Protocol of the Session on September 12, 2002

(Beifall bei der CDU)

Sie wissen, wir haben diese Gesetzesnovelle in der Vorbereitung dieser Legislaturperiode im letzten Landtagswahlkampf angekündigt, es ist ein Punkt unserer damals gegebenen Zusage und Sie wissen auch, dass wir das Gesetz früher vorlegen wollten. Im Oktober letzten Jahres hat die erste Beratung im Kabinett stattgefunden. Aber, wenn ich sehe, mit allgemeiner Zustimmung haben wir dann gesagt, PISA, PISA-E und die Ereignisse am GutenbergGymnasium müssen berücksichtigt werden. Wer diese Novelle liest, wer liest, was dort drin steht und was dort nicht drin steht, kann die Spuren der PISA-Studie in den meisten Paragraphen deutlich erkennen und er kann die Spuren dessen, was am Gutenberg-Gymnasium geschehen ist, ebenso deutlich erkennen.

(Beifall bei der CDU)

Beispielsweise Letzteres, was Gutenberg betrifft, in der Neuregelung der Abschlüsse. Ich betone noch einmal, es gab viele gute Gründe, dass wir das bisher anders geregelt hatten. Es war nicht törichte Engstirnigkeit, dass es bisher anders geregelt war, aber wir haben nach dem Ereignis, die mit Ihnen diskutierte Änderung vorgenommen. Meine Damen und Herren, PISA zeigt natürlich beispielsweise auch, dass wir aus PISA den Schluss ziehen, dass Gesamtschulen zu schlechteren Lern- und Leistungsergebnissen führen als ein gegliedertes Schulwesen

(Beifall bei der CDU)

und dass wir deswegen diese Korrektur nicht vorgenommen haben.

Ausgangspunkt der Novelle ist die Tatsache, dass uns in Thüringen in den letzten zwölf Jahren ein erfolgreicher Aufbau und Ausbau eines neuen Schulsystems gelungen ist. Das Thüringer Schulsystem kann sich sehen lassen.

Es hat sich in vielen Punkten bewährt und es machen eine ganze Reihe von Inhalten unseres Schulsystems in anderen deutschen Ländern, vor allem im Westen, Schule.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, was ist alles verkündet worden, als wir am achtjährigen Gymnasium festhielten, Gott sei Dank, zusammen mit Sachsen. Wir haben die zehn Jahre durchgestanden und heute gibt es nichts Moderneres, als das Gymnasium auf acht Jahre zu verkürzen. Es tritt ein Wettlauf ein zwischen den Ländern, wer uns das am schnellsten nachmachen kann. Ja, auch Bayern will zu uns Wasser trinken kommen, meine Damen und Herren, da bin ich ganz sicher.

Wir haben auch nicht diesen Zick-Zack-Kurs gemacht wie Nachbarländer unter den neuen Ländern. Erst acht, dann neun, jetzt wieder acht. Schule gemacht hat natürlich auch die Art und Weise der Vollzeitbetreuung bei unseren Grundschulen und bei unseren Regelschulen. Die ganze Propaganda, dass man jetzt Geld vom Bund für Vollzeitschulen brauche, ist im Grunde das Nachholen eines großen Versäumnisses in den Schulsystemen westdeutscher Länder, weil es dort diese Regelung eben leider bis zur Stunde nicht hinreichend gibt. Das Schulsystem, das entwickelt worden ist, war erfolgreich und es war auch deswegen erfolgreich, weil zunächst Frau Lieberknecht und dann über viele Jahre Herr Althaus für diese Politik gestanden und sie durchgesetzt haben.

(Beifall bei der CDU)

PISA - in der Tat das deutsche Schulsystem lässt sich im internationalen Vergleich nicht gut an und es ist eine beunruhigende Tatsache für alle, auch für uns. Aber ich füge dem Satz hinzu, innerhalb Deutschlands nimmt Thüringen, und darauf sind wir stolz, eine hervorragende Position ein. Wir sind auch darauf stolz, dass Bayern und BadenWürttemberg im Westen und Sachsen und Thüringen im Osten am besten abschneiden.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, ich sage aber, dass PISA und das schlechte Abschneiden Deutschlands uns beschäftigen müssen. Aber, Frau Stangner, an den internationalen Spitzenländern orientieren möchte ich mich nicht. Ich räume ein, dass Japan bei PISA besser abschneidet, aber ich möchte das japanische Schulsystem nicht in Deutschland einführen, damit das ganz klar ist.

(Beifall bei der CDU)

Weil nämlich in der PISA-Studie nicht drin steht, um welchen horrenden Preis Japan so gut im internationalen Vergleich in den getesteten Fächern abschneidet. Das muss uns beschäftigen, dass wir da nicht besser sind, aber das japanische Schulsystem ist kein Schulsystem für Deutschland.

(Zwischenruf Abg. Dr. Stangner, PDS: Es gibt auch andere Länder mit positiven Ergebnis- sen!)

Ja, aber auch dort muss man sich das Ganze ansehen, meine Damen und Herren. Gegenwärtig sind Reisen nach Finnland Mode, aber die finnländischen Bedingungen sind eben andere als die Thüringer. Wir brauchen das beste Schulsystem für Thüringen.

(Beifall bei der CDU)

Es besteht deswegen mit dieser Novelle kein Grund zum Neubeginn, aber es gibt viele Gründe für die Weiterentwicklung. Wir haben keinen Grund, Frau Stangner, zu einer grundsätzlichen Änderung. Wir würden es verschlimmbessern, wenn wir eine grundsätzliche Änderung anstrebten.

(Beifall bei der CDU)

Aber, wir haben allen Grund für die Weiterentwicklung. Das ist ja nun wohl nach zehn Jahren und nach PISA und Gutenberg auch angebracht. Dabei ist der klare Orientierungspunkt ein Schulwesen, das den unterschiedlichen Anlagen und Fähigkeiten der Kinder gerecht wird, das den Schwachen fördert und den Starken fordert und nicht so tut, als könnten alle das Gleiche werden, wenn das Schulsystem sie nur alle gleich erzöge.

(Beifall bei der CDU)

Sondern das Leitbild dieses Entwurfs aus einem Guss sind Menschen mit unterschiedlichen Anlagen und Fähigkeiten und Eignungen und Neigungen. Ich möchte kein Schulsystem, wo einer, der das Zeug zum Handwerksmeister hat, Professor werden muss und wo einer, der das Zeug zum Professor hat, Handwerksmeister werden muss, weil das unserer Auffassung und unserem Menschenbild nicht entspricht.

(Beifall bei der CDU)

Das heißt konkret, die Regelschule stärken, das Gymnasium profilieren, der Grundschule mehr Aufmerksamkeit schenken und die Berufsschule in den Mittelpunkt rücken, die mir in der Diskussion zu kurz kommt.

(Beifall bei der CDU)

Die Regelschule, es ist vorhin gesagt worden, ist und bleibt das Rückgrat des Thüringer Schulsystems. Das Gymnasium muss sich profilieren und das Gymnasium muss Leistung abfordern dürfen, weil es sich nur dadurch rechtfertigt. Nicht, dass man von dort mehr werden kann, sondern dass man dort mehr leisten muss, ist das Kriterium des Gymnasiums, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Leider ist bisher nicht in hinreichendem Umfang zur Kenntnis genommen worden, dass diese Gesetzesnovelle die Grundschule mit mehr Aufmerksamkeit versieht. Mit den Möglichkeiten, früher in die Schule einzutreten, mit den Möglichkeiten, die Grundschule schneller zu durchlaufen oder länger auf ihr zu verweilen, mit der sehr mutigen und natürlich oft in den Konsequenzen noch nicht bedachten Einführung der Fremdsprache in der Grundschule, einer auch für die weitere Sprachenfolge sehr schwer wiegenden Entscheidung. Der Grundschule wird, wie ich finde, zu Recht eine größere Aufmerksamkeit als bisher geschenkt.

Was die Berufsschule betrifft, meine Damen und Herren, wenn jetzt die Schülerzahlen zurückgehen, wenn jetzt Lehrlinge knapp werden, dann muss das duale Ausbildungssystem, auf das Deutschland so stolz ist, wieder die Regel werden für die Heranbildung unseres Nachwuchses und darf nicht wie jetzt nur noch in 50 Prozent der Fälle sein.

(Beifall bei der CDU)

Wir haben das Gesetz sehr gründlich diskutiert mit Angehörigen aller Schulformen und Schularten, die wir in Thüringen haben, tage- und nächtelang und haben vielfach abgewogen und uns dann erlaubt Position zu beziehen, beispielsweise auch in der viel erwähnten Kopfnotenfrage. Nur, meine Damen und Herren, ich bin dafür und ich halte es auch für richtig, aber der zentrale Punkt der Schulgesetznovelle ist die Kopfnote nicht.

(Beifall bei der CDU)

Ich bedaure gelegentlich, dass Wichtigeres dabei zu kurz kommt. Die Diskussion ist mit dem Entwurf natürlich nicht beendet, im Gegenteil. Nur beobachte ich in der Diskussion eine Entwicklung, die eine gewisse Kuriosität hat. Da werden mehr Zuständigkeiten des Bundes gefordert. In demselben Interview wird drei Sätze weiter mehr Eigenverantwortung der Schule gefordert.

(Zwischenruf Abg. Döring, SPD: Ja, genau so ist das!)

Da wird im ersten Satz gefordert, mehr Einheitlichkeit und im zweiten Satz wird gefordert, dass jede Schule im Wesentlichen selbst bestimmen können muss, was sie tut und lässt.

Ich glaube, wir müssen auch aufpassen. Es war sehr interessant, am Dienstag ist der Gesetzentwurf im Kabinett verabschiedet worden, am Mittwoch erschien eine Thüringer Tageszeitung: Es ist schon alles geregelt, wir können gar nicht mehr diskutieren. Die andere Thüringer Tageszeitung titelte: Es ist ja noch gar nichts geregelt, es ist ja noch alles offen, wir wissen weiter nicht, wohin die Reise gehen soll. Nein, meine Damen und Herren, wir haben uns positioniert, aber die Diskussion geht selbstverständlich weiter und die Diskussion ist selbstverständlich auch von uns für die Ergebnisse offen zu führen.

Nur eines will ich beispielsweise zu der Diskussion anmerken: Den Leiter einer Schule an der Einstellung von Lehrern zu beteiligen, halte ich für gut. Die Einstellung der Lehrer einer Schule zu überlassen, ist die Entsolidarisierung der Schulen und Eltern und Lehrer im Lande. Denn, meine Damen und Herren, Sie können sich etwa vorstellen, von welcher Qualität dann die Lehrer in Erfurt sind und Sie können sich etwa vorstellen, von welcher Qualität dann die Lehrer an der Peripherie unseres Landes sind. Das kommt nicht in Frage. Wir haben als Land eine Ausgleichsfunktion und wir haben zu sichern, dass die Qualität vergleichbar ist und dass nicht neue Uneinheitlichkeit herrscht.

(Beifall bei der CDU)

Über das 4-Milliarden-Programm des Bundes, wenn es denn wirklich wahr wird, lassen wir gerne miteinander reden. Im Augenblick ist das heiße Luft. Im Haushalt für 2003, der zur Stunde im Bundestag diskutiert wird, stehen nicht 4 Mrd., sondern 200 Mio. Im Übrigen, hätte man uns das Geld gegeben, um im Haushalt mehr für die Schule tun zu können, dann hätte man ein solches Sonderprogramm nicht gebraucht.

(Beifall bei der CDU)

Aber selbstverständlich wird der Finanzminister schon die Hand offen halten, wenn Geld verteilt wird. Ich bin einmal gespannt, wie viel verteilt wird.

Das Schulgesetz ist wichtig, ich habe es gerade gesagt und habe es zu den wichtigsten Gesetzen gezählt, die wir in den nächsten Monaten hier zu beraten und zu verabschieden haben, aber das Schulgesetz ist nicht der einzige Beitrag. Die Rechtsverordnungen sind wichtig - auch da, meine Damen und Herren, rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln. Erst soll noch einmal alles in Frage gestellt werden, aber dann sollen schon für alle Paragraphen die Rechtsverordnungsvorschläge vorliegen. Aber erst muss das Gesetz in seinen Grundzügen klar sein, dann kann man an die Ausarbeitung der dazugehörigen Rechtsverordnungen denken.

Außerdem ist es nicht nur das Gesetz und nicht nur die Rechtsverordnung, sondern natürlich auch die Enquetekommission, die darauf hinweist, dass die Debatte über Bildung in Thüringen nicht mit der Verabschiedung der Schulgesetznovelle zu Ende ist.

(Beifall bei der CDU)

Dazu gehört für mich neben anderem als eine der wichtigsten Aufgaben, den Lehrerinnen und Lehrern im Land mehr Aufmerksamkeit zu schenken, Ihnen mehr Anerkennung zu zollen, über ihre Ausbildung und über ihre Weiterbildung zu diskutieren und über die notwendige Zusammenarbeit zwischen Schule und Elternhaus, zwischen Lehrer und Eltern zu sprechen. Alles Dinge, die man nicht im Schulgesetz regeln kann, die aber lebensnotwendig sind,

die sogar wichtiger sind als ein einzelner Paragraph in dem Gesetz, das wir jetzt beraten.

(Beifall bei der CDU)

Eine letzte Bemerkung: In solchen Sachdebatten - Frau Stangner hat das vor allem getan - spielt dann immer Geld keine Rolle. Meine Damen und Herren, natürlich sind die Gesetze des Haushalts auch bei diesem Thema nicht außer Kraft gesetzt, zumal wir vor dem Hintergrund eines der größten Etats der Landespolitik sprechen. Hier kann ich nur wiederholen: Wir haben die Absicht Prioritäten zu setzen, aber angesichts der uns aufgezwungenen Einsparnotwendigkeiten heißt Priorität nicht klotzen und heißt, die Bereiche, die wir kürzen müssen, stärker zu kürzen, als wenn wir sie alle einbezögen. Aber wir machen das ja nicht mit der Rasenmähermethode. Wir werden in diesen Bereichen keine Kürzungen vorsehen und damit zusätzlich betonen, dass dieser Bereich zu den prioritären Bereichen der Landespolitik gehört.