Protocol of the Session on March 6, 2003

Ich bitte das Kabinett, sich ausdrücklich daran zu gewöhnen, dass ich mit einem gewissen Tempo das Plenum hier durchführen möchte.

Verehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, dass ich mich zu entschuldigen habe, steht außer Zweifel. Drei Stunden später, das steht in meinem Zeitplan und ich habe mich jetzt unheimlich beeilt. Ich danke dem Herrn Innenminister für den ersten Teil des Vortrags.

Am 21. Januar wurden die erforderlichen Probeschlachtungen und Sperrungen des betroffenen Tierbestands veranlasst. Am 31. Januar informierte das Dioxinlabor darüber, dass in Fleischwerten von Probeschlachtungen des Mastbetriebs überhöhte Werte erwartet werden. Es erfolgte die sofortige Sperrung des Vertriebs getrockneter Backwaren aus dem TWT. Hiergegen wurden Rechtsmittel eingesetzt. Als am 4. Februar der erste belastbare Wert aus der Fleischanalyse übermittelt wurde, aus dem ableitbar war, dass die vom TWT übermittelten Daten und Feststellungen der Kontrolle vor Ort unvollständig sein müssten, hat

das zuständige Ministerium sofort eine umfassende Tiefenprüfung angeordnet. Der Betrieb hat hierbei auf Rechtsmittel verzichtet und freiwillige Herausgabe aller relevanten Daten zugesichert. Am 7. Februar, kurz nach 7:00 Uhr erfolgte auf nachdrückliches Verlangen des TMLNU per Fax die Vorlage von Ergebnissen der Eigenkontrolle des Futtermittelherstellers. Diese wiesen in Einzelfällen deutlich über dem Grenzwert befindliche Dioxinbefunde auf. Außerdem wurden weitere Empfänger und die neue Menge potenziell belasteter Futtermittel von ca. 250 t benannt. Die Hausleitung des TMLNU wurde sofort informiert. Diese übernahm persönlich ab 7:30 Uhr die Koordinierung der Arbeit von Futtermittelkontrolle und Verbraucherschutz im Rahmen einer gemeinsamen Krisensitzung auf Abteilungsleiterebene der Ministerien unter Einbeziehung der Überwachungsbehörden. Am gleichen Tage, also am 7. Februar, erfolgte die Information des BMVEL, die Aktivierung des Schnellwarnsystems, die Information der Öffentlichkeit und aller potenziell betroffenen Betriebe. Am nächsten Tag, Samstag, dem 8. Februar, wurden in einem ganztägigen Aufklärungsgespräch mit dem Anlagebetreiber die intensiven Ermittlungen verdichtet. Vom 10.02.2003 bis 25.02.2003, dem Zeitraum intensiver Kontrollen, Beprobungen und Laboruntersuchungen, wurde die gesamte Dimension des Falls ans Tageslicht gebracht. Am 12.02. wurde Strafanzeige gegen den Futtermittelhersteller wegen grober Verletzung von Anzeige- und Informationspflichten sowie weiterer Delikte erstattet. Am 14.02. erging wegen fortwährenden Verdachts eines schwer wiegenden Anlagedefekts der Bescheid zum absoluten Verbringungsverbot aller Futtermittel und Bescheid zur Stilllegung der Anlage. Bereits am 28.02., also wenige Wochen nach Bekanntwerden der ersten Verdachtsmomente, konnte die Vereinbarung zwischen dem TMLNU und dem Deutschen Verband Tiernahrung e.V. (DVT) über die gegenseitige Bereitstellung von Kontrollergebnissen abgeschlossen werden.

Meine Damen und Herren, mit einigen Tagen Abstand zur aktuellen und zur akuten Krisenbewältigung "dioxinbelastetes Futtermittel" stellen sich verschiedene Fragen Fragen wie: Was sollten wir aus diesem Fall lernen? Oder: An welchen Stellschrauben muss nachjustiert werden? Ich möchte im Folgenden anhand von fünf Schlüsselfragen darlegen, welche Lehren wir aus den Ereignissen der vergangenen Wochen bereits gezogen haben bzw. wo wir noch weiteren Handlungsbedarf sehen.

Meine erste Schlüsselfrage lautet: Waren die Anlagegenehmigungen für das TWT Apolda und die Überwachung rechtskonform und risikoadäquat? Meine Damen und Herren, die Genehmigung der im Wesentlichen holzbefeuerten Trocknungsanlage erfolgte auf der Grundlage der 1996 geltenden immissionsschutzrechtlichen Bestimmungen. Die immissionsschutzrechtliche Überwachung erfolgte nach Maßgabe eines Erlasses des TMLNU vom 14.08.1996. Anlagengenehmigung und Anlagenüberwachung waren zu jedem Zeitpunkt rechtskonform.

Was die Frage der richtigen Bewertung der Risiken betrifft, möchte ich differenzieren. Zunächst ist festzustellen, die Spannweite der Analyseergebnisse der genehmigten Brennstoffe belegt, dass die Holzhackschnitzel, die in der Anlage aufgefunden wurden, unterschiedlicher Herkunft und Qualität waren. Wichtig ist dabei, dass das im Februar vorgefundene Holz zum Teil erhebliche Organohalogenbelastungen aufweist und damit eine Verwertung dieser Hölzer in der Anlage explizit verboten war. Auch die Wassergehalte lagen teilweise in einem für den Verbrennungsprozess ungünstigen Bereich. Dies allein erklärt jedoch die Dioxingehalte im Futtermittel nicht. Hinzugekommen sind Einflussfaktoren des Verbrennungsprozesses selbst. So wurden im Kamin auffällige, und zwar sehr hohe Dioxinwerte festgestellt. Aber auch der vergleichsweise niedrige Temperaturbereich bei der Brottrocknung hat die Dioxinbildung in diesem Bereich deutlich begünstigt. Die Anlage selbst weist einen erheblichen Defekt auf.

Zusammenfassend müssen wir daher feststellen, es war aus unserer heutigen Sicht eine ungünstige Verquickung mehrerer Faktoren, die alle in derselben negativen, dioxinbildenden Richtung wirkten. Nur in deren Produkt sind die hohen Futtermittelbelastungen Ende des letzten Jahres erklärbar. Punktuelle, aber niedrigere Belastungen in der Vergangenheit sind aufgrund der Inhomogenität der verwendeten Hölzer eher wahrscheinlich. Die noch laufenden Prüfungen erstrecken sich auf die letzten sechs Monate.

Heute stellt sich die Rechtslage bereits anders dar, anders als in dem Zeitraum der Entstehung des Problems. Denn mit In-Kraft-Treten der Altholzverordnung am 01.03. dieses Jahres darf künftig in Trocknungsanlagen, mit deren Abgas oder Flammen Futter in unmittelbarer Berührung getrocknet wird, nur noch naturbelassenes, lediglich mechanisch bearbeitetes Altholz verwendet werden. Dieses Risiko der Dioxinbelastung wäre damit deutlich reduziert. Eine entsprechende nachträgliche Anordnung bezüglich der Anforderungen an Holzhackschnitzel gemäß § 17 Bundesimmissionsschutzgesetz wurde vom Staatlichen Umweltamt Erfurt bereits erlassen, dieses zum 01.03. Dieses wäre auch ohne die Dioxinfunde so erfolgt.

Meine Damen und Herren Abgeordneten, verfahrensbedingte Störungen und der unzulässige Einsatz belasteter Hölzer können jedoch auch künftig nicht mit hundertprozentiger Sicherheit ausgeschlossen werden. Deshalb wollen wir, deshalb will die Landesregierung im Interesse einer wirksamen Qualitätssicherung und eines vorbeugenden Verbraucherschutzes wegkommen von direkten Trocknungsverfahren. Dies sind alles Verfahren, bei denen Futtermittel mit dem Rauchgas bzw. den Brennstoffen unmittelbar in Berührung kommen. Dies muss aber bundeseinheitlich, besser noch im europäischen Rahmen angegangen werden. Der Freistaat Thüringen wird diesen Prozess aktiv betreiben.

Meine zweite Schlüsselfrage lautet: Hat die Verwaltung richtig gehandelt und sind zusätzliche organisatorische Maßnahmen sinnvoll und notwendig? Um diese Frage zu beantworten, möchte ich zwei in den vergangenen Wochen in der Öffentlichkeit diskutierten Punkte aufgreifen: 1. Hat die Zusammenarbeit der Landesbehörden funktioniert? 2. Ist die Verwaltung des Freistaats Thüringen der Informationspflicht gegenüber Dritten, insbesondere dem Bund und der EU-Kommission, rechtzeitig und umfassend nachgekommen?

Zu erstens: Um es vorwegzunehmen, die Zusammenarbeit zwischen den Landesbehörden hat funktioniert. Die zur gegenseitigen Kontrolle und zur Nutzung der jeweiligen Fachkompetenz vorgenommene Trennung zwischen Produzentenbereich einerseits und Verbraucherbereich andererseits hat nie, zu keinem Zeitpunkt, zu einer Zeitverzögerung in der Aufklärung oder einer Minderung des Verbraucherschutzes geführt. Wo Mängel im Verwaltungsvollzug aufgetreten sind, wurden sie erkannt und geeignete Maßnahmen getroffen oder eingeleitet. So ist die in der Öffentlichkeit sehr breit diskutierte Tatsache, dass es zwischen dem TMSFG und dem TMLNU im Zeitraum vom 15. Januar bis 20. Januar zu einem Kommunikationsproblem gekommen ist, nicht zu bestreiten. Das in der Öffentlichkeit viel zitierte Schreiben des TMLNU an das TMSFG hätte am 16. Januar dort ankommen müssen und nicht, wie geschehen, erst am 20. Januar. Wer hieraus allerdings ableiten möchte, es gäbe ein interministerielles Schnittstellenproblem, verkennt, dass es nicht bedeutsam ist, wer einen nicht abgesandten Brief nicht erhält, sondern dass es darauf ankommt, dass die Information überhaupt abgesandt wird. Hier lag das Problem. Dazu stehen wir. Dies ist im TMLNU auch bewertet worden. Jedem Mitarbeiter ist inzwischen bewusst, dass es Informationen gibt, für deren Weitergabe man persönlich Sorge zu tragen hat und die man nicht dem Postlauf anvertrauen darf.

Da aus dem genannten Verlauf kein messbarer wirtschaftlicher Schaden erwachsen ist, dürfte sich auch aus diesem Grunde eine Diskussion über eine Ersatzpflicht des Freistaats genauso erübrigen wie die Forderung, der Staat, d.h., die steuerzahlenden Bürger müssten für fehlerhafte Produkte eines Futtermittelproduzenten haften. Wäre die Forderung erhoben worden, der Freistaat Thüringen müsse für defekte Bremsen von in Eisenach produzierten Pkws haften, jeder wäre sich der Absurdität eines solchen Ansinnens von Anfang an bewusst gewesen. Es ist so und es muss so bleiben, die Produktverantwortung liegt ausschließlich beim Hersteller.

(Beifall bei der CDU)

Ich betone aber, meine Damen und Herren, ausdrücklich noch einmal, die kurzzeitige Lücke im ansonsten direkten und unmittelbaren Informationsaustausch hat ihre Ursachen nicht in der Behördenorganisation. Das TMLNU wird trotzdem gemeinsam mit dem TMSFG die Weiterentwicklung in den anderen Ländern verfolgen, die sehr

unterschiedliche Organisationsstrukturen in diesem Bereich aufweisen, und bei vorliegenden Erfahrungen zur gegebenen Zeit die eigene Organisationsform einer erneuten Überprüfung unterziehen.

Zu zweitens, zum Bereich der Informationsverpflichtung: Auch hier, meine Damen und Herren Abgeordneten, haben die zuständigen Stellen alle Sachverhalte überprüft und bewertet. Ich möchte das Ergebnis vorwegnehmen. Zum Zeitpunkt der jeweiligen Entscheidung wurde durch Genehmigungs- und Überwachungsbehörden rechtskonform und zweckmäßig gehandelt.

Die Futtermittel-, die Emissionsschutz- und die Abfallbehörden haben nach Bekanntwerden der Belastungen unverzüglich und entschlossen gehandelt. Dazu gehört auch, dass wir den Bund zum richtigen Zeitpunkt und umfassend informiert haben. Ich weise an dieser Stelle die Kritik der Bundesministerin, Frau Künast, entschieden zurück. Frau Künast hält sich bedauerlicherweise nicht an Fakten, nein, sie informiert sowohl den zuständigen Fachausschuss des Bundestages unzureichend über diesen Umstand und hat nach unserem Kenntnisstand auch die EUKommission über den Ablauf in Thüringen unzutreffend informiert.

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD: Über unzu- reichende Informationen brauchen Sie ja wohl nicht zu reden.)

Es ist doch immer wieder schön zu hören, dass es sehr viele Sachverständige in diesem Bereich gibt.

(Beifall bei der PDS)

Frau Künast hält sich leider nicht an die Fakten, sie betreibt aus unserer Sicht Polemik mit einer nachvollziehbaren, aber von uns nicht geteilten Zielrichtung.

(Beifall bei der CDU)

Ihr Handeln wird offensichtlich allein bestimmt durch politisches Kalkül. Der Vorwurf, Thüringen hätte die Regeln des so genannten Schnellwarnsystems bei einem von Lebens- oder Futtermitteln ausgehenden mittelbaren oder unmittelbaren Risiko missachtet, greift ins Leere. Denn was besagt dieses Schnellwarnsystem? Zwei Fakten gilt es in diesem Zusammenhang herauszugreifen:

1. Das System beschränkt sich nach übereinstimmender Festlegung der Länder auf diejenigen Lebensmittel und Futtermittel, die ein über das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten, hier der Bundesrepublik Deutschland, hinausgehendes Gesundheitsrisiko darstellen.

2. Grundsätzlich gelten als Kriterien für die Meldung an die Kommission die Feststellung oder der Verdacht, dass ein Lebens- oder ein Futtermittel ein ernsthaftes unmittelbares oder mittelbares Risiko für die menschliche Gesundheit dar

stellt bzw. Probleme mit besonderer Dimension existieren. Beides, Gesundheitsgefährdung und Problem mit besonderer Dimension, war am 15.01.03 nach dem Erkenntnisstand der zuständigen Behörden nicht der Fall:

a) Es war kein anderes Mitgliedsland betroffen.

b) Es war aus den vorliegenden Erkenntnissen kein Problem mit besonderer Dimension bzw. einer Gesundheitsgefährdung abzuleiten.

c) Eine Gesundheitsgefährdung - und dieses ist das Kriterium - hat zu keinem Zeitpunkt vorgelegen und liegt bis heute nicht vor. Erst am 07.02.03 lag bezüglich der Dimension des Falls ein neuer Erkenntnisstand vor. Ab diesem Zeitpunkt, dem 07.02.03, wurde der Bund sofort gemäß Schnellwarnsystem umfassend und kontinuierlich informiert.

Wenn Frau Künast das System sicherer machen will, was wir im Übrigen ausdrücklich begrüßen, dann sollte sie vor allem dafür sorgen, dass die ausstehenden Durchführungsbzw. Verwaltungsvorschriften zum Umgang mit dem Schnellwarnsystem endlich auf den Tisch gelegt werden.

(Beifall bei der CDU)

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD: Da müssen die Länder aber auch mitarbeiten und nicht nur der Bund.)

Bisher gibt es dazu lediglich Protokolle von Bund-LänderReferentenbesprechungen bzw. einen zwischen allen Ländern der Bundesrepublik Deutschland einvernehmlich verabschiedeten Entwurf. Der Erlass der Verordnung kann durch die Bundesländer nun beim besten Willen nicht erfolgen.

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD: Nein, aber sie können mitarbeiten.)

Dies muss der Bund tun.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, die Mitarbeit der Bundesländer ist mit der gemeinsamen Verabschiedung eines Textes abgeschlossen. Jetzt ist der Bund in der Pflicht.

Meine dritte Schlüsselfrage lautet: Erfolgte eine richtige Bewertung des Risikos? Dies ist meines Erachtens eine ganz entscheidende Frage. Es geht bei den Kontrollen nicht nur darum zu erkennen, ob ein Problem vorliegt, sondern wir müssen seine Dimension begreifen, um zweckmäßig handeln zu können.

Lassen Sie mich eines vorab noch einmal deutlich sagen: Eine Gefährdung des Verbrauchers hat zu keinem Zeitpunkt vorgelegen. Wer 150 Bratwürste gegessen hätte,

die aus dem am stärksten belasteten Schwein stammen, wäre mit nur 0,5 Prozent der Jahresdosis aus der normalen Umweltbelastung konfrontiert worden. Meine Damen und Herren, nicht jeder Diskussionsbeitrag der vergangenen drei Wochen wird dieser Tatsache gerecht. Trotzdem ist festzustellen: Aufgrund der mangelhaften Kooperation man darf sicherlich auch sagen, Verschleierung durch den Produzenten - ist zunächst die Ausdehnung des Falls unzutreffend beurteilt worden; sie musste unzutreffend beurteilt werden. Auch hat es durch das BMVEL zu keinem Zeitpunkt Unterstützung bei der Risikobewertung gegeben. Die hätte es aber geben sollen.

(Beifall Abg. Sonntag, CDU)

Wir erwarten zukünftig vom Bund, dass sein dafür, und zwar ausschließlich dafür geschaffenes Institut für Risikobewertung beim operativen Krisenmanagement wesentlich stärker mitwirken muss. Dort sitzen die Spezialisten, deren Unterstützung die Überwachungsbehörden in allen Ländern dringend bedürfen. Hier kann Führungsqualität bewiesen werden; hier ist der Bund in der Pflicht, die von ihm geschaffenen Institutionen auch zur Wirkung zu bringen.

Meine vierte Schlüsselfrage lautet, meine Damen und Herren: Ist die Zeit von sechs Wochen zwischen der Probenahme und der Vorlage des Analyseergebnisses zu lang? Ich sage ganz deutlich: Ja. Auch vor dem Hintergrund, dass Weihnachten und Neujahr im konkreten Fall den Zeitraum zwischen Probennahme und Vorlage des Analyseergebnisses um mindestens zwei Wochen verlängert haben, ist diese Zeit zu lang. Es gibt Stimmen, die sagen, drei Wochen für eine solche Untersuchung sollten das Ziel sein. Diese Zeit kann bei Anwendung standardisierter und zertifizierter Verfahren unter Einschluss wirtschaftlicher Gesichtspunkte auch nicht wesentlich unterschritten werden. Eine wesentliche Verkürzung des Zeithorizonts zwischen Probennahme und Vorlage des Analyseergebnisses kann demzufolge nur bei Anwendung weniger genauer und nicht gerichtsfester Verfahren erreicht werden. Dieses bringt sowohl Vorteile, birgt aber auch Nachteile in sich. Auf der Seite der Nachteile ist sicher zu verzeichnen, dass jede Verkürzung dieses Zeithorizonts durch die staatliche Überwachung zusätzliche Ressourcen erfordert und der Einsatz von nicht zertifizierten Schnelltests eine Verwendung der Ergebnisse in Ordnungs- und Strafverfahren weitgehend ausschließt. Auf der Seite der Vorteile steht, dass die Ausweitung eines möglichen Problems frühzeitig gestoppt werden kann. Trends können frühzeitig erkannt werden, an die Stelle der Nachsorge tritt Beobachtung und Steuerung. Ein näherer zeitlicher Bezug zu dem Zeitpunkt der Entstehung des Problems erhöht zudem die Wahrscheinlichkeit der genauen Aufklärung seiner Ursachen.

Bei Abwägung aller Argumente heißt unser Fazit: Zur Erhöhung der Futtermittel- und Lebensmittelsicherheit benötigen wir eine deutliche Verkürzung des Verfahrens. Wir benötigen zwischen Probennahme und Vorlage der

Analyseergebnisse kürzere Fristen. Ich sage aber im gleichen Atemzug: Dies bedarf großer Anstrengungen. Wir stellen uns in Thüringen dieser Herausforderung. Das TMLNU hat deshalb die Überwachungsbehörde, die Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft, beauftragt, Vorschläge für eine Weiterentwicklung des heute angewandten Verfahrens zu unterbreiten. Ein Aufgabenschwerpunkt dieser Prüfung ist die Beantwortung der Frage: Wie können wir die so genannten qualitativen Schnelltests stärker nutzen? Ziel der Aufgabenstellung ist es, mit einem Grobraster schneller als bisher mögliche Negativtrends aufzuspüren und damit näher als bisher - wo wir stets den Ereignissen hinterherhinken - am eigentlichen Problem dran zu sein. Hier gilt es neue Wege zu gehen, dabei muss jeder seiner Verantwortung gerecht werden. Mit "jeder" meine ich die EU-Kommission in Brüssel, das Verbraucherschutzministerium in Berlin und alle Länderbehörden.

Die fünfte Schlüsselfrage lautet: Ist die Zahl der Proben, die durch die TLL zur Futtermittelkontrolle genommen werden, ausreichend, um hinlängliche Sicherheit zu erzeugen? Vorwegschicken möchte ich an dieser Stelle, dass es keine absolute Sicherheit, keine Sicherheit zu 100 Prozent geben kann. Das Ziel aller am Prozess Beteiligten muss daher heißen, Risiken zu minimieren, denn weniger Risiko heißt in diesem Falle mehr Sicherheit. Wir sollten uns darüber im Klaren sein, die Sicherheit muss innerhalb des Produktionsprozesses erzeugt werden.

(Beifall Abg. Sonntag, CDU)

Sie kann nicht in das Produkt hineingeprüft werden. Die Hauptverantwortung liegt dabei beim Betreiber der jeweiligen Anlage, der im vorliegenden Fall aus unserer Sicht dieser seiner Verantwortung nicht gerecht geworden ist. Ich sage ganz deutlich: Lücken, die der Betreiber hinterlässt, sei es fahrlässig oder möglicherweise sogar mit krimineller Energie, kann die staatliche Kontrolle verringern, sie kann sie aber nicht im Nachhinein und vollends schließen. Verwaltungshandeln kann Risiken minimieren - nicht mehr und nicht weniger. Es ist nicht möglich, staatliche Kontrollen auf das Zehn- oder Hundertfache zu steigern. Dazu fehlen uns nicht nur die personellen und finanziellen Voraussetzungen, eine Verdichtung der staatlichen Kontrollen ist auch dem Steuerzahler nicht zuzumuten. Der Außendienst der TLL ist beispielsweise mit seinen derzeitig 1.200 Futtermittelproben im Jahr am oberen Limit seiner Leistungsfähigkeit angekommen. Auch sind unmittelbare Zugriffe auf Laborwerte weder praktikabel noch rechtlich gestaltbar. Die von der PDS angeregte Verfahrensweise, ohne Prüfergebnisse auf Betriebsunterlagen zugreifen zu können, wenn Gefahr im Verzuge sei, begegnet der Frage, worin denn die Gefahr begründet sein soll und wie sie ohne Prüfergebnisse erkannt werden kann.

Zur Klarstellung: Bei Gefahr im Verzuge kann die Behörde schon heute zugreifen. Sie hat es im vorliegenden Fall nach Vorliegen der ersten Analysewerte auch getan. Aktionismus löst allerdings die Gesamtproblematik nicht

auf. Wenn wir es zu mehr Sicherheit in diesem Prozess bringen wollen, müssen wir an einem anderen Punkt ansetzen. Einen Ansatzpunkt, den das TMLNU unmittelbar nach dem Bekanntwerden von dioxinbelasteten Futtermitteln auf den Weg gebracht hat, ist die Verzahnung der Eigenkontrolle der Futtermittelerzeuger mit den staatlichen Überwachungsprozessen der Futtermittelbehörden. Deshalb haben wir am 28. Februar mit der Thüringer Mischfutterindustrie, vertreten durch den Deutschen Verband Tiernahrung, eine Vereinbarung geschlossen, um die Ergebnisse aus der Eigen- und amtlichen Kontrolle gegenseitig auszutauschen. Das bedeutet, dass mit dem Beitritt aller Thüringer Mischfutterproduzenten zu diesem System die Zahl der Kontrollergebnisse bei der TLL von jetzt 1.200 auf über 4.000 im Jahr gesteigert werden kann, und dies ohne zusätzliche Bürokratie und wesentlichen zusätzlichen Aufwand. Damit werden wir das vorsorgende Kontrollmanagement und seine Effizienz in Thüringen deutlich verbessern.