Protocol of the Session on June 14, 2001

Wir können uns, Herr Kollege Böck, im Innenausschuss über diese Dinge sehr ausführlich unterhalten.

(Beifall bei der PDS)

Diese Handlungsweise, behaupte ich, hat die Beteiligten, dem Land, den Gemeinden und den Bürgern viel Geld gekostet. Wir in Thüringen wollen doch und können auch in vielen Dingen immer besser sein oder meinen Sie nicht?

(Zwischenruf Abg. Böck, CDU: Sind wir doch auch. Sind wir doch auch.)

Aber nicht gut genug, Herr Böck.

(Zwischenruf Abg. Böck, CDU: Doch.)

Unsere Fraktion hat im Rahmen Ihres Entwurfs für ein Thüringer Kommunalabgabenentlastungsgesetz Ihre Vorstellungen für die Änderung des Gesetzes über die kommunale Gemeinschaftsarbeit dargestellt.

(Zwischenruf Abg. Böck, CDU: Sie sind doch heilfroh, dass wir das "Ding" nicht anfassen.)

Das ist eine Frechheit. Es ist unschwer dabei zu erkennen, dass der vorliegende Gesetzentwurf erheblich hinter den Novellierungsvorstellungen der PDS zurückbleibt.

(Beifall bei der PDS)

Wir erleben mit diesem Gesetzentwurf eine Herangehensweise der Landesregierung, die auch für die Novellierung anderer Kommunalgesetze typisch ist. Anstelle notwendiger konsequenter Reformen werden meist nur tagaktuelle Probleme aufgegriffen und halbherzig gelöst.

(Zwischenruf Abg. von der Krone, CDU: Welche Reformen?)

So schaffen Sie für die Kommunen keinen modernen Rechtsrahmen für eine nachhaltige Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung. Im Gegenteil, diese Novellierungsversuche schaffen immer wieder nur neue Probleme. Sie versuchen, auf Erscheinungen zu reagieren, ohne den Ursachen wirksam zu begegnen. Sollte das Gesetz über die kommunale Gemeinschaftsarbeit in der Art und Weise geändert werden, wie es der vorliegende Regierungsentwurf aufzeigt, dann treten die von mir beschriebenen Folgen unweigerlich auf. Die kommunale Gemeinschaftsarbeit wird nicht weiterentwickelt.

Meine Damen und Herren, als die PDS-Fraktion im vergangenen Jahr gesetzliche Regelungen zur Bildung von so genannten Pflichtverbänden unter bestimmten Voraussetzungen gefordert und vorgeschlagen hat, kam es von Seiten der CDU-Fraktion und, ich glaube, auch besonders von Ihnen, Herr Kollege Böck, zu einem wilden Aufschrei.

(Zwischenruf Abg. Böck, CDU: Richtig, Sie wollten Willkür.)

Die PDS wolle die kommunale Selbstverwaltung beseitigen und zurück zur Rolle der Gemeinden als Bestandteil - das haben Sie alles gesagt - eines zentralistischen Staatsaufbaus analog der DDR. Dies war einer der Vorwürfe.

(Zwischenruf Abg. Böck, CDU: Ja, Sie hatten es nämlich genauso reinformuliert.)

Was vor Monaten noch so aggressiv bekämpft wurde, Sie hätten mich am liebsten gesteinigt hier vorn, findet sich jetzt nun im Regierungsentwurf wieder.

(Zwischenruf Abg. Böck, CDU: Sie verglei- chen doch Ihren faulen Apfel mit einer Birne.)

Was für ein Sinneswandel bei Ihnen, meine Kollegen von der CDU.

Meine Damen und Herren, mit dem vorliegenden Gesetzentwurf will die Landesregierung auch wieder ein kleines Stück der Kommunalordnung ändern. Mitgliedsgemeinden einer Verwaltungsgemeinschaft sollen künftig bei der Wasserver- und Abwasserentsorgung generell einem Zweckverband angehören. Über solch eine Regelung kann man durchaus diskutieren. Aber Sie merken wohl selbst, dass mit der Praxis aufgehört werden muss, immer wieder nur in Einzelpunkten die Kommunalordnung zu ändern. Die Änderung ist in Gänze notwendig. Aber wir hatten uns ja vor etwa einer Stunde darüber verständigt und haben ziemlich einvernehmlich debattiert, dass das notwendig ist.

Meine Damen und Herren, die kommunalen Zweckverbände treffen auch deshalb auf Vorbehalte, weil ihre innere Struktur offenbar nicht den Anforderungen an Demokratie und Toleranz entspricht. Unserer Fraktion liegen diesbezüglich eine Vielzahl von Hinweisen und Beschwerden vor. Aus diesem Regelungsbereich wird im Gesetzentwurf ein Problem aufgegriffen. Es betrifft das Stimmverhalten von mehreren Verbandsräten eines Verbandsmitgliedes. Welche Probleme es hier gibt, haben die letzten Sitzungen der Verbandsversammlung des Abwasserzweckverbandes Süd-West-Thüringen gezeigt. Sie schlagen nun im Gesetz das Modell des so genannten Stimmführers vor. Wir sagen deutlich, dass dieses Modell überholt und auch veraltet ist und mit kommunaler Demokratie eigentlich nur im Ansatz etwas zu tun hat. Es ist zudem halbherzig und sicher auch kaum verständlich. Vielleicht gelingt es Ihnen,

mir das aber im Ausschuss so rüberzubringen, dass ich sogar noch dafür sein könnte, was ich bezweifle. Die Betroffenen und die Bürger werden es auch nicht verstehen.

(Zwischenruf Abg. Böck, CDU: Weil Sie Wirrwarr verbreiten.)

Wir fordern für Zweckverbände konsequent das imperative Mandat.

(Zwischenruf Abg. Böck, CDU: Das ist doch alles trübes Wasser.)

Die Verbandsräte werden von den Verbandsmitgliedern entsandt. Die Beschlussorgane der Verbandsmitglieder entscheiden demokratisch über Sachverhalte und an diese Beschlüsse sind Verbandsräte gebunden. Eine solche Regelung stärkt die Gemeinden in einem Zweckverband.

Meine Damen und Herren, in der bevorstehenden Diskussion werden wir unsere Vorschläge zur Novellierung des Gesetzes über die kommunale Gemeinschaftsarbeit, die wir auch im Kommunalabgabenentlastungsgesetz aufgenommen haben, erneuern. Unser Ziel ist es, die kommunale Gemeinschaftsarbeit zu stärken und weiter auszubauen und deshalb werden wir auch hier konstruktiv mitarbeiten.

(Beifall bei der PDS)

Als nächster Redner hat Herr Abgeordneter Schemmel das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, wer von Ihnen, ich zweifle nicht, dass Verbandsräte unter Ihnen sitzen, auf Zweckverbandsversammlungen als Pflichtveranstaltung teilnehmen darf oder wer wie ich zumindest als Abgeordneter öfter als Besucher an diesen Versammlungen teilnimmt, was ich übrigens jedem empfehle, der weiß, welche Diskussionen es dort gibt um innere Strukturen, um Abstimmungsverhalten, um Austritts- und Auflösungsbegehren, um Satzungsrecht, um Neu- und Umgründung. Insoweit hat dieser Versuch des Innenministeriums, hier Regelungen zu schaffen, doch prinzipiell seine Berechtigung, aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich zitiere fast: Wir sind Abgeordnete und das ist gut so.

(Zwischenruf Abg. Böck, CDU: Na aber, das ist doch...)

(Heiterkeit bei der CDU)

Deshalb haben wir über Prinzipien zu wachen und wir haben über das Prinzip der kommunalen Selbstverwaltung

zu wachen. Dieses Prinzip scheint mir hier in Frage gestellt zu sein. Deshalb möchte ich, dass wir vertieft in diese Sache einsteigen. Ich weise auf die Ziffer 13 des Artikel 1 hin, die sich mit der Änderung des § 40 Abs. 1 befasst und stelle fest, dass hier von einer Institution außerhalb der kommunalen Selbstverwaltung doch beträchtlich in die kommunale Selbstverwaltung einge-griffen werden soll und dies noch unter nicht präzise formulierten Bedingungen. Das erscheint mir wichtig, unter nicht präzise formulierten Bedingungen.

(Zwischenruf Abg. Böck, CDU: Ja, wir reden darüber.)

Ich freue mich, dass zumindest Herr Böck mir schon zustimmt im Gegensatz zu Herrn Minister Köckert. Ich möchte mich nur auf dieses Gebiet kommunale Selbstverwaltung jetzt beschränken. Ich weise auch noch auf den gesamten Artikel 2 hin. Dort erscheint mir ähnlich, ich sage einmal, die kommunale Selbstverwaltung tangiert und außerdem scheint mir diese Regelung des neuen Artikel 2 in einem verdächtigen Widerspruch, in einer verdächtigen Gemengelage mit § 3 Abs. 2 Satz 2 des Gesetzes überhaupt, des gleichen Gesetzes überhaupt, der ja bestimmt, dass Kommunen einer Verwaltungsgemeinschaft nicht einem gemeinsamen Zweckverband angehören dürfen.

(Zwischenruf Abg. Böck, CDU: Nein, das stimmt nicht. Danach...)

Nein, nein, an dieser Stelle sehe ich eine Differenz, die wir noch zu beseitigen haben. Aber aus dieser hauptsächlichen Gefahr der Tangierung der kommunalen Selbstverwaltung kann es für uns eigentlich nur eine Verfahrensweise jetzt mit diesem Gesetz geben: Ausschussüberweisung, eine Anhörung mit Kommunalrechtlern, die uns dann die Bestätigung geben, jawohl, hier ist die kommunale Selbstverwaltung nicht tangiert. Wenn wir diese Gewissheit nicht herstellen können, dann, meine Damen und Herren, haben wir die Verantwortung dieses Gesetzes in dieser Form abzulehnen, wenn wir nicht klar erkennen können, dass die kommunale Selbstverwaltung nicht gefährdet ist. Dieses Prinzip sollten wir verteidigen, so wie ich auch sehe, dass Regelungen notwendig sind. Ich sehe die Regelungen praktisch sehr gut, aber praktische Regelungen dürfen nicht zur Negierung dieses Prinzips führen. Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Herr Abgeordneter Fiedler. Bitte schön.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, der Minister hat ja die Dinge ausgeführt zu den einzelnen Paragraphen. Ich denke, wir alle wissen hier, die sich jedenfalls mit kommunaler Zusammenarbeit seit Jahren beschäftigen, dass

das hohe Gut der kommunalen Selbstverwaltung, glaube ich, von allen sehr hoch eingeschätzt wird und wir das auch achten. Aber, jetzt kommt das Aber, während der letzten Jahre, insbesondere im Innenausschuss, ich sage bewusst Jahre, da geht es nicht um die letzten 2 Jahre, da geht es um die letzten 5 bis 7 Jahre, sich regelmäßig berichten lässt über die Situation bei Wasser/Abwasser und allem, was damit in Zusammenhang steht, und wir dort in dem entsprechenden Ausschuss auch den vorhergehenden Minister immer wieder - das kann auch in den Protokollen wenn notwendig nachgelesen werden - darauf hingewiesen haben, wenn es denn notwendig sein sollte, dass die kommunale Selbstverwaltung an dieser Stelle nicht funktioniert, dann muss man sich auch überlegen als Ultima Ratio hier mit einzugreifen.

(Beifall bei der CDU)

Der Minister hat das dargestellt. Es geht hier um das öffentliche Wohl, was dabei auch zu beachten ist. Denn überall werden auch Steuergelder eingesetzt, um z.B. Verbände, die ihre Aufgaben nicht ordnungsgemäß erfüllen oder erfüllen können, weil wenige einzelne sich verweigern, dass sich vernünftige wirtschaftliche Strukturen bilden,

(Beifall bei der CDU)

dann muss man hier ggf. auch zu dieser Möglichkeit greifen können.

Herr Abgeordneter, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Selbstverständlich.

Bitte, Herr Abgeordneter Schemmel.

Herr Fiedler, habe ich Sie jetzt richtig verstanden, dass Sie meinen, mit der Begründung, dass Steuergelder ausgegeben sind, kann man von verfassungsrechtlich garantierten Prinzipien abweichen und dies als Allgemeinwohl?