Protocol of the Session on April 5, 2001

Paulus von Husen, einer der Gründerväter der westdeutschen CDU und erster Präsident des Oberverwaltungsgerichts Münster und des nordrhein-westfälischen Staatsgerichtshofs, der sich im Nachkriegsdeutschland für eine "Entfesselung" der dritten Gewalt engagierte, hat die Widersinnigkeit einer derartigen Eingliederung des Justizsystems in die zweite Gewalt derart zu veranschaulichen versucht, indem er dazu aufforderte sich vorzustellen, die Parlamentsverwaltung des Bundestages und der Landtage sei in der Hand der jeweiligen Regierung. Es sei klar, dass hierdurch eine enorme Einflussnahme der Regierung auf die Gesetz gebende Gewalt entstünde. Bei der richterlichen Gewalt sei dagegen die Justizverwaltung in der Hand der Exekutive. Dies hebe den Seinsbestand der dritten Gewalt auf und mache ihn zur Fiktion trotz Anerkennung im Grundgesetz und in den Landesverfassungen. Das Grundgesetz beschränkt sich, anders als die italienische Verfassung, darauf, in Artikel 97 Abs. 2 lediglich die Elementargarantien einer prinzipiellen Unabsetzbarkeit und Nichtversetzbarkeit der Richter zu regeln. Im Übrigen verweist es hinsichtlich der Rechtsstellung der Richter auf die Richtergesetze und überlässt die Entscheidung über die Einführung einer Richterwahl dem Landesgesetzgeber. Der Bundesgesetzgeber erfüllte die ihm gestellte Aufgabe nicht, die richterliche Unabhängigkeit auch institutionell gegenüber der Exekutive durch eine weit gehende Eigenverantwortlichkeit und Mitbestimmung der Richter in personellen und organisatorischen Angelegenheiten abzusichern. Er schreibt den Landesgesetzgebern lediglich ein Minimum an Beteiligungsrechten der Richtervertretungen vor, die weit hinter dem Standard des späteren Bundespersonalvertretungsgesetzes zurückbleiben. Der erste Justizminister des Freistaats Thüringen, Dr. Jentsch, beschränkte sich bekannt

lich darauf, dieses vom deutschen Richtergesetz vorgegebene Minimum an Beteiligungen den Richtern zu gewähren, indem er die seit dem In-Kraft-Treten des deutschen Richtergesetzes im Jahre 1961 erfolgte Entwicklung des Richterrechts in den Altbundesländern konsequent ignorierte. Damit hat Thüringen im Vergleich zu allen anderen Bundesländern bekanntlich das Landesrichtergesetz, das dem Justizminister und der Justizverwaltung den größten Einfluss und den Richtervertretungen den geringsten Umfang an Beteiligungen einräumt. Und, meine Damen und Herren, da bei anderer Gelegenheit die Regierung sehr großen Wert darauf legt, Durchschnitt in der Bundesrepublik zu werden, worüber man ja auch streiten kann, wäre es aber hier angebracht, wenigsten den Durchschnitt anzustreben, denn es wäre ein Meilenstein in die richtige Richtung.

(Beifall bei der PDS)

Hinsichtlich der Thüringer Verfassungsvorschrift, die die Richterwahl betrifft, ist zum einen bemerkenswert die zwingende Vorgabe, dass der Justizminister bei der vorläufigen Anstellung der Richter allein entscheidet, was jede abweichende Regelung im Landesrichtergesetz ausschließt, zum anderen aber die Eigenwilligkeit, mit der der ehemalige Justizminister Dr. Jentsch die Verfassungsbestimmung interpretierte, nach der der Richterwahlausschuss bei der Berufung der Richter auf Lebenszeit zu beteiligen ist. "Berufung auf Lebenszeit" umfasst seinem Wortlaut nach jede Übertragung eines Richteramts, damit nicht nur die erstmalige Übertragung eines Richteramts, sondern auch jede Übertragung eines anderen Richteramts, wie in den Fällen der so genannten Beförderung und der Versetzung. Von diesem Verständnis geht auch der an den Beratungen des im Verfassungsausschuss als Sachverständiger der F.D.P.-Fraktion beteiligte Dr. Jutzi aus. Hätten die Mitglieder des Verfassungsausschusses die Beteiligung lediglich auf den Fall der erstmaligen Berufung in ein Richteramt beschränken wollen, so hätten sie den Begriff "Anstellung" gewählt, der beamtenrechtlich ausschließlich den Fall der erstmaligen Übertragung eines Amts bezeichnet. Dr. Jentsch meinte nun aber, Artikel 89 Abs. 2 Satz 1 entgegen seinem Wortlaut auf den Fall der erstmaligen Berufung in ein Richteramt einschränkend interpretieren zu können und dies, meine Damen und Herren, ist die gegenwärtige Rechtspraxis. Das Ergebnis ist so betrachtet, dass die Regelungen über die Richterwahl im geltenden Thüringer Richtergesetz der geltenden Thüringer Verfassung zuwiderlaufen.

Für eine Neuregelung des Artikel 89 Abs. 2 Satz 1 gibt es aus meiner Sicht drei Lösungen:

Erstens: Man könnte Artikel 89 Abs. 2 komplett streichen, dann wäre es dem Einfachgesetzgeber überlassen, einen Richterwahlausschuss vorzusehen und den Umfang seiner Zuständigkeit zu regeln. Die Verfassung schließt das nicht aus, weil die Bestimmung des Artikel 78 Abs. 1 der Verfassung, wonach der Ministerpräsident die Beamten

und Richter des Landes ernennt und entlässt, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, einen Gesetzesvorbehalt vorsieht, der es dem Gesetzgeber gestattet, die Zuständigkeit auf andere Organisationseinheiten wie etwa auch einen Richterwahlausschuss zu übertragen.

Die zweite Lösung wäre, eine Zuständigkeit nur hinsichtlich der Berufung in ein Richterverhältnis vorzusehen und im Übrigen es dem Gesetzgeber zu überlassen, die Zuständigkeit des Richterwahlausschusses auch auf die vorläufige Anstellung der Richter zu erstrecken.

Die dritte Lösung, meine Damen und Herren, ist nun die von uns vorgeschlagene, die eine Zuständigkeit bei jeder Berufung in ein Richteramt auf Lebenszeit und bei der Berufung zum Richter auf Probe vorsieht. Die Vorbeugung der Gefahr, dass für das Richterverhältnis ungeeignete Personen aus sachfremden Gründen, die der Exekutive nützlich erscheinen, ernannt werden und der Schutz davor, dass die Exekutive durch die Ernennungspraxis sich ihr willfährige und angepasste Richter schafft, ist für die Unabhängigkeit der dritten Gewalt von solcher Tragweite, dass bereits auf Verfassungsebene die weitestgehende Zuständigkeit des Richterwahlausschusses festgeschrieben werden sollte.

Meine Damen und Herren, da meine Vorredner bereits darauf hingewiesen haben, dass wir über die Einzelheiten der von uns beabsichtigten Änderung des Richtergesetzes im Justizausschuss zu reden haben, gestatten Sie mir, es bei diesen Grundsätzen zunächst bewenden zu lassen. Es sind diese Eckpunkte, die wir kritisieren und die unseren Entwurf von der gegenwärtigen Rechtslage unterscheiden.

Meine Damen und Herren Abgeordneten, lassen Sie uns über Details streiten, aber lassen Sie uns bitte einig sein in dem Ziel, einen Schritt zu gehen in Richtung Stärkung der Autonomie der Richterschaft und damit Stärkung der dritten Gewalt. Danke.

(Beifall bei der PDS; Abg. Gentzel, SPD)

Das Wort hat Justizminister Dr. Birkmann.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, von den Abgeordneten Dittes und Dr. Koch ist ganz in den Vordergrund gestellt worden für die Begründung der vorgelegten Gesetzentwürfe, für den Anlass, die richterliche Unabhängigkeit zu stärken. Und das, was Sie, Herr Dr. Koch, angeführt haben, nämlich die Abhängigkeit von Beförderungen und richterlicher Unabhängigkeit, meine ich, sei etwas, was man fast schon als eine Zumutung gegenüber unseren Richtern und Staatsanwälten empfinden kann. Ich möchte hier ausdrücklich betonen, un

sere Richter und Staatsanwälte sind unabhängig und gut.

(Beifall bei der CDU)

Letzteres kann man meines Erachtens von Ihrem Entwurf beim besten Willen nicht sagen. Ich will auch sagen, warum man das nicht behaupten kann; weil er auf der einen Seite aktionistisch wirkt, auf der anderen Seite oberflächlich ist und drittens auch inhaltlich fehlgeht. Aktionistisch deswegen: Sie wissen, das Justizministerium hat, nachdem mein Vorgänger nach fünf Jahren einen Entwurf nicht bis ins Kabinett gebracht hat,

(Beifall bei der CDU)

(Zwischenruf Abg. O. Kretschmer, SPD: Bleiben Sie mal bei der Wahrheit - nur einmal!)

bereits im November vergangenen Jahres einen solchen Entwurf erstellt. Herr Abgeordneter Ketschmer, ich weiß, Sie haben schon einmal bei einer Pressekonferenz vor kurzem die Backen sehr weit aufgeblasen, nur es kam kein Ton.

(Beifall bei der CDU)

Ich bin schon sehr gespannt, wie Sie, wenn denn - ich weiß nicht wann - ein Entwurf aus dem Aktendeckel entschwinden wird, ein Gesetzentwurf der SPD, wenn Sie sich heute hier voll hinter den Entwurf der PDS gestellt haben, diesen Spagat zu dem, was Sie einmal erarbeitet haben, zu dem, was jetzt gefordert ist, begründen werden. Denn das, was jetzt die PDS fordert, war bisher oder in der Vergangenheit nicht die Vorstellung meines Vorgängers im Amt. Aber damit brauchen wir uns heute nicht zu befassen, das können wir tun, wenn es denn soweit ist. Ich freue mich schon auf die Auseinandersetzung. Wir werden uns Stück für Stück alles anschauen.

Ich sagte, im November vergangenen Jahres haben wir einen Referentenentwurf - nach einem Jahr, nicht nach fünf Jahren, nach einem Jahr - erarbeitet, der im Übrigen in wesentlichen Punkten weitgehender ist als das, was mein Vorgänger erarbeitet hatte. Wir haben diesen Entwurf den Richter- und Staatsanwaltvertretungen und den berufsständischen Verbänden zur Stellungnahme zugeleitet. Auf Wunsch der Verbände ist die Einreichungsfrist für deren Stellungnahme bis zum 1. März diesen Jahres verlängert worden. Inzwischen liegen die Stellungnahmen vor und wir haben sie ausgewertet. Wir werden den Verbänden und Räten in der 16. und 17. Kalenderwoche, das heißt also die beiden Wochen nach Ostern, Gelegenheit zur mündlichen Erörterung geben. Dann ist beabsichtigt, Anfang Mai den Gesetzentwurf ins Kabinett zu bringen und noch vor der Sommerpause - das ist jedenfalls die Absicht des Justizministers - ihn hier in den Landtag einzubringen.

Ich denke, diese Verfahrensweise dient dem Zweck, ein so sensibles - und da stimme ich mit Ihnen überein Vorhaben wie die Überarbeitung des richterlichen Standesrechts auf der Basis eines möglichst breiten Konsens zu erörtern und vielleicht auch zu regeln. Ziel ist jedenfalls eine ausgewogene gesetzliche Neuregelung, die den Interessen der Richter und Staatsanwälte Rechnung trägt, etwa an einer Mehrung der Teilhabe an Verwaltungsentscheidungen, ebenso dem öffentlichen Interesse an einer effizienten, handlungsfähigen und unabhängigen Justiz Rechnung trägt.

Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich betonen, dass ich Wert darauf lege, dass nach Möglichkeit ein Konsens geschaffen wird mit den Richtervertretungen und den Richterräten, insbesondere - das muss ich an dieser Stelle auch einmal sagen - mit dem Deutschen Richterbund. Wir werden dann sehen, dass es wahrscheinlich Punkte gibt, in denen wir doch übereinstimmen. Jetzt werden Sie fragen: Wo drückt sich der Aktionismus sonst noch aus?

(Zwischenruf Abg. Dittes, PDS: Nicht sonst noch, sondern überhaupt!)

Ich habe Ihnen doch gesagt, der ist mit heißer Nadel gestrickt. Ich will Ihnen das gerne an zwei Beispielen dartun. Ich nehme einmal Ihren Entwurf, den ich sehr gründlich gelesen habe. Da heißt es auf Seite 2: "Die Bestimmung des § 84 Abs. 2 Satz 2 Thüringer Richtergesetz, wonach in Personalangelegenheiten der Generalstaatsanwalt geborenes Mitglied des Hauptrichterrats ist...". Also an diesem Satz stimmt so gut wie alles nicht. Es ist nicht der § 84 Abs. 2 Satz 2, sondern es ist der Satz 3 und dass der Generalstaatsanwalt Mitglied des Hauptrichterrats ist, bringt ein Novum, er ist höchstens ein Mitglied des Hauptstaatsanwaltsrats. Das ist ein Beispiel, wie Ihnen auf die Schnelle Fehler unterlaufen.

Ich will Ihnen ein weiteres Beispiel dafür nennen, dass Sie diesen Gesetzentwurf mit heißer Nadel gestrickt haben. § 13 Abs. 1 Ziffer 4 Ihres Entwurfs sieht vor, dass der Richterwahlausschuss zu beteiligen sei bei der Berufung zum Beamten auf Probe für eine spätere staatsanwaltliche Tätigkeit. Das ist nicht zutreffend, denn in Thüringen ist es gar nicht zulässig, dass die Probezeit von Staatsanwälten im Status eines Beamten auf Probe zu absolvieren ist, sondern er ist Richter auf Probe. § 82 des Thüringer Richtergesetzes bestimmt nämlich, dass derjenige, der später zum Staatsanwalt auf Lebenszeit ernannt werden soll, die Probezeit nur als Richter auf Probe ableisten kann. Den § 82 haben Sie nicht angefasst. Sie sehen, die elementaren Dingen, die Sie verändern wollen, haben Sie - und das wollte ich Ihnen mit Aktionismus umschreiben und nicht etwa, dass Sie das nicht erkannt haben, Sie haben auf die Schnelle nicht gesehen, dass man diese Dinge dann auch wirklich gründlich erarbeiten muss.

Aber auch im Inhaltlichen erscheint mir Ihr Entwurf nicht gut, und zwar in materieller Hinsicht. Erlauben Sie mir, Ihnen dies an drei Beispielen exemplarisch darzutun. Sie wollen die Verfassungsänderung. Wie schon erwähnt, sehen die Entwürfe Erweiterungen der Zuständigkeiten des Richterwahlausschusses vor. Und von Montesquieu nach Thüringen zurückgekehrt, Herr Abgeordneter Dr. Koch: Der Richterwahlausschuss hier in Thüringen, unsere Regelung hier in Thüringen, die kann sich schon sehen lassen.

(Beifall bei der CDU)

Ich will Ihnen das gerne auch im Bundesvergleich dartun, denn Sie wollen ja suggerieren, als seien wir im Bundesvergleich rückständig.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, PDS: Das ist eine Tatsache.)

Nein, das ist nicht richtig. Ich will Ihnen das jetzt dartun.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, PDS: Das sagen die Richter.)

Sagen die Richter, ja, das haben die Ihnen gesagt, Herr Ramelow, aber Sie sind doch sonst ein kritischer Mensch, Sie übernehmen doch nicht alles. Sie haben es Ihnen auch nicht gesagt, es mag der eine oder andere Richter Ihnen gesagt haben, der das gern gehört hat, aber die Richter haben Ihnen das nicht gesagt. Ich habe ja die Stellungnahme der Richter vorliegen, die haben das nicht gesagt.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, PDS: Das ist Herrschaftswissen!)

Artikel 98 lässt es zunächst einmal den Ländern frei, ob sie bei der Richterernennung überhaupt die Beteiligung eines Richterwahlausschusses vorsehen. Dem entsprechend haben sieben Bundesländer auf die Einrichtung von Richterwahlausschüssen ganz verzichtet, und zwar immerhin Nordrhein-Westfalen - seit 1980 mit absoluter Mehrheit von der SPD regiert -, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, um Ihnen einige zu nennen. Das sind schon sieben, mit dem Durchschnitt wird es schwierig. Eine Beteiligung des Richterwahlausschusses bei der Ernennung der Richter auf Probe bzw. kraft Auftrags sehen nur vier bzw. bei Beförderungsentscheidung fünf Länder vor. Zuständigkeiten des Richterwahlausschusses bei der Berufung in ein Staatsanwaltsamt kennt schließlich keines der Länder. Jetzt mögen Sie mir bitte noch mal dartun, wie wir bei diesen Zahlen und Inhalten, dort, wo etwas geregelt ist, in Thüringen unter dem Durchschnitt liegen. Ich meine, und ich kann das ja sagen, ich habe es ja nicht zu verantworten, sondern es hat der Landtag zu verantworten, der dies so geschaffen hat in der 1. Legislaturperiode. Ich finde, er hat es gut geschaffen, denn er hat eine ausgewogene Regelung gefunden, einen Mittelweg, indem er die Ernennung von Richtern auf Lebens

zeit zum Gegenstand der Befassung des Richterwahlausschusses gemacht hat. Gesetzgeberischer Handlungsbedarf erscheint mir deswegen unter diesem Aspekt insoweit mehr als fragwürdig, insbesondere auch, Herr Abgeordneter Dr. Koch, unter dem Aspekt schon der Beteiligung bei der Einstellung des Richters auf Probe. In aller Regel ist der junge Assessor, der sich um die Einstellung als Proberichter bewirbt, beruflich ein unbeschriebenes Blatt. Er kommt aus der Referendarzeit, er kommt von der Universität, er hat zwei Examensnoten. Ich verstehe beim besten Willen nicht, dass dazu wirklich die Einberufung eines parlamentarischen Gremiums notwendig ist, um das beurteilen zu können, ob man ihn auf Probe beschäftigen kann. Ich glaube, auf die Idee käme im sonstigen Bereich niemand, so etwas zu fordern. Es sei denn, und das ist meine Sorge, meine Damen und Herren von der PDS, die auch in dem ganzen Entwurf durchschimmert, nämlich, dass ein politisches Votieren erwünscht ist, bei dem es dann weniger auf die fachliche Eignung ankommt als vielmehr auf die richtige Parteizugehörigkeit des Bewerbers. Eine derartige Politisierung der Richterschaft hält die Landesregierung indessen nicht für wünschenswert.

(Beifall bei der CDU)

Sie wäre mit unserem rechtsstaatlichen Richterbild des Grundgesetzes und unserer Thüringer Verfassung schwerlich vereinbar.

Ich will Ihnen ein weiteres Beispiel dartun, denn Sie haben ja darum gebeten, dies Ihnen im Einzelnen hier zu belegen, weshalb ich davon ausgehe, dass Ihre Entwürfe unausgewogen sind. Und zwar schaue ich einmal auf die vorgeschlagene Neuregelung zur Beteiligung der Richterräte. Das gilt dann insbesondere, soweit in diesen Vorschlägen sogar die Standards des Thüringer Personalvertretungsgesetzes noch übertroffen werden. Aus gutem Grund ist der Richter wie kein anderer Bediensteter im öffentlichen Dienst mit einer sehr umfänglichen sächlichen und persönlichen Unabhängigkeit ausgestattet, die den Gestaltungsspielraum der Verwaltung weit gehend beschränkt. Daraus haben Sie die Schlussfolgerung gezogen, nun könnte man auch alles anwenden, was im Personalvertretungsrecht gilt. Genau das Gegenteil ist der Fall, denn daraus folgt auch, dass die Schutzbedürftigkeit der Richter gegen Maßnahmen der Justizverwaltung in mancherlei Hinsicht wesentlich geringer ausfällt als diejenige der Beamten und Arbeitnehmer, weil sie ja sehr viel freier sind, weil die Dienstaufsicht - ich weiß ja, wovon ich rede nicht in dem Maße gegeben ist. Die Beteiligungstatbestände des Personalvertretungsgesetzes sind nach Auffassung der Landesregierung deshalb vor einer Übernahme in das Richtergesetz sehr sorgfältig auf ihre Kongruenz mit der betroffenen Rechtsstellung der Richter zu untersuchen. Deshalb ist es für den Justizminister ganz unverständlich, wenn Sie in dem PDS-Entwurf in typisch personalvertretungsrechtlichen Angelegenheiten die Beteiligungen der Richter noch über die der Beamten hinaus angewendet wissen wollen. Exemplarisch weise ich hier auf die Be

teiligung bei der Einführung von Maßnamen der technischen Rationalisierung hin. Während das Personalvertretungsgesetz hier lediglich die so genannte unechte Mitbestimmung vorsieht, soll für die Richterschaft nach dem Willen der Fraktion der PDS die volle Mitbestimmung notwendig sein.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, PDS: Da gab es Gründe für.)

Ähnliches gilt für die Ablehnung eines Antrags auf Teilzeitbeschäftigung, Ermäßigung der Arbeitszeit oder Urlaub. Ich frage mich: Warum diese Ungleichbehandlung?

Lassen Sie mich ein drittes Beispiel noch nennen, danach kommen keine weiteren mehr: Das muss man hier erwähnen, den so genannten Justizrat. Man fühlt sich in der Tat vom Begriff her schon wirklich in die gute alte Zeit versetzt. Sie möchten gern einen Justizrat schaffen, also eine bei dem Justizministerium angesiedelte Stufenvertretung der Richterräte.

Meine Damen und Herren, ich hatte immer gedacht, dass Sie sich auch in hohem Maße von praktischer Notwendigkeit bei Reformvorschlägen leiten lassen. In der fast auf den Tag genau siebenjährigen Praxiserfahrung mit dem Thüringer Richtergesetz in der geltenden Fassung hat es sich bisher nicht als nachteilig erwiesen, dass bei beteiligungspflichtigen Angelegenheiten, die die Richterschaft mehrerer Gerichtsbarkeiten, denn darauf läuft ja der Justizrat hinaus, die er zusammenfassen soll, wenn sie betroffen sind, auch mehrere Hauptrichterräte durch das Justizministerium zu beteiligen sind. Im Gegenteil, so ist sichergestellt,...

(Zwischenruf Abg. Dr. Koch, PDS: Nein, hier geht es um Angelegenheiten, die alle Richter betreffen. Das ist ein Unterschied.)

Nein.

(Zwischenruf Abg. Dr. Koch, PDS: Ja, natür- lich,...)

Nein. Im Gegenteil, so ist sichergestellt, dass die Interessen der einzelnen Gerichtsbarkeiten, die durchaus nicht immer identisch sein müssen mit denen aus anderen Bereichen, ungefiltert zu dem Ministerium durchdringen können. Die Schaffung eines weitere Gremiums würde die Eigenverantwortlichkeit der Hauptrichterräte und die Unmittelbarkeit der Zusammenarbeit schwächen und zudem der Verschlankung der öffentlichen Verwaltung entgegengerichtet sein.

Meine Damen und Herren, ich habe eben gesagt, ich habe Sorge, dass in Ihrem Entwurf insgesamt sehr viel Politik durchschimmert, und das möchte ich an sich nicht haben, dass unsere Richter und Staatsanwälte politisiert werden können.