Protocol of the Session on April 25, 2002

In der anschließenden Diskussion spielten insbesondere die unterschiedlichen Tempi für den Abbaupfad der Nettoneuverschuldung eine Rolle. Weiterhin wurden insbesondere von den Oppositionsfraktionen in größerem Umfang Verständigungs- und Klarstellungsfragen zu Einzelpositionen der Einzelpläne gestellt.

(Unruhe im Hause)

Es ist erstaunlich, welches Interesse an der Haushaltsberatung im Hause herrscht.

(Beifall bei der PDS)

Die 36. Sitzung befasste sich mit Änderungsanträgen der Fraktionen. Dabei lagen von Seiten der CDU keinerlei Anträge vor. Von Seiten der PDS wurden 41 und von Seiten der SPD 72 Anträge eingereicht sowie ein Antrag des Ausschussvorsitzenden zur redaktionellen Änderung des Titels des Gesetzes. Schwerpunktmäßig befassten sich die Anträge der PDS mit der Veränderung der Investitionspauschale, Korrekturen im Arbeitsmarkt- und Sozialbereich sowie Lehre und Forschung. Dabei orientierte die PDS auf eine andere Schätzung der Steuereinnahmen im Jahre 2002 mit differenzierter Betrachtung der Einzelsteuern sowie eine Änderung des Abbaupfades der Nettoneuverschuldung. Von Seiten der SPD wurden Mehrforderungen zum Ursprungsansatz des Nachtragshaushalts im Tourismus, ÖPNV, Arbeitsförderung und Technologie beantragt. Weitere Schwerpunkte bildeten die Mittelaufstockung für sächliche Verwaltungsausgaben der Hochschulen. Über Kosteneinsparungen in 42 Einzeltiteln wurde die Deckung vollständig angeboten. Keiner dieser Anträge der beiden Oppositionsfraktionen fand eine Mehrheit. Lediglich eine mehr formale Änderung zum von der Regierung vorgelegten Haushalt wird dem Landtag in der mehrheitlich gefassten Beschlussempfehlung zur Annahme empfohlen.

Zur Mittelfristigen Finanzplanung, meine Damen und Herren: Erstmals wurde im Zusammenhang mit dem Nachtragshaushalt eine Mittelfristige Finanzplanung von Seiten der Landesregierung vorgelegt. Dies dient lediglich als Orientierung. Von allen Seiten wurde darauf hingewiesen, dass spätestens mit dem nächsten Doppelhaushalt eine neue Mittelfristige Finanzplanung vorgelegt werden muss. Die nun vorliegende geht von einem reduzierten Haushaltsvolumen des Jahres 2003 von minus 0,1 Prozent und einem Wachstum in 2004 von 0,5 Prozent sowie 2005 von 1,2 Prozent aus. Die Mittelfristige Finanzplanung in Drucksache 3/2327, Beschlussempfehlung, wird dem Landtag einstimmig zur Kenntnisnahme empfohlen. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Damit kommen wir zur Aussprache. Wir führen zunächst wie üblich eine Grundsatzaussprache und dann, soweit

gewünscht, auch eine Aussprache zu Einzelbereichen. Zunächst hat das Wort der Abgeordnete Huster, PDS-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will es gleich zu Beginn sagen, es wird heute nicht nur über Zahlen gesprochen, sondern auch über parlamentarischen Fleiß.

Wir beschließen heute aller Voraussicht nach den 2. Nachtragshaushalt des Freistaats Thüringen 2002. Aus Sicht der Landesregierung wurde er notwendig, weil die Bundesregierung total versagt hat. Aus Sicht der PDS-Landtagsfraktion ist dies nur ein Teil der Wahrheit. Nicht nur die Bundesregierung hat versagt, nein, wichtige Zukunftsaufgaben des Freistaats Thüringen liegen unbearbeitet und warten darauf, dass eine neue Regierung die Probleme des Landes löst.

(Beifall bei der PDS)

(Zwischenruf Abg. Böck, CDU: Helfen?)

Ich will Ihnen helfen und ein paar dieser Probleme aufzählen. Die Arbeitsmarktzahlen in Thüringen sind ernüchternd. Die Arbeitslosigkeit ist auf Rekordniveau angestiegen und beträgt per 31. März 213.916 registrierte Arbeitslose. Die Zahl der offenen Stellen liegt bei 15.968 und offenbart damit die Debatte um eine Absenkung des Versorgungsniveaus von Hilfeempfängern als rückwärts gewandte Scheindebatte und bietet keine Chance der Brückenfunktion in den ersten Arbeitsmarkt.

Die Anträge der PDS im Bereich der Berufsausbildung sind jahrelang mit der Begründung, dass jeder Jugendliche versorgt sei, abgeschmettert worden. Dennoch ist die Situation schlecht. Die Jugendarbeitslosigkeit ist alarmierend hoch. Ich will Ihnen auch die Zahl nicht vorenthalten: 25.302 Jugendliche unter 25 Jahren sind arbeitslos, mit steigender Tendenz.

Meine Damen und Herren, uns muss bewusst sein, dass hier Zukunftschancen des Landes verspielt werden. Vergessen hat die Landesregierung die Tatsache, dass mittlerweile Tausende junge Menschen das Land gen Westen verlassen, so als hätte es den Mauerfall nicht gegeben 10.000 im letzten Jahr.

(Unruhe bei der CDU)

Die Zahl der Sozialhilfeempfänger betrug zum 30.09.2001 fast 52.000 Menschen; die Zahl der Jugendlichen darunter betrug zum gleichen Stichtag über 30.000. Der Anteil der Jugendlichen, die das Thüringer Bildungssystem ohne Hauptschulabschluss durchlaufen, beträgt 13 Prozent. Damit ist diese Landesregierung seit einigen Jahren das Schlusslicht in Deutschland. Sie haben die rote Laterne.

(Heiterkeit bei der CDU)

Wer angesichts dieser Zahlen einen Nachtragshaushalt nur mit dem Fehlverhalten der Bundesregierung begründet, ist politisch unglaubwürdig. Er ist eigentlich am Ende.

(Beifall bei der PDS)

(Zwischenruf Abg. Althaus, CDU: Sehr inte- ressant.)

Deshalb ist es mehr als eine Offenbarung, wenn die CDU im Plenum und im Nachtragshaushalt keinen einzigen Änderungsvorschlag unterbreitet. Ich finde, dass dieses Verhalten diesem Parlament unwürdig ist, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Dabei muss ich sagen, dass Sie wenigstens nach außen hin ehrlich sind; nicht nur die Regierungserklärung war an Plattheit nicht mehr zu überbieten. Die CDU-Fraktion zieht in Blockparteimanier nach und sie tut einfach nichts. Die Landesregierung ist mit ihrem Ministerpräsidenten an der Spitze untätig. Sie verleugnet die Probleme so lange, bis sie nicht mehr beherrschbar sind. Sie erfährt dabei von ihrer Mehrheitsfraktion null Unterstützung. Dabei ist schon zu fragen, ob es am Maulkorb liegt, Herr Mohring. Oder liegt es daran, dass Sie bei Ihrem Italien-Urlaub eher ihr eigenes Wohl als das Wohl des Landes im Blick hatten?

Ich will Ihnen gleich zu Beginn Folgendes sagen: Egal ob Maulkorb oder Faulheit zum Schaden des Landes, das ist ein Armutszeugnis. Ich sage Ihnen voraus, diese Ignoranz wird sich rächen, da bin ich mir sicher.

(Beifall bei der PDS)

(Zwischenruf Abg. Ramelow, PDS: Jawohl!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die PDS-Landtagsfraktion geht in ihrer Haushaltsstrategie davon aus, dass ein 2. Nachtragshaushalt einerseits die Steuermindereinnahmen aus der Steuerschätzung zu verarbeiten hat und andererseits, dass auch und gerade mit diesem Nachtragshaushalt einige Weichenstellungen möglich sind, die einen nachhaltigen Aufschwung in Thüringen befördern helfen - einen Aufschwung, der angesichts oben genannter Zahlen dringend notwendig und der machbar ist. Nur dazu muss man erst einmal eine Analyse durchführen und die Defizite benennen. Denken Sie beispielsweise an die Kommunen. Sie beteiligen die Kommunen wiederholt überproportional an den Konsolidierungsbemühungen, obwohl gerade die Kommunen die großen Verlierer der rotgrünen Steuerreformen sind, gerade sie haben überproportional unter einbrechenden Steuereinnahmen zu leiden. Gerade sie müssen den Bürgern hohe Abgabelasten erklären. Ebenso müssen sie die Verantwortung für die Schließung soziokultureller Einrichtungen und die Verschleuderung kommunalen Eigentums tragen. Es müsste jedem hier

im Saal klar sein, dass dies letztlich nur die Verringerung künftiger politischer Spielräume bedeutet.

Die Anhörung der kommunalen Spitzenverbände im Haushaltsausschuss zeigte wiederholt deutlich, dass sich deren Vertreter ihres Beitrags zur notwendigen Haushaltskonsolidierung bewusst sind. Die Anhörung zeigte aber auch, dass es Änderungsbedarf und Änderungsvorschläge gibt. Diese auch in schwierigen Zeiten aufzugreifen wäre für ein verantwortungsvolles Handeln der Landesregierung notwendig. Doch unsere überaus schlaue Landesregierung ignoriert selbst die bestgemeinten Vorschläge. Ich finde das skandalös.

(Beifall bei der PDS)

Jeder weiß, dass die Kommunen in Thüringen in diesem Jahr Investitionen in Höhe von 250 Mio.      können, notwendige Investitionen, meine Damen und Herren. Auch deshalb saßen wir in der Enquetekommission Wirtschaftsförderung in Thüringen zusammen. Auch dort ist die Notwendigkeit, ja die Vordringlichkeit des Abbaus der Infrastrukturlücke beschrieben worden, damit neue Investitionen im Osten möglich sind, und es wurden die Möglichkeiten in Landesverantwortung erarbeitet.

Als ein Beispiel für die Untätigkeit, ja die Missachtung der Probleme der Kommunen will ich Ihnen aus einem Brief des Ministerpräsidenten an die Oberbürgermeister zitieren. Diese hatten sich mit der Bitte an ihren Landesvater gewandt, die Finanzierung der kreisfreien Städte auf Grundlage ihrer tatsächlichen Aufgaben zu überdenken. Was ist nun die Antwort? Hören Sie zu, ich darf einige Stellen aus dem Brief zitieren: "Für Ihre Sorgen habe ich vollstes Verständnis." Gut! "Für die Steuerausfälle ist nicht der Freistaat Thüringen, sondern die falsche Wirtschaftspolitik des Bundes verantwortlich." Klar, wer sonst.

(Beifall bei der CDU)

"Vor dem Hintergrund der finanziellen Schwierigkeiten Ihrer Stadt bitte ich Sie um Prüfung Ihrer Aufgabenstrukturen. Da erhebliche freiwillige Leistungen das Budget belasten, ist an dieser Stelle auch ein Einsparpotenzial zu sehen." Da kann ich nur sagen, wer hätte das gedacht. Wie der Ministerpräsident den Kommunen zu helfen bereit ist, zeigt der letzte Satz des Schreibens: "Ein gedrucktes Exemplar meiner Regierungserklärung vom 15. März 2002 lege ich Ihnen zu Ihrer Kenntnisnahme bei." Da werden die Oberbürgermeister aufgrund der Inhaltsschwere und des Tiefgangs der Regierungserklärung aber froh sein.

(Beifall bei der PDS)

Ich hoffe nur, dass Sie dabei auch die vollständige Rede verschickt haben, oder soll ich sagen, hoffentlich nicht? Nein, meine Damen und Herren, Handeln für die Kommunen ist nötig und möglich. Wir wollen die Stagnation aufbrechen und die Kürzungen bei den Investitionspauschalen rückgängig machen. Nicht nur rückgängig, zusätz

liche Investitionen macht die PDS möglich, indem wir 100 Mio.             cken und diese damit verdoppeln. Damit werden neue Impulse für die heimische Wirtschaft gesetzt. Es gibt sicher einige Möglichkeiten, die kommunale Finanz- und Investitionskraft zu stärken. Wir haben uns für diesen Weg entschieden.

(Zwischenruf Abg. Bergemann, CDU: Zusätzlich verschulden.)

Dazu komme ich noch.

Den Kritikern im Hause sei gesagt, dass man durchaus über die Art und Weise und über die Höhe dieser Änderung streiten kann. Nur, diese Chance hat keine der beiden anderen Fraktionen im Fachausschuss wahrgenommen. So kann sich Protest auch relativieren, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der PDS)

Sieht man sich die Ausgabenkürzungen der Landesregierung an, so fällt auf, dass unverhältnismäßig in Zukunftsbereichen gekürzt wurde. Kein Mensch begreift, warum in der Denkfabrik gekürzt wird, obwohl die Universitäten und Fachhochschulen Thüringens sonst für alles gut und richtig sind. Die Landesregierung hat im Interesse der Zukunft des Freistaats die Staatlichen Hochschulen zu unterstützen und zu finanzieren. Von dieser Pflicht befreien keine finanziellen und demographischen Entwicklungen. Ich frage Sie: Welches Ziel verfolgen die Kürzungen der Mittel wirklich? Ich verstehe die Landesregierung an dieser Stelle auch nicht. Die Proteste der Professoren und Studenten konnten sie auch nicht erweichen, dabei liegen hier auch und gerade die für die Entwicklung unseres Landes wichtigen Potenziale. Es geht für die PDS nicht nur um die Kürzung schlechthin, sondern auch um die Symbolik, um das gesellschaftliche Klima. Das Gleiche gilt für die beabsichtigten Kürzungen bei den Frauenhäusern. Offensichtlich geht dieser Landesregierung gerade das Fingerspitzengefühl für die sensiblen Bereiche ab. Dort engagieren sich Menschen, die sehr bemüht sind, oftmals kaum bemerkt vom Mainstream unserer Gesellschaft, aber auch die sollen in einem zukunftsorientierten Bundesland mittun können, meine Damen und Herren. Ihre Kürzungen in diesem Bereich akzeptieren wir nicht.

Im Bereich Kunst und Kultur im Freistaat Thüringen verharrt diese Landesregierung in Stagnation. Trotz ständiger verbaler Bekundungen, wie wichtig diese Zukunftsinvestitionen seien, gibt es gravierende Einschnitte, obwohl die Problemlagen bekannt und von uns auch immer wieder benannt worden sind. Es sei an dieser Stelle ausdrücklich nicht auf die unzureichende Handlungsfähigkeit im Bereich der Orchester und Theater hingewiesen. Das werden wir in Vorbereitung auf den nächsten Doppelhaushalt thematisieren. Aber für den großen Bereich der Sozio- und Breitenkultur hätte jetzt gehandelt werden müssen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der PDS)

Doch was tut diese Landesregierung? Statt konkreter Schritte zum Erhalt des kulturellen Netzwerks sollen nun die Zuschüsse zur Schwerpunktförderung im Bereich der Breitenkultur um fast die Hälfte gekürzt werden. Wir betrachten dies als Skandal, der spürbare Auswirkungen auf die gesamte Kulturlandschaft Thüringens haben wird.

(Beifall Abg. K. Wolf, PDS)

Unsere Vorschläge zielen im Moment ganz pragmatisch auf die einfachsten Lösungen und Sie hätten die Möglichkeit, diesen zuzustimmen. Ein Lösungsschritt ist in diesem Zusammenhang für die PDS-Fraktion nach wie vor die Schaffung einer Stiftung Breitenkultur, zu der Ihnen heute ein Entschließungsantrag vorliegt. Der weitere Änderungsantrag zur Aufstockung der Mittel für die Projektförderung fällt unter die Rubrik "Wo ein politischer Wille ist, ist auch ein politischer Weg". Sie werden jedoch diesen Weg nicht gehen wollen, weil Sie die Augen vor der Realität verschließen. Damit passt leider die Verhaltensweise der Landesregierung zu Kunst und Kultur zu Ihrer gesamten Stagnationspolitik, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der PDS)

Man bekommt keine Aufbruchsstimmung mit dieser Kürzungspolitik. Diese Aufbruchsstimmung brauchen wir aber. An dieser Stelle muss ich natürlich eine Bemerkung zu den Beratungen im Haushalts- und Finanzausschuss machen. Mit welcher Arroganz selbst im Haushalts- und Finanzausschuss vereinzelte Denkansätze der Ministerin abgebügelt wurden, das, finde ich, verdient schon die Beachtung des Parlaments. Falls das notwendig ist, kann ich auch mit Zitaten dienen, Herr Mohring.