Protocol of the Session on May 17, 2001

Meine Damen und Herren, der Ansatz für das Ehrenamt ist in vielen Ansätzen des Haushalts verborgen. Dazu gehören beispielsweise auch in diesem Jahr Haushaltsmittel für die Sportförderung, Haushaltsmittel für die Förderung von Jugendarbeit und Jugendverbandsarbeit, Haushaltsmittel für Liga, Förderung von Selbsthilfegruppen, Förderung von Seniorenbüros, Förderung der Feuerwehr im Haushalt des Innenministeriums, Förderung der Vertriebenen- und der Opferverbände und Förderung der Bildungsstätten im Kultusbereich. All dies kommt gerade auch dem bürgerlichen Engagement in Thüringen zugute. Sie werden nähere Einzelheiten dazu in der Auflistung bei der Beantwortung der Großen Anfrage finden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, nachfolgend ein Überblick über konkrete Maßnahmen der Thüringer Landesregierung zur Förderung des Ehrenamts. Voranstellen möchte ich allerdings die Bemerkung, dass die Förderung und Würdigung des Ehrenamts keine Aufgabe der Thüringer Landesregierung allein ist. Alle Verantwortlichen, nicht nur der Staat, sind gefordert, ihren Beitrag zu leisten. Dies hängt wiederum nicht nur mit finanziellen Gesichtspunkten oder mit Gesetzen zusammen.

Meine Damen und Herren, wenn dem Ehrenamt heute so viel Bedeutung zugemessen wird, nicht nur in Thüringen, sondern bundesweit oder auch europaweit oder weltweit, dann ist es nicht, weil wir das Hauptamt nicht mehr bezahlen können. Das darf nicht die Ursache für die Zuwendung zum Ehrenamt sein, sondern weil wir sehen, wie wichtig das Ehrenamt für unsere Gesellschaft ist.

Meine Damen und Herren, es wird auch der Versuch gemacht nachzuweisen, wie viel Wertschöpfung ehrenamtlich geleistete Arbeit bedeutet. Man hat dieses auch für Thüringen nachgerechnet und ist auf 4,2 Mrd. DM gekommen. Diese 4,2 Mrd. DM sind ein finanzieller Posten. Ich betone noch einmal, dass der ideelle Posten mindestens genauso wert ist oder wenn nicht wesentlich wertvoller. Das sollten wir beim Ehrenamt nicht vergessen. Die Thüringer Landesregierung hat deshalb auch eine Fülle von Maßnahmen unterhalb der Gesetzesebene ergriffen. Wir werden in Kürze eine neue Richtlinie zur Förderung des Ehrenamts in Kraft setzen, die die bis dahin geltenden Vergabegrundsätze ablöst. Es ist auch heute öffentlich die Kritik geäußert worden, dass für zu wenig Geld zu viel bürokratischer Aufwand betrieben werden muss. Ich hoffe, dass wir dieses mit der neuen Förderrichtlinie ablösen können.

Grundlage für die Idee dieser neuen Richtlinie sind die vielen Gespräche gewesen, die ich dazu geführt habe. Ich habe auch in diesen Gesprächen meine Vorstellungen eingebracht und ich habe in vielen Bereichen Zustimmung gefunden. Die Abstimmung des entsprechenden Entwurfs einer Förderrichtlinie ist innerhalb der Landesregierung abgeschlossen. Ich werde noch auf die großen fachlich relevanten Verbände zugehen zu einem Gespräch über diese Richtlinie.

Meine Damen und Herren, Grundanliegen dieser Richtlinie oder Grundüberlegung ist, dass sich ehrenamtliches Engagement, insbesondere auf kommunaler Ebene, entfaltet und man deswegen auf kommunaler Ebene am besten wissen sollte, was für die Gemeinschaft an wichtiger Arbeit geleistet wird. Durch diese Richtlinie wird die Förderung ehrenamtlichen Engagements nach meinem Dafürhalten noch effektiver möglich sein, weil den Kommunen Mittel zur Verfügung gestellt werden, um vor Ort ehrenamtliches Engagement zu würdigen und zu fördern. Die Mittel werden den Thüringer Landkreisen und Städten zur Verfügung stehen, allerdings auch den Vereinen und Verbänden, die überregional ehrenamtlich aktiv sind, denn es gibt durchaus ehrenamtlich aktive Mitbürger, deren Aktivität auf der kommunalen Ebene weniger gesehen wird, die sich für Landesverbände sehr intensiv einsetzen. Ich lege allerdings Wert darauf, dass die Unterstützung des Landes kein Anreiz sein soll, dass die kommunalen Aktivitäten, das heißt die kommunalen finanziellen Aktivitäten, etwa zurückgefahren werden, sondern die sollen weiter beibehalten werden. Es darf nicht der Eindruck erweckt werden, dass durch unsere Landesinitiative oder unser Landesengagement bisher öffentlich finanzierte Leistungen ersetzt werden können oder ersetzt werden sollen.

Zum Zweiten: Die Thüringer Landesregierung hat auch, und das schon seit dem vergangenen Jahr, eine Richtlinie zur Förderung der gemeinnützigen ehrenamtlichen Tätigkeit von arbeitslosen Personen über 50 Jahre mit dem Titel "Aktion Ehrenamt 50 PLUS" eingeführt. Es ist angefragt worden in der Große Anfrage und wir haben dieses beantwortet, dass im vergangenen Jahr 780 Maßnahmen mit etwa 1,4 Mio. DM gefördert werden konnten. Da dieses im vergangenen Jahr nur für einen Teilbereich des Jahres finanziert wurde, ist bei gleichen Maßnahmen in diesem Jahr natürlich mehr Geld erforderlich, was auch entsprechend eingestellt ist. Aber auf eines weise ich an dieser Stelle auch noch einmal ausdrücklich hin. Dieses "Ehrenamt 50 PLUS" hat eigentlich eine andere Grundintention als die Förderung des allgemeinen Ehrenamts. Deswegen werfe ich nur ungern, nein, ich versuche, es nicht in einen Topf zu werfen, sondern ich differenziere ausdrücklich.

Drittens: Seit 1. Januar 2000 wurde in Thüringen eine neue Jugendleiter-Card eingeführt. Bereits im ersten Jahr wurde diese von fast 1.000 Berechtigten in Anspruch genommen. Wir rechnen damit, dass es einen Anstieg bis zum Jahre 2003 auf etwa 3.000 Inhaber dieser Jugendleiter-Card geben wird.

Zu viertens: Die Landesregierung wird in Kürze drei Ehrenamtskonferenzen durchführen, um mit allen Verantwortlichen und Betroffenen den begonnenen Dialog über die Weiterentwicklung des Ehrenamts fortzusetzen. Es gilt, die unterschiedlichen Erfahrungen auszutauschen und allen nutzbar zu machen, auf der anderen Seite aber auch in das Gespräch zu kommen als Voraussetzung für die Maßnahme, die wir zur Gründung der bereits genannten Stiftung wissen wollen.

Ich danke auch hier, dass im Rahmen des diesjährigen Tages der offenen Tür des Thüringer Landtags hier im Landtag eine Diskussionsveranstaltung zum Thema "Ehrenamt" stattfinden wird. Es wird auch eine Veranstaltung im Rahmen des Thüringentages in Gera geben.

Meine Damen und Herren, neben diesen genannten Maßnahmen gibt es eine Fülle von weiteren Aktivitäten der Thüringer Landesregierung zur Stärkung des Ehrenamts. Wir haben als Konsequenz aus der Großen Anfrage den Schluss gezogen, dass wir noch mehr Informationen zum Ehrenamt brauchen als uns im Augenblick vorliegen. Deswegen werden wir eine entsprechende Untersuchung in Auftrag geben.

Meine Damen und Herren, noch einmal: Die Förderung des Ehrenamts ist keine einmalige Angelegenheit, sondern eine dauerhafte Aufgabe und ein dynamischer Prozess. Das Jahr des Ehrenamts stellt lediglich eine zusätzliche Chance dar, dieses Thema mehr in das öffentliche Bewusstsein zu rücken. Ich bin mir sicher, dass wir mit den Aktivitäten, die wir im Augenblick ergreifen und ergreifen wollen, ein Zeichen in die Zukunft setzen werden, dass nicht am 31.12.2001 das Thema "Ehrenamt" abgehakt sein wird, sondern dass wir Strukturen schaffen, die weit darüber hinaus wirken werden. Die Entwicklung des Ehrenamts ist eben mit diesem Jahr des Ehrenamts nicht abgeschlossen.

Das Leitbild der Politik der Thüringer Landesregierung wird weiterhin die aktive Bürgergesellschaft sein. Sie ist Zukunftsmodell für eine humane Gesellschaft und, ich betone es noch einmal, für eine lebendige Demokratie. Es geht um persönliche Entfaltung und es geht um Solidarität mit den Mitmenschen. Engagement und Selbstverwirklichung passen zusammen. Wir müssen die Möglichkeiten schaffen, dass diese große Zukunftsaufgabe von Politik und Gesellschaft als Herausforderung, aber auch als Verpflichtung angenommen werden kann. Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Es hat jetzt das Wort die Abgeordnete Thierbach, PDSFraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, die Große Anfrage zum ehrenamtlichen Engagement bietet uns heute die Möglichkeit, konkret über die Probleme ehrenamtlicher Tätigkeit in Thüringen hier und heute zu reden. Oft, das kam auch in Minister Pietzsch's Worten zum Ausdruck, haben wir in diesem Haus uns über Probleme des ehrenamtlichen Tätigseins unterhalten und diskutiert, manchmal auch gestritten. Im Rückblick steht auch die gemachte Erfahrung bei der Würdigung und Entwicklung von ehrenamtlicher Tätigkeit, wobei wir feststellen müssen, dass es doch positive Entwicklung im Lande Thüringen gibt. Hier denke ich zum Teil an die zahlreichen lokalen, regionalen und landesweiten Formen der Würdigung und Anerkennung ehrenamtlichen Engagements. Ich denke an die vorwiegend aus Lottomitteln gegebenen finanziellen Unterstützungen ehrenamtlicher Arbeit im Rahmen von Vereinen, Verbänden und Projekten, die ja letztendlich in der Großen Anfrage auch beschrieben sind. Ich denke auch an die Jugendleiter-Card, die durch das Thüringer Ministerium für Soziales, Familie und Gesundheit realisiert wurde.

Wir nehmen diese Schritte sehr bewusst zur Kenntnis, Herr Minister, und nicht nur, weil sie tatsächlich existieren, sondern auch, weil unser politisches Verständnis über ehrenamtliches Engagement diese Formen der Würdigung auch mit einschließt, weil wir sie unterstützen und weil wir sie selbst auch politisch gewollt haben. Ich glaube, an dieser Stelle sind tatsächliche Übereinstimmungen aller Fraktionen in den letzten Jahren entwickelt worden.

Ich möchte Sie erinnern an den Gesetzentwurf der PDSFraktion aus der 2. Legislatur, diesen Gesetzentwurf zur Stärkung des ehrenamtlichen Engagements einschließlich der damals schon geforderten Einführung einer Jugendleiter-Card. Vielleicht für manche zur Erinnerung: Es gab in Thüringen eine Sozial-Card, es gab in Thüringen eine, und zwar vor der Weimarer Republik, schon für bestimmte Formen der Anerkennung der Gemeinwohltätigkeit. Sie wissen es und ich finde es auch nicht verkehrt, solche Probleme, solche Möglichkeiten wieder mit aufzunehmen. Wir akzeptieren die Erfolge, aber auch, dass wir letztendlich in unserem Gesetz gefordert haben, Änderungen zum Staatslotterie- und Sportwettengesetz einzufordern. Wir wollten Drittelfinanzierung dort einbringen, die letztendlich ermöglicht, nicht nur die heute Geförderten zu unterstützen, sondern zusätzlich das Ehrenamt. Wer sich an die Diskussion erinnert, weiß, dass es parallel dazu Änderungsanträge unserer Fraktion gab. Gegenwärtig machen wir uns auf; wir sagen, wir haben keine einfache Lösung für die Finanzierung, aber wir wollen diese Idee auch noch nicht wegschmeißen, weil es einige Probleme geben wird, über die wir gemeinsam reden müssen.

So ehrlich will Oppositionsfraktion PDS sein, dass sie sich tatsächlich freut über diese Fortschritte, die wir haben. Trotzdem gibt es noch eine ganze Menge und ich glaube,

auch hier werden wir uns treffen. Ein Problem, das ich in Stichpunkten als Fragestellung aufwerfen will, das noch nicht inhaltlich im Sinne, aber auch in einer Form der praktischen Lösung diskutiert ist. Das hängt natürlich daran, was eigentlich ehrenamtliches Engagement umfasst. Sie wollen was beschreiben. Ich möchte hier keine Definitionsdiskussion jetzt vom Zaun brechen, wie finanzielle Belastungen im Ehrenamt verhindert bzw. ausgeglichen werden können. Minister Pietzsch sprach auch davon, was mit steuerlichen Vorteilen ist, wo wir vereinfachen können. Welche Rolle soll Hauptamt bei der Unterstützung von Begleitung ehrenamtlichen Engagements spielen? Wer soll in den Anspruch finanzieller Unterstützung bei ehrenamtlicher Tätigkeit kommen? Was ist mit weiterem Versicherungsschutz, Fortbildung, Weiterbildung, Qualifizierung des Ehrenamts? Was ist mit Freistellung? Brauchen wir Freiwilligenagenturen in einem größeren Maß, als sie heute existieren? Ich glaube, diese Fragestellungen sind auch verbindender; Fragen über alle Fraktionen hinaus. Wenn es heute noch Defizite gibt, die selbst in der Großen Anfrage durch die Landesregierung benannt werden, so sollten wir dies gemeinsam konstatieren. Es gibt sie und wir werden versuchen sie gemeinsam so zu klären, dass es letztendlich einen Schritt weiter geht. Wir selbst gehen auch davon aus, dass es keine endgültige Lösung oder Regelung auf einem einmal geschafften Niveau für die Würdigung, Anerkennung und die Weiterentwicklung des Ehrenamts geben kann. Ich möchte aber davon ausgehen, dass wir gegenwärtig nach wie vor in den Mittelpunkt stellen, dass das Ehrenamt eine unbezahlte Tätigkeit ist, die freiwillig und mit einer gewissen Kontinuität geleistet wird und die dabei anderen zugute kommt. Warum wiederhole ich das? Weil ich nämlich glaube, dass in diesem Jahr des Ehrenamts - was ich Ihnen jetzt nicht unterstelle - genau dieser Ansatz viel zu oft verloren geht und dass es tatsächlich in der öffentlichen Meinung Tendenzen gibt, die zum einen alles ausschließen und zum anderen alles fordern. In diesem Spagat befinden wir uns gegenwärtig bei der Würdigung von ehrenamtlicher Arbeit gerade in diesem Jahr des Ehrenamts. Ehrenamtliche Arbeit sollte solidarischen Zusammenhalt erlebbar machen und fördern und vor allem das Vertrauen in die Gestaltbarkeit von Gemeinwesen mit heben. Dieses ist nicht überall selbstverständlich. Ehrenamt wird gegenwärtig zu viel abgelöst und ergänzt durch die Bezeichnung "freiwilliges und/oder bürgerliches Engagement". Hier gibt es aber inhaltliche Unterschiede. Wir sollten auch diese Unterschiede akzeptieren und trotzdem Vereine, Verbände, Initiativen, die in dieser Unterschiedlichkeit leben, auch unterschiedlich würdigen und ihnen eine gesellschaftliche Anerkennung in dem Maße zukommen lassen, wie es insgesamt notwendig ist. Da sind wir auch bei den Problemen der Selbsthilfe, die ja Motive für immer mehr freiwilliges Engagement bietet. Selbsthilfe ist oft die unmittelbare Nähe von Hilfe und Unterstützung suchenden Bürgerinnen und Bürgern untereinander. Dieser Aspekt hat eine große Rolle im Bereich des Ehrenamts, denn aus diesem entwickeln sich oft neue Formen in der Gemeinwohlarbeit, wie man sich einbringen will.

Ich möchte auf vier Hauptfelder dieses breiten Feldes des Ehrenamts trotzdem noch eingehen; das erste wäre Ehrenamt und Arbeitslosigkeit. Sicher, es gibt 50-PLUS-Ehrenamt. Dieses ist ein Element, um Anerkennung zu gestalten. Die Landesregierung hat nicht den Anspruch erhoben, damit das Dilemma der ehrenamtlichen Arbeitslosen in Form des Verlustes von Erwerbstätigkeit zu lösen. Das ist zu akzeptieren. Ich glaube, die Bemühungen aber auszuschließen, dass aufgrund von Finanzierungsnotwendigkeiten eigentlich traditionelle Erwerbstätigkeit im sozialen Bereich dann etwa ehrenamtlich gemacht werden muss, weil die Arbeit notwendig ist, diesem sollten wir uns entschieden näher stellen. Ich glaube, es ist ein Defizit, dass wir es erleben können, dass aus nachgewiesenen Projekten, die für das Gemeinwohl in der sozialen Arbeit notwendig sind, letztendlich durch die Nichtweiterfinanzierung über Förderinstrumentarien Elemente entstehen, in denen genau dieselbe Arbeit am Nächsten, am anderen Bürger dann ehrenamtlich geleistet wird. Das ist nicht der Inhalt von Ehrenamtlichkeit, den ich allen unterstelle, dass wir ihn wollen. Das ist eine Notsituation. Diese Notsituation zu beseitigen, bin ich schon der Meinung, müsste entschieden stärker bei uns im Mittelpunkt stehen und da gehört die Diskussion über die Rolle erster, so genannter zweiter Arbeitsmarkt, öffentlich geförderte Arbeit bzw. soziale Dienstleistungen im nicht profitorientierten Bereich dazu. Ohne sich diesem Problem zu stellen, werden wir es nicht schaffen, das Phänomen zwischen Arbeitslosigkeit und Erwerbstätigkeit aufzuheben, denn keiner von uns hier im Saal ist der Illusionist, der glaubt, wir schaffen es, irgendwann alle in eine 100-prozentige Erwerbstätigkeit zu bringen. Wer sich aber diesem Problem dann nicht stellt, der hat das Phänomen, dass ehrenamtliche Arbeit zwar auf der einen Seite wächst, aber der Anteil derjenigen, die nicht mehr bereit sind, aufgrund von Verlust von Arbeit sich gesellschaftlich einzubringen, dann auch noch steigt. 50-PLUS ist also ein Programm, das man nicht wegdenken sollte, nicht wegschieben sollte, es ist aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

(Beifall bei der PDS)

Haupt- und Ehrenamtlichkeit sollte mein zweiter Schwerpunkt sein, dem ich mich widmen möchte. Ehrenamtliches Engagement bezogen auf den sozialen Bereich ist tatsächlich ein Grundstein von Sozialstaat. Ohne dieses würde manches in einem Sozialstaat nicht klappen. Es kann aber nicht so sein, dass letztendlich der Sozialstaat immer mehr durch Ehrenamtlichkeit getragen wird. Wir müssen Rahmenbedingungen finden, die letztendlich ermöglichen, dass jemand fachorientiert, qualifiziert unterstützt überhaupt diese Ehrenamtlichkeit im sozialen Dienst leisten kann. Der Ausbau von sozialen Dienstleistungsunternehmen ist zum Siegeszug der Professionalität im Prinzip erklärt worden und macht Ehrenamtliche zu Laien. Ich weiß, das ist ein sehr harter Satz, aber genau hierin steckt das Problem. Solche Prozesse sind mit erheblichen Spannungen verbunden und Ehrenamtliche beklagen, dass entgegen aller Beteuerung ihrer Arbeit zu wenig Aufmerksamkeit und Unter

stützung dann trotzdem geboten wird. Hinzu kommt, dass die vereinsrechtlichen Grundlagen eines Verbandes die ehrenamtlichen Vorstände in eine haftungsrechtliche Verantwortung auch für alle betriebswirtschaftlichen Geschehnisse bringt und immer brachte. Herr Minister Pietzsch hat an der Stelle Ähnliches analysiert. Aber dem Problem muss sich gestellt werden, ansonsten gibt es nämlich bei der Bereitschaft für ehrenamtliche Tätigkeit trotzdem eine Hürde, die nicht zu nehmen ist, weil man am Ende juristisch für etwas verantwortlich gemacht wird oder gemacht werden kann, für das man eben nicht die Fachkompetenz in Ehrenamtlichkeit haben kann oder gar von vornherein mitbringen kann.

(Beifall bei der PDS)

Ein dritter Schwerpunkt sind Frauen und Ehrenamt. Ich glaube, an dieser Stelle hapert es noch am meisten.

(Beifall bei der PDS)

Wenn es in der ehrenamtlichen Tätigkeit um engagierte, mit Zuwendung und Verständnis gefüllte Zeit, wie z.B. für hilfsbedürftige Menschen, geht, da sind Frauen vorn und sie sind aber auch oft ganz unter sich bei der freiwilligen Tätigkeit mit Behinderten, Kranken und Alten. Öffentliche, unentgeltlich ausgeübte Ämter sind immer dann die Domäne der Männer, wenn Prestige und Karriere eine Rolle spielen.

(Beifall bei der PDS; Abg. Becker, SPD)

Wenn wir uns das Ganze ansehen, dann sehen wir das sogar in der öffentlichen Diskussion und in dem Engagement derer, die sich einsetzen, wie Ehrenamt gestaltet wird; auch dort sind bestimmte Männer die Lauten und die Frauen leisten die kleine Sisyphusarbeit für den Verein.

(Beifall bei der PDS)

Wer das nicht anerkennt, dessen Bild ist nicht ganz scharf. Wir möchten es sehr scharf zeichnen. Aber gerade die Verteilung von ehrenamtlicher Arbeit im sozialen Bereich muss dadurch bezeichnet werden, es muss aufgewertet werden, und zwar wünschen wir uns, dass im sozialen Bereich geleistete Ehrenamtlichkeit genauso hoch gewürdigt wird, genauso rechtlich abgesichert wird, genauso unterstützt wird wie die nicht durch die im sozialen Bereich Aktiven etwa neidvolle Orientierung z.B. auf Leute in der Feuerwehr, die ja auch ein soziales Engagement haben, aber so möchten sie gleichgestellt werden;

(Beifall bei der PDS)

zumindest in den Formen, weil, das heißt überhaupt nicht, dass wir behaupten, die Feuerwehr hätte zu viel, sie würde etwas Unwichtiges oder sonst etwas leisten. Das heißt einfach nur, hier gibt es ein Element in Freiwilligkeit, das man als Orientierung in der Würdigung anderer Bereiche als

Vorbild nehmen kann, wo man sich hinentwickeln kann.

(Beifall bei der PDS)

Das Bild von Frauen und Ehrenamtlichkeit wird noch ein bisschen verrückter, wenn man sich das Problem Kinderbetreuung, Erziehung, Alten- und Behinderten- und Krankenpflege in Familien ansieht, wo wir tatsächlich das traditionelle Bild nach wie vor finden: Frauen sind die Familienarbeit. Ich glaube, auch hier können wir gemeinsam einiges voranbringen, um eine Werthierarchie zu verändern. Dies könnte auch geschehen über die Anerkennung sozialer Arbeit, die heute gerade von Frauen freiwillig geleistet wird durch Anerkennung als Erwerbstätigkeit. Dieses würde dem Stellenwert der geleisteten Arbeit von vielen, vielen Frauen unheimlich helfen und es würde gleichberechtigte Anerkennung in dieser Gesellschaft vielleicht einen Schritt weiter gewonnen werden.

(Beifall bei der PDS)

Ein viertes Element sind Freiwilligenagenturen. Sie heißen Freiwilligenagenturen, Freiwilligenzentren oder Jobbörsen. Ob Mönchengladbach, Hildesheim, Halle, Erfurt oder Bremen, das ist eigentlich nicht unsere Frage oder unser Problem, wo sie angelangt sind, sondern wir möchten, dass das, was dort läuft, nämlich die Vermittlung zwischen Angebot und Nachfrage für ehrenamtliche Arbeit, so verstehen, dass wir dieses auch als neue Wege im Ehrenamt mehr unterstützen. Und hier sage ich Ihnen ganz ehrlich, da haben wir mit Ihrem Antrag, meine Damen und Herren der CDU, überhaupt kein Problem, das werden wir auf jeden Fall unterstützen. Und so unterschiedlich wie die Namen, die unter Freiwilligenagenturen zusammengefasst sind, so überfällig scheint für uns aber auch der Schritt zu sein, dieses Freiwilligenengagement, diese Freiwilligenbörsen weiterzuentwickeln und vielleicht über unseren Horizont zu schauen und vielleicht einmal anzusehen, wie es in anderen europäischen Ländern gemacht wird. Ich glaube, dort können wir Anregungen und Informationen erhalten, wie damit besser die Vereinbarkeit von vielen gesellschaftlich notwendigen Tätigkeiten erreicht werden kann.

(Beifall bei der PDS)

Den Vereinen und Verbänden fehlt bislang oft eine neutrale, offene Anlaufstelle, die tatsächlich attraktive Angebote bereitstellt und Interessierte freiwillig informiert, wo sie ihre individuellen Wünsche einbringen können, wo sie ihr Engagement gestalten können. Ich glaube, das ist eines der wichtigsten Elemente, was demnächst in Anspruch genommen werden muss. Freiwilligenagenturen, Ehrenamtsbörsen, Freiwilligenzentren könnten nämlich hier eine Lücke schließen. Das in der Großen Anfrage angesprochene Engagement sollte gezielt durch die Landesregierung entsprechend unterstützt werden. Wie die CDU-Fraktion das in ihrem Antrag - gestern war es noch ein Entschließungsantrag - verdeutlicht hat, das ist inhaltlich auch unsere Position.

Welche Aufgaben stellen wir uns vor, die dort freiwillig untersetzt werden könnten? Die Vermittlung der am Ehrenamt interessierten Personen und Projekte, Einrichtungen, Vereine und Verbände oder Gruppen. Wir könnten uns auch kostenlose Beratungen, Informationen, Vermittlungen und teilweise auch Begleitung interessierter Bürgerinnen und Bürger vorstellen. Wir wünschen uns aber auch Beratung von Organisationen und Vereinen gerade in Bezug auf Modifikation ihrer Angebote, nämlich der, wie der Minister sagte, Kreativität und Flexibilität in der Förderung von Ehrenamt; aber dort könnte es schon geschehen, dafür brauche ich zunächst keine Stiftung. Dieses ist an einer Stelle regelbar wie in den Freiwilligenagenturen, wozu keine Stiftung notwendig ist. Also ist das eine Aufgabe, die heute, jetzt, übermorgen in Angriff genommen werden kann.

(Beifall bei der PDS)

Dann wären wir auch ein Stück weiter.

Meine Damen und Herren, ehrenamtliche Tätigkeit bedarf einer aktiven Förderung. Nahezu alle Bemühungen, Politik und Gesetzgebung zu gesetzlichen Verankerungen für das Ehrenamt zu bewegen, haben bisher zu keinen nennenswerten Erfolgen geführt. Bei der Feststellung der Tatsache, dass ehrenamtliches Engagement immer vordergründig unentgeltliche Tätigkeit ist, sollten wir aber trotzdem bemüht bleiben, die finanziellen Belastungen, die entstehen, die manchmal auch zur Verhinderung oder zum Abbau von ehrenamtlichem Engagement beitragen, dass wir diese Hürden beseitigen. Bürgerliches oder ehrenamtliches Engagement wird es in Zukunft auch nicht zum Nulltarif geben. Das Ehrenamt erfordert mehr als bloße Deklaration von Staat und Regierung und es muss auch in der Infrastruktur so untersetzt bzw. in sie muss so investiert sein, wie dies eben auch in gewerblicher Wirtschaft gegenwärtig vorhanden ist. Wer nämlich zu diesem Schluss nicht bereit ist, der untersetzt oder untergräbt dieses Element, was alle sagen, dass der Staat letztendlich ohne Gemeinwohl nicht leben kann. Also spätestens aus diesem Satz heraus resultiert die Forderung, dass ehrenamtliche Tätigkeit, ehrenamtliche Infrastruktur genauso untersetzt sein muss, wie wir es in der gewerblichen Wirtschaft vorfinden.

Einen Gedanken noch zu Ihrem Antrag, meine Damen und Herren der CDU, in der Drucksache 3/1579, den Sie überschrieben haben "Neue Initiativen zur Förderung des Ehrenamts". Mir ist bewusst, dass nach Geschäftsordnung nur die beantragende Fraktion eine Aussprache beantragen kann, nur die beantragende Fraktion eine Überweisung an einen Ausschuss formal stellen kann. Wenn Sie es aber wirklich so wollen, wie es in dem Text Ihres Antrags steht, dann sollten Sie allen hier im Landtag die Möglichkeit einräumen, über diesen oder jenen Punkt in der Anfrage, aber auch in Ihrem Antrag noch mal zu diskutieren.

(Beifall bei der PDS)

Deswegen, auch wenn es mir geschäftsordnungsmäßig nicht zusteht, möchte ich begründen, warum die Diskussion im Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit so notwendig ist: Die Problematik um die Stiftung steckt in Ihrem Antrag in Punkt 1. Die Stiftung ist von den einen gewollt und von den anderen abgelehnt. Es kommt jetzt nicht darauf an, Partei zu beziehen für die eine oder andere Seite, sondern es kommt nach unserer Meinung darauf an zu überprüfen, inwieweit die Festschreibung eines Auftrags an die Landesregierung, ein Konzept für eine Stiftung zu erstellen, nicht doch schon eine Absage an gesetzliche Regelungen ist. Indirekt habe ich beim Minister diese Absage gehört, indem er selber dargestellt hat, wie er sich von diesem Gedanken verabschiedet hat. Ich glaube, das reicht aber nicht, um uns auf die gemeinsame Ausgangsbasis dieser Überlegung zu bringen. Warum? Für die Stiftung brauchen wir auch ein Gesetz. Wenn wir hier die ganze Zeit die Breite des Ehrenamts erklären und wie Sie sagten, Herr Minister, dass eine Stiftung der Situation angepasst, die Kreativität beschleunigen und eine Vernetzung unterstützen soll, dann, bin ich der Meinung, ist eine enge Stiftung genau das Problem. Ich delegiere in eine Stiftung, an der wir uns als Land beteiligen, aber ich habe dann nur den Rahmen, den die Stiftung zulässt. Wenn ich den Gedanken der Parität richtig verstanden habe, dann läuft er nicht darauf hinaus, in einer Stiftung die gesamte Förderung und Würdigung des ehrenamtlichen Engagements zu untersetzen, so habe ich auch nicht den Vorschlag der Kirchen aus dem Sommer 1999 verstanden, sondern dass nur Teile davon gegenwärtig möglich sind und wir eigentlich als Parlament nach wie vor in derselben Verantwortung bleiben. Ich möchte mit Ihnen solche Argumente gern diskutieren, ich möchte hinter die inhaltlichen Punkte Ihrer Verabschiedung von einem Gesetz gern kommen. Der Verwaltungsaufwand für die Würdigung des Ehrenamts, der immer wieder in den Mittelpunkt gestellt wird, der ist bei einer Stiftung genauso groß wie bei Ministerien, Kommunen oder Vereinen. Die Art und Weise der Gestaltung des Aufwands ist nur unterschiedlich, aber nicht der Aufwand an sich. Deswegen ist dieser Verweis auch nicht ganz in Ordnung.

Dann haben wir doch ein Problem mit der Tatsache, aus den Staatsbanken ein Stiftungskapital letztendlich zu finden. Der Stiftungsgedanke ist ja nicht ganz neu in der Diskussion aufgekommen. Wer aber das Jahr des Ehrenamts verfolgt, der merkt auch Erwartungshaltungen von Vereinen und Verbänden. Mit diesen Erwartungshaltungen an Regelungen der Unterstützung kommt mit jeder neuen Idee aber auch die Erwartung - uns wird sie dann übermittelt -, jetzt haben wir es gefunden, jetzt wird es losgehen. Und genau dieses ist mit dem Gedanken der Stiftung überhaupt nicht verbunden. Im Jahre 2001, im Jahre 2002 wird es kein Geld aus dem Landeshaushalt für eine Stiftung geben können oder Sie nehmen etwas von dem, was drin ist, was aber eigentlich schon längst nicht reicht. Damit das dann in eine Stiftung zu setzen, das empfinde ich als problematisch. Aus den Spielstätten das zu kriegen, das wissen Sie genauso gut wie ich, da brauche ich Ihnen nicht erzählen, wenn man nach Bad Homburg fährt und sich dort im

Park mit dem Spielkasinobetreiber unterhält oder in jedem anderen Spielkasino, wie lange es dauert, bis eine Spielbank überhaupt mal irgendetwas abwirft.

(Zwischenruf Abg. Wetzel, CDU: Da müsst ihr mehr spielen!)