Und viertens, das wäre dann sozusagen das Signal zum Aufbruch in die Zukunft für Sie, vielleicht würden Sie dann auch wieder Rückenhalt im Land gewinnen und könnten Ihre verschiedenen Flügel hinter sich einigen, Herr Gentzel: Stimmen Sie uneingeschränkt dem Vorschlag des Ministerpräsidenten zu, gehen Sie damit zum Medienkanzler und sagen Sie, Herr Bundeskanzler, tun
Sie was für uns im Osten, die Schere geht auseinander, wir haben das erkannt, es hat länger gedauert, aber jetzt wissen wir es. Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir wollten uns heute darüber unterhalten, ob es notwendig und ob es möglich ist, ein Aufholprogramm für die neuen Bundesländer auf den Weg zu bringen. Der Ministerpräsident hat darum gebeten oder angekündigt, dieses nach Möglichkeit ohne politische Vorbehalte und ohne Polemik quer durch alle Parteien tun zu wollen.
Ich hätte es fast geglaubt, aber nach der Rede, nach der Brandrede von Herrn Althaus bin ich eines Besseren belehrt worden. Ich hatte wirklich geglaubt, wir sind in der Lage, in Anstand und Würde über ein derartiges Programm zu sprechen. So naiv kann man noch sein
nach elf Jahren Praxis hier in diesem Haus. Wie dem auch sei, Herr Althaus, es läuft ja immer nach dem gleichen Strickmuster ab. Erst kriegen wir eine drauf, dann Sie und dann Sie und dann wieder wir und zuletzt mit geballter Kraft, mit der Drahtkeule noch einmal der Bund. Ich möchte Ihnen nur einen Satz vortragen, Herr Althaus, und dann lasse ich das, was Sie gesagt haben. Ich will mich bemühen dann sachlich zu sein. Es steht geschrieben auf der 24. Regionalkonferenz der Regierungschef der ostdeutschen Länder am 15. November 2000 in Magdeburg - er war dabei - unter Punkt 2: Die Regierungschef der ostdeutschen Länder würdigen die beachtlichen Erfolge beim Aufbau der Infrastruktur in den ostdeutschen Ländern durch die solidarische Hilfe des Bundes und der westdeutschen Länder.
Sie stellen fest, dass Bund und Länder den Aufbau-Ost auch nach dem Jahre 2004 als gesamtstaatliche Aufgabe und zentrales Element der solidarischen bundesstaatlichen Finanzpolitik anerkennen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, der eine spricht so und der andere so. Ich möchte das ganz einfach im Raum stehen lassen und mich auf wenige
Entschuldigung, Herr Kretschmer, dass ich Sie unterbreche - Bemerkungen, die Herr Gentzel schon vorgebaut hat, beschränken. Einige Bemerkungen zum Zeitpunkt des Programms.
Erster Punkt: Dass wir uns nicht über die Bewertung von Wirtschaftsindikatoren streiten, hätte ich eigentlich für gegeben gehalten. Der eine sieht sie optimistischer, der andere pessimistischer. Ich versuche das realistisch zu sehen. Ich weiß um die Leistungen unserer neuen Bundesländer, hier an diesem Pult mehrfach bekannt und dargestellt, aber ich weiß auch - und das wissen Sie auch, der eine sagt es deutlich und der andere weniger deutlich, die Wirtschaftsforschungsinstitute sagen es, die Helaba hat es erst kürzlich gesagt -, der Konvergenzprozess ist zu Ende; er ist zumindest zum gegenwärtigen Zeitpunkt zu Ende gekommen. Nun kann man darüber denken, wie man will. Ich denke, überschäumender Optimismus ist in dieser Frage nicht angebracht und Pessimismus auch nicht. Ich glaube, man sollte es realistisch sehen. Wir sind bei vielen Wirtschaftsindikatoren sicherlich in Thüringen hervorragend. Sie wissen das, ich weiß es auch. Aber ich weiß auch um die Defizite und die sollte man realistischerweise benennen, die da wären das Bruttoinlandsprodukt pro Erwerbstätigen, aber auch pro Einwohner, die Arbeitsproduktivität. Natürlich sind wir beim Export, bei der Exportquote und auch auf dem Arbeitsmarkt die Besten. Das ist auch gut so. Im Grunde genommen ist die Tatsache feststehend, so, wie wir jetzt in unseren Wirtschaftsentwicklungen vorankommen, wird ein Aufholprozess zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht möglich sein. Das ist der erste Punkt.
Der zweite Punkt: Ist es denn taktisch klug, muss man sich fragen, zum gegenwärtigen Zeitpunkt, wenn die Verhandlungen zum Solidarpakt II anstehen und zum Länderfinanzausgleich anstehen, über ein weiteres Programm zu sprechen? Das wäre taktisch unklug, aber ich räume ein, dass es zu diesem Zeitpunkt notwendig ist, über ein Programm zu reden, ganz einfach deshalb, weil wir im Grunde genommen einer stärkeren finanziellen Unterstützung bedürfen, zumindest bis 2004. Was dann passiert, wird hoffentlich dem Verhandlungsgeschick der neuen Bundesländer überlassen bleiben.
Dritter Punkt: Den Offenbarungseid von Herrn Dr. Vogel gerade jetzt zu leisten, halte ich für fatal. Jetzt zu leisten, meine ich damit, Ihre Bemerkung, die Sie bei jeder passenden Gelegenheit hier verkünden. Wir wollen Zahlerland werden, das will ich auch, das möchte jeder von uns, aber man darf es nicht dauernd betonen. Wir werden in den
nächsten Jahren kein Zahlerland sein, Herr Dr. Vogel, wir werden es gar nicht sein können. Das ist doch realistisch, das zu sagen, also dann lassen wir es doch. Das erschwert im Übrigen auch die Verhandlungsposition zum Solidarpakt II und beim Länderfinanzausgleich.
Das war zum Zeitpunkt, zum Verwendungszweck. Unsere Defizite, die wir hier in den neuen Bundesländern, natürlich auch in Thüringen, haben, die kennen wir alle. Ich glaube, auch da ist eine Einigkeit in diesem Haus durch die Bank und durch alle Reihen. Die sind infrastruktureller Art selbstverständlich und die sind investiver Art, was die öffentliche Nachfrage anbelangt, da haben wir Einfluss. Was die privaten Investitionen anbelangt, die lassen sich möglicherweise durch eine Verbesserung der Infrastruktur lösen. Das ist völlig klar.
Zur Finanzierung: Herr Dr. Vogel, Sie sind geschickt genug gewesen, bei den Finanzierungsangaben, die Sie gemacht haben, nicht von der Ausgabenseite im Bundeshaushalt heranzugehen, sondern von der Einnahmeseite. Das ist geschickt und ich gestehe Ihnen zu, dass jeder, der einen derartigen Vorschlag macht, schon Vorschläge machen kann und dass man verantwortungsbewusst über diese Vorschläge nachdenken muss. Das räume ich ein, das konzediere ich im Gegensatz zu Herrn Althaus, der von vornherein ein Programm, was die SPD vorschlägt, als begleitendes Programm ablehnt.
(Zwischenruf Abg. Althaus, CDU: Nein, das Programm nicht, die Finanzierung. Das haben Sie auch falsch verstanden.)
Ich komme schon noch dazu. Es wäre mutig gewesen, zu sagen, erstens, das habe ich merkwürdigerweise in einer ganz anderen Leseart hier gehört, eine Angleichung der Lebensverhältnisse Ost und West ist und bleibt eine Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Ländern, lesen Sie Artikel 91 a des Grundgesetzes nach.
Aber natürlich, ich meine, Sie haben von Infrastrukturinvestitionen geredet. Das ist auch richtig, das sollte man machen, aber es ist und bleibt eine Gemeinschaftsaufgabe - aber sicher.
Es wäre mutig gewesen, Herr Dr. Vogel, eine abgestimmte Vorgehensweise aller neuen Bundesländer herbeizuführen. Es ist doch nicht ein Programm "Dr. Vogel". Es muss ein Programm der neuen Bundesländer sein, anders wird es nicht gehen.
Es wäre mutig gewesen, man kann auch darauf verzichten, dieses Programm auch vor vier Jahren schon gefordert zu haben oder vor drei oder vor zwei oder vor einem Jahr.
Nein, nicht 20. Ich bitte Sie schon die Diskussion ernsthaft zu führen. Sie hatten es doch vorhin angeboten. Seit 1997 haben wir die Situation hinsichtlich der wirtschaftlichen Daten und das wissen Sie auch.
Es wäre mutig gewesen, Herr Dr. Vogel, von sich aus zu sagen, die von anderen geforderten Mittel mit Eigenmitteln des Landes, soweit das geht und angemessen ist, auch zu unterstützen. Aber davon habe ich nichts, leider nichts gehört, in der Vergangenheit nicht und heute wieder nicht.
Gestatten Sie, Frau Präsidentin, dass ich einen Satz vom Grafen Zieten, zumindest wird es dem zugeschrieben, zitierte - mit Ihrer Erlaubnis, es ist nämlich ein bisschen problematisch. Der hat gesagt: "Es ist leicht, auf fremdem Arsch durchs Feuer zu reiten." Das hat der Graf Zieten gesagt oder soll er gesagt haben.
So ist mir das vorgekommen. Selbstverständlich, Herr Dr. Vogel, ich beruhige Sie, auch wenn Ihr Herr Althaus gesagt hatte, wir hätten uns in unserer Auffassung geändert. Ich begrüße jede - die SPD-Fraktion, nicht nur ich - zusätzliche Mark, die wir bekommen werden im Rahmen eines Hilfsprogramms, eines Sonderprogramms, eines Konsolidierungsprogramms, jede zusätzliche Mark. Selbstverständlich haben wir einem möglichen Finanzierungsschub, der da kommen könnte, wenn er denn kommt, ein eignes Landesprogramm zur Seite zu stellen, weil, was anderen zugemutet wird, auch uns selbst zugemutet werden darf, weil wir damit erst glaubwürdig erscheinen, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Ich möchte meine wenigen Bemerkungen damit beenden und Ihnen sagen, was wir erwarten, und zwar auch mittelfristig erwarten. Wir erwarten, dass die Finanzausstattung nach dem Jahr 2004 mindestens genauso hoch ist, wie sie bisher war. Das betrifft natürlich den Solidarpakt II, also die Anschlussregelung und es betrifft den Länderfinanzausgleich, was übrigens bis heute noch nicht geklärt ist, vielleicht auch noch nicht geklärt sein kann, es gibt zumindest noch keine definitiven Regelungen dafür. Wir erwarten Übergangsregelungen als Hilfsprogramm für den Osten und da sind wir uns wohl einig. Wir brauchen bis zum Jahr 2004 eine Übergangsregelung, wie Sie es auch immer nennen, um diesen Schub herzustellen und, ich glaube auch, es ist notwendig so. Wir brauchen drittens, und das ist das Wesentliche, in dem wir uns zumindest heute unterschieden haben, ein angedocktes Landesprogramm als Beweis, dass wir es ernst meinen.
Wenn da heute keine Bereitschaft erkennbar ist, dann sind die Forderungen des Ministerpräsidenten Dr. Vogel im Grunde genommen eine Farce und werden möglicherweise auch von anderen Bundesländern so wahrgenommen. Ich will es noch einmal klar sagen: Ja, wir begrüßen ein zusätzliches Programm für die neuen Bundesländer dann, wenn es zwischen den neuen Bundesländern und der Bundesregierung abgestimmt wird.
Nein, nein. Die Aussichten dafür, Herr Dr. Vogel, sind so schlecht nicht, aber es darf nicht das Privatprogramm des Herrn Dr. Vogel sein. Es muss das Programm der neuen Bundesländer sein.