Protocol of the Session on May 8, 2003

Meine Anfrage bezieht sich auf die

Festlegung so genannter Vorranggebiete zur Nutzung von Windenergie laut den Bestimmungen des Regionalen Raumordnungsplans Ostthüringen

Nach den Bestimmungen des Regionalen Raumordnungsplans Ostthüringen ist das Gebiet zwischen den beiden bei Jena gelegenen Orten Vierzehnheiligen und Krippendorf als ein Vorranggebiet zur Nutzung von Windenergie ausgewiesen. Nach dem Plan ist in diesem Gebiet die Errichtung von fünf oder mehr Anlagen zur Windenergiegewinnung zulässig. Auch im Flächennutzungsplan der Stadt Je

na findet dieses Vorhaben eine entsprechende Berücksichtigung.

Ich frage die Landesregierung:

1. Muss die Stadt Jena das Gebiet um Vierzehnheiligen/Krippendorf, das zugleich auch ein windhöffiges Gebiet ist, als ein "Vorranggebiet zur Nutzung der Windenergie" in ihrem Flächennutzungsplan ausweisen?

2. Wenn die Stadt Jena das Gebiet Krippendorf/Vierzehnheiligen nicht als ein solches Vorranggebiet ausgewiesen hätte, wäre sie verpflichtet gewesen, dieses an einer anderen Stelle innerhalb der Gemeindegrenzen Jenas auszuweisen?

3. Kann der Stadtrat der Stadt Jena durch Beschluss die Ausweisung des Gebietes Krippendorf/Vierzehnheiligen als ein "Vorranggebiet zur Nutzung der Windenergie" aufheben?

4. Wenn nicht, welches Gremium bzw. welche Instanz ist dazu in der Lage bzw. berechtigt?

Herr Minister Trautvetter, bitte schön.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Abgeordneter Seela, nach § 1 Abs. 4 des Baugesetzbuchs sind Bauleitpläne, also auch der Flächennutzungsplan, den Zielen der Raumordnung anzupassen. In regionalen Rahmenordnungsplänen dargestellte Vorranggebiete gehören zu den Zielen der Raumordnung. Das Anpassungsgebot bedeutet nach der Rechtsprechung, dass eine Gemeinde alle Darstellungen in einem Flächennutzungsplan zu unterlassen hat, die die Verwirklichung der Ziele der Raumordnung vereiteln oder wesentlich erschweren oder ihr zuwiderlaufen könnten. Weiterhin ist die Gemeinde verpflichtet, die sich aus den Zielen der Raumordnung ergebenden Vorgaben in ihre gemeindliche Planung zu integrieren und ihre übrigen planerischen Absichten auf diese Vorgaben abzustimmen. Allerdings ist bei der Integration von Zieldarstellungen in Bauleitplänen der notwendigerweise gröbere Maßstab der Raumordnung zu berücksichtigen und daher ist auf den nachfolgenden Stufen der Planung eine Konkretisierung der Zielvorgaben möglich und erforderlich. Der Konkretisierungsspielraum hängt nach der Rechtsprechung vom Grad der Aussageschärfe der Ziele der Raumordnung ab. Das bedeutet, dass bei der Flächennutzungsplanung eine Konkretisierung der Vorrangflächen erfolgt, die im Einzelfall zu geringfügigen Verschiebungen aufgrund der unterschiedlichen Maßstäbe führen kann. Die Vorrangfläche selbst kann aber nicht in Frage gestellt werden. Dies vorausgeschickt beantworte ich die Mündliche Anfrage wie folgt:

Zu Frage 1: Aufgrund der in § 1 Abs. 4 Baugesetzbuch normierten Anpassungspflicht muss die Stadt Jena das Vorranggebiet als Darstellung in ihren Flächennutzungsplan übernehmen.

Zu Frage 2: Die Anpassungspflicht bedeutet, dass eine entsprechende Flächendarstellung unter Berücksichtigung des beschriebenen Konkretisierungsspielraums an der Stelle zu erfolgen hat, die der regionale Raumordnungsplan vorsieht. Eine Darstellung an anderer Stelle würde einen doppelten Verstoß gegen das Anpassungsgebot darstellen, da eine darzustellende Nutzung nicht dargestellt wurde und zusätzlich die Windenergie an einer Stelle vorgesehen wurde, an der sie nach dem regionalen Raumordnungsplan nicht erfolgen soll.

Zu Frage 3: Solange das Vorranggebiet als Ziel der Raumordnung besteht, muss es im Flächennutzungsplan enthalten sein.

Zu Frage 4: Die Änderung von Zielen der Raumordnung richtet sich nach § 12 des Thüringer Landesplanungsgesetzes. Danach kann die regionale Planungsgemeinschaft in den dort bestimmten Verfahren den Regionalplan fortschreiben bzw. ändern.

Gibt es Nachfragen? Dies ist nicht der Fall. Danke schön.

Wir kommen zur nächsten Frage in Drucksache 3/3248. Bitte, Frau Abgeordnete Wildauer.

Urteile des Europäischen Gerichtshofs zum Umgang mit Abfällen

In der Zeitschrift für Gemeinden, Städte und Verwaltungsgemeinschaften im Freistaat Thüringen vom März 2003 des Gemeinde- und Städtebundes Thüringen wird über zwei Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs vom 13. Februar 2003 zum Abfallrecht informiert. Es geht dabei um zwei Vertragsverletzungsverfahren, die sich auf die Bewertung von Abfall, entweder als Abfall zur Verwertung oder als Abfall zur Beseitigung, bei verschiedenen Verbrennungsverfahren beziehen.

Der Gemeinde- und Städtebund stellt fest, dass diese beiden Urteile nicht hilfreich sind zur Klärung der Frage nach der Abgrenzung von Abfällen zur Verwertung bzw. zur Beseitigung.

Ich frage die Landesregierung:

1. Ist bekannt, ob es als Konsequenz aus den Urteilen seitens der Bundesregierung Bestrebungen gibt, eine Novellierung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes zwecks eindeutiger Abgrenzung von Abfällen zur Ver

wertung und zur Beseitigung vorzunehmen?

2. Wenn ja, welche konkreten Gesetzesabschnitte sollen hierbei novelliert werden?

3. Sind außerdem Änderungen im Bundesimmissionsgesetz geplant, und wenn ja, welche?

4. Auf welche Weise beabsichtigt die Landesregierung auf den Bund in Bezug auf die genannten Gesetzesänderungen einzuwirken?

Herr Staatssekretär Baldus, bitte schön.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Frau Abgeordnete Wildauer, meine Damen und Herren, die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Dr. Wildauer beantworte ich für die Landesregierung wie folgt:

Ich erlaube mir eine Vorbemerkung. Da die Fragen 1 bis 3 ausschließlich die Absichten der Bundesregierung betreffen, werden hierzu die beim Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit nachgefragten Antworten unkommentiert weitergegeben.

Zu Frage 1: Die in Rede stehenden Urteile des Europäischen Gerichtshofs betreffen allein die Auslegung und Anwendung der EG-Abfallverbringungsverordnung, die in den Mitgliedstaaten unmittelbar, d.h. ohne weiteren nationalen Umsetzungsakt, verbindlich ist. Da das nationale Abfallrecht bei den genannten Verfahren nicht Prüfgegenstand war, hat der Europäische Gerichtshof in seinen Urteilen hierzu keine Aussagen getroffen.

Ob und inwieweit die Urteile eine Ausstrahlungswirkung auf den Vollzug des deutschen Abfallrechts, hier insbesondere des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes, haben, wird gegenwärtig durch die Bundesregierung geprüft.

Ein unmittelbarerer Novellierungsbedarf des deutschen Abfallrechts ist nach Aussage der Bundesregierung derzeit nicht erkennbar. Die Bundesrepublik ist allerdings verpflichtet, den Vollzug der EG-Abfallverbringungsverordnung durch ihre Behörden an den Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs auszurichten.

Zu Frage 2 verweise ich auf Frage 1.

Zu Frage 3: Änderungen im Bundesimissionsschutzgesetz sind nach Mitteilung der Bundesregierung infolge der in Rede stehenden Urteile nicht geplant.

Zu Frage 4: Eine eindeutigere und gleichzeitig rechtssicherere Abgrenzung zwischen der Verwertung und Beseitigung von Abfällen ist nach Auffassung der Landesre

gierung nur auf der Ebene des EU-Rechts möglich. Gleiches gilt für das durch die Urteile zu Tage getretene Grundproblem, den Konflikt zwischen dem Grundsatz der wahren Verkehrsfreiheit für Abfälle auf der einen Seite und der kommunalen Abfallwirtschaft als Leistung der Daseinsvorsorge auf der anderen Seite. Änderungen nationaler Gesetze helfen hier nicht weiter. Die Landesregierung hatte sich bereits im Vorfeld der Urteile des Europäischen Gerichtshofs um eine entsprechende Einflussnahme der deutschen Bundesregierung auf die Kommission der EU bemüht. Dies geschah vor allem durch zwei Schreiben des Thüringer Ministeriums für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt an Bundesminister Trittin vom 8. Oktober 2001 und vom 28. Mai 2002 und im Übrigen durch Beschlussfassungen im Rahmen der Umweltministerkonferenz.

Anmerkung dazu: Im Rahmen der Amtschefkonferenz der Umweltressorts der Länder und des Bundes wurde diese Frage am gestrigen Tage in Hamburg erneut zur Diskussion gebracht. Der Vertreter der Bundesregierung, Herr Staatssekretär Baake, hat diesbezügliche Anfragen verschiedener Länder erneut im eben genannten und zitierten Sinne beantwortet und definitiv ausgeschlossen, dass der Bund beabsichtigt, durch Änderungen nationalen Rechts auf die Spruchpraxis des Europäischen Gerichtshofs zu reagieren.

Es gibt eine Nachfrage bis jetzt.

Herr Staatssekretär, in einem der beiden Urteile kritisierte der Europäische Gerichtshof die Verbringung von Abfall zur Beseitigung aus Luxemburg nach Strassburg. Wir haben in Thüringen zwei Vergaben durch Zweckverbände in benachbarte Bundesländer gehabt, wo aus dem Zweckverband Abfallwirtschaft Nordthüringen und aus dem Ostthüringer Abfallwirtschaftszweckverband der Abfall in Müllverbrennungsanlagen nach Sachsen-Anhalt gegeben werden soll, also auch der Tatbestand, dass hier Abfall zur Beseitigung verbracht wird. Können Sie mir sagen, ob die Landesregierung Auswirkungen des LuxemburgUrteils auf diese Fälle sieht, ob es also möglich sein könnte, dass die Europäische Kommission diese Vergaben anficht.

Herr Abgeordneter Kummer, diese Frage ist tatsächlich von Bedeutung für die zukünftige Gestaltung des nationalen Abfallrechts und insbesondere für die Praxis der kommunalen Abfallentsorgung.

Nach Auffassung der Juristen unseres Ministeriums ist überwiegende Lesart des Urteils, das Sie eben zitiert haben, dass das Urteil sich ausschließlich auf grenzüberschreitenden Warenverkehr bezieht. Hinsichtlich der Frage, ob

es sich zwischen Bundesländern um eine im Sinne des Europäischen Warenverkehrsrechts wirksame Grenze handelt, ist davon auszugehen, dass der Europäische Gerichtshof dieses als Regionalgrenzen und nicht als Staatsgrenzen im oben genannten Sinne betrachtet. Das heißt, Bundesländer sind aus Sicht der Europäischen Union im Sinne der Warenverkehrsordnung Regionen und keine Staaten. Insofern wäre das Urteil auf diesen von Ihnen zitierten Fall eher nicht anzuwenden.

Ich sehe keine weiteren Nachfragen. Danke schön, Herr Staatssekretär.

Wir kommen zur Frage in Drucksache 3/3253, eine Frage der Abgeordneten Frau Pelke und Herr Abgeordneter Pidde wird sie stellen. Bitte schön.

Maßnahmen der Thüringer Landesregierung beim Auftreten von schwerem akutem Atemwegssyndrom (SARS)

Bis zum 8. April 2003 waren weltweit 2.671 SARS-Fälle und davon 103 mit tödlichem Ausgang registriert worden. Durch den weltweiten Reiseverkehr besteht die Gefahr, dass auch nach Thüringen mit dem SARS-Erreger infizierte Personen einreisen.

Im Namen der Abgeordneten Pelke frage die Landesregierung:

1. Wie schätzt die Landesregierung die Gefährdung der Thüringer Bevölkerung hinsichtlich eines verbreiteten Auftretens von Erkrankungen mit SARS ein?

2. Wenn die Landesregierung unter Frage 1 ein größeres Gefährdungspotenzial sieht, welche organisatorischen Maßnahmen, speziell auch für diese Erkrankung, sind durch die Landesregierung vorgesehen?

3. Wie weit gibt es durch die Landesärztekammer für die Haus- und Fachärzte ein entsprechendes Informations- und Weiterbildungsangebot bezüglich der Diagnose "SARS"?

4. Sieht die Landesregierung es als notwendig an, weitere eigene Aufklärungsmaßnahmen für die Bevölkerung in Bezug auf SARS zu ergreifen?