Es ist, Herr Ministerpräsident, im Wesentlichen Ihr Verdienst, in der 1. Legislaturperiode grundhaft Ordnung in die Landesregierung gebracht zu haben. So wurden Abläufe deutlicher nachvollziehbar. Wichtig war auch, dass Sie dem damaligen F.D.P.-Wirtschaftsminister an einer Stelle deutlich widersprochen haben, nämlich, dass wir industrielle Kerne in Thüringen nicht brauchen. Wir brauchten sie und wir brauchen sie sehr wohl. Der Schaden, den die falsche Wirtschaftspolitik des damaligen Wirtschaftsministers Bohn angerichtet hat, ist wohl auch heute noch kaum zu beziffern. Nicht unerwähnt, wenn allerdings auch reine Angelegenheit des Parlaments, soll die Verabschiedung der Landesverfassung sein. Nach meiner Auffassung gehört sie nach wie vor zu den mondernsten in Deutschland.
Auch wenn Sie, Herr Ministerpräsident, weil Sie damals nicht Abgeordneter waren, nicht direkt an dieser Verabschiedung oder an dem Entwurf zur Landesverfassung beteiligt waren, gehe ich mal davon aus, dass im Hintergrund Ihre ordnenden Hände gearbeitet haben - Ihre Fraktion hatte es auch damals nötig.
Meine Damen und Herren, Bischofferode, das war der Beginn des Verlusts der Kali-Industrie für Thüringen und bleibt der dunkle, bitter dunkle Fleck der 1. Legislaturperiode.
Die Landesregierung vermochte es nicht, dieses zu verhindern, zu groß und zu stark war das Bündnis gegen den Fortbestand der Thüringer Kali-Industrie.
Meine Damen und Herren, die 2. Legislaturperiode war die Legislaturperiode der großen Koalition. Vieles, Herr Ministerpräsident, haben Sie und wir in der Regierung, in den Fraktionen gemeinsam angepackt und zu einem
guten Ende gebracht. Ich erinnere gern daran, dass in den Zeiten, in denen wir gemeinsam regierten, die Investitionsquote im Haushalt regelmäßig deutlich über 20 Prozent lag und, ich füge hinzu, das alles ohne Buchungstricks. Wir waren uns auch sehr schnell einig, Bundesmittel insgesamt zu komplementieren und somit alle möglichen Fördermittel vom Bund abzurufen; das war nicht in allen neuen Bundesländern so. Wir haben gemeinsam Ordnung in die Aufbaubank gebracht und begonnen, die Landesgesellschaften zu ordnen und haben trotz dieses Engagements für die Thüringer Wirtschaft und für den Mittelstand den zweiten Arbeitsmarkt nicht vergessen.
Die Jugendpauschale - damals insbesondere von der CDU noch mit Fragezeichen versehen - hat sich bewährt. Die Kreisgebiets- und die Gemeindegebietsreform waren ein riesiger Kraftakt. Alle wissen, wir hätten längst nachbessern müssen. Dies bleibt eine große Aufgabe für die Zukunft. Im Bereich Wissenschaft und Forschung legten wir mit viel Kontinuität und mit vielen Haushaltsmitteln die Saatkartoffeln, die wir Thüringer später einmal ernten wollen. Gern erinnere ich an die solide Neustrukturierung in der Thüringer Theater- und Orchesterlandschaft. Die gegebene Fünfjahresgarantie wurde selbstverständlich eingehalten. Die Zeit von 1994 bis 1999 bezeichne ich als die erfolgreichsten Jahre in Thüringen.
In der großen Koalition haben wir mit großem Respekt voreinander gearbeitet. Nicht immer war eitel Sonnenschein, aber der Wille, gemeinsam erfolgreich zu sein, half manche Krise zu überwinden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, sehr geehrter Herr Dr. Bernhard Vogel, 1999 führten Sie die CDU zu einem überragenden Wahlsieg und es ist unstrittig, dass Sie ein zentraler Faktor dieses CDU-Wahlsiegs waren. Nach der Kabinettsbildung und der ersten Regierungsbildung wurde es aber ruhig, zu ruhig. Statt, wie versprochen, mit absoluter Mehrheit kraftvoll zu regieren - Skandale, Skandälchen, Stillstand. Im Wissenschaftsbereich ein Hochschulpakt für die Zukunft, aber weniger Geld für die Forschungseinrichtungen. Im Bildungsbereich die ständige Erklärung, dass bei PISA andere schlechter waren als wir. Die Skandale um die Minister Köckert und Birkmann und statt einer durchschlagenden Verwaltungsreform Verschiebung von Personal von der einen Einrichtung in die andere. Und nicht zuletzt in finanziell schweren
und unsicheren Zeiten - ich behaupte immer noch, wider besseres Wissen - ein Doppelhaushalt, der bei seiner Abstimmung schon Makulatur war.
Einmal, Herr Ministerpräsident, sind Sie im besten Sinne des Wortes der Landesvater gewesen. In den schlimmen Stunden um das Massaker am Gutenberg-Gymnasium haben Sie den Menschen Halt gegeben und immer die richtigen Worte gefunden. Sie haben dafür gesorgt, dass unbürokratisch geholfen wurde. Dafür ist Ihnen ganz besonders Dank zu sagen.
Meine Damen und Herren, die Bilanz der 3. Legislaturperiode ist bisher dünn, sehr dünn, und so drängt sich die Schlussfolgerung auf, Sie, Herr Ministerpräsident, haben Ihren Zenit überschritten. Ein Führungswechsel in Thüringen ist nötiger denn je. Ob dieser Führungswechsel auch der richtige ist, diese Frage wird die Zukunft beantworten.
Meine Damen und Herren, ich habe anfangs von Irrtümern und Fehlern des Ministerpräsidenten gesprochen. Ich will jetzt aber nicht, wie vielleicht der eine oder andere befürchtet, die ganzen Skandale der letzten 11 Jahre abarbeiten - nein. In Ihrem Rucksack voller Erfahrungen, Herr Ministerpräsident, haben Sie auch Falsches aus dem Westen mit in das Thüringer Parlament gebracht.
Zu erwähnen ist da an erster Stelle, dass das generelle Ablehnen von Oppositionsgedanken schon zur politischen Kultur geworden ist.
Wider besseres Wissen wurde den Anträgen der Opposition sogar der Weg in die Ausschüsse verwehrt, nur um den Gedanken nicht zuzulassen, dass es den einen oder anderen Punkt gibt, in dem die Opposition auch mal schneller, auch einmal besser gedacht hat.
Zweitens - ich habe es schon erwähnt -, Ihr Umgang mit der Bundesregierung ist im Wesentlichen immer parteipolitisch geprägt gewesen.
Jede Menge Verständnis für die Regierung Kohl, selbst bei offensichtlichen Fehlern wie beispielsweise dem Prinzip "Rückgabe vor Entschädigung", Verständnis und die Aufforderung, so etwas nicht zu diskutieren. Prinzipielles Unverständnis für die Regierung Schröder, und wenn man sich mal anschaut, wie sich die einzelnen Reformvorschläge in den letzten Wochen und Monaten angenähert
Und als letzten Vorwurf, aber auch als schwersten an Ihre Seite, das bewusste und ständige Verleumden der SPD. Auch auf Ihrem letzten Landesparteitag konnten Sie es sich nicht verkneifen, der SPD vorzuwerfen, sie redet dieses Land schlecht. Um es zum hundertsten Male hier in diesem Thüringer Landtag zu sagen, und in der Hoffnung, dass Sie es endlich auch so zur Kenntnis nehmen: Kritik an der Thüringer Landesregierung ist nicht identisch mit der Kritik am Freistaat Thüringen.
An Hunderten von Stellen und auch immer wieder in der Opposition hat die SPD betont, dass der Freistaat Thüringen in den letzten Jahren ein gutes Stück vorangekommen ist. Und trotzdem werden wir weiterhin über die Fehler der Regierung...
Warum greifen Sie denn immer bei dem Begriff "Fehler" ein? Warum gehen Sie denn da immer gleich so statisch hoch?
Aber trotzdem werden wir weiterhin über die Fehler der Regierung reden. Und dieses Reden über die Fehler der Regierung ist nicht identisch mit einer Kritik an der Entwicklung des Freistaats insgesamt, zumal wir Sozialdemokraten eben nicht vergessen, dass wir fünf sehr erfolgreiche Jahre dieses Land mitgestaltet haben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren in diesem hohen Haus, machen wir unter all das, was ich jetzt gesagt habe, mal einen Strich, wägen das Gute mit dem weniger Guten ab - was bleibt als Resümee? Trotz aller Abstriche, die letzten 11 Jahre haben Thüringen vorangebracht, ein großes Stück vorangebracht.
Sie haben routiniert, mit unendlichem Fleiß und Ihrem Erfahrungsschatz Ihren Anteil an dieser so erfolgreichen Entwicklung.
Meine Damen und Herren, gern hätte ich jetzt auch gesagt, bei Ihnen, Herr Dr. Vogel, war ein Wort auch immer ein Wort. Über lange Zeit habe ich dieses aus den guten Erfahrungen der großen Koalition auch getan. Aber Sie selbst haben Lassalle zitiert, wir sollen sagen was ist, also, wir sollen bei der Wahrheit bleiben. Ihr Abgang zum jetzigen Zeitpunkt, die Machtübergabe auf einem silbernen Tablett an den jetzigen Fraktionsvorsitzenden Dieter Althaus ist das Ergebnis eines Wortbruchs.