Protocol of the Session on March 14, 2002

(Beifall bei der CDU)

Wenn die PDS das allerdings so sieht, dann zeigt das wieder einmal mehr, dass sie in der parlamentarischen Demokratie noch nicht angekommen ist.

(Beifall bei der CDU)

Mangelnden Respekt vor dem Thüringer Verfassungsgerichtshof zeigt die PDS aber nicht nur dadurch, dass sie Urteils- und Richterschelte betreibt, sondern auch dadurch, dass sie den Verfassungsgerichtshof zugleich unter Druck setzen will. Herr Abgeordneter Dr. Hahnemann von der PDS sprach in der letzten Landtagssitzung am 21. Februar unter anderem von einer Lethargie, der man bei solchen Institutionen entgegenwirken müsse. Welch ein Ver

fassungsverständnis - oder, siehe oben.

Meine Damen und Herren Abgeordneten, ich denke, man muss diese aus der Verfassung und dem Urteil des Verfassungsgerichtshofs sich ergebenden Rahmenbedingungen kennen und berücksichtigen, um die Regierungsentwürfe angemessen bewerten und einordnen zu können.

Lassen Sie mich nun die wesentlichen Elemente der Regierungsentwürfe zusammenfassen, zunächst die Änderung der Verfassung: Das Zustimmungsquorum für Volksbegehren wird von 14 Prozent auf 10 Prozent abgesenkt und die erforderliche Anzahl von Unterstützungsunterschriften für den Bürgerantrag auf 50.000 und damit auf weniger als die Hälfte reduziert. Für den Bürgerantrag entfällt zudem die Flächenklausel, wonach ein Mindestquorum in der Hälfte der Landkreise und kreisfreien Städte erforderlich war, wofür der damalige Gesetzgeber in der Tat beachtliche Gründe anführen konnte. Für den Bürgerantrag und das Volksbegehren wird die Sammlung von Unterschriften in den Amtsräumen der Gemeinden eingeführt. Damit wird eine höhere Legitimität der Unterschriften und eine Vereinfachung für die Initiatoren erreicht. Die Regelungen zum Unterstützungsquorum für den Antrag auf Zulassung des Volksbegehrens und zur Sammlungsart sollen in die Verfassung aufgenommen werden, weil sie - wie ich sagte - wesentliche Elemente der vom Thüringer Verfassungsgerichtshof betonten Legitimationswirkung des Verfahrens sind. Die rechtliche Überprüfung des Volksbegehrens durch das Verfassungsgericht soll nicht mehr nach, sondern vor der aufwendigen Unterschriftensammlung erfolgen. Dies schafft frühzeitig Klarheit über die Zulässigkeit eines konkreten Volksbegehrens und vermeidet den mit einer Unterschriftensammlung verbundenen Aufwand, wenn erst später festgestellt wird, dass das Volksbegehren unzulässig ist. Die Änderung des ThürBVVG setzt im Wesentlichen die durch Änderung der Verfassung vorgesehene Einführung der amtlichen Sammlung um und regelt deren Einzelheiten. In den Gemeinden sind für Bürgeranträge und Volksbegehren Eintragungslisten zu führen, um die Leistungen der Unterstützungsunterschriften ortsnah und damit bürgerfreundlich zu ermöglichen.

An dieser Stelle ein Wort zum Ergebnis der Anhörung der Datenschutzbeauftragten. Diese hatte vorgeschlagen, aus datenschutzrechtlichen Gründen statt Eintragungslisten, Eintragungsbögen vorzusehen. Die Landesregierung hat sich mit Blick auf eine einheitliche Regelung für den Bürgerantrag in der Kommunalordnung und den Bürgerantrag und Volksbegehren auf Landesebene sowie mit Blick auf die bürgerfreundlichere Lösung einheitlich für die Listenlösung entschieden. Sie ist aber, wenn sich im Gesetzgebungsverfahren bessere Erkenntnisse ergeben sollten, auch mit einer Sammlung auf Eintragungsbögen einverstanden. Weiter ist im ThürBVVG geregelt: Nach wie vor hat der Landtagspräsident über die Zulässigkeit eines Antrags auf Zulassung eines Volksbegehrens zu entscheiden. Künftig veröffentlicht der Landtagspräsident nicht nur zulässige Volksbegehren, sondern setzt auch Beginn und

Ende der Eintragungsfristen fest. Sodann werden noch weitere Einzelheiten des Eintragungsverfahrens geregelt. Die Gemeinden erhalten vom Land die Erstattung der Kosten für die Durchführung von Bürgeranträgen, Volksbegehren und Volksentscheiden. Es wird eine Frist von einem Monat nach Zulassung des Volksbegehrens zur Anrufung des Thüringer Verfassungsgerichtshofs durch die Landesregierung oder ein Drittel der Mitglieder des Landtags eingeführt.

Meine Damen und Herren Abgeordneten, lassen Sie sich noch etwas zur Sammlungsart sagen. Hier wird teilweise ein Popanz aufgebaut, welche nachteiligen Folgen damit für die Erfolgsaussichten verbunden seien. Das stimmt doch so nicht. Abgesehen davon, dass die Einführung der amtlichen Sammlung dem Urteil des Thüringer Verfassungsgerichtshofs Rechnung trägt, ist sie auch eine Chance für die Initiatoren des Volksbegehrens. Eine amtliche Sammlung innerhalb nicht zu langer Sammlungsfrist schafft für die Initiatoren die Möglichkeit einer wahlkampfähnlichen Mobilisierung. Nicht ohne Grund ist die amtliche Sammlung in der Mehrzahl der Länder - 11 von 16 - vorgesehen.

(Beifall bei der CDU)

Eine amtliche Sammlung bringt Vorteile für die Initiatoren eines Volksbegehrens, die nicht landesweit organisiert sind oder sich keiner landesweit organisierten Unterstützungsgruppen bedienen können. Sie ist eine erhebliche organisatorische Entlastung für die Initiatoren von Volksbegehren, weil sie die Organisation und Durchführung der Sammlung nicht selbst leisten müssen. Gerade diesem Argument können Sie sich doch nicht verschließen, wenn Sie sich gleichzeitig für den Wegfall der Flächenklausel, gerade auch im Interesse der kleinen Initiativen, stark machen.

(Beifall bei der CDU)

Man muss auch berücksichtigen, dass der Anfang der 90erJahre für die Einführung freier Sammlungen in den neuen Ländern maßgebliche Grund so nicht mehr besteht. Zwölf Jahre nach der deutschen Einheit ist die Verwaltung in der Lage, amtliche Sammlungen durchzuführen, und bestehen Vorbehalte bei den Bürgern gegenüber Behörden jedenfalls nicht mehr in dem Umfang, dass es gerechtfertigt sein könnte, die mit der freien Sammlung verbundenen Gefahren für die Wahlfreiheit in Kauf zu nehmen.

Meine Damen und Herren Abgeordneten, ich denke, die Regierungsentwürfe sind gute Grundlage für die erforderlichen Gespräche und parlamentarischen Beratungen. Wir wissen, dass eine Änderung der Verfassung ohne Zustimmung aus der Opposition nicht möglich ist. Wir wissen auch, dass ein Kompromiss immer ein wechselseitiges Aufeinanderzugehen voraussetzt. Wir - damit meine ich die Landesregierung und die sie tragende CDU-Fraktion - sind dazu bereit. Voraussetzung ist dabei immer - und das wurde für die Landesregierung an dieser Stelle schon wie

derholt betont -, dass der Vorrang der parlamentarischen Demokratie gewahrt bleibt, also dem Urteil des Thüringer Verfassungsgerichtshofs Rechnung getragen wird. Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Ich eröffne die Aussprache zu beiden Gesetzentwürfen. Als erster Redner hat sich zu Wort gemeldet Abgeordneter Dr. Hahnemann, PDS-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, sehr verehrte Gäste! Herr Minister Birkmann, Sie haben von den Anforderungen an verantwortliche Politik gesprochen. Verantwortliche Politik ist auch, das Prinzip der Volkssouveränität zu wahren und den Bürgerinnen und Bürgern die Wahrheit zu sagen. Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass man richtig zitiert. Sie haben mir hier unterstellt, ich hätte von einer Lethargie gesprochen, die man bei "solchen Institutionen" findet, und dabei unterstellt, dass ich das Verfassungsgericht und die Regierung meinte. Wenn Sie das Protokoll hernehmen, werden Sie finden, dass ich von der Lethargie der Institutionen gesprochen habe, nämlich alle gemeint habe und dass dieser Lethargie die direkte Demokratie nicht unterworfen werden dürfte. Aber wie für herrschende Eliten typisch, nehmen Sie es mit der Wahrheit nicht so genau. Darin findet man auch den eigentlichen Skandal im Zusammenhang mit den Entwürfen der Landesregierung, nämlich, dass eine Verbesserung der Möglichkeiten direkter Demokratie propagiert wird, aber die vorgeschlagenen Regelungen stellen in Wirklichkeit eine drastische Verschlechterung der ohnehin schon nicht sonderlich guten Rechtslage dar. Das viel zitierte Kriterium der Gesamtschau aus dem Urteil des Verfassungsgerichts zum Volksbegehren für "Mehr Demokratie in Thüringen" darf auch folgende Grundsatzaussage aus dem Urteil nicht vernachlässigen. Dort heißt es nämlich auch, dass die verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Bestimmungen zur direkten Demokratie so gestaltet sein müssen "..., dass der Volksgesetzgebung als Bestandteil der Souveränität nicht solche Fesseln angelegt werden, dass diese Form der unmittelbaren Demokratie ihrer Funktionsfähigkeit praktisch verlustig geht, das heißt, dass sie erdrosselt wird. Denn jede normative 'Zementierung' über das zulässige Maß hinaus gefährdet die dauerhafte Akzeptanz der Verfassung durch die sie tragenden Bürger und damit letztlich den Bestand der Verfassungsordnung selbst."

Die vorliegenden Gesetzesvorschläge werden von der Regierung nun mit einem ausreichend hohen "Legitimationsniveau" für Plebiszite gerechtfertigt. Mit der eben zitierten Anforderung des Gerichts ist aber auch eines klar: Wenn das Legitimationsniveau so hoch geschraubt wird, dass direkte Demokratie an ihrer Legitimation erstickt, ist das weder im Sinne des Urteils noch etwa im Sinne der

Thüringer Verfassung oder ihres Demokratieprinzips.

(Beifall bei der PDS)

Die Thüringer Verfassung geht davon aus, dass direkte Demokratie, dass Bürgerantrag, Volksbegehren und Volksentscheid lebendige Bestandteile des öffentlichen politischen Lebens in diesem Lande sein sollen. Macht man eine "Gesamtschau" der CDU-Vorschläge, das heißt der Regierungsentwürfe, dann wird deutlich, dass sie mit einiger Sicherheit die vom Verfassungsgericht beanstandete Erdrosselungswirkung entfalten werden. Man muss nämlich die Senkung des Unterstützungsquorums im Zusammenhang mit der massiven Verkürzung der Sammlungsfrist von vier Monaten auf zwei Wochen und dem Wechsel von der Straßensammlung zur Amtsstubensammlung sehen. Hinzu kommt noch, dass an den sehr hohen Abstimmungsquoren beim Volksentscheid nichts geändert werden soll.

Was die Sammlungsfrist angeht, muss man bedenken, dass ein erfolgreiches Volksbegehren immer erst eine gewisse Zeit zur Mobilisierung der Bürgerinnen und Bürger braucht. Es ist interessant, dass Sie, Herr Minister, vorhin den Vergleich zu Wahlmodalitäten beigezogen haben, obwohl Sie eigentlich immer die Position vertreten haben, dass Volksgesetzgebung mit Wahlen eigentlich nichts zu tun hat.

Die öffentliche Diskussion über eine Angelegenheit muss erst einmal in Gang kommen. Dafür sind 14 Tage eine zu kurze Frist. Kommt dann noch eine Amtsstubensammlung hinzu, dann wird es für viele Leute, gerade für Berufstätige, schwierig. Sie haben zeitlich Probleme, in diesen 14 Tagen die Ämter aufzusuchen, selbst wenn an Samstagen geöffnet sein sollte. Hinzu kommen dann noch die massiven Vorbehalte dagegen, unter behördlicher Kontrolle politische Meinungsäußerungen mit Offenlegung der persönlichen Daten vorzunehmen. Dieses Misstrauen vieler Menschen gegenüber der staatlichen Bürokratie ist weit verbreitet und kann auch durch Schönreden nicht abgebaut noch aus der Welt geschafft werden.

(Beifall bei der PDS)

(Unruhe bei der CDU)

Zwar haben Sie, Herr Minister, auf Ihrer Pressekonferenz bei der Vorstellung der Entwürfe im Zusammenhang mit der Amtsstubensammlung um mehr Vertrauen in die Behörden als moderne staatliche Dienstleistungseinheiten geworben, aber die Rolle der Behörden im Zusammenhang mit dem Volksbegehren für "Mehr Demokratie in Thüringen" war bekanntlich eher erschreckend obrigkeitsstaatlich und undemokratisch. Der Verwaltungsapparat hat sich beim Volksbegehren nicht nur mit einer so genannten Neutralitätspflicht demokratisch abstinent verhalten, nein, Abweichler wurden disziplinarisch belangt. Dieser Verwaltung wollen Sie nun das Stimmensammeln im Rahmen von Bürgeranträgen und Volksbegehren antragen? Die

Folgen sind absehbar. Bürgerinnen und Bürger werden sich hier in Thüringen nur sehr schwer motivieren lassen, ihre Unterschriften in Behördenräumen abzugeben. Das wird die Erfolgschancen für Volksgesetzgebung ganz erheblich senken, ganz abgesehen von der zu bedenkenden Tatsache, dass Volksgesetzgebung, also legislative Funktionen, nicht in die Hände der staatlichen Verwaltung gehören, sondern auf die Straßen, auf die Plätze und in die Säle. Unsere Befürchtungen sind kein Hirngespinst. Das zeigt ein Blick nach Brandenburg. Ich gehe davon aus, dass diese Fakten auch Ihnen in der Landesregierung bekannt sind. In Brandenburg sind die Quoren für Volksbegehren erheblich niedriger als in Thüringen. Es findet allerdings eine amtliche Stimmensammlung statt. Ergebnis: Es gab dort noch kein erfolgreiches Volksbegehren.

(Zwischenruf Abg. Wetzel, CDU: Das interpretiert ihr hinein.)

Die Bereitschaft, solche zu starten, ist gerade wegen der Amtshürde nicht sehr stark ausgeprägt. Gleiches gilt auch für Thüringen. Das zeigen die Reaktionen von Unterstützern des Volksbegehrens für "Mehr Demokratie in Thüringen". Seit Bekanntwerden der Regierungsvorschläge wenden sie sich vermehrt an die Initiative in Eisenach. Ein Grund für Unmut und Verärgerung dieser Menschen ist die vorgeschlagene Behördensammlung.

Zum Thema Amtsstubensammlung nur noch so viel: Die Straßensammlung ist weltweit sowieso, aber auch in Deutschland auf Landes- und auf kommunaler Ebene eigentlich Standard. Herr Minister, die Einschätzung, zu der Sie gekommen sind, dass in 11 von 16 Ländern die Amtsstubensammlung vorzufinden sei, verschweigt, dass in der Mehrzahl der Länder gleichzeitig die Straßensammlung möglich ist, und insofern ist auch dieses nur die halbe Wahrheit.

(Zwischenruf Abg. Dittes, PDS: Oder... Die Unwahrheit!)

(Beifall bei der PDS)

Die Straßensammlung hat auch ihren Sinn. Der Kern der direkten Demokratie ist die breite öffentliche Diskussion unter den Bürgerinnen und Bürgern zu den jeweiligen politischen Themen. Demokratie ist kein staatlicher Zustand, sondern aktives politisches Denken, Handeln und Entscheiden, gerade aber nicht der exekutiven Institutionen und Instanzen, sondern eben der Bürgerinnen und Bürger selbst.

Was die Frist zur zweiwöchigen Sammlung von Unterstützungsunterschriften für das Volksbegehren angeht, muss man eigentlich nicht so viel sagen. Auch hier wird auf bezeichnende Weise deutlich, dass offensichtlich genau dieses öffentliche politische Bürgerengagement nicht willkommen ist. Wie soll denn in zwei Wochen eine breite öffentliche Diskussion über ein politisches Thema wirk

sam werden?

Wie soll man in so kurzer Zeit für die Teilnahme an einem Volksbegehren motivieren? Wie, meine Damen und Herren, soll das praktisch funktionieren?

(Zwischenruf Abg. Wetzel, CDU: Man wird doch die Idee nicht urplötzlich haben.)

Da Sie, Herr Wetzel, und Sie, meine Damen und Herren von Regierung und Mehrheitsfraktion, offensichtlich gar nicht wollen, dass das wirklich funktioniert, wird wohl diese Überlegung bei der Erarbeitung Ihrer Vorschläge kaum eine große Rolle gespielt haben. Darauf weist auch die Beibehaltung der Volksentscheidsquoren hin. Es soll nach Ihrem Willen bei den hohen Zustimmungsquoren, 33 Prozent bei einfachen Gesetzen, 50 Prozent bei Verfassungsänderungen, bleiben. Das aber ist ein deutlicher Beweis dafür, dass der politisch aktive Bürger von Ihnen nicht als das demokratische Ideal angesehen wird, denn solche Zustimmungsquoren laden regelrecht ein zum Boykott und bevorteilen das politische Gewicht und den Einfluss derjenigen, die sich nicht an Willensbildung und Entscheidung beteiligen wollen.

Alles in allem scheinen die Vorschläge der Landesregierung von der Maxime getragen, "jetzt ist Ruhe die erste Bürgerpflicht", was wir hinlänglich aus jener Bekanntmachung nach der Besetzung Berlins durch Napoleon kennen.

Die Entwürfe sind in dieser Weise faktisch Vorschläge, die geeignet sind, direkte Demokratie in Thüringen zu erschweren. An diesen Vorschlägen wird aber deutlich, wie groß die Abneigung der Regierenden vor selbständigem politischem Engagement und eigenständigen Sachentscheidungen der Bürgerinnen und Bürger insbesondere vor einer breiten öffentlichen politischen Diskussion zu wichtigen Themen ist. Deutlicher kann sich die Angst der Herrschenden vor dem Volk nicht mehr manifestieren. Die Vorschläge der Regierung zur Bürgerbeteiligung auf kommunaler Ebene sehen nicht anders aus. Sie tragen nicht nur die gleiche Handschrift, sie verraten auch den gleichen Geist.

Noch kritischer sind die Regierungsvorlagen zu bewerten, wenn man bedenkt, dass das Justizministerium zu den Referentenentwürfen eine Anhörung durchgeführt hat. Selbst sehr sinnvolle und praktische Vorschläge des Bündnisses für "Mehr Demokratie in Thüringen", vor allem für das Verfahrensgesetz, wurden nicht berücksichtigt, obwohl diese Vorschläge die Bereiche Quoren, Fristen und Sammlungsarten gar nicht tangierten. Es waren Erfahrungen der 22 Organisationen des Trägerkreises und ihrer Helferinnen und Helfer, die wir bei der Verabschiedung des Gesetzes noch nicht hatten. Das alles, meine Damen und Herren, haben Sie in den Wind geschlagen.

Ein Beispiel § 10 Abs. 2 Nr. 2 des Verfahrensgesetzes: Dort geht es darum, wann eine Unterschrift abgegeben

sein muss, um als gültige Unterschrift für einen Antrag auf Zulassung eines Volksbegehrens anerkannt zu werden. Die Vorschrift hat bei der praktischen Anwendung im Rahmen des Volksbegehrens sehr oft große Probleme bereitet. Selbst gestandene Verwaltungsjuristen sollen vor der überwältigenden Formulierung kapituliert haben. Zitat: "die Unterschriftsleistung muss innerhalb eines Monats vor der Einreichung der Unterschriftsbögen an die zuständige Gemeinde der Wohnanschrift zur Weiterleitung an die zuständige Meldebehörde erfolgt sein..."

Der Trägerkreis des Thüringer Volksbegehrens hat im Rahmen der Anhörung zu den Referentenentwürfen einen praktischen Lösungs- und Formulierungsvorschlag gemacht. Es hat Sie einfach nicht interessiert. Dieser Vorschlag war nicht der einzige praktische und sinnvolle, der aus den Erfahrungen des Trägerkreises mit der Bewältigung des Volksbegehrens gespeist war. Offensichtlich fand keiner dieser Vorschläge bei der Regierung Gehör oder Interesse. Kein Wunder; selbst die Datenschutzbeauftragte des Landes konnte sich nur mit einem Vorschlag durchsetzen, wenn ich Sie, Herr Minister, bei der Pressekonferenz richtig verstanden habe. Nun kann man nur hoffen, dass es nicht ausgerechnet § 15 des Entwurfs für das Verfahrensgesetz ist. Dort heißt es: "Die Eintragungslisten müssen ferner einen Hinweis darüber enthalten, dass die sich Eintragenden mit ihrer Unterschrift darin einwilligen, dass ihre Daten von anderen an den Zielen des Volksbegehrens interessierten Personen eingesehen werden können." Ja, was soll denn das heißen? Verständlich wäre eine Formulierung, dass Mitunterzeichner der Liste die Daten der anderen Unterstützer zwangsläufig einsehen können. Aber diese Einwilligung auf alle Personen zu beziehen, die an den Zielen des Volksbegehrens interessiert sind, mutet schon etwas seltsam an. Denn interessiert an den Zielen des Volksbegehrens für mehr Demokratie in Thüringen waren ja selbst Leute, die dem Ganzen nicht besonders gewogen waren oder noch sind. Die Formulierung in § 15 macht aber den Eindruck, als dürfte jeder, der ein Interesse am Volksbegehren hat, die Unterschriftslisten einsehen. Ob solche Regelungen nun gerade geeignet sind, das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Amtsstubensammlung zu stärken, das wage ich zu bezweifeln.

(Beifall bei der PDS)

Eines ist in alledem bedauerlich deutlich geworden: Die Regierung hatte nur Interesse an der Durchsetzung der eigenen Vorstellungen, nicht aber an tatsächlichen Verbesserungen für direkte Demokratie.

(Beifall bei der PDS)

Unlängst stellte mir eine Besucherin die Frage, wie sich die Regierung mit ihren Vorschlägen im Auftrag der CDU und ihrer Fraktion denn wohl so fühle. Sie meinte...

(Zwischenruf Dr. Birkmann, Justizminister: Gut!)