sondern ein Geberland, und Thüringen wirklich Deutschlands starke Mitte bereits wäre. Diese Erfolge sind natürlich auch ein Ergebnis der vergangenen Landeshaushalte und seiner Schwerpunkte. Hier wurde seit 1991 die Zukunft in Zahlen gegossen gegen so manchen Widerstand, aber immer zielgerichtet und nicht immer gingen alle Überlegungen auf. Doch entwickelte sich der Freistaat weitestgehend so wie erhofft, auch wenn wir viele dieser Zukunftsinvestitionen über Kredite finanzieren mussten. Wir stünden sicherlich auch in der Verschuldung etwas besser da, wenn in der letzten Legislaturperiode die Überprüfung der Leistungsgesetze, die wir uns ja vorgenommen hatten, schon auf den Weg gebracht worden wäre, aber der damalige Koalitionspartner war nicht bereit dazu.
Um Thüringen fit für die Zukunft zu machen, müssen wir allerdings den Landeshaushalt einem finanzpolitischen Fitnesstrainung unterziehen. Wir müssen uns fit machen für den Wettbewerb der Regionen, den die Neuordnung des Länderfinanzausgleichs, des Solidarpakts und auch der Wegfall der Ziel-1-Förderung hervorrufen werden. Was bei den Olympischen Spielen für die Sportler galt, gilt im übertragenen Sinne auch für den Landeshaushalt und die Zukunftsfähigkeit Thüringens.
Wenn man in die Medaillenränge kommen will, ist ein methodisches, kontinuierliches Trainieren notwendig.
Mitunter kann es dabei auch einmal wehtun. Man muss es aber aushalten, um letztlich erfolgreich zu sein. Und man kann es auch aushalten, wenn man weiß, wohin die Reise gehen soll.
Meine Damen und Herren, das Ziel der Reise habe ich bereits mehrfach dargestellt. Wir müssen uns vorbereiten, wenn ab dem Jahre 2005 eine Neuordnung des Länderfinanzausgleichs zum Tragen kommt und zeitgleich eine Nachfolgeregelung zum gegenwärtigen Solidarpakt beschlossen wird. Ich habe schon mehrfach im Haushaltsund Finanzausschuss und auch in diesem hohen Hause über den Stand der schwierigen Verhandlungen berichtet. Thüringen hat sich von Anfang an intensiv in die Diskussion eingebracht, wir haben eine eigene Verhandlungsposition entwickelt, die stets auf einen Konsens aller Länder bedacht war und strikt die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts berücksichtigte. Wir haben uns weder zum Büttel der Geberländer gemacht, noch haben wir uns aus kurzsichtigen Überlegungen heraus den Nehmerländern angeschlossen. Wir sind da in der veröffentlichten Meinung zwar weniger beachtet worden, umso mehr aber im
Kreis der Betroffenen. Vor kurzem hat nun auch der Bund seine Vorschläge präsentiert. Wie Sie alle wissen, sind einzelne Maßnahmen daraus für uns Thüringer durchaus akzeptabel. Vor allem die vollständige Einbeziehung der kommunalen Steuerkraft in die Finanzkraft eines Landes entspricht unseren Forderungen. Bisher galt hier eine 50-Prozent-Regelung. Für mich ist es vollkommen unverständlich, dass sich anlässlich der letzten Sonderfinanzministerkonferenz am vergangenen Montag in Berlin Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Mecklenburg gegen eine vollständige Einbeziehung der Kommunalfinanzen ausgesprochen haben. Ich bezweifle, dass das in ihrem eigenen Interesse war, wo doch unsere kommunale Steuerkraft nur bei 30 bis 40 Prozent der westdeutschen Kommunen liegt. Ich bleibe auch dabei, das Ziel im Länderfinanzausgleich muss sein: mehr wettbewerbliche Anreize.
Das heißt, dort, wo ein Land mehr leistet, mehr Wirtschaftsentwicklung betreibt, mehr Steuereinnahmen hat, dürfen diese Steuereinnahmen nicht zu 99 Prozent im Länderfinanzausgleich abkassiert werden, sondern das muss mehr im eigenen Landeshaushalt bleiben. Dieses Ziel ist kein 100-Meter-Sprint, sondern ein Marathonlauf. Damit wir das allerdings angehen können, und das ist auch meine Kritik an die süddeutschen Länder, brauchen wir eine Grundlage für die Teilnahme an diesem Wettbewerb. Wir sind zurzeit noch nicht dabei, das aus eigener Kraft zu schaffen; es wäre gerade so, wenn Bayern mit Spikes und Thüringen mit Skistiefeln in diesen Wettbewerb hineingehen würde.
Was mich an den Vorschlägen des Bundesfinanzministers stört, ist, dass bei den Ausführungen zu den Bundesergänzungszuweisungen die teilungsbedingten Sonderbedarfe der neuen Länder mit keinem Wort erwähnt sind. Alles andere wurde mit Regelungen bedacht, nur die neuen Länder wurden schlichtweg vergessen.
Hier werden elementare finanzielle Thüringer Interessen mit Füßen getreten und, meine Damen und Herren, die Sightseeingtour des Kanzlers durch den Osten der Republik hat offensichtlich noch keinen Einfluss auf seine Optik genommen. Im Gegenteil, selbst im Bundeshaushalt werden die Leistungen für die neuen Länder unüberprüfbar im Zahlendickicht der Einzelpläne versenkt. Das ist ja auch kein Wunder, feierte Schröder in seiner Regierungserklärung zum Tag der Deutschen Einheit doch ausschließlich Erfolge der Regierung Kohl, ohne auch nur im Ansatz eine Vision für die Zukunft der neuen Bundesländer zu präsentieren.
Meine Damen und Herren, mein Bremer Kollege, der Finanzsenator Perschau, war richtig wütend auf das Papier des Bundesfinanzministers; ganz einfach weil der Kanzler nicht das gehalten hat, was er Bremen am 14. Juli versprochen hat.
Aber da kann ich nur sagen, es bleibt bei der Politik des Kanzlers: kaum versprochen, schon gebrochen.
Aus Thüringer Sicht kann ich nur fragen: Wo war der SPDLandesvorsitzende, wo waren die Thüringer Sozialdemokraten? Es ist ein Trauerspiel, den von der Thüringer SPD geduldeten Ausverkauf ostdeutscher und somit auch Thüringer Interessen mit ansehen zu müssen. Erst war es der ICE, nun die Finanzausstattung der neuen Länder. Entweder fehlt es am Mut oder am notwendigen Urteilsvermögen
oder an beidem, um Thüringer Interessen im Kanzleramt einzuspeisen und letztendlich auch durchzusetzen.
Herr Dr. Pidde, die Sozialdemokraten in Thüringen machen sich das recht einfach: In Thüringen gegen den Sparkurs wettern, in Berlin keine Gespräche führen, um die Einnahmesituation des Freistaats zu sichern. Weder sparen, noch etwas für die Einnahmen zu tun - mit einer solchen Finanzpolitik würden sehr schnell finanzpolitische Chaostage auch in Thüringen stattfinden.
Um Probleme zu erkennen und vielleicht auch zu lösen, muss man sich damit beschäftigen und die Menschen fragen, die sich täglich mit dem Aufbau und Ausbau der neuen Länder abmühen: die Arbeitnehmer, die Mittelständler, die Existenzgründer. Natürlich - auch die Arbeitslosen in unserem Land wissen um die wirtschaftliche Situation besser Bescheid als Bundeskanzler Schröder und sein Kassen
Und ich sehe eine weitere Schwachstelle des Regierungsentwurfs zur Neuregelung der Finanzbeziehungen. Der Bund will die Gesamthöhe der Bundesergänzungszuweisungen reduzieren. Er beabsichtigt, die Umsatzsteuerverteilung zu seinen Gunsten zu ändern, da er die Restforderungen aus dem Fonds "Deutsche Einheit" übernehmen will, eine Regelung, die sich auf den ersten Blick ganz positiv anschaut. Eine solche Regelung entlastet jedoch nur die alten Länder, vor allem die reichen Geberländer.
Die neuen Länder können daraus keinen Vorteil ziehen - im Gegenteil, sie müssen sogar die zusätzliche Last eines geringeren Umsatzsteueranteils tragen. Der Bund hingegen kann sich dies leisten, da er die Erlöse aus der Versteigerung der UMTS-Lizenzen für sich behalten will. Vielleicht ist das auch schon einer dieser Vorschläge, warum das Geberland Nordrhein-Westfalen gewechselt ist zum Hannoveraner Kreis.
Meine Damen und Herren, alle politisch Verantwortlichen in unserem Land tun gut daran, wenn sie jetzt bei den Beratungen des Doppelhaushalts 2001/2002 bereits berücksichtigen, dass die Transfers aus dem Länderfinanzausgleich, den Bundesergänzungszuweisungen und auch aus dem Solidarpakt II deutlich geringer sein werden. Und mit Blick auf die Oppositionsbänke sage ich auch: Das Schlimmste für die Zukunft Thüringens ist, nicht zu sparen.
Ich will Ihnen in diesem Zusammenhang ein weiteres Problem nennen, das unseren finanziellen Spielraum einengt: Im Zuge der Osterweiterung der Europäischen Union kommt es zu einer Neugestaltung der EU-Strukturfonds; zurzeit sind wir Ziel-1-Gebiet, erhalten die höchsten Fördersätze. Das wird sich ab dem Jahr 2006 ändern. Ich glaube, dass dann nur noch wenige Thüringer Regionen ins Ziel-1-Gebiet hineinfallen. Dieses Geld wird uns fehlen, da auch in den kommenden Jahren der wirtschaftliche Aufbau sowie der Ausbau der Infrastruktur nach wie vor im Mittelpunkt stehen werden. Und es gibt einen wichtigen finanzpolitischen Aspekt und Sie sehen schon an der Vielzahl der aufzuzählenden Unwägbarkeiten, wie ernst die finanzpolitische Situation für Thüringen ist. Wir haben in diesem Sommer nach langem Tauziehen endlich die so genannte große Steuerreform bekommen. Der Thüringer Landeshaushalt wird durch diese Reform Mindereinnahmen in Höhe von 409 Mio. DM im Jahr 2001 und 139 Mio. DM im Jahr 2002 verkraften müssen. Auf dem Weg zur Steuerreform wurde viel wertvolle Zeit verschenkt. Eine frühere Reform aus einem Guss hätte wichtige Impulse für die wirtschaftliche Entwicklung und für einen kräftigen Anstoß für die Konjunktur geben können.
Lieber Herr Dr. Schuchardt, das Steuerentlastungsgesetz enthält nichts anderes, als das, was in den Petersberger Vorschlägen aus der letzten Legislaturperiode enthalten war und die Petersberger Vorschläge sind von der damaligen SPD-Opposition im Bundesrat und im Bundestag boykottiert worden.
Man hätte doch wenigstens den Vorschlägen zustimmen können, die man drei Jahre später selbst auf den Weg bringt. Nicht einmal dazu waren Sie in der letzten Legislaturperiode bereit.
Dazu komme ich noch. Das, was wir jetzt vorfinden und das, was noch kommen wird, dazu hat die Bundesregierung vier Anläufe gebraucht.
Herr Finanzminister, warten Sie mal, bis der Saal sich wieder beruhigt hat. Ich darf um Ruhe bitten, damit die Rede des Finanzministers auch verstanden wird.