Protocol of the Session on November 17, 2000

Es ist unter der alten Kohl-Regierung noch entschieden worden, dass es sich permanent weiter in den Fördermitteln reduziert, aber

(Zwischenruf Abg. Wunderlich, CDU: Gemeinsam mit den Ländern.)

ein Konzept, wie mit dem Weniger an Fördermitteln in der Gemeinschaftsaufgabe umgegangen wird, das liegt bis heute nicht vor. Wo ist Ihr Gedankengang oder zumindest die Diskussion des Gedankenganges, Herr Schuster, warum kommen Sie nicht auf die Idee, auf die, die wir Ihnen schon seit Jahren angeboten haben, die Gemeinschaftsaufgabe in einen revolvierenden Fonds umzustrukturieren?

(Zwischenruf Schuster, Minister für Wirt- schaft, Arbeit und Infrastruktur: Das geht doch nicht. Die Gesetze...)

Ja, Herr Schuster, wenn ich Sie einmal kurz daran erinnern darf - 1994, etwa die gleiche Situation: Ich weiß nicht, damals saß der Wirtschaftsminister, glaube ich, hier. Da habe ich Sie gefragt: Herr Wirtschaftsminister Schuster, warum kommt diese Landesregierung nicht auf die Idee EFREund GA-Mittel zu entkoppeln? Da haben Sie gesagt, Herr Gerstenberger, das geht doch nicht. Zwei Jahre später, 1996 stellten Sie sich hin und sagten, dank der verantwortungsvollen Politik dieser Landesregierung und des intensiven Kampfes mit der EU ist es uns gelungen, für den Freistaat Thüringen 540 Mio. EFRE-Mittel zu entkoppeln und sinnvoll für die Entwicklung der Infrastruktur einzusetzen. So viel, Herr Schuster, zu dem "es geht nicht".

(Beifall Abg. Becker, SPD)

Warum wird ein innovativer Gedanke immer mit diesem Killerargument "es geht nicht" gemacht und diskutiert? Wenn Entwicklung stattfinden soll, Herr Schuster, muss man bereit sein, auch einmal ein paar andere Wege zu gehen, zumindest ein paar andere Wege bis zu Ende zu diskutieren.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Es kann doch nicht sein, dass wir in der Politik den Leuten draußen erklären, wir haben keine Ideen oder das, was ihr euch vorstellt, geht nicht. Wir müssen Angebote machen, wir müssen Alternativen anbieten, denn mit dieser Entwicklung und mit dieser Situation können wir nicht zufrieden sein. Aber Sie stellen sich hier hin, wie auch Ihre Fraktion, und erklären, meine Damen und Herren, tut uns Leid, geht leider nicht.

(Unruhe bei der CDU)

Meine Damen und Herren, es gibt noch einen zweiten Aspekt, das war das ganz verantwortungslose Hin und Her im Zusammenhang mit SAM. Neben massiver Verunsicherung, Frau Vopel, das stimmt, hatte das im Endeffekt das

Ergebnis, dass nun der Wirtschaftsbereich in der Förderung weiter gestärkt wird, der soziale Bereich, der Jugendbereich, Kultur, Sport und Ökologie geringer bedacht werden. Verzahnung scheint man also bei der CDU als Einbahnstrasse zu verstehen, deren höchster Zweck dann erreicht ist, wenn man die Mittel der Arbeitsmarktpolitik ungebremst in die Wirtschaft pumpen kann und das ist, mit Verlaub gesagt, ein groteskes Verständnis von Verzahnung.

(Beifall bei der PDS)

Die wirtschaftliche Situation, meine Damen und Herren, ist nicht so top, wie uns das heute wieder nahe gebracht wird. Ein Beispiel: Legt man die aktuellen Angaben, Frau Vopel, des Statistischen Landesamts zur Bevölkerung und zu den Beschäftigten zugrunde, dann hat Thüringen gegenwärtig eine Quote von 54 Industriearbeitsplätzen pro 1.000 Einwohner. Das ist kein berauschender Wert. Nur zur Erinnerung: Im Altbundesgebiet gibt es Stellen, da sind das 150 - 160.

(Zwischenruf Abg. Wunderlich, CDU: Wie viele Stellen?)

Im Durchschnitt liegt es bei ungefähr 124, Herr Wunderlich.

Dann rechnen Sie einen anderen Wert aus, Herr Schuster. Mir ist die Zahl 124 bekannt, also wir sind ungefähr bei der Hälfte. Das ist kein berauschender Wert und er spricht auch nicht für eine zielgerichtete Förderung. Und, meine sehr geehrten Damen und Herren, eine andere Messgrösse, die ja wohl unstrittig sein dürfte, das Bruttoinlandprodukt je Erwerbstätigen, also bitte nicht in Prozentzahlen, sondern je Erwerbstätigen, also in absoluten Zahlen. Das Maß für die Produktivität lag in Thüringen 1999 wie jedes Jahr seit 1991 deutlich unter dem Durchschnitt der neuen Bundesländer, nicht der alten, der neuen Bundesländer. Und wo ist da der Effekt Ihrer Programme, Herr Schuster, mit denen Sie den Strukturwandel vorantreiben wollen? Etwas mehr Bescheidenheit würde an dieser Stelle gut tun angesichts dieser realen Lage. Die Sicht der Kammern, meine Damen und Herren, ist da realistischer, wie die eben veröffentlichte und in dieser Frage sehr differenzierte Konjunkturanalyse der Kammern zeigt. Und noch eines spricht eindeutig gegen Ihren aufgesetzten Optimismus - die Abwanderung junger Menschen aus Thüringen. Dies ist eine gefährliche Entwicklung, die der Ministerpräsident nicht einfach schönreden sollte, wie er es gestern getan hat, denn sie wird perspektivisch zu einem Fachkräftemangel führen, der die wirtschaftlichen Probleme weiter verschärft. Gerade vor diesem Hintergrund eines beginnenden Facharbeitermangels muss auch über intelligente Modellkonzepte lebenslangen Lernens nachgedacht werden, die dem entgegenwirken, z.B. über Modellprojekte, meine Damen und Herren, von denen wir in Thüringen keine haben. Von Bundesregierungsseite gibt es im Haushalt des Bundes einen Fonds in Höhe von 100 Mio. DM, der eben zur Kofinanzierung solcher Modellprojekte zur Verfügung steht. Von Thüringer

Seite sind Anteilnahmen an diesem Fonds nicht bekannt, weil wir keine Modelle haben. Und für diese Modellprojekte, meine Damen und Herren, ist als Finanzierungsquelle im Finanzhaushalt ein Landesarbeitsmarktprogramm vorgesehen. Im Jahr 1999 hatten wir dort noch um die 120 Mio. DM, im Jahr 2000 waren es reichlich 46 Mio. DM, die allerdings waren zum 30.06. dieses Jahres nicht nur restlos bewilligt, sondern der Etat wurde sogar weit überschritten bei den Ausreichungen der Fördermittel. Das Programm war also heillos unterfinanziert im Haushalt 2000. Jetzt kommt ein interessanter Schluss der Landesregierung; sie hat aus dieser Unterfinanzierung nämlich die Konsequenz gezogen und für nächstes Jahr in diesem Programm nicht etwa mehr, sondern bedeutend weniger in diesen Haushaltstitel eingestellt - für das Jahr 2001 37 Mio. DM und für das Jahr 2002 31 Mio. DM. Da wir gerade bei der finanziellen Ausstattung sind, auch die ESF-Mittel, Herr Minister Schuster verwies darauf, sind noch nicht verfügbar. Und damit ist sein größter Titel in der Arbeitsmarktpolitik nicht in der Ausreichung blockiert, aber in der konzeptionellen Darstellung. Denn wer von Ihnen glauben sollte, meine Damen und Herren, außer der Regierungsfraktion, dass die Abgeordneten schon einmal zu Inhalten dieses wichtigen Programms der Arbeitsmarktpolitik Informationsmaterial oder Näheres an Zahlen bekommen hätten, der irrt. Noch ist es ein Geheimpapier.

(Heiterkeit Schuster, Minister für Wirtschaft, Arbeit und Infrastruktur)

Herr Schuster, vielleicht darf ich ein kleines bisschen nachhelfen. Die Bitte des Haushalts- und Finanzausschusses, die Untersetzung für die einzelnen Jahre zu machen, wurde damit abgelehnt, dass man mit der EU noch nicht so richtig einig wäre, ob es denn so oder so kommt und solange man noch nicht wisse, wie es kommt, teile man den Abgeordneten vorsichtshalber gar nicht mit, was kommt. Das war die Quintessenz dessen, was dort mit uns als Opposition in diesem Ausschuss veranstaltet wurde, um es einmal vorsichtig zu sagen.

(Zwischenruf Schuster, Minister für Wirt- schaft, Arbeit und Infrastruktur: Herr Gerstenberger, mir kommen die Tränen.)

Ja, das war nicht beabsichtigt, dass Sie hier weinen, Herr Schuster.

Sachsen-Anhalt erhält seine Freigabe der ESF-Mittel heute, meine Damen und Herren. Es ist das zweite Bundesland, was nach Abstimmung mit der EU die Mittelfreigabe erhält. Thüringen kämpft noch, so genau weiß man das nicht, mit der 5. oder 6. Änderungsanmeldung zum ESF mit Brüssel. Nun scheint es so zu sein, dass wohl die 6. in der Form ist, so dass sie die EU endlich bearbeiten kann, denn die Ankündigung eines Termins zum 12.12. ist völlig neu. Herr Schuster, es gibt keine andere Erklärung. Ich weiß nicht, warum Sie sich hier aufregen. Sechs Nachforderungen von EU-Seite zeugen davon, dass es mindestens an Abstimmun

gen zwischen Landesregierungsseite und EU mangelt. Ansonsten wäre ein solches Dilemma nicht eingetreten und wir hätten eine schnellere Freigabe der Mittel. Auch von mehr Effizienz, meine Damen und Herren, durch die so genannte Neuorientierung träumt man anscheinend nur im Wirtschaftsministerium. Auch dazu wieder ein Beispiel, Frau Vopel: Die Förderung von Beschäftigten in Strukturanpassungsmaßnahmen für Wirtschaftsunternehmen, dieses so genannte SAM/OFW ging, und das hat Frau Heß schon gesagt, von etwa 25.700 im September 1999 auf jetzt noch 8.700 im Oktober 2000 zurück, also rund zwei Drittel weniger. Frau Vopel, und wenn Sie das darauf zurückführen, dass der Bund anstelle 1.960,

(Zwischenruf Abg. Vopel, CDU: Über 2.100.)

2.180 waren es dann später, jetzt nur noch 1.355 DM pro Monat bezahlt, dann macht das nachdenklich, denn das sind immer noch 16.000 DM pro Jahr, die offensichtlich in den Wirtschaftsunternehmen nicht gebraucht werden. Wenn es sich für 25.000 DM für die Wirtschaftsunternehmen noch gelohnt hat, Anträge zu stellen und für 16.000 DM in den Wirtschaftsunternehmen nicht mehr lohnt, dann gibt es zwei Möglichkeiten - entweder es war ein Mitnahmeeffekt, den haben Sie ganz massiv bestritten, oder es ist das falsche Programm, dann muss es geändert werden. Andere Möglichkeiten gibt es an dieser Stelle nicht.

(Beifall bei der PDS; Abg. Dr. Pidde, SPD)

Und aus diesem Rückgang geförderter Massnahmen rechnen die Landesregierung und dann auch Frau Vopel regelmässig per Saldo eine erfolgreiche Arbeitsmarktpolitik heraus. Das ist aber nur eine Milchmädchenrechnung, meine Damen und Herren, die nicht dadurch richtiger wird, dass man sie ständig wiederholt. Der geringfügige Rückgang der registrierten Arbeitslosigkeit, Herr Schuster, und das wissen Sie genauso, Frau Vopel hat es hier sogar vom Rednerpult wiederholt, resultiert - und so informiert auch das Landesarbeitsamt Sachsen-Anhalt-Thüringen seit Monaten - aus demografischen Effekten, nämlich zum einen aus der Abwanderung junger Menschen und auf der anderen Seite dem Ausscheiden älterer aus dem Erwerbsleben und dazu kommt eine erhöhte Pendlerzahl. Das heißt, in Wahrheit verschlechtert sich die Situation. Herr Minister, Sie wissen so gut wie ich, dass die Verringerung der Quote der registrierten Arbeitslosigkeit auch aus Statistikumstellungen im Frühjahr resultiert, die sich um 0,5 Prozent automatisch gesenkt haben, ohne dass an dem Problem der Nichtbeschäftigung etwas passiert wäre. Frau Vopel, da hilft auch nicht mehr die Zerlegung des Arbeitsmarkts in Einzelbestandteile, um sich den Block herauszuholen, ich wiederhole es an dieser Stelle noch mal. Sie können nicht nur das verarbeitende Gewerbe betrachten, in dem wir tatsächlich einen Zuwachs haben; einen nicht unbedeutenden, einen sogar erfreulichen. Im Gesamten haben wir die Reduzierung der Beschäftigungsverhältnisse, und das wider

spricht genau dem, was Sie als Zielstellung gesagt haben. Das können Sie nicht als Erfolg verkaufen, auch durch Gesundbeten und ideologisch gefärbte Reden nicht. Da hat auch das Prestigeobjekt "50 PLUS", angekündigt als effektives Instrument einer Verzahnung, nichts geholfen, meine Damen und Herren. Zwar liegt die registrierte Arbeitslosigkeit der über 55-Jährigen im Oktober 2000 tatsächlich um 9.000 unter der Zahl vor einem Jahr, aber das Landesarbeitsamt formulierte kürzlich in aller Deutlichkeit - und ich darf noch mal zitieren: "Viele Ältere sind inzwischen angesichts der anhaltend geringen Chancen vom ersten Arbeitsmarkt aufgenommen zu werden, aus dem aktiven Arbeitsleben ausgeschieden". Allein, meine Damen und Herren, 12.300 ältere Menschen erhalten nach § 428 SGB III zwar weiter Leistungen vom Arbeitsamt, d.h., sie sind nicht beschäftigt, aber sie werden in der Arbeitslosenstatistik nicht gezählt. Da haben Sie Ihr Saldo, Herr Schuster, real haben wir also weit mehr über 55-jährige Arbeitslose als noch vor einem Jahr, obwohl die Statistik uns einen Rückgang vorgaukelt.

Frau Vopel, insofern gebe ich Ihnen Recht; wer nur die Statistik liest und die Hintergründe nicht in diesem Zusammenhang betrachtet, der kommt dann natürlich zu falschen und zu diesen Schlussfolgerungen, die Sie getroffen haben.

(Beifall bei der PDS)

Damit bin ich bei einem weiteren Problem, nämlich der Nichtbeschäftigung, meine Damen und Herren, das wird hier noch einmal deutlich, denn sie betrifft viel mehr Menschen als die registrierte Arbeitslosigkeit der Statistiken wiedergibt. Sie liegt in Thüringen schon seit Jahren - und das weisen unterschiedlichste Gruppierungen nach - bei mehr als 500.0000 Menschen. Diese Zahl schließt eben auch die nicht gemeldeten Arbeitslosen und die so genannte stille Reserve, die Teilnehmer in geförderten Beschäftigungs- und Weiterbildungsmaßnahmen sowie die demografischen Entlastungen bzw. die Wanderbewegungen und Pendlerbewegungen mit ein. Die registrierte Arbeitslosigkeit erfasst die Gesamtdimension des Problems der Nichtbeschäftigung in keiner Art und Weise. Durch Umdefinierungsspielereien werden also bestimmte Gruppen von real arbeitslosen Menschen aus der Statistik herausgerechnet, aber an der Gesamtzahl der Nichtbeschäftigten hat sich in Thüringen in den letzten Jahren kaum etwas geändert. Das macht die ganze Dramatik des Problems auch deutlich. Dafür ist maßgeblich, meine Damen und Herren - und das kann man nach zehn Jahren CDU-bestimmter Politik in diesem Freistaat sagen -, eine verfehlte Arbeitsmarktpolitik, Ihre verfehlte Arbeitsmarktpolitik, Herr Schuster, verantwortlich. Sie waren schon mal weiter an dieser Stelle.

Herr Schuster, Sie könnten jetzt natürlich argumentieren, diese Zahl der Nichtbeschäftigten ist völliger Unsinn. Ich erinnere Sie daran, dass Sie in einer Anmeldung an die Bundesregierung - wenn mich nicht alles täuscht war es im Jahre 1995 oder 1994,

(Zwischenruf Schuster, Minister für Wirt- schaft, Arbeit und Infrastruktur: Rahmen- plan.)

"Rahmenplan zur Gemeinschaftsaufgabe" für die Insider - mal selbst gesagt haben, die Zahl der registrierten Arbeitslosen spiegelt das Problem der Arbeitslosigkeit in Thüringen völlig unzureichend wider. In diese Problematik sind einzubeziehen diejenigen, die sich in Umschulung, Qualifizierung, in Arbeitsbeschäftigungsmaßnahmen, in Altersübergangsgeld und in der stillen Reserve befinden. Die stille Reserve haben Sie zum damaligen Zeitpunkt nicht genannt, dafür haben Sie aber die Pendler hinzugesetzt. Und an dieser Stelle treffen wir uns mit unserer Argumentation. Also, wenn wir das Problem wirklich begreifen wollen, dann gehen Sie doch einfach auf den Wissensstand zurück, den Sie vor einigen Jahren in diesem Haus schon einmal ganz offiziell als politische Aussage und als politische Position dieser Landesregierung hatten und gehen Sie nicht zurück auf Zahlen, mit denen Sie angebliche Ergebnisse und Erfolge und Schönredereien betreiben.

(Beifall bei der PDS)

Man sollte die Landesregierung, Herr Schuster, dabei durchaus an Ihrem eigenen Anspruch messen. Denn, meine Damen und Herren, Minister Schuster äußerte im Dezember 1999 in seiner Regierungserklärung zur Arbeitsmarktpolitik ganz eindeutig - und da darf ich noch mal zitieren: "Die beste Arbeitsmarktpolitik ist eine Politik, die auf die Entstehung von zusätzlichen Arbeitsplätzen auf dem ersten Arbeitsmarkt ausgerichtet ist". Auch da, meine Damen und Herren, stimmen wir zu. Aber: Nach Angaben des Landesarbeitsamts waren in Thüringen im Juli 2000 - das sind die aktuellsten Zahlen zum Sachverhalt - etwa 816.700 Personen sozialversicherungspflichtig beschäftigt; Frau Heß hat das schon dargestellt, und das sind 23.000 weniger als noch vor einem Jahr und 32.000 weniger als im Dezember 1999.

Meine Damen und Herren, diese Zahlen kommentieren sich selbst! Die Arbeitsmarktpolitik dieser Landesregierung war also nicht die beste Politik! Sie war noch nicht einmal eine gute Arbeitsmarktpolitik, Frau Vopel, wenn man den Zahlen glaubt.

(Zwischenruf Abg. Vopel, CDU: Aber Sie glauben nicht, was Sie da sagen, Herr Gerstenberger.)

Nein, das ist unerheblich, Frau Vopel, nehmen Sie uns beide mal nicht so wichtig in diesem Prozess. Es ist an dieser Stelle völlig unerheblich, was Sie sagen oder was ich sage. Das Problem besteht darin, dass die Realität sich verschlechtert hat!

(Beifall bei der PDS)

(Unruhe bei der CDU)

Mein Gott, was kommt es auf Sie oder auf mich in diesem Problemfeld an? Die Leute erwarten eine Lösung und die wollen sie nicht von Vopel und die wollen sie nicht von Gerstenberger, die wollen sie von dieser Landesregierung!

(Beifall bei der PDS; Abg. Dr. Pidde, SPD)

(Zwischenruf Abg. Vopel, CDU: Da werde ich doch antworten dürfen.)

Den Nachweis sieht man aber genau darin, meine Damen und Herren, dass trotz aller statistischen Tricks die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in Thüringen eben nicht zunimmt, Frau Vopel, und das sage ich Ihnen an dieser Stelle noch mal. Nur das wäre nämlich ein echter Indikator für die Verbesserung der Situation auf dem Arbeitsmarkt und leider ist davon Thüringen meilenweit, meilenweit entfernt. Auswege aus dieser Diskussion - und da bitte ich Sie, genau zuzuhören - hat die PDS-Fraktion mehrfach angeboten. Ich sage es an dieser Stelle noch mal: Wir nehmen nicht für uns in Anspruch, den Stein der Weisen gefunden zu haben, aber wir nehmen für uns in Anspruch so wie wir das auch mit Ihren Initiativen und Vorschlägen tun -, dass wenigstens darüber nachgedacht wird, ob es und wie es dazu geht und nicht, wie praktisch gehört und praktisch gesehen, mit dem Argument: "Das geht doch einfach nicht, Herr Gerstenberger", sinnvolle Überlegungen und Ideen von vornherein abgetan werden. Ich verweise noch mal darauf, Herr Minister, warum greifen Sie die Idee des Aufbaus eines revolvierenden Fonds nicht auf? In der Erinnerung müsste zumindest auch Herrn Kretschmer und anderen sein, dass der Marshall-Plan nichts anderes als ein revolvierender Fonds war. Hätten wir damals die Gelder, Herr Kretschmer, als Zuschuss auszahlen lassen

(Zwischenruf Abg. T. Kretschmer, CDU: Da wart ihr doch dran.)

- gut -, hätte damals die damalige Bundesregierung bzw. diejenigen, die den Fonds gestützt haben, die Gelder als Zuschuss ausreichen lassen, könnten Sie heute kein 4-Milliarden-Programm auflegen zur zusätzlichen Zinshilfe für Wirtschaftsunternehmen. Hätten wir damals das Geld zum Fenster rausgeschmissen in dieser Bundesrepublik, wären diese Geldmittel für kleine und mittelständische Unternehmen heute verloren gegangen. Warum wird denn in der Diskussion über Mittelknappheit und Sparen nicht über solche Wege nachgedacht, anstatt nur gejammert wird, dass es keinen anderen Ausweg gibt als zu streichen, zu reduzieren und alternativlos die entsprechenden Mittel auszureichen?

Ein weiterer Vorschlag, auf den ich zurückkommen möchte, Herr Schuster, das ist dieser Vorschlag mit dem NonProfit-Sektor. Die Argumente, mit denen Sie von CDU und Landesregierung hier im Plenum und in Zeitungsmeldungen und Zeitungsinterviews abgelehnt wurden, sind ausschließlich ideologische Argumente und oft auch nur sehr billige Denunzierung. Die Förderung eines dritten Arbeitsmarkts sei ein Rückfall in die Planwirtschaft, hat Minister

präsident Dr. Vogel am 13. Oktober formuliert und damit das Niveau der Debatte leider sehr niedrig gehalten.

Meine Damen und Herren, die Realität sieht, wie so oft bei der CDU-Ideologie, wieder ganz anders aus. Der NonProfit-Sektor ist heute schon ein nicht zu unterschätzender Wirtschaftsfaktor in Deutschland, nämlich mit einem Anteil von 6 Prozent am Bruttoinlandsprodukt und mit 5 Prozent an den Gesamtbeschäftigten. Das sind auch Dauerarbeitsplätze, meine Damen und Herren, das ist erster Arbeitsmarkt. In den Niederlanden ist das sogar bei 12 Prozent aller Arbeitsplätze. Sollte ich es etwa verschlafen haben, dass wir in der Bundesrepublik zur Planwirtschaft übergegangen sind oder dass die Niederlande in den letzten Jahren ein sozialistischer Staat geworden wären, um Ihre Argumentation aufzugreifen. Ich möchte Sie an dieser Stelle nochmals - Herr Schuster, ich sagte es eingangs schon - an den Gedanken der Modellprojekte erinnern.