterie reden.

Die PDS-Fraktion, und damit komme ich zu meiner zweiten Bemerkung zu der Gesetzesinitiative, wird sich nicht gegen eine Überprüfung wehren. Weder gegen eine zweite in dieser Legislatur noch gegen die Verlängerung des Gesetzes. Trotzdem, meine Damen und Herren, das werden Sie bei kritischer und selbstkritischer Überprüfung feststellen müssen, haben die jetzigen Initiativen, ausgelöst durch die Rosenholz-Dateien, den Geruch des Populismus.

(Beifall bei der PDS)

Das Einzige, was Stand halten dürfte, dieses Gesetz oder die Verlängerung der Geltung dieses Gesetzes zu begründen, das wären die Begründungen aus der Zeit der Verabschiedung dieses Gesetzes. Genau damals aber wurde die Befristung auf das Ende der 3. Legislatur begründet und beschlossen. Die Rosenholz-Dateien oder der Fall Hausdorf sind keine Gründe, die Befristung zu verlängern. Was die PDS-Fraktion angeht und ihren Umgang mit der Frage Stasiüberprüfung, hat die PDS vor Jahren klare Beschlüsse gefasst. Sie hat Beschlüsse gefasst, wie sie oder was sie von ihren Mandatsträgern erwartet. Diese Beschlüsse sind eben nicht nur auf eine IM-Frage zu reduzieren, sondern bei der PDS wird verlangt, dass man die gesamte politische Biografie offenlegt und dass daraufhin festgestellt wird, ob jemand in der Politik tätig sein sollte oder nicht. Die PDS wehrt sich mit dieser Art des Umgangs auch gegen politische Instrumentalisierung. Gerade was politische Instrumentalisierung angeht, hat ja der Thüringer Landtag in der letzten Legislaturperiode und einige Zeit darauf ein schlechtes Beispiel gegeben.

Damit, meine Damen und Herren, haben wir unsere Norm gesetzt. Niemand darf sich gegen Bürgerinnen und Bürger vergangen haben, wenn er mit PDS-Mandat im Landtag sitzen will. Die Entscheidung aber, wer im Landtag sitzen darf, die treffen die Wählerinnen und Wähler. Das hat der Thüringer Landtag lernen müssen. Die PDS-Fraktion wird eine Überprüfung nicht zu fürchten haben. Also überprüfen Sie ruhig, aber begründen Sie die Überprüfung richtig und vor allem begründen Sie die Überprüfung ehrlich. Bis jetzt haben wir wenig ehrliche Begründung gehört. Vielleicht erfahren wir sie im Ausschuss. Danke schön.

(Beifall bei der PDS)

Es gibt eine weitere Wortmeldung des Abgeordneten Schemmel, SPD-Fraktion.

Wenn jetzt nicht so eine ernsthafte Diskussion in einem sensiblen Feld wäre, würde ich mich jetzt schon etwas gegen Populismus verwahren wollen,

(Beifall bei der CDU, SPD)

wenn das vom Chefpopulisten an mich gerade herangetragen wird. Aber die Diskussion ist zu ernst, dass ich darauf reagiere. Ich muss noch einmal sagen, unser Antrag, ich habe von dem sich ständig erweiternden Pool der Akten gesprochen, ich habe bewusst diese Rosenholz-Diskussion hier nicht erwähnt, weil ich weiß, wie umstritten das ist. Aber es tut mir Leid, wenn der Thüringer Landesbeauftragte Haschke sagt, sie sind nicht verwendbar, und ich wende mich an den Berliner Behördenleiter, an meinen Freund Martin Gutzeit, und Martin

Gutzeit sagt zu mir, die sind sehr wohl in Verbindung mit diesen und jenen Querverbindungen durchaus verwertbar. Dann kann ich mich hier nicht hinstellen und dann muss ich erst einmal die Aussagen der beiden akzeptieren. Wir können hier keine Rosenholz-Diskussion führen, sondern unser Antrag dient dem Ziel, aufgrund einer sich erweiternden Basis eine Überprüfung für die nächste Legislaturperiode zu ermöglichen, die bisher ausgeschlossen war. Ich denke, da kriegen wir eine komplette Mehrheit im Haus. Es versteht sich eigentlich bisher nicht zu dem was Herr Pietzsch gesagt hat, ob wir in der 3. Legislaturperiode noch einmal eine Überprüfung, das müsste sich wirklich dann der Ältestenrat vornehmen. Es wird sich von der SPD-Fraktion sicherlich niemand verweigern, das ist ja völlig klar. Es ist bloß fraglich, wie sinnvoll das in dieser 3. Legislaturperiode noch wäre, weil, wenn sie sich schon auf die Rosenholz-Akten beziehen, wenn bekannt ist, dass die Auswertung oder die Verfügbarkeit noch nicht gegeben ist und wohl erst Anfang oder Mitte des nächsten Jahres gegeben wäre. Das soll der Ältestenrat für diese Legislaturperiode unterstreichen, wir wollen bloß für die nächste Legislaturperiode die Möglichkeit eröffnen. Das, denke ich, findet eine Mehrheit, und da war kein Populismus dabei und da war nichts dabei, was Sie zu befürchten hätten. Ich glaube, Herr Hahnemann, wir zwei können uns ganz beruhigt einer solchen Überprüfung beim nächsten Mal stellen.

(Beifall bei der SPD)

Ich denke, ich kann die Aussprache schließen. Es ist die Überweisung an den Justizausschuss beantragt worden, wer dieser zustimmt den bitte ich um das Handzeichen. Danke schön. Die Gegenstimmen bitte. 1 Gegenstimme. Stimmenthaltungen? Stimmenthaltungen gibt es nicht. Damit wird im Justizausschuss dieser Gesetzentwurf beraten und über Festlegungen und Beschlüsse des Ältestenrates muss, ja, das ist betont worden, der Ältestenrat selbst entscheiden. Ich schließe den Tagesordnungspunkt 14 a.

Ich komme zum Aufruf des Tagesordnungspunkts 15

Umsetzung der "Maßnahmen der Thüringer Landesregierung gegen häusliche Gewalt" Antrag der Fraktion der CDU - Drucksache 3/3599

Ich nehme an, Begründung durch die einreichende Fraktion wird nicht gegeben, da der Sofortbericht gegeben wird. Ich bitte für die Landesregierung Frau Staatssekretärin Meier.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, die Landesregierung hat im Frühjahr 2002 die

Maßnahmen gegen häusliche Gewalt beschlossen. Damit wurde in Thüringen im vergangenen Jahr ein umfangreiches Handlungskonzept verabschiedet. Ziel dieser Maßnahmen ist es, dem gesellschaftlichen Problem der häuslichen Gewalt wirkungsvoller und auf verschiedenen Ebenen zu begegnen. Seit Verabschiedung der Maßnahmen haben die beteiligten Ministerien vielfältige Anstrengungen unternommen, um diese innerhalb der Ressorts und den jeweils nachgeordneten Einrichtungen bekannt zu machen und für die Thematik stärker zu sensibilisieren. Auch viele Vereine, Verbände und Projekte sowie die kommunalen Gleichstellungsbeauftragten haben dafür gesorgt, dass die Maßnahmen der Thüringer Landesregierung gegen häusliche Gewalt mittlerweile thüringenweit und auch über die Grenzen Thüringens hinaus bekannt sind.

(Beifall bei der CDU)

An dieser Stelle geht mein besonderer Dank für Engagement und Unterstützung an alle, die zum jetzigen Sachstand beigetragen haben.

(Beifall bei der CDU)

Die einzelnen Punkte des Maßnahmeplans sowie bereits umgesetzte Projekte habe ich in der Plenarsitzung am 13. und 14. Juni 2002 dargelegt. Deswegen will ich mich in der heutigen Berichterstattung darauf beschränken, über die weitere Umsetzung des Beschlusses der Landesregierung zu informieren.

Meine Damen und Herren, wir haben es geschafft, wir haben eine stärkere Kooperation und Vernetzung aller beteiligten Berufsgruppen erreicht und auch in der breiten Öffentlichkeit Gehör gefunden. Häusliche Gewalt ist aus der Tabuzone herausgehoben, Medien berichten, jedenfalls hin und wieder, zu diesem Thema. Meine Damen und Herren, am 1. Januar 2002 ist das Gewaltschutzgesetz in Kraft getreten. Damit hat ein Paradigmenwechsel stattgefunden. Die von Gewalt betroffenen Frauen müssen nicht mehr zwingend die Flucht aus der gemeinschaftlichen Wohnung ergreifen, sondern der Täter muss gehen. Das Innenministerium hat hier früh mit der Sensibilisierung der Polizistinnen und Polizisten in der Aus- und Fortbildung begonnen. Die im Frühjahr des vergangenen Jahres erlassenen Leitlinien für die Thüringer Polizei geben den Polizistinnen und Polizisten einen Handlungsrahmen für Einsätze in Fällen häuslicher Gewalt, machen sie mit den neuen Regelungen und besonderen Einsatzsituationen in Fällen häuslicher Gewalt vertraut. Als Unterstützung zur Umsetzung der Leitlinien erarbeitete die Koordinierungsstelle Gewaltprävention gemeinsam mit der Polizeiabteilung im Thüringer Innenministerium und in Abstimmung mit meinem Bereich das Informationsblatt "Polizeiliche Maßnahmen in Fällen häuslicher Gewalt".

(Beifall bei der CDU)

Das Faltblatt dient zur Sensibilisierung der Bediensteten der Polizei in Fällen häuslicher Gewalt und gibt klare Handlungsanweisungen zum Umgang mit den Betroffenen. In der Polizei ist es zu einem veränderten Verständnis gekommen. Die eingesetzten Beamtinnen und Beamten gehen bei jedem Fall von häuslicher Gewalt vom Vorliegen eines öffentlichen Verfolgungsinteresses aus und leiten Ermittlungsverfahren wegen der entsprechenden Delikte ein. In der Polizeidirektion Gotha läuft im Zusammenhang mit der Umsetzung der Maßnahmen der Thüringer Landesregierung gegen häusliche Gewalt ein Pilotprojekt, bei dem Beamtinnen speziell mit der Wahrnehmung von Präventionsaufgaben und Aufgaben des Opferschutzes betraut sind. Eine erste Evaluation dieses Projektes ist für Ende dieses Kalenderjahres vorgesehen, dann wird im Thüringer Innenministerium über die weitere Vorgehensweise entschieden. Ich bin zuversichtlich, dass wir mittelfristig in jeder Polizeidirektion zumindest eine Opferschutzbeauftragte oder einen Opferschutzbeauftragten im Hauptamt haben werden.

(Beifall bei der CDU)

Im Justizbereich wurde über die Maßnahmen der Thüringer Landesregierung gegen häusliche Gewalt ebenfalls ausführlich informiert. Das bereits erwähnte Gewaltschutzgesetz ist ein sehr junges Gesetz, dessen Anwendungspraxis sich erst noch einspielen muss. Beim Staatsinstitut für Familienforschung an der Universität Bamberg ist diese Anwendungspraxis vom Bundesministerium für Justiz zum Gegenstand eines groß angelegten Forschungsvorhabens gemacht worden. An dieser Studie beteiligt sich auch die Thüringer Justiz. Weil Öffentlichkeitsarbeit und Aufklärung so wichtig sind, haben wir eine spezielle Opferinformation im Scheckkartenformat herausgegeben, die durch ihr handliches Format Frauen, die von Gewalt bedroht oder betroffen sind, über schnelle Hilfe informieren will. Wie groß der Bedarf an solchem Informationsmaterial ist, zeigt sich daran, dass diese Karte mit einer Stückzahl von 7.000 in wenigen Tagen vergriffen war. Weiterhin wurden in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe Öffentlichkeitsarbeit "Wege aus der häuslichen Gewalt" ein handlicher Ratgeber zum Gewaltschutzgesetz entwickelt, der einen schnellen Überblick über die wichtigsten Punkte im Zusammenhang mit dem Gewaltschutzgesetz gibt. Dieser Flyer wurde mit einer Auflage von 7.000 Stück landesweit verteilt. Auch die Maßnahmen der Thüringer Landesregierung gegen häusliche Gewalt sind mittlerweile mit einer Auflage von 5.000 Stück vergriffen. Es wurde eine Plakataktion umgesetzt, die Opfer von häuslicher Gewalt ermutigen soll, Beratung und Hilfe anzunehmen. Die Resonanz auf diese Öffentlichkeitsmaßnahmen war ausgesprochen positiv. Weitere öffentlichkeitswirksame Maßnahmen sind in Planung. So soll mit einer Postkartenaktion in Zusammenarbeit mit der Koordinierungsstelle Gewaltprävention eine jüngere Zielgruppe für das Thema der häuslichen Beziehungsgewalt sensibilisiert und angesprochen werden.

Meine Damen und Herren, seit Jahren unterstützt die Thüringer Landesregierung die Beratungseinrichtungen für die Opfer von häuslicher Gewalt. So wurden neben verschiedenen anderen Beratungsstellen vor allem 26 Frauenhäuser und -schutzwohnungen und 14 Kinderschutzdienste auch im Haushaltsjahr 2003 über beachtliche Landesmittel gefördert. Wir sind dabei, im Rahmen des bestehenden Beratungsnetzwerks Interventionsstellen einzurichten, die sich zu speziellen Anlaufstellen für von Gewalt betroffene Frauen qualifizieren sollen. Die Interventionsstellen sollen pro aktiv arbeiten und möglichst zeitnah die Betroffenen nach der polizeilichen Ermittlung aufsuchen und beraten.

Ich erhoffe mir von diesem neuen Weg, dass damit auch solche Betroffene angesprochen werden, die sich nicht in ein Frauenhaus begeben würden. Neben der psychosozialen Erstberatung sollen die Interventionsstellen eine Koordinierung der Hilfemaßnahmen für die Frauen gewährleisten und eine enge Vernetzung sicherstellen. Eine Anpassung der entsprechenden Förderrichtlinien wurde bereits vorgenommen. Gemeinsam mit den Vereinen und Verbänden haben wir Leistungskriterien für die Arbeit mit von Gewalt betroffenen Frauen und Kindern in den Interventionsstellen entwickelt, die als Arbeits- und Orientierungshilfe dienen sollen.

Neben spezialisierten opferorientierten Einrichtungen müssen Beratungsangebote für die Täter stärker ins Blickfeld rücken. Effektiver Opferschutz kann nur erzielt werden, wenn gleichzeitig auch Hilfsangebote für Täter zur Verfügung stehen, die ihnen ermöglichen, sich mit ihrem gewalttätigen Verhalten auseinander zu setzen und dafür auch die Verantwortung zu übernehmen. Die Täterberatungsstelle der Pro Familia in Weimar hat im Juli dieses Jahres ihre Arbeit aufgenommen. Sie soll niederschwellige Beratungsangebote für Täter vorhalten sowie helfen, ein dem so genannten Passauer Modell vergleichbares Projekt auch in Thüringen zu erproben. Die Zusammenarbeit der Beratungsstelle mit Gericht und Staatsanwaltschaft ist in diesem Zusammenhang auf- und auszubauen. Eine wissenschaftliche Begleitung der Arbeit der Täterberatungsstelle konnte abgesichert werden und wird von Herrn Prof. Bullinger von der Fachhochschule Erfurt geleistet. Die Anbindung an das Projekt "Wissenschaftliche Begleitung und Interventionsprojekte gegen häusliche Gewalt" - kurz WIBIG - ermöglicht eine bundesweite Vergleichbarkeit der erhobenen Daten.

Auch in der Aus- und Fortbildung rückt die Thematik der häuslichen Gewalt stärker ins Blickfeld. Am Bildungszentrum der Thüringer Polizei wird die Thematik im Rahmen der Fortbildung in verschiedenen Fachlehrgängen besprochen, so z.B. in Seminaren für Dienstgruppenleiterinnen und -leiter sowie Kontaktbereichsbeamtinnen und -beamte. Die Ausbildung zum mittleren Polizeivollzugsdienst wurde zum September 2002 neu strukturiert. Gegenwärtig führen 86 Polizeianwärterinnen und -anwärter Handlungstrainings in einem explizit

mit dem Thema der häuslichen Gewalt verbundenen Modul durch. In einem späteren Modul werden die Beamten die erlangten Kenntnisse vertiefen und werden nochmals gesondert auf berufsethische Aspekte hingewiesen.

(Beifall bei der CDU)

Für den Bereich der Fachhochschule wurde das Thema der häuslichen Gewalt in das Curriculum aufgenommen und ist bereits Gegenstand des laufenden Studiengangs. Gastreferentinnen und -referenten halten Vorlesungen zu diesem Thema. Der weitaus größere Teil der Beamtinnen und Beamten wurde und wird in der dezentralen Fortbildung in die Thematik eingewiesen. 4.790 Polizeibedienstete behandelten im Grundseminar der verhaltensorientierten Fortbildung in der Zeit von 1995 bis 2000 auch die Thematik innerfamiliärer Auseinandersetzungen. Die neuen rechtlichen Voraussetzungen fanden Eingang in die Planung weiterer dezentraler Fortbildungsveranstaltungen. Im kommenden Jahr werden Tagesveranstaltungen zum Thema durchgeführt.

Das Thüringer Justizministerium bietet für die Richterinnen und Richter Fortbildungen zum Gewaltschutzgesetz an. Das Thüringer Ministerium für Soziales, Familie und Gesundheit und das Thüringer Justizministerium werden gemeinsam mit Unterstützung der Fachhochschule Erfurt und dem Landesamt für Soziales und Familie ein Weiterbildungsseminar am 4. und 5. November 2003 zur "interdisziplinären Zusammenarbeit zwischen den Familiengerichten, Jugendämtern und Erziehungs-, Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstellen für die Sicherung des Kindeswohls bei Trennung und Scheidung - Wege aus der Konfliktbewältigung" durchführen. Auch das Kultusministerium wird sich mit speziellen Fortbildungsveranstaltungen für Lehrerinnen und Lehrer stärker für eine angemessene Information einsetzen.

Eine der einberufenen Arbeitsgruppen beschäftigt sich ausschließlich mit dem Aus- und Fortbildungsbedarf der verschiedenen Berufsgruppen und wird hier Empfehlungen und Anregungen erarbeiten. Wichtig ist, einen Leitfaden für Lehrpersonal zu entwickeln, damit dieses häusliche Gewalt bei Kindern und Jugendlichen eher erkennen und mit den Betroffenen auch richtig umgehen kann. Hier sehe ich eine wichtige Aufgabe für die Zukunft.

Auf die einzelnen Arbeitsgruppen werde ich an anderer Stelle meines Berichts nochmals genauer eingehen. Bei der Thüringer Polizei werden seit dem 01.01.2002 in den Polizeidirektionen die Zahlen und Daten bei Fällen häuslicher Gewalt statistisch erfasst. In der Polizeidirektion Gotha wurde darüber hinaus modellhaft ein Erfassungsbogen "Häusliche Gewalt" entwickelt, der explizit Örtlichkeit, Mitteiler, Täter, Geschädigte, am Einsatzort Anwesende, die veranlassten Maßnahmen und die einbezogenen Behörden ausweist. Für das kommende Jahr wird die Einführung eines landesweit einheitlichen Erfassungsbogens angestrebt. Die Polizei des Freistaats Thü

ringen ist bestrebt, die in der Kommission "Polizeiliche Kriminalstatistik" geführte Diskussion zur bundeseinheitlichen Einführung eines Erfassungsmoduls für Straftaten im Bereich der häuslichen Gewalt konstruktiv voranzubringen und spätestens im Jahr 2004 einzuführen. Des Weiteren befinden sich Vertreter der Thüringer Polizei in ständigem Erfahrungsaustausch mit den anderen Landespolizeien.