Protocol of the Session on May 9, 2003

(Beifall bei der CDU)

Offensichtlich besteht das Problem eben nicht in der Ablehnung der Elternschaft, sondern in der Umsetzung in Rahmenbedingungen. Hier spielen sicherlich finanzielle Aspekte eine Rolle, aber auch ein familienfreundliches oder ein familienunfreundliches Klima, das heißt Bedingungen, die nicht rein finanzieller Art sind. Der Elfte Kinder- und Jugendbericht stellt eine wichtige Grundlage für die Beurteilung der Situation und Entscheidungsfindung dar und ist für uns Handlungsanregung.

Meine Damen und Herren, aber da es sich um einen Bericht der Bundesregierung handelt, erst einmal der Kinderund Jugendbericht, sehe ich auch die Notwendigkeit, vor der weiteren Diskussion einige Bemerkungen zu machen. Es ist hier schon angesprochen worden: Unter den Rahmenbedingungen, die für eine Familiengründung förderlich sind, lassen sich etliche auf Landesebene nicht ohne weiteres beeinflussen. Ich denke an - und das ist auch ein Thema - Verfügbarkeit von Arbeitsplätzen zur Erzielung eines ausreichenden Einkommens. Die katastrophale Lage auf dem Arbeitsmarkt, sowohl was die Schwierigkeit der Stellensuche als auch was die Unsicherheit vieler befristeter oder stark konjunkturabhängiger Arbeitsplätze angeht, stellt sicherlich ein erhebliches Risiko für junge Familien dar. Die neuen Bundesländer sind hiervon besonders stark betroffen und hier auch unterdessen stark die jungen Menschen. Die neuesten Zahlen sind nicht erfreulich. Mit knapp 25.000 Arbeitslosen unter 25 Jahre hat sich deren Zahl gegenüber dem Vorjahr um 6 Prozent erhöht. Die Zahl der betrieblichen Ausbildungsstellen ist gegenüber dem Vorjahr um 11,8 Prozent auf das niedrigste Niveau seit der Wende gesunken. Meine Damen und Herren, das kann die Landesregierung nicht ausbügeln.

(Beifall Abg. Arenhövel, CDU)

Das hängt mit der Konjunktur, das hängt mit der Wirtschaftspolitik auf Bundesebene und das hängt mit der Steuerpolitik zusammen. Wir haben im Land eine Reihe von Maßnahmen, wie "Zukunftsiniative Lehrstellen" oder das Programm "Jobeinstieg in Thüringen", um eine Verbesserung der Situation zu erreichen. Die Landesregierung wird erneut in diesem Jahr ein Lehrstellenprogramm auflegen und es wird eine gemeinsame Aktion der Tarifpartner und der Landesregierung geben. Dennoch, meine Damen und Herren, wenn sich nicht auf Bundesebene hier etwas ändert, kann dieses auf Landesebene nicht kompensiert werden.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, diese Anmerkungen zu den Rahmenbedingungen, die von der Bundespolitik gesetzt werden, schienen mir unbedingt notwendig zu sein, um Klarheit über die Grenzen dessen zu schaffen, was die Landesregierung leisten kann. Im Rahmen des ihr Möglichen hat die Landesregierung einiges und ich sage Beachtliches geleistet. Wir unternehmen große Anstrengungen, um nicht nur eine zeitgemäße Jugendpolitik zu betreiben, sondern

überhaupt auch eine zukunftsorientierte Politik, und vielleicht müssen wir noch mehr als bisher in langfristigen Dimensionen denken.

Meine Damen und Herren, neben bedenkenswerten Analysen postuliert der Bericht - und da habe ich eben meine Bedenken, und das ist deutlich gesagt worden, und das ist auch in unserem Bericht deutlich gesagt worden - einen umfassenden Erziehungsauftrag der Kinder- und Jugendhilfe, der mit einem weit gehenden Ausfall elterlicher Kompetenzen begründet wird. Meine Damen und Herren, es kann doch nicht sein, dass wir die Aufgaben der Eltern übernehmen, das heißt eine staatliche Erziehung betreiben. Wenn dieses so ist, wie es formuliert wird,

(Zwischenruf Abg. Bechthum, SPD: Ist doch gar nicht so!)

dann ist unsere Aufgabe, die Erziehungskompetenz der Eltern zu stärken

(Beifall bei der CDU)

und nicht die Erziehung als staatliche Aufgabe zu übernehmen. Die einseitig akzentuierte Leitvorstellung, Aufwachsen in öffentlicher Verantwortung, lehnt deshalb die Landesregierung ausdrücklich ab.

(Beifall bei der CDU)

In einer freiheitlichen Gesellschaft ist der Vorrang des Staates bei der Erziehung der Kinder als Regelfall undenkbar und sollte es auch als undenkbar in der Zukunft bleiben. Meine Damen und Herren, einmal Margot Honecker sollte uns gereicht haben.

(Beifall bei der CDU)

Die Thüringer Landesregierung bekennt sich zur familienpolitischen Leitidee des Vorrangs der Elternverantwortung, der Wahlfreiheit der Eltern und der Solidarität mit den Familien und ihren Kindern. Sie hat deshalb den vom Elften Kinder- und Jugendbericht vorgeschlagenen Weg des Aufwachsens in öffentlicher Verantwortung eben nicht beschritten, sondern gestaltet Familienpolitik in Übereinstimmung mit dem Grundgesetz Artikel 6 und das sollten wir nicht außer Acht lassen.

Soweit sich der Bericht auf das verfassungsrechtlich Vertretbare beschränkt, können wir ihm ausdrücklich folgen. Ein darüber hinausgehender Anspruch ist aber weder praktikabel noch wünschenswert. Aus diesem Grund lehnt die Landesregierung auch den im Elften Kinder- und Jugendbericht geforderten grundsätzlichen Vorrang infrastruktureller Angebote vor der Erweiterung der individuellen finanziellen Transferleistungen ab. Dies gilt ebenso für die Empfehlung zum neuen Generationenvertrag, die der Förderung der infrastrukturellen Angebote Vorrang einräumt vor familienbezogenen Transferleistungen.

Meine Damen und Herren, das Prinzip Dienst vor Geld soll zum Ausgangspunkt eines neuen Generationenvertrags gemacht werden. Damit wird die Erziehung in der Familie im Vergleich zu öffentlichen Angeboten als nachrangig und weniger förderungswürdig abgewertet. Der Bericht verfehlt mit seiner Forderung nach einem so gestalteten neuen Generationenvertrag die grundlegende Einsicht, dass Transferleistungen und soziale Infrastruktur gleichermaßen für Familie notwendig ist. Er trägt deshalb zur Bildung falscher Alternativen und der Gefahr staatlicher Vernachlässigung eines elementaren Bereichs der Familienförderung, nämlich des Familienleistungsausgleichs, bei. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf darf nicht ausschließlich durch Fremdbetreuung der Kinder, sondern muss auch durch entsprechende zeitliche, organisatorische und räumliche Gestaltung von Arbeitsverhältnissen ermöglicht werden. Hier ist einiges zu tun und hier haben wir einiges nachzuholen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Es ist vorrangige Aufgabe der Thüringer Familienpolitik, Eltern darin zu unterstützen, dass sie ihren ureigensten Aufgaben, nämlich der Kindererziehung, auch nachkommen können, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Eigenverantwortung und Solidarität, Familie und Jugend in Thüringen, das ist das Leitbild der Thüringer Landesregierung. Meine Damen und Herren, nur in der Stärkung der Elternkompetenz liegt der Ansatz für eine erfolgreiche Familien-, Kinder- und Jugendpolitik.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, sehr verehrte Frau Pelke, ich darf auch noch einmal darauf zurückkommen. Ich denke schon, dass hier die Jugendpauschale richtig eingesetzt werden muss u.a. Allerdings weise ich darauf hin, wenn Sie sagen, dass wir mehr danach fragen, wie sie eingesetzt wird. Wir greifen damit natürlich in die kommunale Selbstverwaltung ein. Nicht umsonst haben wir den Kreisen und kreisfreien Städten diese Familienpauschale zur eigenen Entscheidung übertragen. Und wir greifen auch, oder wir würden auch in eine gesetzliche Regelung, nämlich die Verantwortung der Jugendhilfeausschüsse, eingreifen. Das ist ein heißes Eisen. Dennoch will ich mich gerade in diesem Bereich dafür einsetzen mit den kommunalen Spitzenverbänden, hier muss es gelingen, eine bessere Evaluierung des Einsatzes dieser Jugendpauschale durchzusetzen. Hier sehe ich einen Bedarf. Aber ich weise auch darauf hin, was die Förderrichtlinien angeht, und da kommt wieder unser Grundsatz zur Geltung - nämlich Stärkung der Elternkompetenz - nicht nur im Bereich Jugendpauschale, sondern auch im Bereich der Beratungen. Meine Damen und Herren, gerade im Bereich der Beratungen habe ich nach Möglichkeit versucht, im Haushalt Kürzungen zu vermeiden. Frau Pelke, wenn Sie be

klagen, dass die Jugendpauschale seit 2000 um 12 Prozent abgesenkt worden ist, dann kann ich Ihnen nur sagen, mancher Titel, mancher Fördermittelempfänger aus meinem Ressort wäre dankbar, wenn er nur um 12 Prozent abgesenkt worden wäre. Das hat nämlich etwas mit dem Vorrang der Jugend- und Familienpolitik zu tun, dass wir in diesem Bereich nach Möglichkeit nicht gekürzt haben.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, eine solide Finanzpolitik bedeutet ja auch einen Beitrag zur Zukunftssicherheit, und zwar zur Zukunftssicherheit unserer jungen Generation. Wir können nicht auf Teufel komm raus das verfrühstücken, was die zukünftigen Generationen dringend brauchen. Deshalb sind die Forderungen nach mehr Geld im Augenblick Forderungen, die wir auf dem Rücken der zukünftigen Generation machen würden. Ein verantwortungsvoller Umgang mit den Finanzen in dieser Situation ist auch eine gute Jugend- und Zukunftspolitik.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, Sie können ganz sicher sein, dieser Bericht und die Auswertung dieses Berichts ist nicht gemacht worden, um es einmal den Abgeordneten vorzulegen, sondern die Thüringer Landesregierung...

(Deckel des Wahlbehälters für namentliche Abstimmungen ist heruntergefallen)

Danke sehr, meine Damen und Herren, wenn hier gesammelt werden soll für die Zukunft, dann gehen Sie bitte durch die Reihen.

(Beifall bei der CDU)

(Heiterkeit im Hause)

Meine Damen und Herren, die Thüringer Landesregierung wird mit diesem Bericht weiter arbeiten, aber unter den Prämissen, die ich hier genannt habe. Recht herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Möchte sich noch jemand zu Wort melden? Das ist nicht der Fall. Die Ausschussüberweisung ist an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit beantragt worden. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Danke schön. Die Gegenstimmen bitte. Das ist eine Mehrheit von Gegenstimmen. Gibt es hier Stimmenthaltungen? Das ist nicht der Fall. Damit wird nicht fortberaten im Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit. Herr Abgeordneter Panse.

Ich würde nur gern eine Erklärung zu meinem Abstimmungsverhalten abgeben. Ich hatte vorhin gesagt, ich halte es für sinnvoll, dass dieser Bericht in den zuständigen Gremien weiterberaten wird. Das ist nach meinem Dafürhalten in erster Linie der Landesjugendhilfeausschuss, wo alle Fraktionen des Thüringer Landtags ja auch vertreten sind. Es wäre hilfreich, wenn alle Fraktionen des Thüringer Landtags diese Möglichkeit der Beratung im Landesjugendhilfeausschuss und in den Unterausschüssen entsprechend umfänglich nutzen. Deswegen habe ich der Überweisung an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit nicht zugestimmt.

Wir nehmen das so zur Kenntnis.

Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 14 auf.

Veröffentlichung einer Dokumentation zur Entstehungsgeschichte der Verfassung des Freistaats Thüringen Antrag der Fraktionen der CDU, PDS und SPD - Drucksache 3/3281

Der Ältestenrat kam überein, dass das als Antrag aller drei Fraktionen ohne Aussprache zur Abstimmung gestellt wird. Gemäß § 120 der Geschäftsordnung möchte ich darauf hinweisen, erstens, dass Sie dableiben sollten, weil wir zwei Drittel der anwesenden Stimmen für diesen Antrag brauchen und das muss mindestens die gesetzliche Mitgliederzahl in der Mehrheit der Mitglieder des hohen Hauses, also 45, sein. Ich weiß jetzt nicht, warum einige den Saal verlassen haben. Wir brauchen jetzt mindestens 45 Mitglieder des hohen Hauses im Saale, um diesen Antrag überhaupt abstimmen zu können. Das dürfte sich auch inzwischen in den Fraktionen herumgesprochen haben.

(Unruhe im Hause)

Ich stimme jetzt über diesen Antrag der drei Fraktionen ab. Machen Sie mit, ja? Gut! Wer diesem Antrag zustimmt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Danke schön, das sieht sogar einstimmig aus. Gibt es Gegenstimmen oder Stimmenthaltungen? Das ist in beiden Fällen nicht der Fall und es sind die entsprechenden Stimmenzahlen erreicht worden, um den Antrag zur Veröffentlichung der Dokumentation zur Entstehungsgeschichte der Verfassung des Freistaats Thüringen abzustimmen. Ich schließe den Tagesordnungspunkt 14.

Ich komme zum Aufruf des Tagesordnungspunkts 15

Arbeitsmarktpauschale Antrag der Fraktion der PDS - Drucksache 3/3277 dazu: Alternativantrag der Fraktion der SPD - Drucksache 3/3297

Mir ist nicht signalisiert worden, dass die einreichende Fraktion zur Arbeitsmarktpauschale eine Begründung vornimmt und auch nicht, dass zum Alternativantrag eine Begründung vorgenommen wird. Das ist so. Die Landesregierung hat mitgeteilt, dass sie von der Möglichkeit des Sofortberichts zu Nr. 2 des Antrags keinen Gebrauch machen wird. Ich rufe als ersten Redner in dieser Debatte Frau Abgeordnete Vopel, CDU-Fraktion, auf.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, vor uns liegt wieder einmal ein Antrag der PDS zum Arbeitsmarkt, in dem die Landesregierung aufgefordert werden soll, im Bundesrat aktiv zu werden. Nun möchte ich mal sagen: Die Landesregierung ist immer im Bundesrat aktiv geworden, wenn sie es für nötig gehalten hat. Sie ist speziell in Arbeitsmarktfragen aktiv geworden, ich erinnere an das Job-Aqtiv-Gesetz, leider ohne Erfolg, weil Rotgrün damals alle Aktivitäten abgeblockt hat. Dann wird weiterhin gefordert, dass die ostdeutschen Bundesländer ein gemeinsames Vorgehen in der Arbeitsmarktpolitik gegenüber der Bundesregierung angehen sollen. Dazu kann ich nur sagen, meine Damen und Herren, zunächst von der PDS: Wissen Sie es nicht besser oder ist das wieder so ein Schaufensterantrag? Es gibt gemeinsames Vorgehen aller Arbeitsminister aller neuen Länder. Es ist durch die Presse gegangen und Sie sind ja nun an zwei Regierungen beteiligt, nämlich in Berlin und in Mecklenburg-Vorpommern, und da bin ich schon verwundert, dass Sie dann hier so einen Antrag stellen.

(Beifall bei der CDU)

Ich möchte dazu sagen, das ist auch nicht das erste Mal, dass gemeinsam vorgegangen wird und ich würde da gern mal so ein Beispiel dafür liefern: In dem Brief an den Arbeitsminister Clement, in dieser gemeinsamen Stellungnahme von allen sechs Arbeitsministern unterschrieben, steht unter anderem: "Wir haben bereits im vergangenen Jahr darauf aufmerksam gemacht, dass wir das Volumen des Haushalts der Bundesanstalt für Arbeit für 2003 und die Ost-West-Aufteilung der Mittel für aktive Arbeitsförderung für nicht problemadäquat halten." Ich denke, das ist richtig und wir haben auch in diesem Haus mehrfach darüber gesprochen. Des Weiteren wird angeprangert, dass die einseitige Reduzierung der Mittelansätze der Arbeitsämter für aktive Maßnahmen empfindlich die bislang gut funktionierende partnerschaftliche Umsetzung der Arbeitsförderung mit Finanzierungsbeteiligung der Länder stört.

Das ist genau das, was hier immer gesagt wird von diesen beiden Seiten, "das Land möge", zunächst muss der Bund und dann kann das Land mitfinanzieren. Wir kennen alle die Reduzierung bei ABM, wir kennen vor allem die Reduzierung bei Weiterbildungsmaßnahmen, die uns besonders schmerzlich treffen, auch das wird genannt. Was auch schlimm ist vor allen für die neuen Bundesländer - und wir haben das hier auch wiederholt gesagt -, dass bei der beruflichen Weiterbildung eine Verbleibquote von 70 Prozent zukünftig maßgebend sein soll. Wir wissen alle, dass das in den neuen Ländern überhaupt nicht sein kann, also wird da wieder auf Kosten der neuen Länder gespart. Ich denke, die Kofinanzierung kann doch nicht darin bestehen, dass nur noch Menschen gefördert werden, die Arbeitslosengeld bekommen. Einige Kollegen haben mich heute gerade daraufhin angesprochen, dass die Arbeitsämter bereits jetzt so verfahren und die Länderminister haben auch das bemängelt und sagen gemeinsam über Parteigrenzen hinweg, dass die Länder nur kofinanzieren, wenn auch weiterhin Langzeitarbeitslose gefördert werden.