Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat sich Abgeordneter Fiedler, CDU-Fraktion, zu Wort gemeldet.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, vor uns liegt der Gesetzentwurf der PDS-Fraktion. Herr Dittes: "Alter Wein in neuen Schläuchen". Wir haben das schon mehrfach von Ihnen zu den unterschiedlichsten Zeitpunkten, zu den unterschiedlichsten Anlässen gehört, immer wieder dasselbe. Ich gehe mal davon aus, Sie hatten in der parlamentarischen Sommerpause wahrscheinlich nichts zu tun, da haben Sie gedacht, jetzt müssen wir doch etwas machen und müssen mal wieder einen Gesetzentwurf bringen. Ich will Sie noch einmal darauf hinweisen, dass ja gerade die Landesregierung auch den Wahltermin beschlossen hat, wann die entsprechenden Wahlen stattfinden. Ich glaube, wir sind sehr gut beraten, dass die Dinge jetzt zu keiner Verunsicherung führen, die wir in den Gesetzen geschrieben haben, sondern dass wir das kontinuierlich weiterführen. Die meisten Dinge, die Sie hier in Ihren Gesetzentwurf reingeschrieben haben, lehnen wir sowieso ab. Das haben wir schon mehrfach gesagt. Ich fange an, nur ein paar Anstriche zu nennen, Wahlalter auf 16 Jahren absenken: Herr Kollege Ramelow, vielleicht sollten Sie sich mit dem Sommerlochfüller Herrn Solms von der FDP im Bund zusammentun. Er hat einen Preis gekriegt - bester Sommerlochfüller. Er hat nämlich vorgeschlagen, dass in Zukunft bei Abstimmungen in den Familien die Kinder alle mit abstimmen. Machen wir dann bei den Kindern einen Daumenabdruck, nehmen Sie ihn dazu, tun Sie sich mit Herrn Solms zusammen, damit Sie vielleicht meinen, dass Sie mehr Stimmen bekommen. Es lohnt sich einfach nicht mehr darüber zu reden.
Sehen Sie sich doch die Studien an, die wir dazu auch hier schon im Landtag gehört haben, wie die Jugend selber darüber denkt, dass das Wahlalter noch weiter abgesenkt wird. Da sollten Sie ab und zu einmal hinhören. Ich will weiterhin darauf verweisen, dass wir gerade erst - vor gar nicht langer Zeit - die Kommunalordnung novelliert und wir uns dazu mehrheitlich in dem Haus entschieden haben, dass die Bürgermeister und die VG-Vorsitzenden, also nicht nur die hauptamtlichen, auf sechs Jahre gewählt werden, sondern auch die ehrenamtlichen. Jetzt wollen Sie das in Ihrem Gesetzentwurf wieder zurückdrehen, dass Sie also wieder auf die Zeit der Gebietskörperschaft, auf die fünf Jahre zurückgehen. Ich halte das alles für vollkommen unausgegoren, vollkommen destruktiv, was Sie uns hier anbieten.
Ja, das können Sie ruhig mit Herrn Solms verabreden. Herr Solms ist ja genau so in einer Splitterpartei, wie Sie sie auch bald sein werden.
Herr Abgeordneter Fiedler, es handelt sich um Parteien, die sich zur Wahl stellen, und das würde ich nicht als "Spinnerpartei" durchgehen lassen.
Frau Präsidentin, die Weisheit der Präsidentin ist unergründlich. Ich will noch einmal darauf verweisen, dass wir auch noch in Mecklenburg-Vorpommern - und da sollten Sie vielleicht auch in ihrer eigenen Truppe anfangen - die 5-Prozent-Hürde haben. Da sind Sie ja schon eine Weile an der Regierung.
Sie arbeiten daran, das ist in Ordnung. Treffen Sie sich einmal dort und arbeiten Sie einmal daran. Sie werden jedenfalls in Thüringen kein Glück haben, dass wir das ändern. Ich könnte noch einige Punkte herausgreifen, dass Sie insgesamt allen Bürgern das Wahlrecht - nicht nur EU-Bürgern -, sondern allen hier entsprechend das Wahlrecht einräumen wollen; wir halten das auch aus verfassungsrechtlichen und anderen Gründen nicht für notwendig. Wir wollen das auch nicht, damit das ganz klar ist.
Ihre so genannte Scheinkanditatur, wie Sie es bezeichnen, auch das möchte ich entschieden zurückweisen, das sind keine Scheinkanditaturen und jeder Bürger hat das Recht, dass er sich entsprechend mit bewerben kann und danach muss er sich entscheiden, nimmt er es an oder nicht.
Ja, das ist einfach so, da brauchen Sie gar nicht zu lachen. Das ist die Rechtslage - auch das ist schon nachgefragt worden. Das einzige, was mir Sympathie abringen würde in Ihrem Ganzen - und ich gehe auch einmal davon aus, dass auch die Landesregierung dort weiterarbeitet, um bestimmte praktische Dinge umzustellen, die aufge
treten sind -, ist mit den Briefumschlägen zur Wahl, da würde ich Ihnen ohne weiteres zustimmen. Ich glaube, auch das ist geregelt.
Meine Damen und Herren von der PDS, der Gesetzentwurf, den Sie uns vorgelegt haben, ist unbrauchbar. Wir werden ihn auch nicht an den Ausschuss überweisen, weil alles das schon zehnmal durchdiskutiert worden ist, und wir werden ihn ablehnen.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, der Kollege Fiedler hat jetzt in einem Rundschlag
schon den Gesetzentwurf in Bausch und Bogen verbannt und angekündigt, dass er nicht einmal im Ausschuss beraten wird. Das würde ich zumindest erst einmal bedauern. Auf der
anderen Seite ist natürlich aus dieser kurzen Debatte klar geworden, dass beide Fraktionen hier auch ein Stück Nachhilfebedarf haben, wenn es um die Frage der 5-ProzentKlausel in Thüringen geht. Die PDS begründet: Damit folgt Thüringen dem Beispiel anderer Bundesländer. Das ist für mich kein Grund, verehrte Damen und Herren. Die CDU sagt: So etwas kann es nicht geben. Das ist natürlich erst recht keine Begründung.
Ich werde einmal versuchen, Sie über das Problem der 5Prozent-Klausel in Thüringen aufzuklären. Über die anderen Punkte werde ich nicht sprechen, zu diesen Punkten habe ich eine unterschiedliche Meinung, die Meinung ist aber den Kollegen im Innenausschuss bekannt. Da es nicht beraten wird, wie Herr Fiedler angedroht hat und es kraft Mehrheit durchsetzen kann, werde ich nicht Stellung nehmen, ich werde Ihnen aber meinen Beitrag zur 5-Prozent-Klausel
Was bedeutet eigentlich die 5-Prozent-Klausel? Die bedeutet, dass bei einem Wahlvorgang das aktive Wahlrecht von einer großen Anzahl von Bürgern, das können bei der Landtagswahl in Thüringen über 10.000 Bürger sein, wenn
man das ausrechnet, beschränkt wird. Diese Stimmen werden nämlich nicht in die Verteilung mit einbezogen - das wissen Sie. Wenn ich jetzt aber das aktive Wahlrecht von Bürgern begrenze, dann muss ich äußerst schwer wiegende Gründe dafür ins Feld führen, um dies auszugleichen. Stellen Sie sich mal bitte, meine Damen und Herren, eine Waage vor, falls Sie dazu in der Lage sind. Ich lege auf die eine Seite der Waage die 10.000 Stimmen der Bürger, die zwar zur Wahl gegangen sind, von ihrem aktiven Wahlrecht Gebrauch gemacht haben, deren Wahlrecht aber praktisch nicht mit bewertet wird. Die wiegen natürlich außerordentlich schwer auf dieser Waage. Da muss ich auf die andere Seite der Waage schon etwas draufpacken können, damit ich sie wieder ins Austarieren bringe.
Jetzt reden wir einmal vom Beispiel der Landtagswahl, hier ist die Kommunalwahl gemeint. Dort ist das Gegengewicht, was ich auf die Waage bringe, die Stabilität im Freistaat Thüringen, weil ich nur durch die 5-ProzentKlausel eigentlich gewährleiste, dass es entweder eine alleinige regierungstragende Fraktion gibt oder eine starke Koalition, die ausreichender Boden ist, um eine Regierung über eine Legislaturperiode handlungsfähig zu halten. Das heißt, das ist ein schwer wiegendes Gewicht und mit diesem Gewicht kann ich die Austarierung der Waage gewährleisten und das würde Ihnen auch jemand, der mehr im Verfassungsrecht steht als ich, jederzeit darstellen.
Bei den Kommunalwahlen ist es anders, aber eben qualitativ unterschiedlich; nicht nur, weil in anderen Ländern das so ist, sondern hier müssen Sie die Länder unterscheiden, die eine Urwahl des Bürgermeisters bzw. des Landrats haben, und die Länder, in denen der Bürgermeister oder Landrat aus dem entsprechenden Parlament gewählt wird. Ich weiß, dass das kein Parlament ist, machen Sie mir da keinen Vorwurf - nur, damit es verständlicher wird. Wenn ich die Urwahl habe - und die habe ich in Thüringen -, dann ist der gewählte Bürgermeister oder der gewählte Landrat von der gesamten Bevölkerung eben in dieser Urwahl von sich legitimiert und bildet unabhängig von den Mehrheitsverhältnissen in diesem Parlament eine Regierung, und zwar eine stabile Regierung. Er hat auch die entsprechende Legitimation dazu.
Diesen Zustand haben wir in Thüringen. Unter diesem Zustand ist es verfassungsrechtlich - ich wage diese Behauptung - bedenklich, die 5-Prozent-Klausel beizubehalten. Deswegen ist meine persönliche Meinung die, dass die 5-Prozent-Klausel in Thüringen weggehört, nicht, um anderen Ländern nun einfach zu folgen, weil es im Trend ist oder irgendetwas, sondern weil es in sich nicht gerechtfertigt ist, weil in sich diese Beeinträchtigung des aktiven Wahlrechts sich in Thüringen bei der gültigen Kommunalverfassung nicht rechtfertigen lässt.
Sie haben vielleicht eine seltsame Vorstellung. Jetzt habe ich Sie aber auf dem falschen Fuß erwischt. Ich habe von einer Waage gesprochen. Und da sage ich, das Wahlrecht von so vielen Bürgern, das wiegt schwerer, ob ein Republikaner im Parlament sitzt. Das macht mir dann überhaupt nichts aus. Nicht, weil ich was für die übrig hätte, sondern wenn der Republikaner gewählt wird, dann muss ich mich mit den Prozenten auseinander setzen, die ihn gewählt haben. Da ist der eine Republikaner hier drin, der spielt keine Rolle, sondern ich muss mich mit den Leuten auseinander setzen, die draußen die Republikaner wählen. Und jetzt will ich Ihnen noch was sagen, damit Sie es vielleicht doch irgendwann begreifen. Diese 5-ProzentKlausel ist eigentlich für die große Anzahl von Gemeinden eh absurd. In Thüringen wählen alle Gemeinden bis 10.000 Einwohner einen Stadtrat in der Stärke bis 20 Abgeordneten. Das heißt, dort muss jeder 5 Prozent selber schultern. Das heißt, diese 5-Prozent-Klausel wird eigentlich erst wirksam bei Gemeinden über 10.000 Einwohner. Nun wissen Sie, wie viel das in Thüringen sind. Selbst beim größten Parlament in Thüringen wiederum ist automatisch, wenn ich die 50 Abgeordneten teile - also von Erfurt diese 50 Abgeordneten -, da hat ja sowieso schon jeder 2 Prozent von den 100 Prozent Wahlstimmen auf dem Buckel. Das heißt also, eine 2-Prozent-Klausel verbleibt ja, selbst wenn ich die 5-Prozent-Klausel aufhebe, dann verbleibt ja naturgemäß rechnerisch - falls Sie mir folgen können - bei 50 Abgeordneten eine 2-Prozent-Klausel. Das heißt also, die Spannbreite ist nur zwischen 5 Prozent und 2 Prozent und betrifft nur die Städte und Gemeinden über 10.000 Einwohner. Nun sagen Sie mir mal, wo das Problem dabei ist. Aber das Zahlenbeispiel ist für mich nicht das Entscheidende, sondern das Entscheidende ist für mich die verfassungsrechtliche Frage. Ich bin der Meinung, dass wir uns im Innenausschuss und im Justizausschuss, ungeachtet von dem jetzt von Ihnen weggeschobenen Vorschlag der PDS, vor dem Hintergrund dieser Kommunalgesetzgebung, dieser Urwahl über die Berechtigung dieser 5-Prozent-Klausel unterhalten müssen. Danke schön.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ja, wir wählen in neun Monaten. Genau - nun wissen wir es, Herr Fiedler am 27. Juni des Jahres 2004 wählen die Bürger Thüringens ihre ehrenamtlichen Bürgermeister, die Ortsbürgermeister, sie wählen die Gemeinderats-, die Stadtrats- und auch die Kreistagsmitglieder. Wenn die PDS jetzt Änderungen in den kommunalwahlrechtlichen Bestimmungen vorschlägt, dann meinen wir, dass das genau der richtige Zeitpunkt ist, und nicht, Herr Fiedler, wie Sie sagen, dass
durch Neuregelungen Unsicherheiten entstehen würden. Ich darf an dieser Stelle vielleicht nur bemerken, dass selbst in Nordrhein-Westfalen bis kurz vor der Wahl beispielsweise die 5-Prozent-Klausel noch abgeschafft wurde und die Wahlen haben dadurch nicht gelitten. Die Bürger, meine Damen und Herren, die kommunalen Mandatsträger und die kommunalen Wahlbeamten stimmen sich allmählich langsam auf diese bevorstehenden Wahlen ein. Veränderte gesetzliche Regelungen, meinen wir, werden ein Signal dafür sein, dass die Wahlen bedeutsam sind. Es ist bekannt, das weiß jeder von uns hier im Saal, dass die Wahlbeteiligung bei den Kommunalwahlen in der Tendenz rückläufig ist. Das hat unbestritten vielfältige Ursachen. Hauptursache ist dabei, dass die Bürger zunehmend das Gefühl haben, dass es in den Kommunen kaum noch Entscheidungsmöglichkeiten gibt und kaum noch Entscheidungsspielräume. Sie sind Bürgermeister, Herr von der Krone, Sie wissen das aber eigentlich selbst sehr gut über wie wenig Sie noch entscheiden können mit Ihren Leuten.
Wo diese Spielräume fehlen, macht sich Unmut breit und die Bürger verweigern zunehmend ihre Mitwirkung. Die Nichtteilnahme an den Wahlen ist ein Ausdruck von Protest, aber auch Resignation, weil sich sowieso nichts ändert. Für unser demokratisches Gemeinwesen ist dies keine begrüßenswerte Entwicklung. Die Kommunen brauchen wieder größere Entscheidungsspielräume. Ist das der Fall, wächst dann auch das Bürgerinteresse. Wir brauchen aber auch mehr Bürgerbeteiligungsmöglichkeiten. Die Kommunalwahl ist sicher die höchste und wichtigste Form der demokratischen Teilhabe für die Bürger. Andererseits wollen die Bürger nicht, dass sich ihre Mitwirkungsmöglichkeiten auf Wahlen allein beschränken.
Ich denke, dass Thüringen hier die rote Laterne in der Bundesrepublik bei der direkten Demokratie abgeben und mit anderen Bundesländern gleichziehen muss.
Bayerische Verhältnisse bei Bürgerbegehren und bei Bürgerentscheiden wären letztlich für die Thüringer Bürger erstrebenswert. Sie hätten es auch verdient. Doch diese Chance haben wir in Thüringen gerade mit der Novelle der Kommunalordnung vergeben. Es ist Tatsache, wer nur ganz beschränkt an kommunalen Entscheidungen mitwirken kann, der wird auch zunehmend wahlmüde.
Meine Damen und Herren, auch die wahlrechtlichen Bestimmungen tragen zum Teil dazu bei, dass eine zunehmende Anzahl der Bürger der Wahl fern bleibt und hier will die PDS Veränderungen. Ich will aber sagen, dass