Protocol of the Session on April 3, 2003

Nein, meine sehr verehrten Damen und Herren, es herrschen schon seit Jahren keine Zustände von Frieden und Gerechtigkeit im Irak. Deshalb bitte ich auch, bei unserer Debatte an die Menschen im Irak zu denken und auch an ihr Schicksal.

(Beifall bei der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, natürlich haben die Kirchen Recht und der Ministerpräsident hat das in seiner Regierungserklärung auch deutlich gesagt, Krieg ist eine Niederlage der Politik. Die Politik hat in der Tat versagt, sie hat es eben nicht vermocht, Saddam Hussein zur Kooperation mit der UNO und zur vollständigen Abrüstung zu bewegen. Aber noch einmal: Wer hat denn nun konkret versagt? Die letzten Versuche, und da möchte ich erinnern, z.B. von Kanada und Großbritannien, eine weitere Resolution mit klarem Ultimatum zu Stande zu bringen, wurden kompromisslos abgelehnt, nicht zuletzt von der Bundesregierung. Die Bundesregierung hat diese Resolution abgelehnt, obwohl sie wusste, dass man mit dem darin genannten Ultimatum den Druck auf Saddam Hussein massiv hätte erhöhen können, zumal der Sicherheitsrat in dem Fall wieder zusammengestanden hätte und auch dadurch der Druck erhöht worden wäre. Nein, es ist eine Chance vertan worden, die Spaltung im Sicherheitsrat zu überwinden. Sie hat diese Resolution abgelehnt, obwohl sie wusste, dass Amerikaner und Briten eben nicht zeitlich unbegrenzt das Militär im Nahen Osten stationieren konnten. Deshalb war es unverantwortlich, von Seiten der Bundesregierung auf Zeit zu spielen, der schwarze Peter sollte so den Amerikanern zugespielt werden, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Zwischenruf Abg. Dr. Botz, SPD: Unerhört.)

(Zwischenruf Abg. Döring, SPD: Unver- schämt.)

(Zwischenruf Abg. Ellenberger, SPD: Das stimmt doch gar nicht.)

Es ist richtig, dass Fehler auf beiden Seiten gemacht worden sind. Natürlich waren die USA, war auch der Präsident schlecht beraten, immer wieder hervorzuheben, dass sie auch ohne UN-Sicherheitsrat handeln könnten. Dass dies aber ausgerechnet die deutsche Bundesregierung so vehement kritisiert, die sich selbst schon im Herbst vom UN-Sicherheitsrat distanziert hatte, war schon

dreist, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Allen, die nun sagen, stoppt den Krieg, müssen auch sagen, was sie wollen. Die Aufforderung richtet sich zumal an die USA und an die Alliierten. Würden diese jetzt aber den Krieg sofort beenden, wäre dies doch ein verhängnisvolles Signal an Saddam Hussein und an weitere potenzielle Diktaturen und die Schiiten im Südirak würden ein zweites Mal in den letzten 12 Jahren im Stich gelassen. Kennen Sie das unerträgliche Leid dieser Volksgruppe in den letzten Jahrzehnten? Saddam Hussein ist jedes Mittel recht, meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie erleben das in diesen Tagen, er lässt Soldaten in ziviler Kleidung agieren und nimmt damit auch der eigenen Zivilbevölkerung einen wichtigen Schutz. Die zivile Kleidung, die sie von den Soldaten unterscheidet, auch das ist unverantwortlich.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir trauern um die Toten, unser Mitgefühl gilt den Angehörigen, den Verwundeten, den Kranken, unser Mitgefühl gilt aber auch den Soldatinnen und Soldaten in einem für sie nicht ungefährlichen Einsatz.

(Beifall bei der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Irak-Krieg ist auch kein Religionskrieg. Er richtet sich einzig und allein gegen Saddam Hussein und sein menschenverachtendes Regime.

(Beifall bei der CDU)

Wir müssen hoffen, dass dieser Krieg zügig beendet wird und dass humanitäre Hilfe jetzt und dann umfassend geleistet und die Zivilbevölkerung so weit wie möglich verschont wird. Deutschland wird sich an dieser humanitären Hilfe beteiligen. Ich halte das für ein wichtiges Signal für die irakische Bevölkerung. Die Hilfsorganisationen leisten jetzt schon wertvolle Arbeit, auch Thüringen, z.B. die gemeinsame Aktion von Care und TLZ, Thüringen hilft den Opfern des Kriegs, was sich augenscheinlich zeigt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, aber jetzt, wo Krieg herrscht, können wir doch nicht neutral sein. Vor die Frage gestellt, ob ich auf Seiten Saddam Husseins oder auf Seiten der Koalition der Alliierten stehe, ist meine Position vollkommen klar. Ich hoffe, dass die alliierten Truppen dem Regime von Saddam Hussein und damit auch dem Krieg möglichst zügig ein Ende bereiten. Ziel ist ein freier, ein demokratischer Irak und das liegt, denke ich, auch im Interesse der Menschen im Irak und im Interesse der internationalen Staatengemeinschaft.

(Beifall bei der CDU)

Sie werden es mir nicht glauben, aber darauf hoffen die Iraker und darauf hoffen auch die meisten Exil-Iraker und darauf hoffen übrigens auch viele junge Iraner, denn auch sie wünschen sich einen Sieg der Koalition, um einen Demokratisierungsschub im eigenen Land auch umsetzen zu können. Das heißt nicht, dass wir die Politik der USA vorbehaltlos unterstützen und jeden Schritt gutheißen. Der Begriff der uneingeschränkten Solidarität stammt nicht von der CDU Deutschlands, sondern der stammt vom Bundeskanzler Schröder vor dem Jahr 2002. Wir halten ihn für falsch, weil Bündnispartner auch untereinander kritikfähig sein können und kritikempfänglich sein müssen.

(Beifall bei der CDU)

Aber der Weg von der uneingeschränkten Solidarität zum deutschen Weg, unsere Absage an internationale Verantwortung, das ist stümperhaft und hochgefährlich und bringt Deutschland in eine Isolation in der Weltgemeinschaft, die auch unsere Sicherheit und unseren Frieden gefährdet.

(Beifall bei der CDU)

(Zwischenruf Abg. Dr. Botz, SPD: Das ist doch lächerlich! Wer ist denn in dieser Frage isoliert? Ihr seid doch isoliert!)

(Unruhe bei der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, bei den NATOAngriffen auf das Milosevic-Regime in Jugoslawien stand die Bundesregierung im Übrigen an der Seite der USA, und das ohne UNO-Mandat und gegen den Zweiplus-Vier-Vertrag. Schröder und Fischer haben damals Milosevic mit Hitler verglichen. Sie haben das gemacht und damit eine Debatte in Deutschland moralisch überhöht, um die eigene Basis zu überzeugen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Und heute: Saddam Hussein ist ebenfalls ein Diktator, aber plötzlich sitzt auf der Anklagebank die USA - so einfach ist das nicht, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Die Glaubwürdigkeit deutscher Außenpolitik ist beschädigt. Für uns Deutsche und Europäer ist aus der Geschichte vollkommen klar, nur die Balance zwischen den USA und Frankreich ist dauerhaft für uns eine Existenzsicherung in Frieden und Freiheit und diese Balance ist erheblich gestört.

(Beifall bei der CDU)

Nein - Helmut Schmidt wurde zitiert -, das Koordinatensystem deutscher Nachkriegsaußenpolitik ist ins Wanken geraten. Wissen wir nicht mehr, wie wesentlich die USA für die Befreiung Deutschlands, für die Entwicklung der freien Bundesrepublik, aber, und das will ich deutlich

sagen, auch für die Wiedervereinigung unseres Vaterlands war?

(Beifall bei der CDU)

Deutschland war aufgrund seiner Mittellage für die europäischen Nachbarn in der Geschichte immer ein Risiko, und wenn nicht eine Gefahr, dann doch ein Risiko, und nach 1945 erst ist Deutschland durch die Bemühungen die Kanzler wurden genannt - in der Lage gewesen, die verschiedenen Interessen auszugleichen, und die EU ist mit der NATO zusammen zu einem stabilisierenden Faktor für Freiheit und Frieden in Europa und der Welt geworden. Dass das jetzt auch eine positive Perspektive für Mittelund Osteuropa ist, ist eine besondere Chance. Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Schulterschluss ParisBerlin-Moskau muss den Osteuropäern Angst einjagen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir brauchen ein einigendes Europa und keine Achse in Europa.

(Beifall bei der CDU)

(Zwischenruf Abg. Dr. Botz, SPD: Was ist das für ein Weltbild? Das ist doch unerhört! Haben Sie schon zur Kenntnis genommen, dass Russland auf dem Weg zur Demokratie ist?)

Die Geschichtslosigkeit von Ihnen, Herr Dr. Botz, gleicht der Geschichtslosigkeit der deutschen Bundesregierung.

(Unruhe bei der SPD)

(Beifall bei der CDU)

(Glocke der Präsidentin)

Herr Dr. Botz, Mut zur Rede - kommen Sie nach vorn und reden Sie, dann hören wir Ihre Argumente.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ganz unstrittig sind der UN-Sicherheitsrat, der europäische Einigungsprozess und die atlantische Partnerschaft jetzt schwer beschädigt. Und das sage ich noch einmal, das meine ich auch so und, ich denke, das ist auch offensichtlich: Deutschland hat zu dieser Schädigung einen erheblichen Beitrag geleistet.

(Beifall bei der CDU)

Ich darf den Bundespräsidenten Rau zitieren, der vor einigen Tagen mit den Parteivorsitzenden und Fraktionsvorsitzenden das Gespräch hatte, er sagte: "Wir brauchen eine klare europäische Stimme, eine klarere europäische Stimme, als wir sie jetzt haben. Wir haben jetzt ein Stimmengewirr auch innerhalb Europas."

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die internationale Staatengemeinschaft hat Verantwortung auch für die Nachkriegsordnung im Irak. Hier muss die UNO, da

sind wir uns einig, eine entscheidende Rolle haben. Natürlich müssen wir auch das Völkerrecht weiterentwickeln, aber wir müssen das Völkerrecht weiterentwickeln im Blick auf die Handlungsfähigkeit. Das heißt, die UNO müssen wir stärken und deshalb nicht durch vorfristige Festlegungen die Handlungsfähigkeit der UNO in Frage stellen. Das heißt, das Problem ist nicht die Stärke Amerikas, das Problem ist die eklatante Schwäche Europas in dieser Situation gewesen.

(Beifall bei der CDU)

Schauen wir doch nicht immer zuerst zum transatlantischen Bündnispartner nach Amerika, schauen wir doch zuallererst einmal auf unsere eigenen Tische und erledigen wir unsere eigenen Hausaufgaben. Sicherheit und Freiheit für Deutschland bedürfen eben auch eines klaren europäischen Einigungsprozesses mit einer klaren europäischen, außenpolitischen Stimme und eben nicht, sehr geehrte Frau Zimmer, was Sie deutlich gemacht haben, eines entmilitarisierten Europas. Ganz im Gegenteil, Deutschland muss auch in der Lage sein, militärisch Bündnispartner in dieser Welt zu sein, nur dann gibt es eine multipolare Welt.

(Beifall bei der CDU)

Deshalb fordern wir auch auf, jetzt die Kraft darauf zu richten, für die Nachkriegsordnung im Irak die Verantwortung mit zu übernehmen, aber auch die Kraft darauf zu richten, die mit verursachten Gräben in der EU, der NATO und der UNO zu überwinden. Es gilt Brücken zu bauen und zu versuchen, zerstörtes Vertrauen zurückzugewinnen. Die internationale Zusammenarbeit, die transatlantische Partnerschaft und die europäische Integration müssen wieder die Tagesordnung deutscher Politik bestimmen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, neben dem hoffentlich zügigen Ende des Kriegs im Irak und einer demokratischen und freiheitlichen Entwicklung im Irak ist die Einigkeit in Europa wesentlich und, ich denke, eine existenzielle Voraussetzung auch für unsere Freiheit und unsere Sicherheit. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU)

Es hat jetzt das Wort der Abgeordnete Döring, SPDFraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, lassen sich Kriege mit Kriegen verhüten? Nutzen Kriege, die im Namen der Zivilisation geführt werden, tatsächlich der Demokratie und einem Ende des Terrors? Wer sich diese Fragen nicht stellt und sie nicht beantwortet, verdient