Protocol of the Session on December 12, 2002

dass derjenige, der in diesem Haus etwas kritisiert, etwas schlechtreden will. Wo sind wir denn eigentlich nach 12 Jahren angekommen, wenn Kritik in der Sache als Schlechtreden dargestellt wird?

(Beifall bei der SPD)

Herr Althaus, bei alldem, was von Ihnen gesagt worden ist, ich glaube, eines verletzt die Linie des Anstands, die wir beide immer wieder versuchen zu beschreiben, nämlich Ihre Aussage, dass die SPD durch eine Lüge an die Macht gekommen ist. Bei aller Kritik, und ich werde nachher auch noch etwas zu den Arbeitsmarktdingen sagen, bei aller Kritik, Herr Althaus, dies ist eine Sache, die so nicht angehen kann in diesem Parlament. Die Antwort auf die Vermögenssteuer hat Ihnen ja eigentlich der Ministerpräsident gegeben. Ich bemerke, dass Sie wahrscheinlich kaum noch miteinander kommunizieren. Aber es ist so. Wenn Sie eine Antwort auf die Vermögenssteuer haben wollen: Die Vermögenssteuer ist gestorben.

(Beifall bei der SPD)

(Zwischenruf Abg. Wetzel, CDU: Wer hat denn damit angefangen?)

Man muss doch schlicht und einfach in der Lage sein, die Mehrheiten im Bundesrat zusammenzuziehen, und dann weiß man, dass die Vermögenssteuer gestorben ist. Herr Matschie hat sich übrigens mit seiner Äußerung das erste Mal zur Vermögenssteuer geäußert. Er hat vorher nichts anderes gesagt an dieser Stelle. Ich glaube, auch das gebietet die Fairness.

Meine sehr verehrten Damen und Herren von der PDS, insbesondere Herr Ramelow, finanzpolitisch kommen wir, glaube ich, in diesem Jahrzehnt nicht mehr zusammen. Ich bleibe bei meiner Aussage: Mit dieser Finanzpolitik werden Sie nicht regierungsfähig.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, PDS: Meine Güte, die große Koalition mit SPD hat heftig Schulden gemacht.)

(Beifall bei der SPD)

Sie haben als ein Zentrum Ihrer Rede die Frage nach Gerechtigkeit gestellt. Ich frage Sie: Ist es gerecht, Schulden zu machen, die andere abbezahlen müssen? Oder ist es gerecht, sich die Einnahmen positiv zu rechnen? Was wäre denn passiert, wenn wir Ihrem Pfad gefolgt wären? Wir hätten mehr Schulden, d.h., wir wären noch weniger handlungsfähig als bisher, das nicht nur bei den Investitionen, sondern auch bei den von uns so oft eingeforderten freiwilligen Aufgaben. Ich rede da von Arbeitsmarktförderung, ich rede da von Kultur, ich rede da von Jugendarbeit und ich rede auch von den gesetzlichen Aufgaben. Wer Geld hat, Herr Ramelow, kann seine Kinder auf die Privatschule schicken. Wer Geld hat, kann sich einen eigenen Sicherheitsdienst leisten. Die dieses Geld nicht haben, die schauen eben zum Staat und sind auf den Staat angewiesen. Deshalb bleibt eines eine unerlässliche Wahrheit: Schuldenpolitik ist die unsozialste Politik, die man machen kann.

(Beifall bei der SPD)

Sie machen doch auch keine Keyn'sche Finanzpolitik oder wie immer Sie das nennen. Der Ablauf Ihrer Finanzpolitik ist doch jedes Jahr derselbe. Sie laufen das ganze Jahr im Land herum und versprechen jedem alles. Mit dem Haushalt merken Sie dann plötzlich, dass das Geld nicht dafür da ist. Dann kommen Sie zu dem Schluss, wir machen Schulden, dass wir unserer Klientel wenigstens weiter etwas vorgaukeln können an dieser Stelle.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, PDS: Also, ich frage mich, auf welchem Parteitag Sie gerade so einen Quatsch reden.)

Sie haben - ja, das ist das Niveau, auf das es runtergeht -, Sie haben, und da darf ich Sie zitieren, gesagt: "Wir ha

ben kein Patentrezept, aber wir haben einen Ansatz." Ich behaupte, Ihr Ansatz ist unsozial, ist ungerecht und deshalb falsch.

Zu dem Schuldenvergleich kann ich auch eines nur sagen, ich habe die letzten PDS-Parteitage verfolgt. Man wird dort nur mehrheitsfähig, wenn man das eine oder andere nostalgisch verbrämt. Insofern sei Ihnen das verziehen, wenn Sie dort die eine oder andere Mehrheit zukünftig anstreben.

Frau Finanzministerin, Glückwunsch zu Ihrer Einstandsrede. Ich will eben keine Noten vergeben wie der Ministerpräsident,

(Zwischenruf Dr. Vogel, Ministerpräsident: Habe ich etwas Falsches gesagt?)

ich will aber eine Bitte äußern für die Zukunft: Gehen Sie weg von der Schwarzweißmalerei. Glauben Sie wirklich, dass Sie immer alles richtig machen und die SPD alles falsch? Sie wissen, Frau Ministerin, viele unserer Vorschläge waren auch einmal die Ihrigen. Einiges, was Sie heute tun, haben Sie noch gestern als unsolide bezeichnet.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, PDS: So ist es, gilt aber auch für euch!)

Ich nenne da nur die Stichworte: Globale Minderausgabe, Bildung eines Sondervermögens oder Rücklagen für Tariferhöhungen. Wir haben Ihnen übrigens, Herr Ministerpräsident, nie vorgeworfen, wie Sie auch in Ihrer Rede behauptet haben - das kann in der Erregtheit passiert sein, Sie waren ja sehr erregt -, wir haben Ihnen nie vorgeworfen und nie in Frage gestellt, was Ihre Pläne in der Tarifangleichung betrifft. Aber wir bleiben bei der Linie der letzten 12 Jahre hier in diesem Hause. Diese Dinge, das hat ihr ehemaliger Finanzminister hier vehement vertreten, müssen aus dem laufenden Haushalt heraus erarbeitet werden.

Sehr geehrter Herr Mohring, Sie haben mit exakten und den richtigen Zahlen die Schwierigkeiten und die Probleme des Haushalts beschrieben. Sie wissen, dass wir bei den Ursachen ein ganzes Stückchen streiten. Sie haben gelegentlich, wie die anderen auch, vergessen, dass so ein Haushalt nicht nur einer Landesregierung Probleme macht. Wenn nämlich eine Opposition eben nicht in die Verschuldung geht und sich eben nicht die Einnahmen schönredet, hat sie auch Schwierigkeiten mit Änderungsanträgen. Ich glaube, die Begrenzung unserer Änderungsanträge auf eine annehmbare Summe zeigt, dass wir eben nicht so mit dem Haushalt umgegangen sind, wie uns hier vorgeworfen wird.

Ich wäre an Ihrer Stelle vorsichtiger mit der Kritik an Herrn Rürup. Ich habe ihn noch letzte Woche auf Phönix im Wirtschaftsrat der CDU gesehen. Herr Stoiber hat sich mit ihm und seiner Kompetenz geschmückt. Also, seien

Sie vorsichtig, wenn Sie Herrn Rürup jetzt schon an dieser Stelle

(Zwischenruf Abg. Arenhövel, CDU: Und... hat nicht auf ihn verzichtet, so ist das.)

ach, wissen Sie, ich habe überhaupt nichts gegen Herrn Rürup. Ich habe auch überhaupt nichts gegen Kommissionen. Ich finde es nur komisch, dass er auf der einen Seite von der CDU kritisiert wird und Herr Stoiber lädt ihn in den CDU-Wirtschaftsrat ein, um dort gemeinsam mit ihm zu diskutieren. Wir machen doch an dieser Stelle eigentlich nichts anderes. Deshalb halte ich das für albern, sich da einiges vorzuwerfen.

Aber auf ein Dilemma, Herr Mohring, will ich Sie schon hinweisen. Sie haben eigene Vorschläge gemacht. Sie haben von mehr und anderen Teilzeitjobs geredet. Sie haben von einer anderen Betriebsverfassung geredet und Ihnen ist bei all Ihren Vorschlägen leider nicht aufgefallen, dass das alles Vorschläge waren, die Sie genannt haben, die ausschließlich die Arbeitnehmer belasten. Hätten Sie wenigstens wie früher die unverschämten Abfindungen für Manager erwähnt, die aus Betriebsvermögen herausgeschält werden, wären Sie ein ganzes Stückchen glaubhafter gewesen. Aber nicht mal das. Das heißt noch lange nicht, dass es richtig ist. Deshalb haben Sie ein Gerechtigkeitsproblem an dieser Stelle. Sie haben nicht nur ein Gerechtigkeitsproblem, das sage ich nicht gerne, aber es muss gesagt werden, Sie haben auch ein Glaubwürdigkeitsproblem.

(Beifall bei der SPD)

Verstehen Sie? Da stehen Sie hier vorn, reden mit ruhiger, fast zitternder Stimme vom Generationsproblem

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Ruhig oder zitternd?)

und dann setzen Sie sich hin und stimmen der Verbeamtung von 3.000 Lehrern zu. Was glauben Sie denn, wer die Pensionslasten trägt? Das ist doch Ihre Generation.

(Beifall bei der SPD)

Dann stehen Sie hier vorn und fordern mehr Mittel für die Infrastruktur, natürlich aus Berlin, und dann setzen Sie sich hin und stimmen dort für eine Kürzung des Landesstraßenbauprogramms und für massive Kürzungen am ÖPNV. Herr Mohring, ich sage Ihnen deutlich: So geht das nicht. So torpediert man seine eigene Glaubwürdigkeit.

(Beifall bei der SPD)

Ein Wort zum Thema "Verwaltungsreform" und da habe ich Ihren Vorwurf, Herr Ministerpräsident, vom schlanken Staat in Richtung der SPD nicht verstanden. Es gibt auch zu dieser Problematik einen Antrag von der SPD.

Zunächst will ich etwas zum CDU-Antrag sagen. Ich will den gar nicht gering reden,

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Ist Ihnen aber gelungen!)

weil ich glaube, ich weiß, was das bedeutet, wenn aus einer Fraktion so ein Antrag kommt, in den man das eine oder andere hineininterpretieren könnte, was ich an dieser Stelle nicht tun will. Ich will eine inhaltliche Kritik anbringen. Ich hoffe, dass Sie dieser folgen können. Wir haben ganz einfach das größte Problem damit, dass Sie natürlich die Landesregierung auffordern, sich selbst zu überprüfen. Ich glaube, unser Antrag - und ich freue mich, dass Sie auch unseren Antrag nicht schlechtgeredet haben - geht an dieser Stelle richtigerweise ein Stück weiter und es gilt das, was der Abgeordnete Höhn an dieser Stelle gesagt hat. Wir sind bereit, mit Ihnen da ein Stück gemeinsam zu gehen, was das betrifft, aber wir wollen an dieser Stelle ernst genommen werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Seidel hat in seiner kurzen Replik auf die Debatte - es war für mich ganz interessant, wie jemand, der einmal drei Jahre nicht in diesem Landtag war, das so gesehen hat - von Merkwürdigkeiten gesprochen. Ich will ausdrücklich dazu sagen, für mich gab es in der Debatte nicht nur Merkwürdigkeiten, sondern auch viele Dinge, wo es interessant war zuzuhören, und besonders interessant waren dann die Stellen, wo der Redner eben nicht mit dem gleichen Schema eingestiegen ist, dass er nur einer Seite die Schuld zugewiesen hat, und interessant - natürlich hört man dann auch eher zu - sind natürlich auch die Reden, wenn der Redner nicht damit einsteigt, erst einmal prinzipiell jemanden von anderer politischer Couleur richtig zu verletzen, bevor man dann zur Sache kommt.

(Zwischenruf Abg. Zitzmann, CDU: Das gibt es umgekehrt genauso.)

Deshalb sage ich Ihnen, Herr Schuster, Ihre Ausführungen zum Thema "Arbeitsmarkt" habe ich sehr genau verfolgt. Das ist wirklich kritisch zu beurteilen, was da auf Bundesebene passiert. Ich will das hier an dieser Stelle gar nicht schönreden, das heißt dann aber noch lange nicht, dass man daraus nicht den Schluss ziehen kann, nach Möglichkeit, wenn man dieses schon kritisiert, es dann nicht im Landesarbeitsmarktprogramm genauso zu machen. Das ist, ich habe da sehr genau zugehört, eine Entwicklung, die muss uns hellhörig machen und da müssen wir reden. Aber ich sage Ihnen an dieser Stelle: Kritisieren Sie nicht die Bundesregierung und machen dann auf Landesebene dasselbe, auch da wird man ein Stückchen unglaubwürdig.

(Beifall bei der SPD)

Ich fand es genauso interessant, z.B. dem Abgeordneten Kummer bei den Umweltfragen zu folgen, und für mich

war es zumindest erhellend, was Herr Krauße gesagt hat über die Art und Weise, wie die Förderung in Verwertungsanlagen ursprünglich geplant war und wie das jetzt aussieht. Wir als Opposition erfahren das ja im Wesentlichen aus der Zeitung, und dass hier einmal ein klares und deutliches Wort gesagt worden ist, was die Wünsche waren und wie die Entwicklungen waren, habe ich für richtig gehalten. Auch Herrn Schwäblein habe ich gerne zugehört, auch wenn es natürlich das Problem ist, dass er gerade einer von denen ist, die mit einer persönlichen Verletzung in so eine Debatte einsteigen müssen. Was bleibt, ist, dass ich jetzt zumindest weiß, dass das Theatermodell Eisenach-Meiningen in Australien entstanden ist, und was mich auch interessiert hat und wo der interessierte Hörer, wenn er denn interessiert war, etwas lernen konnte, war der Schlagabtausch im Bereich der Justiz. So schlecht war das nicht, was man sich da gegenseitig erwidert hat und wie in der Sache dann auch direkt geantwortet worden ist. Aber mir hat natürlich in der Debatte auch etwas gefehlt, ich will nur zwei Dinge nennen: Da, wo Bildungspolitik so wichtig ist, kann es nicht sein, dass der entsprechende Minister seinen Haushalt nicht verteidigt, und bei Herrn Fiedler hat mir schon ein bisschen die Feuerwehruniform gefehlt, die er das letzte Mal getragen hat, als es im Haushalt die entsprechenden Kürzungen gegeben hat.

(Zwischenruf Abg. Groß, CDU: Das ist aber ein paar Jahre her.)

Meine Damen und Herren, der Doppelhaushalt ist so gut und schlecht wie die Politik des letzten Jahres. Es liegt nicht nur an einem Antrag, der vielleicht nicht angenommen wurde oder gerade der angenommen wurde.

Meine Damen und Herren, der politische Wettbewerb um die besten Ideen ist in diesem Haus mittlerweile vollkommen ausgeschaltet. Die Regierung und CDU-Fraktion haben immer Recht, die Opposition liegt immer falsch. Das behaupte ich jetzt. Die Rituale der westdeutschen Parlamente haben uns komplett eingeholt. Die einzige Ausnahme bildet im Augenblick die so genannte Elefantenrunde zu Bürgerbegehren, Volksbegehren und Volksentscheid. Ich denke dort manchmal, warum können wir dort gegenseitig argumentieren, uns austauschen und auch zum Teil akzeptieren und beim Haushalt geht dieses prinzipiell nicht. Warum hören wir uns dort besser zu, akzeptieren auch einmal die Meinung des anderen, wenn sie schlüssig vorgetragen wird, aber im wirtschaftspolitischen Bereich oder im Bereich der Umweltpolitik geht das nicht. Wir haben uns in der ersten Legislaturperiode teilweise gestritten wie die Pfeffersäcke. Da war das heute noch gar nichts. Aber, der eine oder andere wird sich erinnern, wir haben auch die Kraft gehabt, obwohl auch Sie Regierung und wir Opposition waren, entscheidende Gesetze zusammen zu machen, weil wir noch anerkannt haben, dass von beiden Seiten gute Ideen kamen. Diese Anerkennung ist in diesem Haus mittlerweile vollkommen vor die Hunde gegangen.

(Beifall bei der SPD)

Ich frage mich: Warum geht das nicht mehr? Meine Damen und Herren, lösen wir diese Frage nicht auf und beschneiden wir uns so gegenseitig auch zukünftig weiter in unseren Fähigkeiten, dann tun wir nicht das, wofür wir hier sind, nämlich zum Wohle des Freistaats zu arbeiten. Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD)

Damit sind auch die Redemeldungen aus der Schlussrunde erschöpft und ich kann diese schließen und damit die Gesamtdebatte zu den Tagesordnungspunkten 2 a bis d.