Bereits bei der Erziehung der Kinder müssen die Fundamente für ein Bewusstsein dieser Unantastbarkeit der Menschenwürde gelegt werden. Die Eltern und die Familien tragen hier eine hohe Verantwortung, eine Verantwortung, die von der großen Mehrheit der Bürger sehr ernst genommen wird. Dass unsere Jugendlichen nach der Studie überwiegend Vertrauen in die Zukunft haben, ist auch ein Verdienst der Eltern, denen es gelungen ist, ihren Kindern Chancen zu geben und Perspektiven aufzuzeigen. Die Verantwortung der Familie muss dennoch in ihrer Bedeutung weiter zunehmen.
Denn Kinder merken sehr wohl, wenn sie als lästig empfunden werden, wenn die Gestaltung der eigenen Freizeit wichtiger ist als das Wohl der Kinder. Wenn das so ist, dann darf man sich nicht wundern, nicht über rechtsradikale Einstellungen, über Lieblosigkeit, über Gewaltbereitschaft, über extremistisches Denken. Wie sollen Kinder Orientierung finden, wenn sich ihre eigenen Eltern nicht zu ihnen bekennen?
Natürlich, meine Damen und Herren, dürfen wir die Eltern mit ihrer Verantwortung nicht allein lassen. Wir müssen Familienberatungs- und Familienbetreuungseinrichtungen stärken, z.B. indem wir an dem System der Kinderhorte an den Grundschulen festhalten, auch für die Zukunft.
Natürlich müssen wir auch die materielle Situation der Familie weiter verbessern. Sie wissen, wir in Thüringen wenden dafür mehr finanzielle Mittel auf als alle anderen jungen Länder.
Das bewährt sich, denn es ist eines der erfreulichsten Erkenntnisse der Studie, dass der Wunsch nach eigenen Kindern unter Jugendlichen weit verbreitet ist. 91 Prozent wünschen sich Kinder, 80 Prozent sogar zwei oder mehr. Wir wollen dafür sorgen, dass diese Jugendlichen ihren Wunsch nach einer eigenen Familie und nach Kindern verwirklichen können. Aber wenn nach dem Ergebnis der Studie 71 Prozent der Jugendlichen der Auffassung sind, für die Kinderbetreuung fehlten öffentliche Einrichtungen, 67 Prozent, dass mit Kindern berufliche Nachteile entstünden, und 47 Prozent meinen, Kindererziehung sei gesellschaftlich nicht hinreichend anerkannt, dann entspricht das nicht den Tatsachen und ist eine Aufforderung an uns, mehr zu tun, über die bestehenden Angebote besser aufzuklären, meine Damen und Herren.
Fast 75 Prozent der befragten Jugendlichen bekunden Zukunftsgewissheit und Selbstvertrauen. Der Aussage ich zitiere die Frage aus der Studie - "Egal, wie die Welt sich verändert, ich bin sicher, dass ich immer mithalten kann", stimmen drei Viertel der Jugendlichen zu. Eine weit überwiegende Mehrheit aller Befragten stimmt zu, dass Aufgabe der Schule nicht nur die Vorbereitung auf Berufsleben und Studium, sondern auch die Vermittlung einer breiten Allgemeinbildung ist. Wir wissen, neben der Familie, neben dem Elternhaus spielt die Schule die herausragende Rolle bei der Vermittlung von Demokratieverständnis und beim Erwerb sozialer Kompetenz. Die Stärkung der Persönlichkeit und der Konfliktfähigkeit ist eine der wesentlichsten Ziele schulischer Erziehung. Auch wenn die Mehrheit der Befragten die Vermittlung von Werten erstaunlicherweise nicht als vorrangige Aufgabe der Schule betrachtet, so halten doch fast 60 Prozent von ihnen an der Verankerung der Wertevermittlung im Bildungsauftrag der Schule fest.
Meine Damen und Herren, die Landesregierung hat nach gründlicher Vorbereitung vor wenigen Wochen den Entwurf eines Schulgesetzes vorgelegt. Dabei gilt dem Ausgleich zwischen traditioneller Wertevermittlung und individueller Vorbereitung auf das Berufsleben und Studium unser besonderes Augenmerk. Bereits in meinem Bericht im vergangenen Jahr habe ich eine Reihe bildungspolitischer Maßnahmen und Projekte zur Vorbeugung gegen extremistische Erscheinungen genannt. Im Unterricht, in den Lehrplänen, bei Projektarbeit an Schulen sowie in den Fortbildungsprogrammen und Qualifizierungsmaßnahmen für Lehrer wird den einschlägigen Themenstellungen inzwischen umfassend Rechnung getragen. Wir setzen gezielt diese Bemühungen fort, auch das Bemühen, über die dunkelsten Kapitel der deutschen Vergangenheit, über den nationalsozialistischen Terror und über den Totalitarismus aufzuklären. Weil die Aussage, der Nationalsozialismus habe auch gute Seiten gehabt, bei den Jugendlichen noch mehr Zustimmung als bei den Erwachsenen erfährt, müssen diese Bemühungen pädagogisch richtig fortgesetzt werden.
Es geht, meine Damen und Herren, nicht - wie manche schädlicherweise verkünden - um ein Vererben von Schuld, sondern es geht um ein Bewusstsein für die Erfahrungen der Geschichte für die Zukunft unserer jungen Menschen. Die Lehrer müssen besonderes Augenmerk darauf legen die Heranbildung toleranter Denk- und Verhaltensweisen zu fördern, das demokratische Urteilsvermögen zu stärken und Mitmenschlichkeit zu vermitteln. Das ThILLM bietet für Lehrer gezielte Bildungs- und Qualifikationsmaßnahmen an, die die Themen interkulturelles Leben, Konfliktbewältigung, Gewaltprävention oder Benachteiligungsausbildung aufgreifen.
Seit Anfang des Jahres veranstalten vier Thüringer Ministerien gemeinsam zum Brennpunktthema "Gewalt" ein breit angelegtes Fortbildungsprogramm, in dem Lehrerinnen und Lehrer mit den rechtlichen Möglichkeiten zur Abwehr von Gewalt und Drogenmissbrauch an Schulen besser vertraut gemacht werden sollen. Die im vergangenen Jahr durch die Landesregierung geschaffene Koordinierungsstelle Gewaltprävention, mit der als langfristiges Ziel verfolgt wird, die Gewalt in der Gesellschaft zu reduzieren, kommt nach Abschluss der Aufbauphase jetzt ihrem Auftrag nach.
Schon vor zwei Jahren habe ich die Einführung vom Rechtskundeunterricht an den Thüringer Schulen angekündigt, inzwischen gehören Unterrichtsstunden, in denen Richter, Staatsanwälte und Lehrer rechtskundliche Themen behandeln, zum Thüringer Schulalltag. Die Autoren der Studie stellen fest, dass die politischen Interessen und das politische Wissen der Jugendlichen in einem engen Zusammenhang miteinander stehen. Politische Teilnahmebereitschaft und politische Einstellung der Jugendlichen werden hiervon mitbestimmt. Weil das so ist, muss der politischen Bildung unser besonderes Augenmerk gelten. Die Landeszentrale für politische Bildung ist eine der deutschen Landeszentralen, in deren Bildungsangebot die Jugendbildung eine eigenständige und zentrale Rolle spielt. Ihre Publikationen werden vor allem von Jugendlichen und jungen Erwachsenen genutzt. Für Schüler und Studenten ist die Landeszentrale zu einer festen Größe geworden.
Sie wirkt auch an der Veranstaltungsreihe der Landesregierung "Jugend trifft Politik" mit. Seit März dieses Jahres haben Hunderte von Schülerinnen und Schülern von der 9. Klasse an das Angebot der Staatskanzlei zu einem direkten Kontakt angenommen. Die Schüler erhalten im Rahmen von ganztägigen Veranstaltungen Einblick in die Arbeitsweise der Ministerien und haben vor Ort Gelegenheit, mit den Verantwortlichen, auch mit den Ministern und Staatssekretären zu sprechen. Die Themen werden von den Schülern selbst gewählt und im Rahmen des Sozialkundeunterrichts vorbereitet.
Meine Damen und Herren, zwischen Bildungsstand und Berufschancen und der Neigung zu rechtsradikalen Einstellungen besteht ein enger Zusammenhang, wie die Studie ausdrücklich bestätigt. Der Aussage, dass Thüringen ein Land mit Zukunft ist, stimmen etwa 60 Prozent der Thüringer völlig oder weitgehend zu, nur etwa 8 Prozent sind davon nicht überzeugt. Von den Jugendlichen halten sogar mehr als 93 Prozent Thüringen für ein Land mit Zukunft - ein hervorragendes Ergebnis.
Das ist Ansporn und Bestätigung. Klare politische Verhältnisse und eine langfristige und verlässlich angelegte Politik machen ein Land zukunftsfähig. Das zeigt sich übrigens auch, nebenbei bemerkt, an der großen Zustimmung, die die Arbeit der Landesregierung findet. Stabile politische Verhältnisse, die Leistungsbereitschaft der Thüringerinnen und Thüringer und das Engagement der Wirtschaft haben dazu geführt, dass Thüringen in vielen Bereichen auch nach Ansicht der Jugendlichen dieses Landes unter den jungen Ländern eine führende Stelle einnimmt. Die deutsche Einheit wird von einer deutlichen Mehrheit der Thüringer positiv bewertet, nur 14 Prozent der Befragten geben an, dass für sie persönlich die Nachteile überwiegen. Es wird wie in der Studie des vergangenen Jahres erneut deutlich, es gibt einen engen Zusammenhang zwischen der Bewertung der deutschen Einheit und der persönlichen, wirtschaftlichen und finanziellen Lage. Mehr als 60 Prozent der Befragten schätzen die eigene wirtschaftliche Situation als gut oder sehr gut ein, 35 Prozent schätzen die wirtschaftliche Lage in Thüringen insgesamt positiv ein. Sie sehen, wie die Schere da auseinander geht 60 Prozent ihre eigene Lage gut, aber nur 35 Prozent die wirtschaftliche Lage Thüringens gut. Die Stabilität unserer Wirtschaftsentwicklung ist ohne eine belastbare Infrastruktur nicht zu gewährleisten, sie ist das A und O, deshalb fordern wir immer wieder, dass die notwendigen Infrastrukturmaßnahmen beschleunigt werden.
Es besteht in diesem Bereich Anlass zum Handeln, auch weil ein Zusammenhang zwischen wirtschaftlichen Chancen und der Neigung zu rechtsextremen Taten besteht, muss uns die aktuelle wirtschaftliche Entwicklung natürlich Sorge bereiten.
Deutschland war bereits vor dem 11. September in einer Phase konjunktureller Schwäche und die Folgen der Anschläge bergen die Gefahr, dass es zu einer weiteren weltweiten Wirtschaftskrise kommt. Auch weil wir verhindern müssen, dass die Terroristen ihr Ziel einer wirtschaftlichen Lähmung erreichen, müssen wir mit ganzer Kraft, und zwar alle, entschieden gegensteuern. Bei allen wirtschaftlichen Schwierigkeiten darf es nicht geschehen, dass das Geleistete schlechtgeredet wird,
denn, meine Damen und Herren, die Thüringer identifizieren sich mit ihrem Land. Mehr als zwei Drittel äußern inzwischen, dass Thüringen den Vergleich mit westdeutschen Ländern nicht zu scheuen braucht.
Zur Verwirklichung der inneren Einheit gehört, dass sich die Lebensverhältnisse in Ost und West weiter annähern. Dazu gehört auch eine höhere Mobilität der Menschen. Das Institut für Wirtschaftsforschung in Halle hat festgestellt, dass die Mobilität der jungen Menschen in den neuen Ländern seit 1993 stark zugenommen hat. Sie hat sich der Mobilität der Jugendlichen in den alten Ländern angenähert. Die Thüringer verhalten sich nicht anders als die Niedersachsen und die Niedersachsen nicht anders als die Hessen oder die Bayern. Es ist nahe liegend, dass junge Menschen guten Stellenangeboten folgen, auch wenn sie in einem anderen Land angeboten werden. Mauer und Stacheldraht hindern eben zum Glück nicht mehr an Mobilität.
In der Studie heißt es dazu wörtlich: "Der starke Zusammenhang mit dem Alter signalisiert, dass die jüngeren, die noch keine Familie und keine feste Arbeitsstelle haben, deutlich mobiler sind. Für eine bessere Arbeitsstelle aus Thüringen fortzuziehen, kann sich unter den Erwachsenen ein Drittel vorstellen, bei den unter 30Jährigen sind es doppelt so viele."
Meine Damen und Herren, das Thema "Abwanderung" wird gelegentlich in der öffentlichen Diskussion überzeichnet. Zu Unrecht wird die Befürchtung laut, der Osten blute aus. Zu Unrecht ist da gelegentlich von einem Massenexodus die Rede. Ich wende mich dagegen das Thema "Abwanderung" zu dramatisieren; ich wende mich aber auch dagegen es zu bagatellisieren. Die amtliche Statistik belegt - und meistens suchen die Leute ja Zahlen die ihnen in die Aussage, die sie treffen möchten, passen und nicht die stimmen - Thüringen hat seit 1990 pro Jahr etwa 0,4 Prozent seiner Einwohner durch Abwanderung verloren. Im Vergleich mit den anderen jungen Ländern ist das ein Platz im Mittelfeld. Die Abwanderung in der Altersgruppe von 16 bis 24 Jahren liegt bei etwa 1,6 Prozent pro Jahr. Die Studie kommt zu folgendem klaren Ergebnis, ich zitiere: "Ein Sog in die alten Länder lässt sich nicht belegen, nur ein Bruchteil derer, die sich vorstellen können Thüringen zu verlassen, tun dies auch wirklich."
Meine Damen und Herren, Mobilität ist grundsätzlich ein Gewinn. Aber unser Ziel muss es sein, Thüringen so attraktiv zu machen, dass wir Zuwanderland in diesem Sinne
Die Thüringer Jugend ist nach dem Ergebnis der Studie mobil und heimatverbunden. Bei der Identifikation zeigen sich kaum Unterschiede zum Vorjahr. Knapp die Hälfte aller Befragten fühlt sich in erster Linie als Thüringer und dann erst als Deutscher. Ein gutes Viertel fühlt sich zunächst als Deutscher und dann erst als Thüringer.
Ausbildungsmigration ist im Übrigen kein Schaden für das Land. Bereits heute kehrt ein Drittel der Jugendlichen nach Abschluss ihrer Ausbildung in anderen Ländern in die jungen Länder zurück. Das ist es, worauf es letztlich ankommt, meine Damen und Herren.
In einer globalisierten Welt, über die wir ja ständig zu Recht reden, wird es immer wichtiger, dass die Menschen eine Zeit lang ihren Heimatort verlassen, dass sie über den Tellerrand sehen, ins Ausland gehen und andere Mentalitäten kennen lernen und dass sie ihre Erfahrungen dann hier in Thüringen anwenden, genauso wie wir wollen, dass noch mehr Studenten aus dem Ausland an Thüringer Universitäten studieren. Zurzeit studieren immerhin 1.670 ausländische Studenten aus 106 Ländern hier bei uns in Thüringen.
Meine Damen und Herren, die Studie kommt zu dem Ergebnis, die ganz überwiegende Mehrheit der Bevölkerung lehnt rechtsextremistische und ausländerfeindliche Einstellungen ab. Ja noch erfreulicher, die Jugendlichen im Lande sind weniger rechtsextrem als die Älteren. Aber obwohl das erfreulich ist, weiß Gott erfreulich ist, es gibt auch beunruhigende Tendenzen und die will ich genauso wenig hier verschweigen.
Die Umfrage hat ergeben, dass vielfach unklare, teilweise absurde Vorstellungen über den Ausländeranteil in Thüringen bestehen. Sie wissen es, der Ausländeranteil in Thüringen beträgt 1,7 Prozent. Aber mehr als drei Viertel schätzen den Ausländeranteil viel zu hoch ein, auf bis zu 15 Prozent. 46 Prozent der Befragten unterstellen den Ausländern, sie würden den Sozialstaat ausnutzen und 49 Prozent halten Deutschland für überfremdet und das in Thüringen mit 1,7 Prozent Ausländern. Es gibt einen Zusammenhang zwischen der Intoleranz gegenüber ausländischen Mitbürgern und dem Grad der Überschätzung des Ausländeranteils. Wir tun etwas gegen diese ausländerfeindlichen Tendenzen, wenn wir den Leuten nur die klaren Fakten und Zahlen nennen und ihnen sagen, dass es nicht 15 Prozent, sondern 1,7 Prozent sind, allerdings auch die Hoffnung aussprechen, dass es mehr werden und nicht weniger, meine Damen und Herren.
Reine Unkenntnis ist Boden für ausländerfeindliche Einstellungen. Deshalb müssen wir immer wieder deutlich machen, Ausländer sind uns willkommen, sie bereichern unsere Kultur und sie schaden ihr nicht.
In Thüringen gibt es inzwischen übrigens mehr als 30 deutsch-ausländische Freundschaftsgesellschaften, die einen wertvollen Beitrag zum gegenseitigen Kennenlernen und zum Abbau von Vorurteilen leisten. Wer hier heimisch werden will, ist uns herzlich willkommen. Ich bin allerdings nach wie vor der Auffassung, dass Zuwanderung zur Integration führen muss. Wir wollen nicht, dass Parallelgesellschaften entstehen.
Wer zu uns kommen will, muss das Grundgesetz und muss unsere Hausordnung akzeptieren und er muss unsere Sprache sprechen.
Bis zum Herbst dieses Jahres, meine Damen und Herren, haben wir unsere Freiheit und unsere Sicherheit vor allem durch den Rechtsextremismus bedroht gesehen. Seit dem 11. September ist eine neue Bedrohung durch den internationalen Terrorismus hinzugekommen. Der 11. September lehrt uns, dass von deutschen Extremisten nicht die einzige Gefahr für unsere freiheitlich-demokratische Ordnung ausgeht und deswegen glaube ich, dass hinsichtlich der Bedrohung unserer Ordnung der 11. September eine Zäsur markiert. Der internationale Terror gefährdet unser aller Freiheit von Grund auf, nicht nur in den USA, sondern auch bei uns. Vor vier Wochen habe ich von diesem Pult aus dargelegt, was bei der Bekämpfung des Terrorismus zu geschehen hat und dass wir solidarisch an der Seite des amerikanischen Volkes stehen. Heute füge ich hinzu: Es ist richtig, dass wir der Bitte der USA nachkommen, sie mit dem Einsatz von Bundeswehrsoldaten zu unterstützen.