Protocol of the Session on April 5, 2001

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, mit der Drucksache 3/1290 hat sich der Landtag in seiner Sitzung am 26. Januar 2001 sehr ausführlich befasst. Ich darf nur einmal daran erinnern, dass hier vorn vom Pult sehr intensiv die Argumente ausgetauscht wurden. Der Antrag ist dann an den Justizausschuss überwiesen worden. Im Justizausschuss konnte noch einmal in der Diskussion klargestellt werden, dass das dem Antrag zu Grunde liegende Urteil des Bundesverfassungsgerichts

in eine andere Intention geht, nämlich zu einer Besserstellung der Grundstückseigentümer und nicht, wie im Antrag vorgesehen, zu einer Besserstellung der Immobilieneigentümer. Der Justizausschuss hat deshalb mit der deutlichen Mehrheit den vorliegenden Antrag abgelehnt. Dies liegt Ihnen in der Drucksache 3/1460 als Beschlussempfehlung des Justizausschusses vor, den Antrag abzulehnen. Danke schön.

Ich eröffne in dieser Angelegenheit die Aussprache und es hat sich zu Wort gemeldet Herr Abgeordneter Schemmel, SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Sachlage ist eigentlich klar; für die Wissenden war sie schon bei der ersten Lesung hier in diesem Hause völlig klar. Es gibt zu diesem Thema seit Anfang 1999 eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe, die unter Federführung des BMJ arbeitet. Diese Arbeitsgruppe wurde übrigens initiiert durch die Justizministerien von Brandenburg und Thüringen, wohl, weil man erkannt hatte, dass hier noch Regelungsbedarf besteht. Diese Arbeitsgruppe arbeitet noch. Sie wird vielleicht im Sommer ihr Resultat vorstellen. Dann wird auch diese Frage durch einen Gesetzentwurf endgültig geklärt werden durch Aufnahme oder Nichtaufnahme in einen Gesetzentwurf. Sicherlich ist das Bundesverfassungsgerichtsurteil zu beachten, aber wer es gelesen hatte, wusste schon zur ersten Lesung, dass hier gerade nicht die Position der Nutzer gestärkt wurde, sondern gerade die der Grundstückseigentümer. Alles, was dieser Antrag leisten kann, ist also schon im Frühjahr 1999 geleistet worden durch das Justizministerium Thüringens. Der Antrag war damit von vornherein überflüssig. Das konnte vielleicht die PDS-Fraktion nicht wissen, weil sie nicht in diese Arbeit der Bund-Länder-Arbeitsgruppe eingebunden ist. Wissen hätte es aber sehr gut können die CDU-Fraktion, die ja nun, da sie vorübergehend an der Landesregierung Thüringen beteiligt ist und mithin auch das Justizministerium besetzt, eigentlich diesen Sachstand aus dem Justizministerium hätte abfragen können. Deshalb war es für mich unverständlich, dass die CDU-Fraktion diesen überflüssigen Antrag trotz besserer Sachkenntnis oder möglicher besserer Sachkenntnis überweisen lassen hat an den Ausschuss, wohl nur, um ein Signal nach außen zu setzen an ein Klientel, das aber schon 1999 berücksichtigt worden war in diesem Grundanliegen, so dass ich sage, der Antrag war deshalb von vornherein überflüssig und ist es auch noch heute. Danke.

(Beifall bei der SPD)

Für die PDS-Fraktion hat sich Frau Abgeordnete Dr. Wildauer zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, am Gegenstand, über den wir heute hier zu entscheiden haben, kann man zweierlei beobachten: Erstens müssen politische Rationalität, Bürgerinteressen und Fraktionsarithmetik nicht unbedingt etwas miteinander zu tun haben und zweitens scheint der bequemste Weg aus Interessenkonflikten der zu sein, dass man sie in pure juristische Debatten verwandelt. Es geht heute darum, ob Thüringen im Bundesrat initiativ wird, um sich in die Änderungen des Schuldrechtsanpassungsgesetzes und der Nutzungsentgeltverordnung einzubringen, oder ob es dies bleiben lässt. Die PDS hat den Antrag auf diese Bundesratsinitiative formuliert, weil sie ein parteiübergreifendes Bewusstsein feststellte, dass etwas getan werden muss, um fair und rasch die Probleme zu lösen, die mit der Wende über die Mehrzahl der ostdeutschen Datschen- und Garagenbesitzer gekommen sind, die zwar Nutzer von Grundstücken, nicht aber deren Eigentümer sind.

(Zwischenruf Abg. Schemmel, SPD: Das ist richtig.)

(Zwischenruf Abg. Arenhövel, CDU: Wer hat denn das veranlasst?)

Ich erinnere: Die heutige Justizministerin, Frau Herta Däubler-Gmelin, stellte 1997, als sie noch in der Opposition und stellvertretende Fraktionsvorsitzende war, den Grundstücksnutzern faire Lösungen in Aussicht, worauf sie sich heute scheinbar doch nicht mehr besinnen will. Im Oktober vergangenen Jahres war das Problem Gegenstand auf der 7. Verbandstagung des VDGN. Neben Dr. Kenzler von der PDS und Dr. Danckert von der SPD sprach sich auch Günther Nooke von der CDU zum wiederholten Male

(Zwischenruf Abg. Schemmel, SPD: Das macht ihn auch nicht besser.)

und prononciert für eine faire und rasche Lösung aus. Alle drei Redner - ich habe das schon einmal betont, aber ich sage es noch einmal - stimmten für den Fall der Kündigung im Folgenden überein und lassen Sie mich diese paar Punkte noch einmal nennen: Der Nutzer muss für all seine Leistungen bei Kündigung des Nutzungsvertrags entschädigt werden, und zwar zeitlich unbegrenzt. Eine Pflicht des Nutzers, die Hälfte der Kosten für eventuelle Abrisse von Bauten zu tragen, kommt selbstverständlich nicht in Frage. Selbstverständlich müssen die Eigenleistungen des Nutzers bei der Entgeltberechnung berücksichtigt werden. Die Nutzungsentgelte haben selbstverständlich der Ortsüblichkeit zu entsprechen. Dem Nutzer steht selbstverständlich ein Vorkaufsrecht zu und selbstverständlich muss schließlich die Möglichkeit bestehen, dass ein Dritter in den Nutzungsvertrag einsteigen kann. So weit der Tenor dieser drei Parteienvertreter. All dies, was die Politiker parteiübergreifend auf dem Verbandstag des

VDGN als Selbstverständlichkeit vortrugen, entspricht dem Interessenausgleich zwischen Eigentümern und Nutzern. Das verdeutlichte auch die erste Lesung.

Die PDS-Fraktion hat nichts anderes getan, als genau die Punkte in ihrem Antrag zusammenzufassen, in denen Übereinstimmung bestand. Deshalb waren sich hier auch im Plenum die Redner grundsätzlich einig. Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts muss das Schuldrechtsanpassungsgesetz bis Mitte des Jahres, also bis Juni, novelliert sein. Dass der Rohentwurf der Ländergruppe, Herr Kollege Schemmel, der seit Januar vorliegt, die Bezeichnung "skandalös" verdient, kann aber nicht mit Eile entschuldigt werden, denn dieser Rohentwurf liegt vor. Die berechtigten, von Politikern aller Parteien als selbstverständlich bezeichneten Forderungen der Nutzerverbände wurden einfach ignoriert. Man kann auch sagen, die Nutzer werden über den Löffel balbiert. Nach dem Rohentwurf sollen sie nicht nur die wiederkehrenden, sondern auch anteilig die anfallenden einmaligen Grundstückslasten tragen. Weitere Nachteile für die Nutzer liegen ganz offenkundig auf der Hand. Das Bruttonutzungsentgelt wird kurzerhand in ein Nettonutzungsentgelt umgewandelt. Der Grundstückseigentümer darf nahezu uneingeschränkt große Grundstücke teilkündigen, der Nutzer hingegen wird stark eingeschränkt. Nutzungsentgelte können weiterhin willkürlich bemessen werden, weil es der Gesetzgeber ablehnt, verbindlich zu definieren, was unter ortsüblich gefasst werden soll.

Wenn tatsächlich ab 2007 auf fremdem Boden erbaute Garagen entschädigungslos gekündigt werden können, dann fällt den Grundstückseigentümern in den neuen Ländern ein geschätztes Vermögen von 600 bis 800 Mio. DM in den Schoß und für Thüringen wären das 60 bis 80 Mio. DM - einfach so. Für Datschen würde sich das im Jahr 2022 nach Angaben des VDGN allein in Thüringen auf 2 Mrd. DM belaufen.

Meine Damen und Herren, können Sie mir erklären, wieso per Gesetz den einen der Wert ihrer Leistungen entwendet wird, während die anderen, ohne etwas tun zu müssen, genau den Wert dieser Leistungen geschenkt bekommen? So findet kein Interessenausgleich statt. So werden Konflikte regelrecht produziert. Allein im Zusammenhang mit der vorgesehenen Möglichkeit, Garagen ab 2007 entschädigungslos zu kündigen, hat Thüringen es mit einem Konfliktwert - wie gesagt - von 60 bis 80 Mio. DM zu tun. Dagegen rührt sich zu Recht Protest.

(Beifall Abg. Nitzpon, PDS)

Eine Vielzahl von Datschen- und Garagenbesitzern hat sich mit der Bitte um Unterstützung an meine Fraktion gewandt. Das Forderungsprogramm "Erfurter Garagenbesitzer" haben meines Wissens nach aber alle Fraktionen des Thüringer Landtags erhalten. Die Betroffenen sprechen darin von kalter Enteignung, Nutzungsentgelte schnellen in die Höhe und Weimar fordert inzwischen schon 360 DM im

Jahr für ein verpachtetes Grundstück. Man kassiert erst und dann wird enteignet. Meine Damen und Herren, das darf uns doch wohl nicht gleichgültig sein.

(Beifall Abg. Nitzpon, PDS)

Und schon gar nicht darf sich die Politik in diesem offensichtlichen Interessenkonflikt auf die ausschließliche Diskussion von rechtlichen Problemen zurückziehen. Es geht dabei überhaupt nicht darum, das Urteil von Karlsruhe in Frage zu stellen, das haben wir zu keiner Zeit getan. Auch die PDS akzeptiert das Recht der Grundstückseigentümer auf Kündigung. BVG-Urteile sind, das möchte ich noch einmal betonen, auch für uns verbindliche Rechtsprechung.

(Unruhe bei der SPD)

Es geht darum, dass im Fall der Kündigung die Nutzer zu entschädigen sind, und das wird hier nicht festgelegt in dem Urteil. Es hat dazu keinerlei Vorgaben gemacht, das ist genau der Raum, über den man diskutieren kann, über den man entscheiden kann. Das war die Diskussion, die im Justizausschuss geführt wurde, wo CDU und SPD sagten, dass wegen der Karlsruher Entscheidung unser Antrag zwecklos sei. Ich sage eindeutig noch einmal, meine Damen und Herren dieser beiden Reihen vor mir: Sie irren sich, weil dem nicht so ist. Die Frage ist nur: Irren Sie sich bewusst oder unbewusst? Den Vorschlag des CDU-Abgeordneten Herrn Wolf, über unseren Antrag im Ausschuss zu reden, hielt ich für vernünftig. Die Blockade der CDU-Fraktion lässt sich sachpolitisch nicht begründen. Wir sind gespannt, wie Sie, meine Damen und Herren hier im Mittelfeld, Herrn Nooke beibringen wollen, dass er in dieser Frage nicht richtig tickt.

Herr Wolf, Sie behaupten auch zu Unrecht, unser Antrag entspreche nicht den Interessen der Grundstückseigentümer und der kommunalen Planung. Nehmen Sie doch bitte einfach unseren Punkt 3 des Antrags zur Kenntnis. Er regelt, dieser Punkt 3, dass die kommunalen Planungsrechte uneingeschränkt gesichert sind.

Noch ein Wort an Sie, Herr Kollege Schemmel.

(Zwischenruf Abg. Schemmel, SPD: Ja, bitte.)

Ich bedauere außerordentlich, dass Sie offenbar über den aktuellen Diskussionsstand nicht hinreichend informiert sind. Bereits am 6. Februar...

(Zwischenruf Abg. Schemmel, SPD: - fand die Anhörung statt.)

Ja, und damit hat die Arbeitsgruppe eigentlich ihre Arbeit beendet, hat den Rohentwurf vorgelegt und es wird dann eine weitere Diskussion erfolgen. Aber Sie haben dargestellt, dass die Arbeitsgruppe im Juni und erst im

Sommer diesen Entwurf vorlegen wird. Das ist also nicht richtig, Sie hatten nicht Recht. Der Entwurf wird nochmals überarbeitet. Bis Juni muss - wie gesagt - das Gesetzgebungsverfahren abgeschlossen sein. Ich sage noch einmal: Unser Antrag kommt genau zur richtigen Zeit. Wenn Thüringen abwartet oder sich weiter abduckt in dieser Frage, verpasst es die Chance, sich in die Diskussion einzubringen. Wir halten das für verantwortungslos. Es sind schließlich viele Thüringer Datschen- und Garagenbesitzer davon betroffen. Der Landtag sollte sich nicht in die Situation bringen, ihnen eines Tages erklären zu müssen, dass er gelassen hat, was er hätte tun können, um ihre Interessen auf Bundesebene zu vertreten.

Der Novellierungsbedarf für das Schuldrechtsanpassungsgesetz und die Nutzungsentgeltverordnung ist wesentlich umfassender, als dies das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Juli 1999 darstellt. Das zeigt ganz einfach die Realität, das zeigen auch die Beratungen des VDGN. Ich meine, dass der Thüringer Landtag mit dieser Bundesratsinitiative ein Zeichen setzen könnte, lautet doch die Hauptfrage, ob geltendes Recht die Möglichkeit einer entschädigungslosen Kündigung für Garageneigentümer ab 2007 und für Datschenbesitzer ab 2022 vorsieht oder nicht. Danke.

(Beifall bei der PDS)

Herr Abgeordneter Wunderlich, wollten Sie eine Anfrage stellen? Das ist also offensichtlich jetzt nicht mehr möglich. Es liegen zu diesem Tagesordnungspunkt keine weiteren Redemeldungen vor. Damit schließe ich die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der PDS in Drucksache 3/1290. Die Beschlussempfehlung des Justizausschusses sieht die Ablehnung des Antrags vor. Es gibt einen Geschäftsordnungsantrag von Herrn Abgeordneten Stauch.

Wir beantragen namentliche Abstimmung.

(Beifall Abg. Arenhövel, CDU)

Wir stimmen demzufolge in namentlicher Abstimmung über den Antrag der Fraktion der PDS in Drucksache 3/1290 ab. Ich bitte die Stimmen einzusammeln.

Konnte jeder seine Stimme abgegeben? Zwei sind hier noch beim letzten Gang zur Urne. Jetzt dürfte jeder die Möglichkeit gehabt haben, seine Stimmkarte abzugeben, ich bitte um Auszählung.

Ich gebe das Ergebnis der namentlichen Abstimmung bekannt: Es wurden 73 Stimmen abgegeben. Mit Ja haben gestimmt 18, mit Nein 52 und es gab 3 Enthaltungen (na- mentliche Abstimung siehe Anlage 1). Damit ist der Antrag abgelehnt.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 7 und komme zum Aufruf des Tagesordnungspunkts 8

a) Schutz von Mutter und Kind in Geburtskonfliktsituationen im Freistaat Thüringen Bericht der Landesregierung dazu: Beschluss des Landtags - Drucksache 3/1390

b) Stellungnahme der Thüringer Landesregierung zum Problem der "anonymen Geburt" Bericht der Landesregierung dazu: Beschluss des Landtags - Drucksache 3/1391

Den Bericht für die Landesregierung gibt Minister Dr. Pietzsch und ich bitte um Ruhe im Haus, damit wir der Tagesordnung aufmerksam folgen können.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben zu diesem Thema aufgrund der vorliegenden Anträge in der vorletzten Plenardebatte eine sehr inhaltsreiche und wichtige Diskussion geführt, eine Diskussion, wie sie eigentlich relativ selten ist, ohne Zwischenrufe und mit hoher Aufmerksamkeit. Dabei bestand über Fraktionsgrenzen hinweg Konsens, dass einzelne Frauen durch eine Schwangerschaft oder Geburt in eine psychische Ausnahmesituation geraten und in schweren Problemen sein können. Diese Problematik geht so weit, dass einige Frauen sogar die Schwangerschaft verdrängen und von der Geburt überrascht werden, wobei es in dieser Schocksituation in extremen Einzelfällen zur Aussetzung oder gar Tötung des Kindes kommen kann. Dies ist übrigens, wie Sie sicherlich auch der Presse entnommen haben, unlängst in Hamburg wieder passiert. Denken Sie nicht, dass ich darüber frohlocke, es ist ein menschliches Leben, was ausgelöscht worden ist, aber es macht uns deutlich, dass wir zwar Hilfsangebote schaffen müssen, aber dass wir nicht sicher sind, ob diese Hilfsangebote auch immer angenommen werden.

Grundsätzlich sollten wir Menschen, die sich in einer solch kritischen Situation befinden, nicht verurteilen, sondern ihnen nach Kräften helfen. Ich denke, wir wissen alle, dass es keinen Königsweg gibt, sondern dass es eine Vielzahl von Maßnahmen geben muss. Es gibt eben nicht nur eine absolut richtige Lösung, sondern es gibt eine Fülle von Hilfsangeboten. Diese vorhandenen Hilfsangebo

te beginnen nicht bei der Geburt, sondern sie beginnen bei Themen der Schwangerschaftsverhütung bis letzten Endes zur Adoption und vielleicht auch darüber hinaus noch. Deswegen berichte ich nicht nur über die Situation anonyme Geburt oder Möglichkeit, ein Kind anonym abzugeben, sondern ich berichte auch über das, was in Thüringen flächendeckend und qualitativ hochwertig in diesem System besteht. Hier haben wir ein ineinander greifendes System präventiv ausgerichteter Anlaufstellen, Dienste und Einrichtungen für schwangere Frauen und Mütter in Not- und Konfliktsituationen. Hierzu gehören beispielsweise die 34 Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen in verschiedener Trägerschaft. Darüber hinaus gewährt die Landesstiftung "Nothilfe für die Familie, Hilfe für schwangere Frauen in Not" ergänzende finanzielle Hilfen für werdende Mütter und Familien in Not- und Konfliktsituationen. Ergänzend bieten gemeinsame Wohnformen für Mütter, aber auch für Väter und Kinder Betreuung und Unterstützung für Mädchen und junge Frauen in der Schwangerschaft oder nach der Geburt an, wenn sie aufgrund ihrer Persönlichkeitsentwicklung dieser Hilfe bedürfen. In Thüringen gibt es 12 Einrichtungen dieser Art mit insgesamt 51 Plätzen. Auch die Beratung und Hilfe der Jugendämter zielen darauf, die vorhandenen Eigenkräfte der Eltern oder der Mütter zu aktivieren und zu unterstützen. Eltern oder Alleinerziehende, deren Lebensunterhalt nicht gewährleistet ist, können auf Antrag Hilfe zum Lebensunterhalt und andere Hilfen nach dem Bundessozialhilfegesetz erhalten. Manchmal sind die Lebensverhältnisse im Einzelfall insgesamt jedoch so schwierig und verworren, dass die Betroffenen trotz verschiedener Hilfsangebote von privater oder behördlicher Seite keine Möglichkeit sehen, mit ihrem Kind zusammenzuleben und es auf Dauer selbst zu versorgen und zu erziehen. Sie denken dann möglicherweise an Auswege, die wir alle verhindern wollen.

In solchen Situationen kann sich die Mutter an ihr Jugendamt oder eine Adoptionsvermittlungsstelle ihres Vertrauens wenden. Dort erhalten Betroffene Informationen und Auskünfte in allen mit der Adoption zusammenhängenden persönlichen und rechtlichen Fragen, die selbstverständlich der Diskretion, aber auch, wenn gewünscht, der Anonymität unterliegen. Durch die örtlichen Adoptionsvermittlungsstellen der Thüringer Jugendämter werden leibliche Eltern fachlich qualifiziert beraten und unterstützt, damit sie die Chance auf ein Zusammenleben mit dem Kind gegen die Adoptionsfreigabe gut abwägen können. Sämtliche Informationen - auch dieses noch mal werden vertraulich behandelt und unterliegen natürlich dem Sozialdatenschutz. Auch für die akute Notfall- und Krisensituation gibt es in Thüringen ein umfassendes Angebot an Beratungsdiensten und Einrichtungen. Hierzu gehören so genannte niedrigschwellige Zufluchtstätten sowie Inobhutnahmeeinrichtungen, die in Eil- und Notfällen insbesondere für in Not geratene werdende bzw. junge Mütter gewährleisten. Hierhin gehört auch die Telefonseelsorge in Thüringen. Sie bietet seit Jahren ein qualifiziertes offenes, niedrigschwelliges und anonymes Gesprächsangebot

in Krisensituationen. Das von der Landesregierung geförderte Thüringer Kinder- und Jugendsorgentelefon unterbreitet ebenfalls ein niedrigschwelliges Angebot. Sie werden fragen: Kinder- und Jugendsorgentelefon, hat das mit anonymer Geburt oder mit Geburt überhaupt etwas zu tun? Ja, es können in Sonderheit auch ganz junge Mütter sein, die dieser anonymen Hilfe bedürfen.

Ich erinnere auch an das flächendeckende und plurale Netz von 41 Erziehungs-, Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstellen, die Ratsuchenden in Fragen der Ehe, Familie und bei Problemen der Lebensgestaltung auf Wunsch selbstverständlich auch anonym Hilfe geben. Die Kinderschutzdienste sowie Frauenhäuser und Frauenschutzwohnungen wollen wir nicht vergessen - stehen gleichfalls mit Rat und Unterstützung zur Seite. Auch in den Krankenhäusern, die über geburtshilfliche Abteilungen verfügen, ist aufgrund der ärztlichen Schweigepflicht und des Verfahrens bei der Abrechnung der Kosten über die Krankenkassen bereits jetzt schon die Anonymität der Patientin gewährleistet. Übrigens auch für den Fall, dass eine Schwangere nicht bereit ist, ihre Identität zu offenbaren, darf ihr niemand die ärztliche Hilfeleistung verweigern. Etwas missverständlich könnte heute die Mitteilung in der Zeitung sein, dass ich eine Verordnung erlasse oder sowas Ähnliches. Ich werde keine Verordnung erlassen, sondern ich werde auf diesen Tatbestand hinweisen gegenüber allen Krankenhäusern, dass selbstverständlich eine Pflicht zur medizinischen Hilfeleistung besteht, wenn eine Frau, die kurz vor der Entbindung oder in der Entbindungsphase ist, sich in einem Krankenhaus meldet und dort auch anonym entbinden kann. Ein Krankenhaus, das in einem solchen Fall die Aufnahme verweigern würde, müsste ich sogar konsequenterweise abmahnen.

Meine Damen und Herren, mit dem Vorgenannten habe ich dargelegt, dass ein sehr enges Netz an Hilfs- und Beratungsangeboten besteht, bei dem auch jederzeit die Anonymität in Anspruch genommen werden kann. Meine Damen und Herren, ich mache dieses nicht, um darzustellen, wie intensiv die Landesregierung in den letzten zehn Jahren dafür gesorgt hat, ein solches Netz aufzubauen. Das mag allenfalls ein angenehmer Nebeneffekt sein. Ich mache dieses ausdrücklich, weil wir uns ja in einem gewissen Spagat befinden. Auf der einen Seite soll das Thema "anonyme Geburt" und "Babykorb", so wie es in Erfurt besteht, jeder Frau bekannt sein, wenn sie in eine solche Situation kommt. Auf der anderen Seite möchte ich nicht dafür Werbung betreiben, denn es ist eine Maßnahme, die nur im äußersten Notfall greifen soll. Werbung für dieses wäre sicherlich das Falsche. Aber Werbung für das, was bereits an prophylaktischen Maßnahmen und an Unterstützungsmaßnahmen in Thüringen existiert, dafür mache ich gern Reklame und da bitte ich Sie herzlich, auch diese Reklame weiterzutragen. Ich glaube, jeder Abgeordnete hat die Pflicht, hier auch Informationen weiterzugeben. Und ich sage: Trotz dieser Möglichkeiten, die es gibt in Thüringen, trotz dieses doch sehr umfassenden Netzes gibt es eben vereinzelte Fälle, die dieses um

fangreiche Angebot an Hilfeeinrichtungen nicht nutzen wollen aus den unterschiedlichen Gründen, über dieses Hilfeangebot nicht informiert sind und es deswegen nicht nutzen können und bei denen es dann zu einer, vielleicht für viele nicht nachvollziehbaren Handlung gegenüber dem Kind kommen kann. Und auch für diese wenigen Extremfälle muss ein entsprechendes Hilfsangebot bestehen, das um es noch mal zu sagen - die Hemmschwelle von elterlichen Pflichten nicht absenken soll. Meine Damen und Herren, und deswegen habe ich mich durchaus dafür eingesetzt, dass entsprechende Angebote im akuten Not- und Konfliktfall thüringenweit greifen können, die nach Möglichkeit eine Beratung einschließen. Ich habe dieses bei der letzten Plenardebatte, die wir hier geführt haben, ausdrücklich gesagt. Es gibt sicherlich den einen oder anderen Fall, wo a priori eine Beratung abgelehnt wird. Aber Ziel muss sein, den Frauen Hilfe zu geben auf der einen Seite in dieser prekären Situation, aber auf der anderen Seite ihnen auch Hilfe und Beratung zu geben, damit ihr Problem gelöst werden kann. Für solche Möglichkeiten stehen beispielsweise die Dienste der Telefonseelsorge zur Verfügung, die von jedem Ort aus kostenlose Beratung in Krisensituationen gewährleisten; auch insbesondere für diesen Fall sind sie gewonnen worden. Die geschulten Beratungsfachkräfte im Bereich der Telefonseelsorge können eine weiter gehende fachliche Beratung vermitteln bzw. ein konkretes Hilfsangebot vor Ort aufzeigen. Mit den entsprechenden Trägern sind bereits die Gespräche geführt worden. Will die Hilfe suchende Frau dennoch anonym entbinden, muss natürlich auch dieses flächendeckend möglich sein. In den nächsten Tagen werde ich deshalb noch einmal, ich hatte schon darauf hingewiesen, alle Krankenhäuser darauf hinweisen, dass auf ausdrücklichen Wunsch der Schwangeren eine Geburt unter Wahrung der vollen Anonymität der Schwangeren zu ermöglichen ist. Ich werde eine entsprechende Stelle benennen, welche die Kostenübernahme gewährleistet. Rechtlich ist dieses abgesichert und müsste sonst einer unterlassenen Hilfeleistung entsprechen.

Meine Damen und Herren, einige Probleme, die noch zu lösen sind, Sie wissen es, was das Personenstandsrecht angeht, müssen auf Bundesebene gelöst werden. Man ist auf Bundesebene dort in Gesprächen. Ich habe mich dafür eingesetzt, dass in diesen Fällen eine Stiftung, möglicherweise sogar die Stiftung eines privaten Stifters, die anfallenden Kosten decken wird. Ich denke allerdings auch, dass wir über unsere "Stiftung Nothilfe für Frauen in Not und Nothilfe für Schwangere" diese Kosten übernehmen könnten; wir müssten die Satzung der Stiftung geringfügig ändern, aber das dürfte nicht der Hinderungsgrund sein.