Protocol of the Session on July 3, 2003

(Beifall bei der PDS)

Das wäre eben auch ein Schritt zu mehr sozialer Gerechtigkeit. Hier schließt sich der Kreis zu den realen Lebensumständen der Thüringerinnen und Thüringer. Hier haben wir den Kristallisationspunkt aller Probleme zwischen Abwanderung, Überalterung, konkreten familiären Bedingungen, in denen Kinder aufwachsen. Hier bietet sich an, die Erfahrungen aus allen drei Enquetekommissionen zu nutzen und für unsere Politik nutzbar zu machen. Zukunft in Thüringen heißt damit soziale Gerechtigkeit in Thüringen zu erfahren. Dieses Credo müsste eine Landesregierung haben, egal von welcher politischen Partei sie getragen wird.

Zusammengefasst heißt damit für die PDS-Fraktion Zukunft in Thüringen:

1. Wir brauchen in Thüringen eine Innovationsoffensive, die uns Zukunftschancen nachhaltig eröffnet.

(Beifall bei der PDS)

2. Wir brauchen eine Bildungs- und Ausbildungsoffensive, die den Wert von Bildung betont und Bildung endlich und nachhaltig chancengleich garantiert.

(Beifall bei der PDS)

3. Wir brauchen eine Infrastrukturoffensive für eine ausgewogene Entwicklung des gesamten Freistaats Thüringen mit all seinen Regionen.

(Beifall bei der PDS)

4. Wir brauchen eine Offensive für Arbeit und soziale Gerechtigkeit, damit Zukunft in Thüringen möglich ist.

(Beifall bei der PDS)

An Ihren Taten wollen und werden wir Sie messen, Herr Ministerpräsident.

(Zwischenruf Abg. Gentzel, SPD: Na, na.)

Unser Zukunftsprogramm habe ich versucht mit diesen Eckpunkten zu umreißen. Zur 100-Tage-Bilanz, Herr Ministerpräsident, ist es noch ein bisschen früh. 28 Tage sind um, 72 Tage haben Sie noch vor sich. Aber so viel sei verraten: Heute, das war schwach angefangen und stark nachgelassen. Sie können besser, Herr Ministerpräsident, zumindest unser Land hätte es verdient. Vielen Dank.

(Beifall bei der PDS)

Es hat jetzt das Wort der Vorsitzende der SPD-Fraktion, Herr Gentzel.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, es hat im Vorfeld Ihrer heutigen Regierungserklärung viele Spekulationen gegeben, was Sie uns heute wohl so Neues anbieten. Es war da von der Erarbeitung eines eigenen Profils die Rede, man hoffte, dass von Ihrer heutigen Regierungserklärung zusätzliche Impulse zur Entwicklung des Freistaats Thüringen ausgehen. All diesen Erwartungen sind Sie nicht gerecht geworden.

(Beifall bei der SPD)

Wir in der SPD-Landtagsfraktion hatten gehofft, dass es zu einer Art Stunde der Wahrheit wird, dass Sie neben den positiven Dingen in der Entwicklung des Freistaats, die Sie ja meistens auch doppelt erwähnen, wir hatten angenommen, dass Sie auch über unsere Probleme und über unsere Schwächen reden und dass Sie Lösungsansätze formulieren, wie wir mit diesen Problemen umgehen. Nein, das war heute nicht die Stunde der Wahrheit, vielmehr die Stunde des Auslassens, des Beschönigens, des Gesundbetens.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben eben keine Lösungsansätze für unsere Probleme in Thüringen dargestellt. Vielleicht reicht das, was Sie heute hier formuliert haben, für einen Ministerpräsidenten bis zur nächsten Landtagswahl aus, aber darüber hinaus nicht.

(Beifall bei der SPD)

(Zwischenruf Abg. Groß, CDU: Schauen wir einmal.)

Um Ihrer Entscheidungsfreude etwas auf die Sprünge zu helfen, hat die SPD-Landtagsfraktion mehrere Entschließungsanträge zu Ihrer Regierungserklärung formuliert. Stimmen Sie diesen zu! Meine Damen und Herren, ich will es frei formulieren: Wir Thüringer Sozialdemokraten sind im Sinne des Freistaats zu einer gewissen Kooperation mit dieser Landesregierung in inhaltlichen Fragen bereit, aber das von Ihnen beschriebene Fundament ist nicht in der Lage, eine solche Zusammenarbeit zu tragen. Ich wiederhole mich nur ungern, es war nicht die Stunde der Wahrheit, es ist die Stunde der Enttäuschung.

(Beifall bei der SPD)

An einem wesentlichen Punkt gibt es eine klare Übereinstimmung. Was wir auch hier in Thüringen brauchen, ist Wirtschaftswachstum. Alle unsere Probleme hängen direkt mit der Frage zusammen, wie wächst und wie entwickelt sich die Wirtschaft in Thüringen. Auch da von Ihrer Seite nicht vieles, vor allen Dingen kaum Neues heute hier ausgesprochen. Vielmehr haben Sie, man möchte schon sagen, in alter unbewährter Form sich darin gefallen, mit dem Vorschlaghammer in Richtung Bundesregierung zu schlagen. Man mag das aus rein parteipolitischen Gründen noch verstehen. Dem Freistaat hilft das nicht weiter und überhaupt, Ihre Kritik an der Bundesregierung entwickelt sich immer mehr zum Bumerang. Sie kritisieren die angeblichen Schwächen der Bundesregierung, aber in Ihrer eigenen Truppe ist noch nicht einmal geklärt, wer eigentlich führt. Ist es nun die Frau Merkel oder doch noch der Herr Stoiber oder vielleicht schon der Herr Koch? Bundesweit nehmen wir im Augenblick wahr,

(Zwischenruf Abg. Seela, CDU: Hier ist der Landtag und nicht der Bundestag.)

dass es in der CDU/CSU ein Hauen und Stechen in inhaltlichen und personellen Fragen gibt. Ich erwähne da nur das Durcheinander bei der Gesundheitsreform, die unterschiedlichen Aussagen aus Ihrer Partei zur Europäischen Verfassung und den innerparteilichen Hick-Hack um das Vorziehen der Steuerreform. Der ehemalige Vorsitzende der CDU-Bundestagsfraktion, Herr Merz, hat Recht, in den letzten Tagen und Wochen hat er immer wieder das Erscheinungsbild der Bundes-CDU hart kritisiert. Recht hat er und so bleibt nur eine durchschlagende Erkenntnis: Natürlich, meine Damen und Herren von der CDU, wollen Sie auf Bundesebene wieder regieren, nur regie

rungsfähig sind Sie nicht.

(Beifall bei der SPD)

Viel schlimmer noch: Das unsortierte Macht- und Personalgefüge in der CDU gefährdet die so wichtigen Reformen für Deutschland.

(Zwischenruf Abg. Seela, CDU: Wir sind in Thüringen.)

Die ganze Widersprüchlichkeit Ihrer Argumentation, Herr Althaus, möchte ich an einem Beispiel klar machen. Es war doch nicht strittig in diesem Haus, dass die Fragen der Infrastruktur, die Verbesserung der Infrastruktur eine wesentliche Entwicklungsfrage für Thüringen ist. Der Bund, die Bundesregierung leistet dort Großes. Bis 2015 wird es Straßenbauinvestitionen von rund 4 Mrd.   ben. Weitere 4,5 Mrd. "     #    ICE-Strecke Nürnberg-Erfurt-Leipzig gesteckt. Kein anderes Bundesland erhält anteilig so hohe Investitionen des Bundes für den Ausbau der Infrastruktur.

(Beifall bei der SPD)

Trotzdem, meine Damen und Herren, ein ständiges Einschlagen auf die Bundesregierung in dieser Frage und der ständige Vorwurf, sie würde nicht bzw. zu langsam handeln. Schauen wir uns einmal an, was diese Landesregierung denn für die Landstraßen und für den Teil der Infrastruktur tut, für den sie verantwortlich ist. Thüringen gibt im Jahr 2003 pro Einwohner 62   $ bau von Landes- und Kommunalstraßen aus. In Sachsen sind es mit 116  %% so viel. Auch Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern liegen mit jeweils rund 82 &  " '(   

(Zwischenruf Althaus, Ministerpräsident: Wir hatten auch, Gott sei Dank, keine Flut.)

Das Hinterhältige und Scheinheilige an Ihrer Politik wird so ganz deutlich. Mit dem Finger laut rufend auf andere zeigen in der Hoffnung, dass die eigenen Fehler, die eigenen Unterlassungssünden vergessen werden.

(Beifall bei der SPD)

Was Sie, Herr Ministerpräsident, von einem Vorziehen der Steuerreform halten, weiß bald niemand mehr. Ihre Meinungen sind so vielschichtig vom uneingeschränkten "Ja" über das "Ja, aber" bis hin zum "vielleicht Nein". Warum sind Sie nicht in der Lage, sich hier hinzustellen und zu sagen, Sie sind für das Vorziehen der nächsten Stufe der Steuerreform ohne wenn und aber.

(Beifall bei der SPD)

(Zwischenruf aus der CDU-Fraktion: Weil das töricht ist.)

Nein, mit Ihrem heute formulierten "Ja, aber" wissen wir eben nicht, wofür Sie sind. Sehr wohl wissen wir, wogegen Sie sind, nämlich gegen einen Abbau von Subventionen. Sie formulieren dieses zwar ständig anders, aber werden Vorschläge gemacht, kommt immer zuerst aus Thüringen das Nein. Anstatt ständig Nein zu sagen, sollen Sie endlich formulieren, was wir hier in Thüringen dafür tun können, dass wir z.B. bei der Frage des Wirtschaftswachstums endlich die rote Laterne bei den neuen Bundesländern abgeben.

(Zwischenruf Abg. Dr. Pietzsch, CDU: Was heißt denn endlich?)

(Beifall bei der SPD)

So leisten wir uns nach einer Studie der IHK den ausgeprägtesten Förderdschungel in ganz Deutschland. 48 Richtlinien im Bereich der Wirtschaftsförderung, das kann sich in Deutschland nur der Freistaat Thüringen leisten. Mit all diesen Richtlinien beschäftigen sich dann stolze 23 Einrichtungen. Auch da befinden wir uns im Spitzenfeld der Bundesrepublik. Da steigt auch längst keiner mehr durch, durch das Kompetenzwirrwarr von TIP und TAP und TAF. Wozu wir die übrigens alle brauchen, weiß auch kein Mensch mehr. Was wird denn nun aus der STIFT und aus der Ernst-Abbe-Stiftung? Wie geht es denn jetzt endlich weiter mit der GfAW? Alles Fragen an die Landesregierung und keine Antworten.

(Beifall bei der SPD)

Oder vielleicht doch? Herr Schuster hat in seiner Abschiedsrede gesagt, die Umstrukturierung der Landesgesellschaften ist abgeschlossen. Sie, Herr Ministepräsident, behaupten, die Landesgesellschaften sind reformiert. Davon kann nun aber wirklich keine Rede sein. Ähnliches bei der wirtschaftsnahen Forschung. Sie ist eine der wichtigsten Eckpfeiler zur Schaffung von Clustern und Netzwerken. Wirtschaftsnahe Forschungseinrichtungen entwickeln für Unternehmen und in deren Auftrag die Neuerung oder anders gesagt den Vorsprung von morgen; und genau hier wird gespart. Sie ziehen Ihre Eigenanteile zu Lasten von EFRE zurück. Sie verhindern die Schaffung von Strukturen, die notwendig sind für eine ausreichende Basis für unternehmensnahe Forschung und Entwicklung. Trotzdem leisten die noch verbliebenen 18 wirtschaftsnahen Forschungsinstitute Hervorragendes. Schwierigkeiten haben diese im Übrigen, weil Projektfördermittel vom Bund und vom Land nicht rechtzeitig zur Verfügung stehen und zwischenfinanziert werden müssen. Die so genannte Grundfinanzierung der Institute ist eben nicht für alle dieser 18 Institute sichergestellt. Herr Ministerpräsident, sorgen Sie dafür, dass zukünftig die Projektfördermittel zeitnah ausgezahlt werden, beziehen Sie STIFT stärker in die Verantwortung für alle Unternehmen und nicht nur für einzeln ausgewählte Einrichtungen ein und sichern Sie die Grundfinanzierung dieser Institute. Wir schlagen Ihnen vor, beginnen Sie bei 25 Pro

zent Grundförderung und lassen Sie diese dann degressiv auslaufen und klären Sie endlich die Zuständigkeit für diese Institute in einem Haus, entweder im Wirtschaftsoder im Forschungsministerium.

(Beifall bei der SPD)

Sehr geehrter Herr Wirtschaftsminister Reinholz, es hat im Thüringer Landtag eine Enquetekommission zur Verbesserung der Wirtschaftsstrukturen und der Wirtschaftsförderung in Thüringen gegeben. Ihr Vorgänger, Herr Schuster, hatte so eine eigene Art mit diesen Empfehlungen umzugehen. Die, die ihm passten, hat er umgesetzt, andere sind noch offen. Ich denke da z.B. an die Empfehlungen zu dem one stop offices, auch dazu gibt es heute einen Entschließungsantrag der SPD-Fraktion. Nehmen Sie sich dieser Dinge an, so wie sie hier im Thüringer Landtag verabschiedet worden sind. Im Übrigen, wenn ich mich recht entsinne, wurde in dieser Enquetekommission auch die Schaffung von großen Gewerbegebieten angeregt, um interessierten Investoren einen Standort in Thüringen anzubieten. Es sollte in jeder Planungsregion ein großes Gewerbegebiet vorgehalten werden - bis heute Fehlanzeige. Es gibt noch kein Signal der Landesregierung, dieses entschlossen voranzutreiben oder die erforderliche Finanzierung hierfür zu klären. Kein Wort davon, Herr Ministerpräsident, in Ihrer Regierungserklärung.

(Beifall bei der SPD)