Protocol of the Session on December 13, 2001

(Unruhe bei der CDU)

Ich bin ja mal gespannt, wie die Mittel aus dem Bereich der GA-Wirtschaftsförderung, trotz konjunktureller Talsohle, in diesem Jahr an den Mann gebracht wurden. Meine Mündliche Anfrage wird hoffentlich im Laufe dieser Plenartagung Klarheit darüber bringen. Nicht dass wieder Bundesmittel in mehrstelliger Millionenhöhe verfallen, weil es dem Wirtschaftsministerium nicht gelungen ist, Verpflichtungsermächtigung für die Folgejahre tatsächlich zu belegen. Auch der Finanzminister verlagert seine Aktivitäten lieber auf Polemik gegenüber der Bundesregierung, als sich den Thüringer Problemen zu widmen. Dass dem Freistaat Thüringen Millionen Mark für unberechtigte Trennungsgeldzahlungen verloren gingen, konnten Sie erst gar nicht feststellen. Sie waren und sind ja viel zu sehr damit beschäftigt, die Steuerreform der Bundesregierung schlechtzureden.

Dies bindet natürlich Kräfte, weil es gar nicht so einfach ist, den Bürgern einzureden, dass die Union die Reform

(Unruhe bei der CDU)

- darf ich weiterreden? -, die sie achtzehn Jahre nicht gemacht hat, am Ende doch besser gemacht hätte.

(Beifall bei der SPD)

Man muss dann schon Äpfel mit Birnen vergleichen oder Dinge polemisch aus dem Zusammenhang reißen, um die Bundesregierung in diesem in der Öffentlichkeit bekanntermaßen schwer zu transportierenden Thema mies zu machen. Rückwirkende Prüfung der Trennungsgeldzahlungen wird rigoros abgelehnt, es könnten ja Parteifreunde betroffen sein. Außerdem gibt es Wichtigeres zu tun als die Glaubwürdigkeit in die Thüringer Politik zu stärken und die Vorwürfe restlos aufzuklären.

(Zwischenruf Trautvetter, Finanzminister: Da wollen wir sehr genau schauen.)

Ich würde mich wirklich sehr freuen, Herr Trautvetter, wenn Sie sich mehr auf die eigenen Hausaufgaben des Thüringer Finanzministers besinnen würden.

(Beifall bei der SPD)

Es wird Ihnen sowieso nicht gelingen, Ihrer Finanzpolitik auf Bundesebene Glaubwürdigkeit zu verleihen. Oder meinen Sie, es ist glaubwürdig, wenn die CDU zuerst die Wirksamkeit der Steuerreform generell bezweifelt und diese im Bundesrat ablehnt, dann aber das Vorziehen der beiden Stufen 2003 und 2005 fordert. Inzwischen wird von führenden Unionspolitikern nur das Vorziehen der Stufe 2003 gefordert, weil die Steuermindereinnahmen durch die Länder nicht verkraftbar wären. Nach der Bundestagswahl hat sich das Vorziehen der Stufe 2003 aus steuerrechtlichen Gründen auch erledigt, unabhängig davon, wer die Wahl gewinnt. Ein leeres Versprechen also.

Vielleicht können Sie sich mit Ihrem sächsischen Amtskollegen verständigen. Ich will nicht gleich ausrufen, von Sachsen lernen, hieße Siegen lernen, aber zumindest ist die Finanzlage dort deutlich besser. Möglicherweise braucht Biedenkopf gar keinen Nachtrag, weil er genügend Reserven hat. Auch der finanzpolitische Sprecher der CDU scheint nicht gerade zu denen zu gehören, die gut rechnen können. Anders ist die Pressemitteilung nicht zu erklären, in der Herr Mohring von zu hohen Steuersätzen redet, die insbesondere den Mittelstand belasten. Wissen Sie eigentlich, wie viele oder besser gesagt, wie wenige Thüringer Mittelständler überhaupt vom Spitzensteuersatz betroffen sind, den Sie immer wieder aufführen und kritisieren?

Wenn Sie von einer halbherzigen Steuerreform Eichels reden, scheinen auch Sie die achtzehn Jahre Regierung Kohl zu vergessen, in der die Unternehmen vergeblich auf eine Steuerentlastung im Umfang der jetzigen Eichel-Reform gewartet haben. Die jährliche steuerliche Gesamtbelastung beträgt bis zu über 60 Mrd. DM und wird 2005 auf insgesamt 93 Mrd. DM ansteigen. Man muss schon ganz schön parteifundamentalistisch sein, um das nicht zu erkennen und anzuerkennen. Die SPD-Bundestagsfraktion hat sich im Gegenzug einmal die Mühe gemacht, die finanziellen Auswirkungen aller CDU-Forderungen auf Bundesebene zusammenzurechnen. Allein alle aufgestellten Forderungen würden in den nächsten drei Jahren zu zusätzlichen Mehrausgaben bzw. Mindereinnahmen in Höhe von insgesamt 433 Mrd. DM führen. Was hat das mit seriöser Finanzpolitik zu tun? Man sollte wohl eher finanzpolitisches Harakiri dazu sagen.

(Beifall bei der SPD)

Lernt die Thüringer Union mittlerweile von der PDS? In der letzten Legislatur wurden solche Verschuldungsorgien der PDS seitens der CDU mit finanzpolitischer Inkompetenz abgetan. Oder ist es einfach nur bequem, Beschlüsse zu Kassen anderer politischer Ebenen zu fassen, weil sich dann andere um die Deckung kümmern müssen?

Nach diesem notwendigen Ausflug in andere Bereiche der Landespolitik und der Bundespolitik zurück zum ersten Thüringer Nachtragshaushalt. Ihr Wunsch in allen Ehren, meine Damen und Herren von der CDU, im Bereich Sicherheitspolitik Akzente setzen zu wollen. Was nützt aber ein Haushalt, der, wenn er nachher beschlossen wird, gleich wieder überholt ist? Was nützt ein Nachtragshaushalt, der feststehende Mindereinnahmen von mehr als 600 Mio. DM außer Acht lässt? Was nützen jetzt die beschlossenen sicherheitspolitischen Mehrausgaben, wenn sie im Frühjahr beim nächsten Nachtragshaushalt womöglich sogar wieder einkassiert werden müssten? All dies offenbart die politische Motivation, die hinter dem jetzigen Nachtragshaushalt steckt. Die CDU will sich sicherheitspolitisch profilieren, bevor mit dem eigentlichen Nachtragshaushalt, dem zweiten Nachtragshaushalt, die Katze aus dem Sack gelassen wird und damit die positive Botschaft des jetzt vorliegenden Haushalts völlig unterginge. Glauben Sie mir, meine Damen und Herren der Union, nach all dem, was im Bereich der Polizei und des Verfassungsschutzes in dieser Legislatur vorgefallen ist, wird auch ein so durchsichtiges Manöver nicht dazu beitragen, das Vertrauen in Ihre Sicherheitspolitik zu stärken.

(Beifall bei der SPD)

Haushaltstechnisch lässt sich die Zweiteilung in einen ersten und zweiten Nachtragshaushalt nicht stichhaltig begründen, auch wenn Sie, Herr Finanzminister, das bei Ihrer Einbringungsrede versucht haben. Bereits seit Mai ist klar, dass für 2002 400 Mio. DM weniger an Steuereinnahmen zur Verfügung stehen. Die weitere konjunkturelle Tendenz ist spätestens seit September klar erkennbar gewesen. Man wusste in den Führungsetagen des Thüringer Finanzministeriums also früh genug, dass die November-Steuerschätzung nicht besser, sondern schlechter wird als die Mai-Prognose. Warum hat man sich zu diesem Zeitpunkt nicht gleich an einen richtigen Nachtragshaushalt gemacht, als mit einem zweifelhaften Zwischenschritt Zeit zu verschenken? Ich verstehe Sie von der Terminierung im Übrigen auch politisch nicht. Wenn nicht mehr in diesem Jahr, dann spätestens im Januar hätte der große und der richtige Nachtragshaushalt vorliegen können. Ich lasse auch nicht das Argument gelten, lange Bestellfristen von Sicherheitstechnik hätten die jetzt gewählte Verfahrensweise bewirkt. Für eine überplanmäßige Ausgabe an dieser Stelle hätten Sie unsere Zustimmung gehabt und ich nehme an, die von der CDU-Fraktion auch. Beim Personal hätte man natürlich den Nachtragshaushalt abwarten müssen. Aber wir hätten dies für vertretbar gehalten, nachdem durch das Verschulden der Landesregierung ohnehin ein einjähriger Zeitverzug im Hinblick auf mehr Polizeistellen eingetreten ist.

Ich möchte an dieser Stelle nicht auf die Details des Sicherheitspakets eingehen. Die SPD-Fraktion trägt die Korrekturen am bestehenden Plan mit, da es nach außen nicht zu vermitteln wäre, wenn wir das Sicherheitspaket ablehnen würden,

(Unruhe und Heiterkeit bei der CDU)

das aufgrund der aktuellen Ereignisse entstanden ist und eine natürlich zum Teil populistische Reaktion auf das viel umfangreichere Vorhaben des Bundesinnenministers Otto Schily darstellt.

(Beifall bei der SPD)

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Ihr seid doch gar nicht auf die Idee gekommen, etwas für die Sicherheit zu machen!)

Unser Hauptkritikpunkt bleibt aber trotzdem, dass in Anbetracht des zweiten Nachtrags diese Vorlage dem Grunde nach schon jetzt Makulatur ist. Sie greifen auf Deckungspositionen zu, die so eigentlich gar nicht mehr realistisch sind.

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, stellen Sie sich einmal vor, eine der beiden Oppositionsparteien hätte so etwas auch nur ansatzweise vorgeschlagen. Man hätte sie verbal zerpflückt und der haushaltspolitischen Inkompetenz bezichtigt. Bei der eigenen Landesregierung - ich hatte vorhin schon gesagt, dass das unsere Anträge vom Frühjahr waren, also vom letzten Jahr - hingegen wird über so etwas geflissentlich hinweg gesehen. So unterschiedlich sind eben die Maßstäbe, die angelegt werden. Genau dieser Sachverhalt ist der Grund, der die SPD-Fraktion veranlasst hat, keine eigenen Änderungsanträge, sondern nur einen Entschließungsantrag zu stellen, den Kollegin Doht aus aktuellem Anlass selbst begründen wird. Mit den genannten Bedenken stimmen wir dem ersten Nachtragshaushalt zu, verweisen aber noch einmal darauf, dass damit die grundsätzlichen Fehler des Haushalts 2002 nicht behoben sind. Wir fordern deshalb die Landesregierung auf, den aufgrund der Finanzsituation erforderlichen Nachtragshaushalt unverzüglich dem Landtag vorzulegen, damit die schwelende Angst bei den Kommunen etwa vor Eingriffen beim kommunalen Finanzausgleich oder bei Fördermitteln diverser Art oder bei anderen Zuwendungsempfängern einer Planungssicherheit weichen kann.

(Zwischenruf Abg. T. Kretschmer, CDU: Sie haben Angst vor der eigenen Courage.)

Insofern ist schon jetzt die eigentliche Intention des Doppelhaushalts vor den Baum gefahren worden. Aber dazu später.

Abschließend, Frau Präsidentin, unseren Änderungsantrag in Drucksache 3/2068 zur qualifizierten Sperre der Mittel für die Vertriebenenverbände ziehen wir natürlich zurück, da sich dieser durch den Rücktritt von Herrn Latussek erledigt hat. Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. Es hat jetzt das Wort Herr Dr. Hahnemann, PDS-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, es hat sich im Laufe der Beratung zu diesem Nachtragshaushalt eines immer wieder gezeigt: Das Programm Innere Sicherheit hat am allerwenigsten mit Terrorismusbekämpfung zu tun.

(Beifall bei der PDS)

Da wird Versäumtes nachgeholt, da wird ein Beförderungsstau zurückhaltend aufgelöst, da werden alte Träume konservativer Sicherheitspolitiker mit Leben erweckt, aber es wird auch für den Zivil- und Katastrophenschutz etwas getan, und zwar nicht Unbeträchtliches.

Genau die letztgenannten Aufstockungen sind es auch, die wir für richtig halten. Verbesserungen im Zivil- und Katastrophenschutz sind unseres Erachtens ein richtiger Weg. Trotzdem bleibt die Frage, die Herr Kollege Müller hier gestellt hat. Wo wären denn diese Verbesserungen geblieben, wenn nicht mit den Anschlägen in New York und Washington ein öffentlicher Handlungsdruck entstanden wäre? Ein Handlungsdruck, diesbezüglich Programme aufzulegen, Geräte anzuschaffen, Personalstellen vorzusehen oder Ausbildungsgänge zu modernisieren. Aber genau aus diesem Grunde und aus dieser Orientierung heraus will die PDS-Fraktion auf weitere z.B. hochgerüstete Kraftfahrzeuge bei der Polizei verzichten. Anstelle dessen sollten die hierfür vorgesehenen Mittel zur Verbesserung der Ausstattung der Feuerwehren in den Kreisen und kreisfreien Städten aufgewendet werden.

Es ist im Übrigen sehr verwunderlich, wenn ein solcher Änderungsantrag der PDS-Fraktion im Haushalts- und Finanzausschuss als populistisch bezeichnet wird, gleichzeitig aber ein Antrag der CDU-Fraktion vorliegt, der im Grunde von der Intention her das Gleiche verlangt, nur aber eben über eine Verpflichtungsermächtigung für das Jahr 2003.

Für den Aufbau der Polizei, meine Damen und Herren, gilt dieses analog. Anstelle der Anschaffung neuer Fahrzeuge für den Kriminaldauerdienst soll die Einsatzfähigkeit der mobilen Polizei vor Ort verbessert werden. Da stimme ich Herrn Pohl aus der Aktuellen Stunde zu, dass fraglich ist, ob tatsächlich mehr Sicherheit vor Ort durch Polizisten entstehen kann. Hierfür aber ist es erforderlich, insbesondere die vorhandenen Streifenwagen der Direktionen im Hinblick auf ihr Alter und ihre Zuverlässigkeit zu überprüfen, gegebenenfalls zu ersetzen oder für die Folgejahre geplante Ersatzanschaffungen vorzuziehen.

Wobei man natürlich für die Deutlichkeit danken muss, mit der einerseits eine anhaltende stabile Sicherheitslage nach den Anschlägen konzidiert wird, angebliche Veränderungen seit Ausbruch des Krieges in Afghanistan behauptet, aber nie belegt werden. Die ausgebauten polizeilichen Geräteparks und die Aufstockungen im Bereich des Staatsschutzes werden mit einer allgemeinen dynamischen Kriminalitätsentwicklung begründet.

Ich frage aber im goeth'schen Sinne: Was ist mit diesem Rätselwort gemeint - dynamische Kriminalitätsentwicklung? Dynamik ist der Kriminalität sicher eigen, das will ich nicht leugnen, das allein sagt aber sehr wenig über die Wirklichkeit. Sieht man sich die tatsächliche Kriminalitätsentwicklung an, nennen wir sie halt mal Dynamik, so ist diese Dynamik in Thüringen seit Jahren rückläufig. Laut polizeilicher Kriminalstatistik sind im Jahr 2000 die Straftaten in Thüringen erneut um 3,2 Prozent gegenüber 1999 zurückgegangen und 45 Prozent aller Straftaten waren Eigentumsdelikte.

Die TAZ hat neulich zutreffend getitelt, das Trittbrett der Terroristen sei schon übervoll von Innenpolitikern, die seit dem 11. September ein bürgerrechtsfeindliches Süppchen kochen aus all den Begehrlichkeiten, die seit Jahren in ihren Schubladen schlummern. Wir wissen, dass terroristische Taten hierfür immer eine Vorlage bieten. Denn dass Terroristen in erster Linie dem Aufbau der Staatsapparate nutzen, weiß man in Deutschland spätestens seit den Vorgängen in den 70er Jahren im Westen.

So forderte auch Thüringen den Ausbau von polizeilichem Staatsschutz, Verfassungsschutz und polizeilichen Sondereinheiten in Größenordnungen, auch die Videoüberwachung soll endlich umgesetzt werden. Außerdem zählen zu den vorwiegend gegen Kleinkriminalität und Ordnungsstörung gerichteten Maßnahmen ein erweiterter Platzverweis, den die Ordnungspolitiker bevorzugen, um selbst geschaffene Probleme nicht mehr ständig vor Augen zu haben. Denn, meine Damen und Herren, das weiß der Innenminister so gut wie ich und wir alle, Terroristen wird man mit einem Platzverweis, auch wenn er drei Monate dauert, nicht stören. Auch Kriminalität anderer Art wird lediglich verdrängt.

Nicht vergessen sollten wir, insbesondere aber die Damen und Herren Haushälter, dass die Investitionen in die so genannte innere Sicherheit noch einen anderen als nur den bürgerrechtlichen Preis haben, nämlich ganz einfache fiskalische Kosten in Bereichen wie Bildung und Wissenschaft und im Sozialen. Der Zusammenhang zwischen Armut und Reichtum aber ist ebenso eine der Ursachen für Kriminalität, wie aus dem Mangel an demokratisierender Bildung eine Zunahme rechtsextremer Orientierungen folgt. Die PDS-Fraktion lehnt es ab, repressive Sicherheitskonzepte mit der Zunahme von sozialer Unsicherheit zu erkaufen.

(Beifall bei der PDS)

18 plus drei Staatsschützer können Lehrer und Pädagogen nicht ersetzen. Staatsschutzwissen ist keine wissenschaftliche Analyse gesellschaftlicher Probleme. Das weiß man ja hinlänglich aus dem Bereich des Rechtsextremismus, zu dem Wissenschaftler und Initiativen schon immer bessere Ergebnisse vorgelegt haben als Verfassungsschutz oder Polizei. Genau aus diesem Grunde will die PDS-Fraktion die für die Erweiterungen beim Staatsschutz vorgesehenen Mittel eher da belassen, wo sie herkommen sollen, nämlich im Bildungsbereich. Ein kleinerer Teil der Mittel, die jetzt für den Ausbau des polizeilichen Staatsschutzes vorgesehen sind, sollte ebenfalls in Bildung fließen. Bei der Landeszentrale für politische Bildung könnte, so meinen wir, ein Programm "Miteinander" entstehen, das für Schulen und Jugendeinrichtungen abrufbar ist und zur Auseinandersetzung mit Demokratie, mit Differenz, Toleranz, Kultur, Weltreligionen und auch mit fundamentalistischen Orientierungen dienen sollte, die sich religiös oder quasi-religiös neuheidnisch äußern.

Dabei geht es nicht darum, dass im Bereich der Polizeidirektionen keine weiteren Beamten gebraucht würden, im Gegenteil. Wir halten eine Dezentralisierung der Thüringer Polizei für einen der Schritte in Richtung einer demokratischen Polizeireform. Die PDS will die Polizeistationen und -inspektionen im Sinne einer verbesserten Einsatzfähigkeit für die Alltagsarbeit und in der Kriminalitätsprävention vor Ort stärken. Sie hält dagegen den Aufbau weiterer Sondereinheiten, z.B. eines neuen operativen mobilen Einsatzkommandos für erlässlich. Die Verstärkung von Profilern im LKA dagegen erscheint sinnvoll und sollte insofern im Sinne der Erweiterung kriminalistischer Spezialfertigkeiten auch umgesetzt werden.

Unser Antrag, nicht den Verfassungsschutz auszubauen, sondern anstelle dessen die Mittel für ein lange gefordertes Landesprogramm gegen Rassismus und für Demokratie einzustellen, wird Sie nicht überrascht haben. Die Koordinierungsstelle im Innenministerium kann den Handlungsbedarf im Land nicht oder nur schlecht decken. Neben den von Seiten des Bundes geförderten Modellprojekten ist hier das Land gefordert. Wir schlagen darüber hinaus vor, dass an die Stelle einer erweiterten Ausforschung der Bürgerschaft der verbesserte Schutz ihres Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung treten sollte. Zudem sollten Bürger durch einen besseren Zugang zu Informationen in die Lage versetzt werden, besser als bisher Entscheidungen nachvollziehen zu können oder besser noch, mehr und mehr direkte demokratische Teilhabe an Entscheidungen zu erhalten. Ebenso konnten Sie sich sicher denken, dass die PDS-Fraktion auch die Hinwendung des Verfassungsschutzes zu einem eigentlich polizeilichen Aufgabenfeld namens organisierte Kriminalität zurückweist. Nicht nur, dass die Gefahren organisierter Kriminalität in Thüringen sehr gering sind und bisher ohne Probleme von der Polizei bewältigt werden konnten und schon insofern eine solche Kompetenzänderung schlichtweg auch gar nicht erforderlich ist, nein, mit der Ausweitung von Geheimdienstbefugnissen auf die Kriminalitätsbekämpfung als

originäre Polizeiaufgabe ist das verfassungsmäßige Trennungsgebot zwischen beiden Behörden gebrochen. Die Hinwendung des Verfassungsschutzes zum Kriminalitätsbereich ist ein Einfallstor für die Überwachung von allem und jedem. Wir bleiben bei unserer Auffassung, dass der beste Schutz der Verfassung und der Demokratie von den Bürgerinnen und Bürgern und ihrem Engagement selbst ausgeht. Voraussetzung dafür ist allerdings, meine Damen und Herren, dass diese ihre Grundrechte nutzen und nicht, dass man sie durch Einschränkung daran hindert.

Die PDS-Fraktion hält auch die anlassunabhängige Videoüberwachung für einen der drastischsten Bürgerrechtseingriffe. Insofern lehnen wir nicht nur die Befugnis, sondern auch die Ausstattung mit weiteren Videoüberwachungsanlagen grundlegend ab. Im Haushalt werden übrigens die hierfür vom Innenminister angekündigten Mittel für eine neue mobile Videoüberwachungsanlage nicht nachvollziehbar ausgewiesen. Auch die mobilen Fingerprintsysteme sollten mit der Umsetzung dieses Nachtragshaushalts nicht angeschafft werden. Die biometrische Erfassung der Bürger in Schily's Terrorpaket 2 wird von der PDS abgelehnt. Dass nun die Thüringer Polizei mittels mobiler Fingerprintsysteme die Möglichkeit erhalten soll, auf der Straße jeden wie einen Verbrecher zu behandeln, statt nur diejenigen auf der Wache erkennungsdienstlich zu behandeln, gegen die tatsächlich ein Tatverdacht besteht, halten wir folglich für bedenklich. Das mobile Mitführen solcher Geräte hat nämlich einen klar voraussehbaren Effekt; es kommt zur Absenkung einer Hemmschwelle. Motto: Was technisch möglich ist, wird auch gemacht. Wir wollen beantragen, diese Mittel in Entwicklungshilfeprogramme einzustellen. Wir haben erlebt, dass die Zustimmung zu den Attentaten in New York und Washington gerade dort besonders groß war, wo Armut und soziale Ungerechtigkeit herrschen. Wir brauchen also eine Politik globaler sozialer Gerechtigkeit,

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Der Multi- millionär Bin Laden, der arme Mensch nagt am Hungertuch!)

nicht nur aus allgemeinen Gerechtigkeitserwägungen heraus, sondern sie muss auch Bestandteil eines sicherheitspolitischen Ansatzes sein. Sicherheit muss nach Auffassung der PDS-Fraktion immer auch die Sicherheit des anderen beinhalten.

Diese außenpolitische Sicherheitsmaxime gilt für uns auch innenpolitisch. Die der Polizei zugeordnete Präventionsarbeit halten wir für erforderlich, soweit sie die konkrete Gefahrenabwehr betrifft. Geht sie darüber hinaus und agiert auf dem weiten Feld zukünftiger unsicher prognostizierter Gefahren, lehnen wir polizeiliche Präventionskompetenzen ab. Hier sind nach unserer Auffassung andere gesellschaftliche Akteure und Handlungsfelder wesentlich tauglicher, z.B. Sozialpolitik, kommunale Präventionsinitiativen, Streetwork und vieles andere mehr. Die Polizei

darf nicht zum Politikersatz umfunktioniert werden. Sicherheit und Prävention, meine Damen und Herren, beginnen vor Ort mit einer Dezentralisierung der Sicherheitsapparate, denn Polizeiarbeit muss bürgernah stattfinden. Fehlende Sozialpolitik ist ebenso zu kritisieren wie die Privatisierung von Sicherheit. Staatliche Sicherheitspolitik muss zuerst den Ausschluss einzelner aus gesellschaftlichen Zusammenhängen unmöglich machen, sie darf nicht zu gesellschaftlichen Ausgrenzungsprozessen führen. Insofern muss der öffentliche, z.B. der städtische Raum allen Bewohnern und Passanten als Lebens- und Ruheraum zugänglich sein und Gruppen, denen die Straße der wesentliche Kommunikationsraum ist, dürfen nicht vertrieben werden. Hier müssen primär sozialpolitische Konzepte und soziale Hilfsangebote zum Tragen kommen. Genau in die andere Richtung würden die Vorschläge wie z.B. der Platzverweis oder die Videoüberwachung hinführen. Was durch nicht besetzte Stellen in Polizeieinrichtungen und die ständige Verstärkung der zentralen Einheiten und Verwaltungen behindert wird, ist die notwendige permanente Ansprechbarkeit der Polizei vor Ort. Es geht nicht unbedingt um mehr Grün auf der Straße, aber sehr wohl darum, dass die Besetzung von Polizeiinspektionen oder Polizeistationen gewährleistet werden muss, ohne dass die Polizistinnen und Polizisten gezwungen werden, physisch und psychisch Übermenschliches zu leisten.