Protocol of the Session on December 19, 2000

(Beifall bei der CDU)

Bei der Behördenstrukturreform haben wir in dieser Richtung schon einiges auf den Weg gebracht. Es fehlt uns, meine Damen und Herren, weder an Kraft und Mut noch an Entschlossenheit, auch Tabus anzugehen und heilige Kühe zu schlachten und es nützt nichts, Herr Abgeordneter Pohl, wenn man drei Herzen in seiner Brust hat, wenn es eben nur Hasenherzen sind, das reicht nicht aus.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, wir haben Freiräume, die wir stärker nutzen müssen, auch und gerade, um unsere Spielräume für die Zukunft zu schaffen. Dabei ist natürlich klar, dass wir hier an so manche Ecke und Kante stoßen werden, die Diskussionen im Lande zeigen es uns ja. Wir sind aber nicht gewählt, meine Damen und Herren, um untätig zu bleiben und uns auszuruhen, sondern um dieses Land nach vorn zu bringen und den Menschen Zukunftschancen zu bieten und das werden wir mit den Mitteln, die dem Innenminister zur Verfügung stehen, auch tun. Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Herr Innenminister, lassen Sie noch eine Frage zu?

(Zwischenruf Abg. Schwäblein, CDU: Hasenherz fragt Eisenherz.)

(Beifall bei der CDU)

Großer Bruder Dreiherz

Ich möchte die Herzen jetzt nicht bewerten. Herr Innenminister, ich habe zwei Fragen, um noch mal zurückzugehen zum Einzelplan 03. Erstens die Frage, wie viel Überstunden schiebt denn die Polizei zum gegenwärtigen Zeitpunkt vor sich her? Und eine zweite Frage, ich hatte vorhin gedacht, es kommt eine Antwort. Wie bewerten Sie diese Aussage, in der PD Suhl 60 Beamte einzustellen für die neue Autobahnpolizei, trotzdem keine neue Stellen eingestellt werden?

Also lassen Sie mich bitte mit dem Letzten beginnen. Ich weiß ja nicht, wie diese Nachricht zu Ihnen gekommen ist, denn Sie waren ja leider in Suhl nicht dabei. Diese 60 neuen Stellen werden wir durch eine effizientere Strukturierung in der Thüringer Polizei erreichen und ich werde Ihnen demnächst erzählen, wie wir das machen.

(Beifall bei der CDU)

Zweitens, was die Überstunden der Polizei betrifft, das ist ein Dilemma, was uns schon seit Jahren begleitet. Wir prüfen momentan neue Arbeitszeitmodelle, die uns den Überstundenberg konsequent abbauen helfen. Ich bin guter Dinge, dass wir das entsprechend auch bewerkstelligen und wir werden Ihnen dieses Modell im Innenausschuss zu gegebener Zeit vorstellen können und dann werden Sie diese Fragen nicht mehr stellen müssen, Herr Kollege Pohl.

(Zwischenruf Abg. Pohl, SPD: Konkret wollte ich die Zahl wissen.)

Ja, wissen Sie, ich weiß nicht, was auf dem Überstundenkonto meiner Polizistinnen und Polizisten steht, das kann ich Ihnen nicht genau sagen. Herr Kollege Pohl, das wüssten Sie sicher auch nicht, wenn Sie an meiner Stelle stünden.

(Zwischenruf Abg. Pohl, SPD: Die Zahl ist aber schon zweimal angekündigt worden.)

Vielen Dank, Herr Minister Köckert. Die Landesregierung hat ihre Redezeit um etwa sechs Minuten überzogen, aber ich weise Sie ausdrücklich darauf hin, dass die Fraktionen nicht verpflichtet sind, diese Redezeit dann auch noch auszunutzen. Also ich sehe jetzt weiter keine Wortmeldungen. Wir können den Einzelplan 03 - Innenministerium - und den Einzelplan 19 - Förderung des Wohnungsund Städtebaues - abschließen.

Wir kommen zum Einzelplan 04 - Kultusministerium sowie Artikel 1 und 2 des Haushaltsbegleitgesetzes 2001/2002.

Als Erster hat sich Herr Abgeordneter Huster zu Wort gemeldet. Bitte schön, Herr Abgeordneter Huster.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn man den bundesweiten Trend, mit Ausnahme Thüringens wohlgemerkt, in der Bildungspolitik betrachtet, glaubt man, es sei um diese gar nicht schlecht bestellt. Die rotgrüne Bundesregierung zeigt stolz auf die Anhebung der Forschungsmittel. Die Länder, außer Thüringen, beginnen die Zahl der Lehrerstellen leicht wieder anzuheben. Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Hessen buhlen dabei um Lehrerinnen und Lehrer, insbesondere aus den neuen Bundesländern. In Bayern steigt der Etat für den Bildungs- und Hochschulbereich erneut in Größenordnungen. Übrigens gerade mit diesem längerfristig eingeschlagenen Weg der gezielten Bildungsinvestition hat unser Nachbar im Süden einen Weg aus der Schuldenfalle gefunden. Dennoch kämpfen wir im gesamten Deutschland um den internationalen Anschluss. Zu diesem Anschluss an internatio

nales Niveau und für die Zukunft des Freistaats Thüringen hätte die hiesige Landesregierung mit einem Doppelhaushalt durchaus wichtige Beiträge leisten können. Doch das, was im Bildungsbereich mit dem Einzelplan 04 vorgelegt wurde, ist Lichtjahre von einer progressiven Weichenstellung entfernt und der Abstand dazu vergrößert sich zunehmend.

Es steht jedoch außer Frage, dass die Gesellschaft einen steigenden Beitrag von Bildung und Wissenschaft zur Lösung wirtschaftlicher, sozialer, ökologischer und kultureller Probleme benötigt. Ohne eine Aufwertung der Bildungsund Wissenschaftspolitik, ohne eine politische Entscheidung für die Zukunftsinvestition auch in Zeiten knapper Mittel verspielt der technologieabhängige Forschungs-, Entwicklungs- und Produktionsstandort Deutschland und damit auch Thüringen bisherige Standortvorteile in der weltweiten Konkurrenz mit anderen. Die Bereiche Qualifikation, Wissenschaft und Forschung werden die wichtigsten Standortfaktoren sein, an denen sich die internationale Position Deutschlands wirtschaftlich entscheiden wird.

Fast noch bedeutender als die wirtschaftlichen Komponenten sind die sozialen, kulturellen und gesellschaftspolitischen Funktionen von Bildung für die Zukunft unseres Gemeinwesens. Angesichts dieses Hintergrundes stellen die Schulen, die Hochschul- und Forschungseinrichtungen eines der wichtigsten funktionalen Instrumente innovationsorientierter staatlicher Politik dar. Nur durch die Entwicklung geistigen innovativen Potenzials kann dem Land und seinen Bürgern eine eigene gestalterische Perspektive geboten und dem qualifizierten Nachwuchs nicht die Option für die Zukunft genommen werden. Bei aller Begrenztheit der finanziellen Mittel muss daher jede im Bildungs-, Wissenschafts- und Forschungsbereich ausgegebene Mark als eine Investition für die gesamtgesellschaftliche Zukunft angesehen werden.

Diese weit gehend anerkannten Positionen blieben der thüringischen Landesregierung und der CDU bislang jedoch verborgen, wie der Haushalt des Kultusministeriums beweist. Im gesamten Deutschland - nicht nur im Osten, dort aber mit besonderer Intensität - vollzieht sich gegenwärtig ein grundlegender Strukturwandel. Er geht einher mit massiven Veränderungen in allen Bereichen und durchdringt diese. Die neuen Medien und Kommunikationstechnologien bringen bereits jetzt nicht nur eigene Wirtschaftszweige bzw. Branchen hervor, sondern machen auch das grundsätzliche Problem in völlig neuer Weise deutlich, das Kriterium Qualifikation. Es wird zugleich zum Scheideweg einer modernen Gesellschaft. Neue Medien und Kommunikationstechnologien werden auch veränderte und erhöhte Anforderungen an die Menschen und an die Gesellschaft stellen. Manche umschreiben diese Entwicklung mit dem Begriff "Wissensgesellschaft". Vermutlich werden sich in diesem Zusammenhang auch herkömmliche Vorstellungen bzw. Maßstäbe als untaugliche Handlungsmuster erweisen. Es deutet viel darauf hin, dass eine völlig neue Definition des Begriffs Arbeit vonnöten ist. Vermutlich in dessen Fol

ge werden sich weitere Fragen zur Gestaltung unserer Gesellschaft stellen, die der Beantwortung bedürfen. Wirtschaft und Regierung begegnen den Herausforderungen jedoch mit stringent betriebswirtschaftlich orientierten Lösungsansätzen. Solche Lösungen mögen für die freie Wirtschaft aufgrund ihrer marktwirtschaftlichen Orientierung logisch und legitim sein. Für die Bereiche, die staatlichem Handeln unterliegen, eignen sich derartige Strategien jedoch nur in stark begrenztem Maße. Und die thüringische Landesregierung zeigt sich hier als besonders eifrig im negativen Sinne. Zugleich offenbart diese Haltung der thüringischen CDU ihre Verhaftung im alten, rückwärts gewandten Denken.

(Zwischenruf Abg. Wehner, CDU: Ihre Rede auch.)

(Heiterkeit bei der CDU)

Solange die CDU Bildung mit Laufbahn oder mit sozialpädagogischer Aufbewahrung oder mit der bloßen Sicherung eines Industriestandorts verwechselt, solange die CDU nicht sieht, dass sie durch diese Sparauflagen von ihren Bildungsanstalten Unmögliches verlangt, solange die CDU nicht wahrnimmt, was sie dem Schulsystem und noch schlimmer unserer Zukunft, den Kindern, antut, solange werden wir als PDS diese CDU-Politik anprangern und wir hoffen, dass dies die Bürgerinnen und Bürger im Freistaat ebenso tun.

Der Sparkurs der Thüringer Landesregierung, vor allem bei den Lehrerstellen, ist nicht nur falsch, sondern unverantwortlich und kommt einer Kriegserklärung an die junge Generation gleich. Für Bildung und Wissenschaft, die von vielen Experten als die einzigen Wachstumsressourcen bezeichnet werden, sind so Langzeitschäden vorprogrammiert. Wir werden in naher Zukunft nicht nur eine Debatte über fehlende IT-Spezialisten zu führen haben, sondern diese auf weitere Mangelberufe ausdehnen müssen. Deutlicher konnte die CDU ihre Zukunftsfeindlichkeit nicht untermauern.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, am 20. November 2000 fand ein kleiner Parteitag der CDU zur Bildung statt. Auf ihm wurde die Leitkultur der CDU auf dem Bildungsbereich herunterdefiniert. Es war ein Klammern an vermeintlich alte Werte. Letzten Endes offenbarten derartige Reflexe auch dort erneut nur die Orientierungs-, Ideen- und Hilflosigkeit der CDU im Angesicht von Zukunftsfragen des 21. Jahrhunderts. Aber es wurde zugleich deutlich, die entscheidenden Gegensätze zur CDU verlaufen entlang folgender Linie: Während wir für Chancengleichheit, gute Bildung für alle plädieren, wird andererseits von der CDU differenzierte Bildung nach Vermögen, mehr Bildung für die Begabten und die Wohlhabenden propagiert. Letzteres Konzept entspricht in bemerkenswerter Weise dem Konzept der Zweidrittelgesellschaft, bei dem davon ausgegangen wird, dass gesellschaftliche und wirtschaftliche Prosperität am besten mit einer hochqualifizierten, wohlhabenden Minderheit zu sichern sei.

Aber gute Bildung für alle ist keine effektive Humanitätsduselei, sondern ein Menschenrecht, das sich nicht nur für das Individuum, sondern auch gesamtgesellschaftlich und ökonomisch auszahlt.

Vor allem von konservativer Seite werden einseitig die alten Werte beschworen, die helfen sollen, in einer immer unübersichtlicheren Gesellschaft Orientierung zu bewahren. Dem muss ein auf humanistischen und demokratischen Prinzipien beruhender Wertebegriff gegenübergestellt werden. Grundlage dafür ist eine universalistische Ethik, wie sie beispielsweise in der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte formuliert ist.

Meine Damen und Herren, es muss nun unsere konzentrierte Aufgabe für die Gesellschaft sein, ein neues Bildungskonzept unter Berücksichtigung moderner, humanistischer und demokratischer Prinzipien zu erarbeiten. Aus diesem Gesichtspunkt heraus bietet für die Schulen z.B. die demografische Entwicklung bei allen Problemen, die sie uns bereitet, pädagogisch gesehen durchaus große Chancen, neue pädagogische Konzepte - die es ja wirklich gibt, wenn ich nur an den Modellversuch kleine Regelschulen denke - zu ertesten und umzusetzen. Nicht stupide finanzpolitische Handlungen, sondern kreative Bildungspolitik ist heute notwendig. Es ist bei diesen Fragen nicht so, dass wir keine empirischen Basisdaten hätten. Jüngere Studien der Bildungsforschung geben dazu wertvolle Denkanstöße.

Wichtige Elemente aus unserer Sicht bei einem neuen Denken für Bildung sollten u.a. auch sein, Qualität von Bildung, innerschulische und innerhochschulische Demokratie, Eigenverantwortlichkeit von Bildungseinrichtungen, Chancengleichheit für jedermann, unabhängig von seinen Verhältnissen, Förderung statt Selektion, Erwerb von Kompetenzen. All diese und weitere Aspekte in ein modernes Bildungskonzept einfließen zu lassen, muss unsere Aufgabe sein. An solchen Fragen zu arbeiten, ist jedoch wenig sponsorenträchtig und auch nicht so einfach, wie das Schwadronieren über das Zukunftsthema Bildung im Sinne wirtschaftlichen Nutzwerts. Die falsch geführte Bildungsdebatte kann am Ende sogar zur Gefahr für die Bildung werden.

(Zwischenruf Abg. Arenhövel, CDU: Wir führen das Fach ML wieder ein.)

Wie bitte?

Herr Abgeordneter Huster, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Ich beantworte keine Zwischenfragen. Sie können das schriftlich machen, ich werde bestimmt...

(Heiterkeit bei der CDU)

Ich beantworte die Zwischenfrage dann bestimmt ausführlicher und ehrlicher als einige Zwischenfragen in der letzten Zeit von der Landesregierung hier beantwortet worden sind.

(Beifall bei der PDS)

Also, noch mal. Die falsch geführte Bildungsdebatte kann am Ende sogar zur Gefahr für die Bildung werden, weil sie weitere Zeit vertut, ohne die seit Jahrzehnten verweigerte Prioritätensetzung endlich anzupacken und dabei auch vorhandene Lehrpläne zu entrümpeln, bevor immer Neues hinzukommt, weil sie mit ihrer schicken Laptopmanie ablenkt und dabei oft lediglich verdeckten Gruppeninteressen gerecht wird, weil sie dann Gefahr läuft, letztlich nicht die Begabungsreserven auszuschöpfen und die wirkliche Chancengleichheit zu fördern, sondern Chancenungleichheit mit modern klingenden Scheinargumenten zu vertiefen. Da diese Fragen nicht diskutiert wurden und diese Diskussion Grundlage für Entscheidungen war, kann unsere Fraktion gar nicht anders, als den Stellenabbau bei den Lehrerinnen und Lehrern im Einzelplan 04 abzulehnen. Angesichts der von mir genannten Herausforderung zeigt sich die Landesregierung und die CDU auch noch unfähig zum bildungspolitischen Diskurs. Doch es war vermutlich nicht nur Unfähigkeit, sondern auch Angst. Anders kann ich mir nicht erklären, dass wir im Ausschuss zu diesen Streichungsplänen nicht diskutiert haben. Auch hier zeigt sich, die Zukunft unserer Kinder ist immer dann in Gefahr, wenn Finanzminister mittels Kasse Bildungspolitik betreiben. Wer ausschließlich vom Geld her denkt, hat nicht begriffen, was mit Bildung gemeint ist. Sie von der CDU, meine sehr verehrten Damen und Herren, haben dies offensichtlich nicht begriffen. Schönen Dank.

(Beifall bei der PDS)

Als Nächsten bitte ich Herrn Abgeordneten Emde ans Rednerpult. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Abgeordnete! Herr Huster, es ehrt Sie ja, dass Sie Geschichte studiert haben, aber im Normalfall sollte das Geschichtsstudium den Blick nach vorn schärfen und deshalb verstehe ich Sie überhaupt nicht, warum Sie eine Rede von Margot Honecker auf dem pädagogischen Kongress hier vorgelesen haben.

(Beifall bei der CDU)

(Zwischenruf Abg. Heß, SPD: Da haben Sie bessere Erfahrungen; Sie haben in der Zeit studiert.)

Ja, studiert habe ich in der Zeit und auch Geschichte, aber ich habe versucht, was daraus zu machen.

(Zwischenruf Abg. Gentzel, SPD: Aber geworden ist es nichts.)

Aber ich will mal - im Unterschied zu meinem Vorredner