Protocol of the Session on February 21, 2002

Wir wollen viertens das kommunale Wirtschaftsrecht modernisieren, wir wollen den veränderten Rahmenbedingungen in Zeiten der Liberalisierung der Märkte Rechnung tragen.

Fünftens wollen wir eine Vielzahl von Erfahrungen aus der Praxis in einzelnen Detailregelungen aufgreifen und dazu gehören auch neue Regelungen zu kommunalen Ämtern.

Zum ersten Punkt, die Identifikation des Bürgers mit seiner Region stärken: Dies ist gerade in Zeiten der Globalisierung ein wichtiges Anliegen. Sich wohl fühlen bei uns zu Hause in den Städten und Dörfern Thüringens, dieses Gefühl von Identität und Heimatverbundenheit, das den Thüringer prägt, das wollen wir mit dieser Reform stärken. Deshalb schlagen wir einige Änderungen im Namens- und Ortschaftsrecht vor. Wir orientieren uns dabei wesentlich an den Ergebnissen einer Praxisbefragung der Kommunen durch das Thüringer Innenministerium. Die Gemeinden sollen künftig selbst über die Einteilung des Gemeindegebiets in Ortsteile und deren Benennungen entscheiden. Ob und in welchen Ortsteilen einer Ortschaft eine gemeinsame Ortschaftsverfassung eingeführt wird, soll ebenfalls Sache der Gemeinden sein. Eine Ortschaftsverfassung kann künftig auch für mehrere Ortsteile gemeinsam eingeführt werden und die Gemeinde kann die Einzelheiten für die Wahl der Mitglieder des Ortschaftsrats in ihrer Hauptsatzung bestimmen. Die Ortschaftsratsmitglieder können nach den Bestimmungen für die Wahl der Gemeinderatsmitglieder bei den allgemeinen Kommunalwahlen gewählt werden. Gelingt es nicht, den Ortsbürgermeister durch direkte Wahl zu bestimmen, so soll der Ortschaftsrat den Ortsbürgermeister aus seiner Mitte wählen können. Ziel dieser Novellierung im Namens- und Ortschaftsrecht ist es auch, die Akzeptanz des Ortschaftsrechts zu erhöhen. Wir wollen Entscheidungen von unten nach oben, wir stärken also das Subsidiaritätsprinzip. In Gemeinden, die sich zu großen leistungsfähigen Einheiten zusammengeschlossen haben, kann mit dem nun erweiterten Ortschaftsrecht in der Tat die Motivation der Bürger auch in der neuen größeren Gemeinde aktiv an der Gestaltung des Gemeindelebens teilzunehmen, erhöht werden. Dadurch kann auch die Bereitschaft zu weiteren notwendigen Zusammenschlüssen zu größeren Gemeinden unterstützt werden. Im Ortschaftsnamensrecht, meine Damen und Herren, liegen der Regierungsentwurf und der SPD-Entwurf übrigens gar nicht weit auseinander. Bei der Neuordnung des Ortschaftsrechts will hingegen die PDS hohe Hürden zur Aufhebung der Ortschaftsverfassung aufbauen und dem Ortschaftsrat zusätzliche Rechte übertragen. Nur muss dabei bedacht werden, dass den Gemeinderat dieses Vorgehen unnötig schwächen würde und dass es auch mit anderen Bestimmungen kollidieren würde.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die kommunalen Strukturen entsprechen heute - von wenigen Ausnahmen abgesehen - flächendeckend den bislang von der Kommunalordnung vorgegebenen Mindesteinwohnerzahlen. Ich

habe es schon den Medienvertretern gegenüber gesagt, all diejenigen, die meinen, dass mit der Novellierung der Kommunalordnung Pflöcke für eine weitere Gebietsreform eingeschlagen würden, die werden umsonst in diesem Text danach suchen.

(Beifall bei der CDU)

Heute, meine Damen und Herren, muss die Frage der Wirtschaftlichkeit unserer kommunalen Verwaltung in der Tat mehr in den Mittelpunkt gerückt werden,

(Beifall Abg. Zitzmann, CDU)

aber das bedeutet noch nicht, dass wir die jetzige Zeit mit neuer Unruhe füllen und eine neue Gebietsreform gesetzlich landesübergreifend einleiten. Nein, aber wir werden zu diskutieren haben mit den kommunalen Vertretern - ich komme nachher noch einmal darauf - wie sie bessere, leistungsfähigere Strukturen schaffen. Wenn wir die Wirtschaftlichkeit unserer kommunalen Verwaltung mehr in den Mittelpunkt rücken, dann sind wir beim zweiten Ziel dieser Novelle. Es kommt ja gerade in Zeiten knapper Kassen entscheidend darauf an, Geld für Investitionen statt für den Konsum in den kommunalen Kassen zu haben. Gerade in Zeiten leerer Kassen müssen wir die kommunalen Strukturen optimieren, z.B. mit den Mitarbeitern der Verwaltung maximal kompetente und fachkundige Arbeit leisten. Ich kann hier nur an alle Beteiligten appellieren, die bestehenden Strukturen im kommunalen Bereich gerade unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit, der Effizienz und der Qualität der Verwaltungen zu analysieren und neu zu überdenken. Optimale kommunale Strukturen schaffen, das heißt auch größere, handlungskräftigere Gemeinden. Beim jetzt bestehenden Instrumentarium Einheitsgemeinde, erfüllende Gemeinde, Verwaltungsgemeinschaft kann gerade das Instrument der Verwaltungsgemeinschaft durch die Bildung größerer Mitgliedsgemeinden unter dem Dach der Verwaltungsgemeinschaft entscheidend verbessert werden.

(Beifall bei der CDU)

Wir haben, meine sehr geehrten Damen und Herren, in Thüringen Verwaltungsgemeinschaften mit bis zu 23 Mitgliedsgemeinden, das heißt, es sind von der Verwaltung bis zu 23 Einzelhaushalte parallel aufzustellen und das kann wirtschaftlich nicht sinnvoll sein. Das Gleiche gilt für die unterschiedlichen Satzungsvorgaben, bei der Erstellung von Bescheiden gilt es, beim Sitzungsdienst und bei den laufenden Angelegenheiten. In dieser Situation können diese Verwaltungen gerade noch das Wichtigste sichern, aber über das gerade noch Wichtige hinaus können sie keine entscheidenden Akzente für die Entwicklung ihrer Gemeinden setzen. Deshalb, meine Damen und Herren, auch von dieser Stelle her deutlich gesagt: Die innere Struktur der Verwaltungsgemeinschaften muss verbessert werden. Das sage ich auch draußen in der Fläche und wir können ja mit Interesse beobachten - ich denke, Sie tun das

auch, meine Damen und Herren -, wie zurzeit ein Diskussionsprozess gerade in Verwaltungsgemeinschaften genau diese Fragen aufgreift.

Herr Minister, der Abgeordnete Schemmel möchte Ihnen eine Frage stellen. Gestatten Sie das?

Das kann er gern tun.

Bitte schön, Herr Schemmel.

Herr Minister, kann ich Ihrer Darstellung über das Verhältnis Verwaltungsgemeinschaft und Mitgliedsgemeinschaften und dem, was Sie vorgetragen haben, entnehmen, dass die Landesregierung eine Gemeindegebietsreform im Auge hat?

Herr Schemmel, offensichtlich haben Sie nicht richtig zugehört,

(Beifall bei der CDU)

denn ich habe vor wenigen Minuten gesagt, wir werden in dieser Legislatur keine das Land übergreifende Gemeindegebietsreform durchführen, aber, und Sie verfolgen ja ganz sicher das Reden und Tun des Innenministers, auch er wirbt schon längere Zeit und nicht ganz ohne Erfolg gerade bei jetzt vorhandenen uneffizienten Strukturen dafür, sich freiwillig selbst effizientere Strukturen zu schaffen.

(Beifall bei der CDU)

Wir werden diesen Prozess natürlich in den Gemeinden unterstützen. Wir können zum Beispiel erleben, wie der Landrat des Eichsfeldkreises, Herr Dr. Henning, in seinem Landkreis einen Gesprächsvorschlag moderiert mit den Verwaltungsspitzen und den Kommunen, wie er die Gemeindegebietsstruktur im Eichsfeldkreis in eine neue, leistungsfähigere Struktur überführen will. Demnächst, meine Damen und Herren, wird sich der Landtag auch mit einem Gesetz zur Neuordnung einer Gemeinde durch Zusammenschluss einer Verwaltungsgemeinschaft mit einer beauftragenden Gemeinde befassen können.

Die Menschen vor Ort, so hat man den Eindruck, sind hier teilweise weiter, als mancher meint. Wir unterstützen solche Vorhaben, die zu effizienteren Strukturen auf Gemeindeebene führen. Ganz bewusst aber greifen wir das heiße

Eisen der Mindesteinwohnerzahl für Mitgliedsgemeinschaften von Verwaltungsgemeinschaften jedoch noch nicht auf. Unsere Novelle lässt Raum, damit sich die Gemeinden freiwillig dieses Themas annehmen können. Ich habe den Eindruck, dass die Bereitschaft, sich dieses Themas freiwillig anzunehmen, in den letzten Monaten enorm gestiegen ist und dass dann natürlich der Gesetzgeber gut daran tut, diese freiwilligen Bemühungen zu unterstützen und zu befolgen, als dass er hier schon wieder mit irgendwelchen Zwangsmaßnahmen droht, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Folgende Änderungen sind im Recht der Verwaltungsgemeinschaft geplant: Zum einen, der Gemeinschaftsvorsitzende soll eine stärkere Stellung erhalten. Er soll kraft seines Amts der Gemeinschaftsversammlung als Vorsitzender mit Sitz und Rederecht angehören. Er soll ein Teilnahmerecht und beratende Stimme in Gemeinderatsund Ausschuss-Sitzungen der Mitgliedsgemeinden erhalten, denn so können wir seine Sachkunde auch und gerade im Bereich der Verwaltung in den Beratungsgesprächen optimal nutzen. Das durch eine hauptamtliche Doppelspitze aus Verwaltungsgemeinschaftschef und Bürgermeister entstehende Spannungsverhältnis innerhalb der Verwaltungsgemeinschaft mit großen Mitgliedsgemeinden wollen wir dadurch abbauen, dass die Gemeinschaftsversammlung beschließen kann, einen hauptamtlichen Bürgermeister als ihren ehrenamtlichen Gemeinschaftsvorsitzenden zu wählen.

(Beifall Abg. Groß, CDU)

Grundsätzlich aber soll es in Mitgliedsgemeinschaften von Verwaltungsgemeinschaften keinen hauptamtlichen Bürgermeister mehr geben. Sicher wird es in begründeten Einzelfällen Ausnahmeregelungen geben, aber gerade dann kann die Möglichkeit, einen hauptamtlichen Bürgermeister zum Gemeinschaftschef zu wählen, sinnvoll sein. Im Gegensatz zum Gesetzesvorschlag der SPD-Fraktion hält die Landesregierung durch die Praxis gebotene Änderung bei den Regelungen zum Verwaltungsgemeinschaftsvorsitzenden für erforderlich. Um diese Funktion gab es eine Menge an Diskussion und Anregung nicht zuletzt deshalb, weil die bisherigen Bestimmungen über Befugnisse, Rechte und Pflichten des Gemeinschaftsvorsitzenden in der bisher geltenden Kommunalordnung nicht eindeutig ausgeführt und deshalb interpretationsbedürftig, aber auch interpretationsfähig waren und diese Auslegungen dann sehr unterschiedlich in den einzelnen Verwaltungsgemeinschaften angewandt wurden. Wenn die PDS in ihrem Gesetzesvorschlag den Kreis der Bewerber, wer Gemeinschaftsvorsitzender werden kann, lediglich auf die Bürgermeister der Mitgliedsgemeinden beschränken will, dann vergibt sie die in einer öffentlichen Ausschreibung liegende Chance, mehr qualifiziertes Personal zu gewinnen und diese Chance wollen wir den Verwaltungsgemeinschaften hier nicht verbauen.

(Beifall bei der CDU)

Zum dritten Ziel, meine Damen und Herren: Wir wollen das bürgerschaftliche Engagement stärken. Wer weiß, dass er mitgestalten kann, der lässt sich leichter für die Demokratie und das Gemeinwohl gewinnen. Die repräsentative Demokratie hat sich als Fundament unserer demokratischen Ordnung bewährt. Herzstück der repräsentativen Demokratie auf Kommunalebene ist die Wahl der Bürgerinnen und Bürger in die Kreistage und in die Stadt- und Gemeinderäte. Wir wollen aber die repräsentativen Fundamente durch Elemente direkter Demokratie ergänzen. Dazu gehören im kommunalen Bereich Bürgerbegehren und Bürgerantrag. Allerdings, die Verfahren direkter Demokratie müssen so gestaltet sein, dass sie für den Bürger und auch für die Verwaltung handhabbar sind, dass sie nach klaren Regeln und auch überschaubaren Fristen funktionieren. Die Quoren müssen einerseits so gestaltet sein, dass sie die Gewähr für die Ernsthaftigkeit und Akzeptanz einer Initiative bieten und auch, dass sie den Grundsätzen unserer Verfassungsordnung entsprechen. Andererseits müssen sie so ausgestaltet sein, dass sie derartige Initiativen nicht durch zu hohe Hürden im Keim ersticken. Der eben behandelte Tagesordnungspunkt hat es ja noch einmal vor Augen geführt, wir führen ja gegenwärtig diese Debatte auf Landesebene. In der bisherigen öffentlichen Diskussion über das Volksbegehren auf Landesebene sind die kommunalen Beteiligungsmöglichkeiten nicht mehr so stark im Blick gewesen. Mit unserer Novellierung der Kommunalordnung nehmen wir daher auch die Diskussionen, die wir bisher auf Landesebene zum Thema "Volksbegehren" geführt haben, im Sinne einer verbesserten plebiszitären Mitwirkung auf kommunaler Ebene wieder auf. Wir erweitern die Möglichkeiten von Bürgerantrag, Bürgerbegehren und Bürgerentscheid. Im Vordergrund stehen hier zwei Dinge: Zum einen die Absenkung der Quoren und zum anderen die Umstellung von der freien Sammlung auf das Amtssammlungsverfahren.

Ganz bewusst erleichtern wir den Zugang zu Bürgerbegehren und Bürgerantrag. Das Quorum für Bürgeranträge soll von 10 Prozent auf 5 Prozent, das Quorum für Bürgerbegehren von 20 Prozent auf 15 Prozent der Bürger abgesenkt werden. Wenn man meint, uns hier die "rote Laterne" anhängen zu können, dann wird wieder einmal ein falsches Bild gemalt; mit den Quoren liegen wir bundesweit voll und ganz im Mittelfeld, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Mit dieser Neuregelung erleichtern wir die Bürgerbeteiligung im kommunalen Entscheidungsprozess. Mit dem Amtssammlungsverfahren haben wir, so unsere Meinung, eine der Bedeutung dieser Beteiligungsrechte angemessene Form der Unterschriftensammlung gefunden. Es trifft nicht zu, wie mitunter behauptet wird, dass es nur in Thüringen ein Amtssammlungsverfahren gibt. In Bayern existiert dies auf staatlicher Ebene. Ganz bewusst wollen wir an dieser Stelle unterschiedliche Regelungen zwischen kommuna

lem und staatlichem Bereich verhindern. Deshalb wollen wir das Amtssammlungsverfahren, über das im Übrigen - das kann man in Protokollen der entsprechenden Landtagssitzungen nachlesen - hier im Landtag schon diskutiert wurde. Es ist also nicht so, dass noch kein Mitglied der Initiative darüber gesprochen hätte. Wie ich höre, sind hier die Fraktionen von Parteien anwesend, die Mitglied dieser Initiative sind. Man hat also in der Tat auch in diesem hohen Haus schon über die Amtssammlung und über die Vorzüge gesprochen, so dass Sie das gern nachlesen können, Herr Dr. Hahnemann. Wir wollen, indem wir die Amtssammlung im kommunalen Bereich einführen, unterschiedliche Regelungen zwischen kommunalem und staatlichem Bereich verhindern. Ich glaube, der Ruf der Entrüstung, der jetzt durch die Medien hallte, insbesondere vom Vorsitzenden, vom Sprecher der Initiative, aber auch von den Oppositionsparteien in diesem Haus, ist nur Zeichen dafür, dass sie sich offensichtlich überhaupt noch nicht darüber Gedanken gemacht haben, dass diese Änderung, diese Umstellung auf Amtssammlung, natürlich nicht mehr mit dem herkömmlichen Verfahren, auch nicht mit dem herkömmlichen Handling für die Initiatoren eines solchen Bürgerbegehrens zu bewerkstelligen ist, sondern man muss dieses Verfahren und dieses Handling umstellen. Aber wie wird es denn umgestellt? Die Initiatoren eines solchen Bürgerbegehrens werden natürlich intensiv inhaltlich bezogen schon Wochen vorher die Thematik aufbereiten. Wie man bei Wahlen auch für Kandidaten wirbt, so werden sie für die Inhalte ihres Bürgerbegehrens intensiv werben und dann haben sie die Möglichkeit, den Bürger zu erreichen, dass er für diesen schon intensiv inhaltlich aufbereiteten Sachverhalt dann auch noch unterschreiben kann. Die Umstellung auf die Amtssammlung bringt gerade das, was wir uns von direkter Demokratie versprechen, nämlich dass sich der Bürger intensiv mit den Inhalten eines solchen Bürgerbegehrens beschäftigt. Da kann man eben nicht mehr so nebenbei unterschreiben, weil einem die Nase dessen, der die Unterschriftsliste hält, gefällt, oder weil man ihm nichts ausschlagen will. Man kann auch nicht in aller Eile unterschreiben, obwohl man gar nicht richtig gelesen hat, was da gewesen ist. Auch solche Unterschriften sind bei Straßensammlungen dabei, machen wir uns doch nichts vor. Bei Amtssammlungen, meine Damen und Herren, kann man in der Tat davon ausgehen, dass sich die beteiligte Bürgerschaft mit den Inhalten voll und ganz auseinander gesetzt hat und weiß, was sie unterschreibt.

(Beifall bei der CDU)

Mehr kann sich Demokratie eigentlich nicht wünschen, meine Damen und Herren. Wenn dann das Argument genannt wird, dass der Bürger nun unter den Augen des Bürgermeisters oder der Verwaltung ein Anliegen unterschreiben soll, das sich gegen diese Verwaltung richtet - so war es vom Sprecher der Initiative in der Zeitung zu lesen -, dann kann ich Ihnen nur sagen: Es ist naiv zu meinen, dass der Bürgermeister oder die Verwaltung nicht Kenntnis davon hat, wer bei einem Bürgerbegehren auch bei der Straßensammlung unterschreibt. Es muss doch geprüft werden,

ob das Bürger sind, die der Gemeinde angehören oder nicht. Jeder weiß am Schluss, wer dieses Bürgerbegehren unterschrieben hat oder nicht, egal ob man Straßensammlung oder Amtssammlung gemacht hat. Dann vermag dieses Argument - das ist das Letzte, was ich eigentlich dazu hier sagen will - vor allen Dingen deshalb nicht zu überzeugen, weil, wenn ich unterstelle, der Bürger oder die Bürgerin hätten Angst in die Verwaltung zu gehen und zu unterschreiben, sagen Sie mal, für wie ängstlich und obrigkeitshörig halten Sie denn die Bürgerinnen und Bürger unserer Städte und Gemeinden?

(Beifall bei der CDU)

Sind es nicht gerade die, die Sie für so mündig und stark halten, dass Sie ihnen viel mehr Elemente der direkten Demokratie und der Entscheidungsmöglichkeiten in die Hände geben wollen? Das widerspricht sich doch, meine Damen und Herren, wie Sie hier argumentieren bzw. wie in der Öffentlichkeit argumentiert wird.

(Beifall bei der CDU)

Sie werden eines feststellen - damit komme ich zum Bereich der Fristen -, überall, wo es ein Amtssammlungsverfahren gibt, gibt es auch Fristen,

(Zwischenruf Abg. Schemmel, SPD: Wissen Sie, was bei uns in der Verfassung steht?)

denn Fristen, Herr Schemmel, schaffen Klarheit. Keinem vernünftigen Menschen - das hat z.B. das Bürgerbegehren in Erfurt, als es um diese Müllverbrennungsanlage ging, deutlich gezeigt -, an sich auch nicht den Initiatoren, kann daran gelegen sein, dass bedeutende kommunalpolitische Fragestellungen jahrelang dahinschwelen und man überhaupt nicht weiß, gibt es eigentlich noch dieses Bürgerbegehren oder gibt es das schon nicht mehr, ist es abgeblasen oder kommt da noch was, muss man sich noch damit beschäftigen oder nicht. Meine Damen und Herren, man kann über die Angemessenheit dieser Frist, die wir gewählt haben, sicher noch angeregt debattieren und das eine oder andere erwägen, das ist nicht der Punkt, aber dass man Fristen haben muss, die die Sache zum Abschluss bringen, das dürfte jedem nur halbwegs vernünftigen Menschen einleuchtend sein.

(Beifall Abg. Zitzmann, CDU)

Die komprimierte und übersichtliche Regelung dieser Beteiligungsrechte, wie wir sie jetzt mit der Novellierung an einer Stelle im Gesetz vornehmen, soll den Wünschen nach einer bürgerfreundlichen Handhabung Rechnung tragen.

Meine Damen und Herren, unser viertes Ziel mit dieser Novelle der Kommunalordnung lautet, das kommunale Wirtschaftsrecht modernisieren. Hier betreten wir in der Tat Neuland. Wir können derzeit nicht auf Erfahrungen anderer Länder zurückgreifen und doch stehen wir vor fol

gender, nicht einfacher Situation: Die Globalisierung und Liberalisierung der Märkte bringt verschiedene Anbieter in die Kommune bei Aufgaben, die bisher die Kommune allein als Domäne gehalten hat. Damit befindet sich die Kommune in einer aufgezwungenen Konkurrenzsituation. Mit der Modernisierung des kommunalen Wirtschaftsrechts meinen wir eine durchaus zeitgemäße Antwort auf diese Entwicklung zu geben. Bei der Neuregelung ist zu berücksichtigen, dass sich die Kommune aufgrund der auf ihr ruhenden Sicherstellungsverpflichtung ihren Aufgaben nicht entziehen kann. Sie muss diese Aufgaben jedoch nicht unbedingt selbst als öffentliche Aufgabe erfüllen, sondern kann sich auch auf die Position eines Marktbeobachters beschränken, nämlich dann, wenn die Versorgung durch den Markt nachhaltig durch andere Anbieter sichergestellt ist. Der öffentliche Zweck, den bisher ein kommunales Unternehmen erforderte bzw. gerechtfertigt hat, der kann dann entfallen. Entfällt aber der öffentliche Zweck, ist nach derzeitiger Rechtslage die Veräußerung des kommunalen Unternehmens zwingend erforderlich. Denn die Kommune darf an sich nur dort wirtschaftlich tätig werden, wo ein öffentlicher Zweck gegeben ist. Um diese Veräußerungen aber zu vermeiden, um hier nicht plötzlich Verkäufe in Größenordnungen initiieren zu müssen, die natürlich den Wert dieses kommunalen Vermögens drastisch absenken würden, darf die Kommune künftig Geschäftsanteile oder Aktien ihrer bisherigen Unternehmen erhalten. Zuvor muss ein Ratsbeschluss gefasst werden, und zwar des Inhalts, dass der öffentliche Zweck dieses Unternehmens entfallen ist. Dieser Ratsbeschluss bedarf natürlich der rechtsaufsichtlichen Genehmigung. Der Beschluss hat zur Folge, dass sich das Interesse der Kommune auf die Vermögensverwaltung dieser Geschäftsanteile und Aktien beschränken muss. Daraus ergibt sich auch, Zuschüsse und Bürgschaften sowie der Rückgriff auf Haushaltmittel zugunsten solcher Unternehmen müssen ausgeschlossen werden. Darin liegt zugleich, meine Damen und Herren, der Schutz der Gemeinde vor wirtschaftlich dann nicht mehr kalkulierbaren Risiken. Nunmehr agiert dieses ehemals kommunale Unternehmen frei auf dem Markt ohne Beschränkungen des kommunalen Wirtschaftsrechts, allerdings - ich betone es auch noch mal - ohne die Rückgriffmöglichkeit in die kommunale Haushaltskasse hinein.

Wenn die PDS in ihrem Gesetzesvorschlag und auch in der Diskussion kritisiert, wir halten im nicht fiskalischen Teil an den erheblichen Beschränkungen für die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen fest, so mutet das schon paradox an, meine Damen und Herren. Einerseits fordern Sie die Stärkung der Räte. Genau die Stadt- und Gemeinderäte und die Kreistage sind es doch, die die Kontrolle über die wirtschaftliche Betätigung der Kommune und des Kreises ausüben, und zugunsten derer wir enge Beschränkungen im Wirtschaftsrecht aufrecht erhalten müssen. Da weise ich noch mal darauf hin: Sie können nicht in die öffentliche Diskussion gehen, so wie Sie es immer machen, nach dem Motto: "Dem einen sagen wir das Angenehme und dem anderen sagen wir das Angenehme, ob das miteinander stimmig ist, darauf kommt es erst mal nicht

an, wir sagen ja nicht beides zugleich." Das ist wirklich Verdummung, was Sie da tun. Deshalb, meine Damen und Herren, auch an dem Punkt sind wir sehr klar in den Ausführungen, dort, wo die Kommune noch mit einer Firma einen öffentlichen Zweck erfüllt, muss sie in den engen Bahnen des kommunalen Wirtschaftsrechts weiterlaufen.

Es ist sicher nicht möglich, meine sehr geehrten Damen und Herren, jetzt auf alle Änderungen in der Novelle einzugehen. Die Ausschussarbeit gibt sicher genug Raum zur vertieften Auseinandersetzung mit dem Stoff. Ich will Ihnen hier noch einen Überblick über die geplanten neuen Regelungen zu den kommunalen Ämtern geben. Bei der Besetzung der hauptamtlichen Beigeordneten auf Gemeinde- und Kreisebene sowie bei der Besetzung des Gemeinschaftsvorsitzenden einer Verwaltungsgemeinschaft sollen künftig nur Bewerber gewählt werden können, die sich auf eine öffentliche Ausschreibung hin beworben haben und die die qualitativen, objektiven Anforderungen der Ausschreibung erfüllen. Dieses, meine Damen und Herren, ist im Interesse der Absicherung einer qualitätsvollen Verwaltungsarbeit sicher geboten. Das Vorschlagsrecht soll künftig der Bürgermeister bzw. der Landrat haben. Wir erwarten uns davon eine Verbesserung der Praktikabilität der Verwaltungsarbeit.

Was die Position des Bürgermeisters, was die Position der urgewählten Verwaltungsspitze betrifft, so finden sich ganz erhebliche Unterschiede zwischen dem Entwurf, den wir Ihnen heute vorstellen und den Entwürfen, die die beiden Fraktionen der Opposition hier in diesem Hause schon vorgestellt haben. Der Regierungsentwurf zielt auf eine starke Stellung des Bürgermeisters auch im Auswahlverfahren, aber er zielt auch auf eine gleichzeitig stärkere Objektivierung des Verfahrens durch eine Reihe von stringenten Verfahrensregelungen. Die beiden Oppositionsfraktionen wollen die Räte stärken, die Stellung der Stadt- und Gemeinderäte und der Kreistage in diesem Verfahren, und schwächen dabei die Position der urgewählten Verwaltungsspitze. Die PDS will innerhalb der Räte dann noch Minderheitenrechte und plebiszitäre Elemente stärken. Wie das dann im Einzelnen gehen soll, ist bisweilen sehr abenteuerlich. Die Bindung der Kommunen an detaillierte Verfahrensregelungen, wie es die Opposition will, schränkt unseres Erachtens die Gestaltungsmöglichkeiten der Kommunen unnötig ein.

Wir stärken mit unserem Vorschlag ganz bewusst den Bürgermeister, den Landrat bei Fragen seiner Stellvertretung und im Auswahlverfahren für Beigeordnete. Denn wir wollen eine funktionsfähige Verwaltung mit Führungsqualität und Führungskraft und keine Verwaltung, die sich innerhalb unterschiedlicher Pole patt stellt.