Protocol of the Session on June 15, 2001

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Dr. Botz, SPDFraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, Herr Minister, wer oberflächlich zugehört hat, könnte sagen, eigentlich nicht viel Neues, auch nicht so besonders bemerkenswert. Aber ich glaube, all diejenigen, die aufmerksam zugehört haben, und ich rechne mich mit dazu, die können feststellen, dass es doch durchaus bemerkenswerte Aussagen in Ihrer Regierungserklärung gibt; für mich die entscheidende

(Beifall bei der CDU)

und die zieht sich wie ein roter Faden durch diese Regierungserklärung und deswegen kann ich das im Namen meiner Fraktion natürlich auch nur grundsätzlich begrüßen: Die Landesregierung, denn für diese haben Sie hier diese Regierungserklärung abgegeben, begrüßt und unterstützt grundsätzlich, grundsätzlich im Wesentlichen die Neuorientierung der Landwirtschaftspolitik in Deutschland und natürlich auch die Zielrichtung in Europa in dieser Richtung, weitere Fortschritte zu erzielen.

Sie haben das sicher auch nur kurz erwähnt, weil, wenn man über die Zukunft spricht, sollte man nicht zu lange nach hinten schauen, was ich aber für richtig halte, noch einmal kurz nach hinten geschaut. Ich möchte an dieser Stelle nur auch noch einmal zum Ausdruck bringen, dass es sich wirklich um gewaltige Leistungen handelt, die unsere Landwirte, unsere Menschen im ländlichen Raum in diesem vergangenen Jahrzehnt erbracht haben. Das sieht unsere Fraktion natürlich überhaupt nicht anders. Wir teilen auch Ihre Auffassung und da müssen wir der Wahrheit die Ehre geben, auch die Landesregierung und das von Beginn an durch Sie geführte Ministerium hat durchaus wirkungsvoll diese Umstrukturierung in diesem Jahrzehnt begleitet. Etwas anderes zu behaupten, wäre unredlich. Aber, und da möchte ich eine erste kleine Anfügung machen, es war nicht nur die wirkungsvolle Unterstützung der Landesregierung, sondern an einer solchen Stelle darf man einmal ganz kurz auch daran erinnern, auch was die Mittel und den Umfang der Mittel angeht, dass selbstverständlich alle Bundesregierungen, die seit der deutschen Einheit hier in Verantwortung waren und nicht zuletzt, gerade vom Umfang der Mittel, auch die Europäische Union über diesen Agrarfonds, ich will ein

mal jetzt die Fachbegriffe und das alles ersparen, eine gewaltige wirkungsvolle Unterstützung mit geleistet haben. Gerade da Sie ja rückschauend noch einmal auf die Umstruktuierung zurückgeblickt haben, möchte ich daran erinnern, das ist alles schon Geschichte, aber man darf es an dieser Stelle noch einmal ganz kurz tun: Wesentlich schneller, als es heute oft geschieht innerhalb der Kommission, sind in wenigen Monaten 1990 aufgrund eines Übergangsprogramms, weil wir damals ja noch nicht richtig dazugehört haben, von 1991 bis 1993 erhebliche Fördermittel der Europäischen Union in die neuen Bundesländer und natürlich auch in den Freistaat geflossen. Man könnte so weit gehen und an dieser Stelle noch einmal ein Dankeschön sagen, aber ich will es auch nicht übertreiben.

Ein letzter Punkt, Herr Minister, zu dem kleinen Rückblick oder dem, was Sie da als Ist-Zustand darstellen: Auch die von Ihnen benannte Aufstockung der Mittel bis 2006 um 380 Mio. DM, die sehr sehr wichtig für uns sind, weil wir wissen, dass nach 2006 sich in der Richtung nicht mehr so viel tun kann, Stichwort Osterweiterung, diese 380 Mio. DM gehen im Wesentlichen auch auf die Aufstockung der EU-Mittel in der laufenden Interventionsperiode zurück.

Herr Minister, einen großen Teil Ihrer Ausführungen widmeten Sie, das begrüßen wir auch, der Neuausrichtung der Agrarpolitik. Sie gingen auf die landespolitische Sicht und auch auf die bundespolitische Sicht ein. An dieser Stelle möchte ich das etwas erweitern, weil, wenn man darüber diskutiert, das darstellt, muss man auch, weil wir nun einmal mit der deutschen Einheit in diesen existierenden Agrarbinnenmarkt hineingekommen sind, auch ganz kurz ein paar Sätze zur europapolitischen Sicht sagen. Sicher sind wir da fachlich und politisch nicht auseinander, wenn wir jetzt uns die letzen drei, vier Jahren anschauen, das ist ja immer so, dass man da mit einer gewissen Gelassenheit dann doch wieder auf oft sehr hektische Jahre und Monate und Debatten zurückschaut, dann müssen wir ganz klar feststellen, das musste auch Frau Künast lernen, das sage ich hier ganz klar und es ist auch gut, dass sie das schnell begriffen hat, die Agenda 2000, so zaghaft und so geschmäht, wie sie vor allen Dingen in der Entstehungsphase war, mit Schimpf und Schande ist sie überdeckt worden, der Begriff ist ja das Schimpfwort Nummer eins viele Monate lang hier auch in Thüringen gewesen, diese Agenda 2000 ist der zaghafte aber richtige Beginn des Umsteuerungsprozesses hin zu einer Gott sei Dank langsam wieder umweltverträglicheren und nachhaltigeren Landwirtschaft in Europa und damit auch bei uns, auch in Thüringen.

Nun kamen diese Schicksalschläge, ich will nicht groß darauf eingehen, in jüngster Zeit, die BSE, die MKS. Für die meisten von uns, ich nehme mich da nicht aus, das sollte auch jeder sich gut überlegen, der früher einmal ein bisschen mitgemischt hat, ob er sich da ausnimmt, für die meisten von uns waren das, auch bildlich gesprochen, ein paar Schläge auf den Hinterkopf, die das Nachdenken an

geregt haben.

(Beifall Abg. Becker, SPD)

Das geben auch Landwirte, auch bei uns in Thüringen, in kleineren Gesprächsrunden immer zu, auch Bauern, Funktionäre, und ich glaube, das ist auch richtig. Für uns als Politiker trifft das auf jeden Fall zu. Eines der Ergebnisse dieser Hinterkopfbearbeitung ist für uns in Deutschland eben eine doch ziemlich konsequent und plötzlich in Angriff genommene Neuausrichtung dieser Agrarpolitik, die Sie ja grundsätzlich hier begrüßen, und das ist auch gut so.

Sie haben dann im Verlauf Ihrer Erklärung die Zielrichtung der Bundesregierung kurz umrissen. An der Stelle, vielleicht können Sie das später noch einmal ein bisschen klarstellen, kann ich Ihnen nicht ganz folgen, weil da irgendwie ein Bruch drin ist. Sie kritisieren da so in der Richtung, dass diese Zielrichtungen der Bundesregierung nur, ich betone "nur", Folgendes erkennen lassen, und da kommen dann diese Aufzählungen von Ihnen: verstärkter Verbraucherschutz, Umstellung auf ökologischen Landbau, ausgeweiteter Umwelt- und Tierschutz, Berücksichtigung sozialer Faktoren. Ich kann es nicht nachvollziehen, Herr Minister, angesichts all der anderen Dinge, die Sie in Ihrer Regierungserklärung ausführlich fachlich, von uns kaum mit Widerspruch zu begleiten, darstellen, dass Sie dennoch an dieser Stelle dieses "nur" verwenden. Sehen Sie mal, verstärkter Verbraucherschutz, jetzt kann er leider nicht da sein, der Herr Ministerpräsident, auf dem Höhepunkt der Krise im Januar hat er einen wichtigen Satz geprägt für einen Ministerpräsidenten, er hat nämlich ganz klar Position bezogen und gesagt: Verbraucherschutz hat die absolute Priorität. Und das ist auch gut so,

(Beifall bei der SPD)

dass ein verantwortlicher Ministerpräsident an dieser Stelle auch die richtigen Prioritäten gesetzt hat. Aber warum sagen wir heute, nur weil es aus anderem Munde kommt, "nur" - das kann nicht sein. Bleiben Sie da konsequent. Was die Umstellung auf den ökologischen Landbau betrifft - Sie selber haben hier jetzt gesagt, es handelt sich um ein sehr ehrgeiziges Ziel, da gehe ich später noch mal drauf ein; also entweder es ist ein ehrgeiziges Ziel oder, wenn es die Bundesregierung sagt, sagt man, sie gehen nur in diese Zielrichtung. Ich will das nicht weiter ausdehnen, das trifft auch auf den Umwelt- und Tierschutz und die Berücksichtigung sozialer Faktoren zu.

Meine Damen und Herren, der Begriff "nur", der kann hier nicht richtig sein, schon gar nicht deshalb, weil eben diese Zielstellung aus Berlin kommt, aus einer anderen politischen Richtung. Sie unterstellen u.a., Herr Minister, auch der gegenwärtigen Ministerin, der Regierung Rücksichtslosigkeit hinsichtlich fachlicher, betriebswirtschaftlicher Möglichkeiten. Nun, das kann man tun, aber, Herr Minis

ter, wenn das wirklich so wäre, dass da die absolute Rücksichtslosigkeit herrscht, dann könnten doch eigentlich - vielleicht gibt es den einen oder anderen, der das auch gerne würde, aber es passiert ja nicht - wesentlich schneller, eben weil rücksichtsloser, noch ganz andere Entscheidungen getroffen werden. Dies geschieht aber nicht. Ich will Ihnen ein Beispiel nennen, gerade weil das für uns in den neuen Bundesländern so wichtig ist: Als dieser für uns unsägliche Begriff der Obergrenze durch den Kommissar wieder mit der Krise hochgefahren wurde und wie eine Keule zum wiederholten Mal über uns in den neuen Bundesländern schwebte, da war es eben nicht eine rücksichtslos handelnde Bundesministerin, sondern es war eine Bundesministerin, die klug genug war, rechtzeitig zu erkennen, dass sie an dieser Stelle nicht rücksichtslos, sondern auch die Interessenlage der neuen Bundesländer entschieden und entschlossen, das hat sie auch getan, in Brüssel zu verteidigen hat.

(Beifall bei der SPD)

Zu den allgemeinen Grundzielen, die Sie ausgeführt haben, Herr Minister: Ich teile mit vielen Ihre Auffassung, dass Nachhaltigkeit nur dann halten kann, was sie verspricht, wenn neben der Ökologie und sozialer Betrachtung die Ökonomie berücksichtigt wird. Hier sind wir nicht auseinander, da bin ich auch mit meinem Vorredner natürlich beieinander. Nur, Herr Minister, Sie springen etwas zu kurz, wenn Sie unterstellen, dass ökonomische Betrachtungen bei der Bundesregierung keine Rolle spielen. Warten Sie es doch mal etwas ab. Ich darf mal dran erinnern, dass wir noch nicht mal ganz sechs Monate nach einer doch nicht sehr planmäßig in der Krise je entstandenen Umstrukturierung des Ministeriums stehen, und natürlich, das ist auch Ihr gutes Recht, das will ich Ihnen nicht absprechen, machen Sie Druck und sagen, kommt schneller mit Lösungen und Ergebnissen. Das ist sicher nicht unberechtigt; den Druck erheben wir auch intern, da möchte ich Sie gar nicht kritisieren. Aber lassen Sie uns nicht den Fehler machen, es ist nämlich eine Frage, ob die Amtszeit dieser Ministerin - Sie mögen ja wünschen, dass die ganz kurz ist, wir werden sehen, irgendwann wird es feststehen, wie lang diese Amtszeit war -, aber es steht wirklich noch die Frage, ob diese Amtszeit und der Beginn dieser Amtszeit und diese Periode, die es einmal in den Geschichtsbüchern geben wird, tatsächlich der Beginn der schlechtesten Periode für deutsche und thüringische Landwirte ist. Ich wage das zu bezweifeln und glaube, dass wir warten sollten, bis hier ein oder zwei Jahre ins Land gegangen sind. Denn, Herr Minister, wer druckvoll und energischer den Prozess weiterführen will, der ja, wie genannt in der Agenda 2000, begonnen hat, der muss natürlich dieses, was wir ja eigentlich alle für richtig halten, stärker einfordern, diesen begonnenen Prozess der Loslösung der Subventionen, die wir brauchen, in ihrer Bindung an die Produkte. Das ist eine ganz entscheidende Zielstellung und ich halte es für richtig, dass eine nationale Ministerin mit Unterstützung von einigen anderen der 15 Agrarminister hier ganz deutlich vorprescht und sagt: Leute, lasst uns konsequenter und schneller handeln.

Mit dem, was Sie zu dem Abschnitt "höhere Anforderungen" ausgeführt haben, Herr Minister, und da komme ich zu sehr wichtigen, sehr ernsthaften Themen, haben Sie wirklich Kernprobleme angesprochen und auch richtigerweise ausführlich ausgeführt, die wirklich Kernprobleme sind, wo keiner von uns schon wirklich die fertigen Endkonzepte hat, aber wo wir aufpassen müssen und wo natürlich auch das neue Bundesministerium aufpassen muss, dass wir rechtzeitig in Brüssel einklagen, dass diejenigen, die schon in Richtung umweltschonende Maßnahmen Dinge geleistet haben - und das darf man sagen, dazu gehört Thüringen in jedem Fall, es gehören auch andere dazu, aber Thüringen gehört dazu -, nicht dadurch benachteiligt werden, dass sozusagen jetzt das große Nachrücken kommt und man sagt, alles, was schon gegolten hat, kann nicht weiter gefördert werden. Das müssen wir verhindern. Da müssen wir stark in den Verhandlungen auf europäischer Ebene einklagen, dass wir hier unsere Interessen berücksichtigen können. Auch Regelungen, mit denen wir bewusst höhere Anforderungen als in der übrigen EU festlegen, müssen, auch da komme ich Ihnen entgegen, von allen Seiten beleuchtet werden hinsichtlich ihrer tatsächlichen Auswirkung. Das ist auch eine Aufforderung, die wir dringend an die Spitze des neu formierten Bundesministeriums richten. Schnellschüsse sind dabei in der Tat wirklich nicht angebracht. Nur, das heißt doch nicht, dass man nicht doch auf dem einen oder anderen Gebiet bewusst konsequent und gewollt eine solche Entscheidung trifft, wenn man die Abwägung rund herum getroffen hat. Sie empfehlen, Herr Minister, ja schließlich auch hier in Ihrer Regierungserklärung unter dem Punkt "Qualitäts- und Umweltmanagement" unser thüringisches Qualitätssiegel "Original Thüringische Qualität" auf einem höheren als dem nationalen Niveau zu bestimmen. Und, meine Damen und Herren, das ist nichts anderes, nur auf einer anderen Ebene, als die ab und zu richtige Entscheidung, auf nationaler Ebene im Vergleich der europäischen Ebene bewusst vorübergehend nach reiflicher Abwägung rechtzeitig höhere Standards anzusetzen, um zukünftige Wettbewerbsvorteile zu haben. Was auf dieser regionalen und landespolitischen Ebene richtig ist, kann auf der europäischen und bundespolitischen Ebene nicht falsch sein.

Einige Bemerkungen zu dem schwierigen Thema "Modulation": Sie haben das Problem ausreichend und ausführlich beschrieben. Ich gehe nicht noch einmal grundsätzlich darauf ein. Ich glaube, dass wir wirklich hier in den nächsten Monaten - wenn sie kommt, die Modulation, wird sie ja mit Beginn 2002 kommen - wirklich noch Abwägungsprozesse zu finden haben. Die Anregung, die es ja gibt, die auch nach Ihren Aussagen immer wieder von der Ministerin an die Landwirtschaftsminister gerichtet wird, sagt doch, wie ihr euch das vorstellt, die empfinde ich nicht als ein Symbol der fehlenden eigenen Konzepte, sondern die verstehe ich so: weil wir insgesamt Zeit verloren haben. Die haben wir unter Borchardt, unter Funke eben verloren

(Zwischenruf Abg. von der Krone, CDU: Na, na, na.)

ja, bei der Modulation -, weil wir aus guten Gründen und Ostdeutsche wissen sehr gut,

(Zwischenruf Dr. Sklenar, Minister für Land- wirtschaft, Naturschutz und Umwelt: Wer macht sie denn?)

aus welchen Gründen wir bisher Modulation prinzipiell abgelehnt haben, das hat sich bundespolitisch durchgesetzt, die beiden genannten Minister haben dagegen gehalten -, wenn wir es jetzt aber insgesamt sehen und fragen Sie doch mal die Landwirte draußen und Sie sind sehr viel draußen, Sie kennen alle, Sie reden sehr viel mit denen und Sie können das bestätigen, vielleicht wollen Sie es nicht, aber jeder derjenigen, die betroffen sein werden, sagt ganz klar, wir werden es verhindern, solange es irgendwie geht, aber wir müssen uns darauf einstellen, es wird eine Modulation kommen. Das ist so und wir stellen uns darauf ein und die Franzosen haben gesagt, 1999, seitdem gibt es national diese Möglichkeit, sie einzurichten, und 2000 haben die Franzosen damit begonnen und nun lohnt sich sicher mal hinzuschauen und zu fragen, was habt ihr für Erfahrungen. Es lohnt sich auch sehr vorsichtig zu beginnen und auch alle Kriterien, die Sie hier benannt haben, unterstützen wir, sie als Kriterien aufrechtzuerhalten und zu sagen, dieses und dieses muss, wenn sie kommt, eingehalten sein, aber etwas stehen wir aus eigener Schuld insgesamt als deutsche Agrarpolitiker das sage ich hier so, davon bin ich überzeugt - in Zeitverzug; andere haben ruhiger und gelassener sich auf dieses Kommende vorbereitet.

Generell zu Ihrer Regierungserklärung: Herr Minister, Sie versuchen zwischen zwei Vorwürfen diese neue Agrarpolitik, also besonders natürlich die Person, die das stark verkörpert, die Frau Künast, sozusagen etwas zu zerreiben, einmal zwischen dem Vorwurf der rücksichtslosen Vorgehensweise, dazu habe ich etwas gesagt und andererseits immer wieder: immer noch kein ausgereiftes Konzept, immer noch kein Programm. Ja wissen Sie, das eine hat mit dem anderen ein bisschen was zu tun. Wer in so hastigen, kurzlebigen Zeiten, in einer solchen Dynamik in Verantwortung kommt. Ich sage es nach wie vor, ich habe es früher schon einmal gesagt, mir ist jeder Tag, der länger nachgedacht wird, sich eine Meinung gebildet wird, unterschiedliche Auffassungen eingeholt werden und abgewogen wird, lieber als Schnellschüsse. Deswegen sollten Sie aufhören damit, hier diesem Zerreibungsprozess sozusagen in der Öffentlichkeit immer weiter zu folgen.

Dann kommen Sie zu Handlungszielen der Landesregierung, ich kann das relativ kurz abfassen. Ich möchte da nur wenige Anmerkungen machen. Wir begrüßen sehr das, was Sie hier vorgestellt haben zur Optimierung der umweltgerechten Erzeugung. Mich persönlich freut, dass Sie auch so offen sind und ganz klar in der Regierungserklärung sagen, ganz ohne eine gewisse Erhöhung des Kontrollaufwands wird man hier nicht auskommen. Das gefällt niemandem, weder denen, die die Beamten bezahlen müssen, noch den

Landwirten, die durch Kontrollen sich immer belästigt fühlen. Aber die Einsicht in die Notwendigkeit ist gut und richtig auch in der Regierungserklärung angebracht.

Zur artgerechten Tierhaltung nur ganz kurz. Natürlich begrüßen wir auch, dass Sie die erhebliche Reduzierung der Tiertransportzeiten anstreben. Ich erlaube mir die Anmerkung, wenn wir das mittel- und langfristig konsequent weiter verfolgen wollen, müssen wir wieder zu einer Korrektur dessen kommen, was wir Anfang der 90er Jahre Stichwort Schlachthof Nohra usw. - umgesetzt haben. Wir müssen die Mittel, die vorhanden sind, in Zukunft auch wieder stärker, und das sind nicht in erster Linie unsere Mittel, sondern auch europäische Mittel, in regional funktionierende, kleinere, schneller erreichbare Schlachthöfe umsetzen. Die Ereignisse der letzten Wochen haben das noch viel stärker untermalt. Also Aufforderung, in der Richtung sich bemerkbar zu machen.

Jetzt komme ich zu einem Punkt, der wirklich ein bemerkenswerter in Ihrer Regierungserklärung ist, nämlich unter dem Begriff der Ausweitung des ökologischen Landbaus. Ich bin persönlich überrascht, also positiv überrascht, gut, das kann ich schon prinzipiell so sagen. Ich meine, man könnte auch scherzhaft sagen, also die Frau Künast hat Sie irgendwie auf die Dauer doch ein bisschen verführt.

(Beifall und Heiterkeit bei der SPD)

Sie hat etwas gemacht, ja sie hat gesagt in 10 Jahren 20 Prozent - ich habe das wirklich nur politisch gemeint - sie hat gesagt, Sie haben das auch dargestellt, in 10 Jahren 20 Prozent. Mich überrascht heute und ich will da auch eine ganz klare persönliche Position hinten dranhängen, dass Sie sagen, das ist Ihr gutes Recht, also ich greife das nicht total an, ich wundere mich etwas, in 10 Jahren 10 Prozent. Hören Sie zu, bevor Sie sich da zu sehr aufregen, ich persönlich, als ehemaliger Agrarwissenschaftler, behaupte: Wir werden es irgendwann wissen, dass Sie mit den 10 Prozent näher an dem sind, was sich real einpegeln wird. Aber ich lehne, ich sage hier ausdrücklich "ich", prinzipiell gegenüber Frau Künast oder wem auch immer ab, überhaupt solche Prozentzahlen in die Welt zu setzen, weder die 20 auch nicht diese 10 Prozent, politisch sind sie schwierig genug, das werden Sie noch merken, aber ich lehne sie prinzipiell ab, weil es im Widerspruch steht zu dem, was Sie an anderer Stelle ja auch sagen, der Verbraucher und niemand anderes als der Verbraucher kann entscheiden, wie viel Prozent in 10 oder 20 Jahren aus dieser Produktionsrichtung in Deutschland oder in Europa verzehrt wird.

(Beifall bei der PDS, SPD)

An dieser Stelle möchte ich, ehrlich gesagt, strikt bleiben und ich bin auch nicht glücklich darüber, das ist ein persönlicher Standpunkt, den darf ich als Abgeordneter dieses Hauses doch hier auch einmal sagen. Ich halte es für einen Fehler, so stark in erster Linie mit dem ökolo

gischen Level nach vorn zu preschen. Ich sage es mal ganz einfach im Interesse der Mehrheit der Bürger, die diese 95 oder 97 Prozent dessen essen und wenn wir Glück haben dann 80 Prozent in 10 Jahren. Also als Politiker habe ich auf Mehrheiten Rücksicht zu nehmen und mir ist schneller ein vernünftiges für die Landwirte gesichertes, garantiertes, nachhaltig berechenbares Level grundsätzlich für umweltverträgliche Produktion viel dringender als nun dieser Vorstoß in der Ökologie.

Eine ganz fachliche Bemerkung an dieser Stelle noch, Herr Minister. Dankenswerterweise nennen Sie auch Zahlen, mit denen Sie das untersetzen. Da nennen Sie 200.000 DM, hören Sie vielleicht doch aus fachlichem Interesse an der Stelle noch einmal zu, das ist jetzt keine fundamentale Kritik, das ist eine Anregung. Es ist richtig, dass Sie für Beratungen 200.000 DM pro Jahr einplanen, das begrüßen wir. Ich brauche das hier nicht zu untermauern. Ich wage die Behauptung, dass Sie sich selber 15 Prozent Wachstum sozusagen vorgenommen haben, das ist jetzt Ihre Zielstellung ab heute. Das heißt doch, dass wir es mit einer Anschubphase in dieser Richtung zu tun haben. Und wer etwas anschieben will, der braucht am Anfang etwas mehr Geld als vielleicht im achten oder neunten Jahr. Überdenken Sie das noch einmal, ob Sie die Scheiben wirklich so gestalten, ob das finanziell nicht etwas flexibler gestaltet werden sollte.

Meine Damen und Herren, Qualitäts- und Umweltmanagement, wir begrüßen ausdrücklich die Einführung dieses USL-Systems, Qualitätszeichen Umweltsicherungssystem. Die ersten vier Betriebe sind ausgezeichnet. An dieser Stelle, ohne da noch einmal ganz großartig darauf einzugehen, möchte ich etwas tun, ich möchte denjenigen danken, die vor sieben, acht Jahren gegen öffentliche Trends, auch gegen Widerstände, auch in Thüringen, das ist aber normal, das ist am Anfang immer so, nämlich den thüringischen Agrarwissenschaftlern danken, die mit ihrer Hartnäckigkeit, mit ihrer fachlichen Kompetenz dieses gute System inzwischen sogar auf die Ebene des Bundes, nämlich der landwirtschaftlichen Untersuchungs- und Forschungsanstalten bundesweit, getragen haben und hier Thüringen nebenbei auch einen sehr guten Namen verschafft haben. An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön den Kollegen.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Herr Minister, wir sind für flächendeckende Landwirtschaft wie Sie, nachwachsende Rohstoffe sind und bleiben eine wichtige Zukunftsperspektive - kein Widerspruch. Unsere Landwirte werden auch zunehmend Energiewirte. Das ist vollkommen klar. Dazu bieten wir mit unseren Strukturen viel bessere Möglichkeiten als die Bauern leider zurzeit noch in Baden-Württemberg oder Bayern haben. Das müssen wir nutzen. Wir haben viele Probleme, aber lassen Sie uns unsere Chancen nutzen. Nur an der Stelle erlaube ich mir, auch darauf hinzuweisen, dass die Politik der Bundesregierung diese Entwicklung, Einkommen

auch als Energiewirt zu erwirtschaften, seit dem sie hier handeln kann mit dem Energieeinspeisungsgesetz, mit all den Förderprogrammen sehr stark unterstützt hat, dass wir hier mit dem was wir in Thüringen tun, sehr kohärent sind zu dem, was die neue Bundesregierung in Berlin macht. Wir begrüßen die Aufmerksamkeit der Landesregierung für Qualifikation und berufliche Bildung. Ein ganz wichtiger Punkt, in den nächsten Jahren wird er uns noch wesentlich mehr Zeit und Debatten und hoffentlich auch Handlungsmöglichkeiten kosten. Dennoch erlaube ich mir an dieser Stelle eine vorsichtige Bemerkung in Richtung landwirtschaftlicher Unternehmen. Natürlich können wir jetzt davon ausgehen, dass keiner, niemand, weder im Marktfruchtbau oder auch in anderen Bereichen, irgendwo eine Mark in Reserve liegen hat. Wir alle wissen, dass es Gott sei Dank in dem einen oder anderen Betrieb besser ist, aber jetzt gehe ich mal von den Realitäten aus, die vorsichtige und höfliche Aufforderung an unsere größeren Unternehmen im Interesse der Erhaltung der gut und fachlich qualifizierten Leute, die sie Gott sei Dank haben, und die wir hier über die Landespolitik natürlich auch insgesamt aufrecht erhalten, das ist richtig, aber diese jungen oder auch nicht mehr ganz jungen Leute hält man in den nächsten fünf bis acht Jahren nur in dieser Landwirtschaft, wenn sie die eine oder andere Mark mehr verdienen können und das hängt nicht nur von politischen Entscheidungen ab, das hängt auch von unternehmerischen Entscheidungen ab. Leute werden knapp und jedes Unternehmen in der Wirtschaft, auch in der Landwirtschaft, ist aufgefordert, hier rechtzeitig die Kurve zu bekommen und jungen Menschen auch das zu geben, was sie für diese harte und gute Arbeit brauchen.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Herr Minister, ich danke Ihnen auch für die wirklich klaren grundsätzlichen Aussagen, die Sie zur Europapolitik getroffen haben. Da kann man nur Beifall geben. Nicht jeder Landwirtschaftsminister positioniert sich so klar zu dem, wozu Sie die Bundesregierung auffordern, das ist auch richtig. Wie schwierig das im Zusammenhang mit der Osterweiterung ist, möchte ich nur an dem Beispiel mal kurz anreißen, dass diejenigen, die heftig nicken, wenn wir sagen sieben Jahre Übergangsfrist beim Zugang von polnischen oder tschechischen Arbeitern hinein in die Europäische Union, zuerst nach Deutschland, die da heftig nicken, die wissen, wenn sie mit der Landwirtschaft zu tun haben, dass das heftige Nicken bei unseren Spargel- und Obstanbauern nicht ganz so heftig ist, weil die sich eigentlich freuen, dass hoffentlich die Übergangsfristen für diejenigen, die dann kommen, nicht allzu lang sind. Ich will nur darauf hinweisen. Das ist ein schwieriger Abwägungsprozess, aber es ist richtig, die Bundesregierung ist in der Verantwortung, hier für uns alle die richtigen Verhandlungsergebnisse über Brüssel einzuholen.

Herr Minister, ich komme zum Abschluss. Die zehn Ziele, die Sie hier aufgestellt haben, sind im Wesentlichen so formuliert und so kohärent zu dem, was die Neuausrich

tung der Agrarpolitik insgesamt anstrebt, dass es nur unwesentliche, und deswegen will ich darauf jetzt auch verzichten, Kritikpunkte gäbe; dem können wir uns anschließen. Dieses, Herr Minister, ist letzten Endes im Wesentlichen, wenn es so kommt, wenn Sie diese Ziele erreichen, eine ganz starke Begleitung dessen, was bundespolitisch angestrebt wird. Da Sie mit dem Schlusswort gesagt haben, die Zukunft der Landwirtschaft in Thüringen hat begonnen, dazu auch kein Widerspruch. Aber Zukunft hat immer schon begonnen, das ist ein generell geltender Spruch. Und weil das so ist, Herr Minister, lassen Sie uns diese Zukunft vielleicht etwas stärker im Einklang mit der - wenn sie auch nicht Ihre ureigenste ist - Bundesregierung in Berlin gemeinsam tun. Inhaltlich ist das, was Sie heute hier gesagt haben, im Wesentlichen das, was vernünftige Politiker und Landwirte für Europa in Zukunft erreichen wollen.

(Beifall bei der SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Wunderlich, CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, der Minister sprach in der Einleitung zu seiner Regierungserklärung davon, dass die Agrarwirtschaft massiv in der Kritik stehe, und wir alle haben das in den letzten Monaten ja tagtäglich erlebt. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn sich dann die Politik mit daran beteiligt, wird hier ein unerträglicher psychologischer Rahmen geschaffen. Herr Dr. Botz, Sie haben Recht, deswegen muss man auch noch einmal darauf hinweisen, was in den letzten Monaten passiert ist. Da können einfach die Worte vom Bundeskanzler Schröder nicht vergessen werden, der auf dem Bauerntag in Cottbus ja noch vom Weltmarkt sprach, da war er ja ein klarer Verfechter, oder von niedrigen Agrarpreisen, aber jetzt mit der BSE-Krise den Kampf den Agrarfabriken und der industriellen Landwirtschaft angesagt und auch noch die Bauern zu Sündenböcken der Nation gestempelt hat. Das muss man einfach mit sehen und auch die Aussagen der Bundesministerin Frau Künast. Außer flotten Sprüchen, das möchte ich einmal zugespitzt sagen, ist von Berlin bisher wenig gekommen. Die Ministerin hat gesagt: "Wir stehen vor einem Scherbenhaufen", "Klasse statt Masse", und der Höhepunkt war ja dann "In unsere Kühe kommt nur Gras, Getreide und Wasser". Deswegen haben auch nicht umsonst gerade große Tageszeitungen nach 100 Tagen Bilanz von Verbraucherministerin Künast klar und deutlich gesagt, "Ankündigungsmasse statt Ergebnisklasse".

Und nun, meine sehr verehrten Damen und Herren, wird Frau Künast nicht nur bei der Landwirtschaft, sondern beim Verbraucher wieder mit der Realität konfrontiert. Nun verhalten sich ja die Verbraucher nicht so, wie sich das Frau Künast ideologisch vorstellt. Promt kommt gestern auf dem Kirchentag die Äußerung von Frau Künast, die

Verbraucher haben eine Doppelmoral.

(Zwischenruf Abg. Dr. Botz, SPD: Die Ver- braucher entscheiden.)

Jawohl, Herr Dr. Botz, die Verbraucher entscheiden, da haben Sie vollkommen Recht. Aber nun sind bei Frau Künast die Verbraucher einmal wieder an der Reihe. Und, Herr Dr. Botz, das ist das, was wir kritisieren, das hat nichts mit glaubwürdiger Agrar- und Verbraucherschutzpolitik zu tun. Nicht die Verbraucher werden wir in der Zukunft auswechseln, wir werden die Bundesregierung auswechseln, meine sehr verehrten Damen und Herren.