Protocol of the Session on September 14, 2000

(Beifall bei der SPD)

Aber, Herr Innenminister, Sie schulden uns, dem Innenausschuss, auch in diesem Zusammenhang immer noch eine Antwort, wie viele Überstunden, besonders aufgrund Ihres Extremismuskonzepts, Thüringer Polizisten ableisten müssen.

(Zwischenruf Köckert, Innenminister: Sehr viele!)

Auch die Kapazitäten unserer hoch motivierten Thüringer Polizisten sind eben endlich. Zwar hat man in der letzten Woche angekündigt, dass innerhalb des Doppelhaushalts 2001/2002 bei der inneren Sicherheit eine leichte Steigerung zu verzeichnen sei; ich persönlich bezweifle aber, dass sich das in ausreichend neuen Stellen für die Polizei niederschlagen wird. Hier stecken wir doch in einem bestimmten Dilemma. Uns fehlen in Thüringen bei einer anzustrebenden Polizeidichte von 1 zu 340, gegenwärtig haben wir 1 zu 350, im Bereich des Polizeivollzugsdienstes ca. 265 Planstellen und auch mit der Übernahme zusätzlicher Aufgaben, z.B. im Bereich der aufzubauenden Autobahnen, nochmals 110 Beamte. Nebenbei bemerkt, haben wir auch eine erhebliche Diskrepanz im Stellenanteil für den gehobenen Polizeivollzugsdienst, der bekanntlich ja 40 Prozent betragen soll. Hier, Herr Innenminister, bin ich heute schon gespannt, wie Sie sich bei den Haushaltsverhandlungen durchgesetzt haben. Man kann eben nicht nur von der Polizei fordern und sie loben, sondern sie braucht auch die Unterstützung der Politik.

(Beifall bei der SPD)

Hier sind Sie, Herr Innenminister, im Besonderen gefragt. Für eine effektive Bekämpfung rechter Gewalt brauchen wir die Polizei in der Fläche. Wir brauchen ein funktionierendes Netz von Kontaktbereichsbeamten. Gerade der Aufbau dieses Netzes ist noch nicht beendet. Weiter brauchen wir auch eine Überprüfung der Qualität der Arbeit der Kontaktbereichsbeamten. Gemeinsam mit den Kommunen muss ausgewählt werden, wie der Beamte in der Gemeinde agiert und interveniert, denn besonders von seinen Beobachtungen kann es abhängen, dass Probleme mit Gewalt und Fremdenfeindlichkeit in der Gemeinde frühzeitig erkannt werden.

Meine Damen und Herren, entscheidend ist natürlich auch die Qualität des Verfassungsschutzes. Ich will das hier nicht zu einem Hauptproblem machen. Herr Innenminister, Sie tragen die volle Verantwortung dafür, dass Pannen aufgetreten sind.

(Zwischenruf Köckert, Innenminister: Die Pannen sind von 1997.)

Meine Partei hat frühzeitig darauf aufmerksam gemacht, dass bei Ereignissen wie in Schorba oder in Erfurt, beim Aufmarsch von Revanchisten in anderen Städten wichtige Erkenntnisse des Verfassungsschutzes einfach nicht vorlagen. Der Verfassungsschutz hat nicht wie gewohnt zugearbeitet. Sie haben nicht bzw. zu spät reagiert und die Situation eskalieren lassen.

(Beifall bei der SPD)

Ich meine - und das ist sehr wichtig -, die volle Funktionsfähigkeit muss hier schnellstens wiederhergestellt werden.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Das ist wieder besseres Wissen, was Sie hier ver- breiten.)

Herr Innenminister, die von Ihnen in der Vergangenheit... Herr Kollege Fiedler, ich spreche nicht von der PKK. Ich denke, da sollten wir an einer anderen Stelle sprechen.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Das ist wieder besseres Wissen.)

Herr Innenminister, die von Ihnen in der Vergangenheit angesprochenen Gesetzesänderungen wie die Änderung, die Sie eben angesprochen haben, des Polizeiaufgabengesetzes und die Änderung des Versammlungsrechts - das ist eine Bundesratsinitiative - unter der Schwelle einer Grundgesetzänderung können und müssen, bevor konkrete Vorschläge vorliegen, unter dem Aspekt gesehen werden, dass Gesetze nicht aus einer aktuellen Situation heraus ad hoc verändert werden. Mit der Änderung dieser Normen gestalten wir unser gesellschaftliches Zusammenleben grundsätzlich um. Auch die so genannten Maßnahmen unter der Schwelle einer Grundgesetzänderung können insgesamt eklatante Eingriffe darstellen. Aus diesen Gründen ist es überhaupt nicht sicher, ob sie in dieser Form machbar sind. Die im Grundgesetz garantierten Rechte der Bürger dürfen nicht eingeschränkt werden.

(Beifall bei der SPD)

Aber, Herr Innenminister, was sinnvoll ist, darüber kann man reden. Ich denke jetzt z.B. auch an die Verlängerung der Anmeldefristen oder dergleichen. Das sind bestimmte Schritte, die wir im Innenausschuss auch einleiten können. Zu den von Ihnen vorgeschlagenen Änderungen des Polizeiaufgabengesetzes ist auch noch zu bemerken, dass diese neben den für den Datenschutz relevanten Gesichtspunkten besonders auf Effektivität und Finanzierbarkeit hin überprüft werden müssen. Ich frage mich, wie Sie den enormen Aufwand, der eine Überwachung von öffentlichen Plätzen mit sich bringt, realisieren wollen.

Meine Damen und Herren, die wichtigste Frage, die wir uns in diesem Zusammenhang stellen müssen, ist: Wie verhindern wir, dass Gewalt, Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus entsteht? Hierbei geht es doch nicht nur um die Bekämpfung der Auswüchse, sondern darum, dem alltäglichen Faschismus Paroli zu bieten. Das können wir alle tun, indem wir entschieden Flagge gegen rechts zeigen. Jeder Einzelne steht in der Verantwortung, mit Phantasie und Zivilcourage gegen rechts vorzugehen. Deshalb möchte ich auch an dieser Stelle und von dieser Stelle aus die Aktion der TLZ "Thüringen tolerant" ausdrücklich begrüßen.

(Beifall bei der SPD)

Aber, meine Damen und Herren, es muss mehr geschehen. Die Ereignisse der letzten Jahre zeigen, dass wir ein Problem mit Gewalt, Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus haben. Wir müssen besonders unsere Kinder und Jugendlichen erreichen. Jugend braucht Partner und Werte wie Toleranz, Freiheit, Menschenwürde und Rechtsstaatlichkeit müssen wieder im Mittelpunkt des Zusammenlebens der Menschen in unserem Staat stehen. Hierzu bedarf es eines offenen Dialogs aller demokratischen Kräfte in unserem Freistaat. Ob es sich nun um Gruppen oder Institutionen oder um den einzelnen Bürger handelt, das ist dabei egal. Aus diesen Gründen wollen wir auch durch die Anhörung im Landtag alle relevanten gesellschaftlichen Gruppen in die Entwicklung eines Landesprogramms mit einbeziehen. Ergebnis soll nicht nur sein, dass wir Vorstellungen haben, was und wie in Thüringen alles getan werden muss, um dieses Problem anzugehen. Ergebnis muss sein, dass sich alle hierfür verantwortlich fühlen. Der Ministerpräsident hat mit seiner lakonischen Ankündigung, es gebe kein Landesprogramm, ohne zu wissen, was getan werden sollte, signalisiert, dass hier die Regierung nicht auf den Grund des Problems geht. Ich hoffe, dass er sich dabei auch noch eines Besseren besinnt.

Meine Damen und Herren, und auch das, was hier in Ihrer Rede zum Ausdruck kam - mit einer Aufstockung der Mittel der Landeszentrale für politische Bildung löst man dieses Problem auch nicht. Auch die Einrichtung einer Koordinierungsstelle wird nicht zu einer wesentlichen Besserung beitragen. Wir brauchen ein Landesprogramm, in dem die Rolle von Schule, Elternhaus und Freizeit bei der Bewältigung dieses Problems eine übergeordnete Rolle spielt.

(Beifall Abg. Bechthum, SPD)

Alles, meine Damen und Herren, muss auf den Prüfstand die Aktivitäten der Schule innerhalb und außerhalb des Lehrplans, Lehrerfortbildung, Rechtskundeunterricht, Jugendsozialarbeit usw. Das kann eine Polizeiabteilung im Innenministerium nicht leisten. Ich plädiere deshalb dafür, dass die Koordinierung eines solchen Landesprogramms beim Landtag unter der Regie der Landtagspräsidentin angesiedelt werden sollte. Ein wichtiger Punkt wäre, dass die Landesregierung sich endlich entschließen würde, einen Landespräventionsrat einzurichten. Der könnte für den polizeilichen und kommunalen Bereich wichtige Koordinierungsaufgaben wahrnehmen. Die Koordinierung eines solchen Landespräventionsrates, der ein wichtiger Bestandteil des Landesprogramms wäre, wäre im Innenministerium richtig angesiedelt. Dieser müsste dann natürlich auch sehr eng mit den kommunalen Präventionsräten zusammenarbeiten. Wir hatten ja in Thüringen in Bezug auf kommunale Präventionsräte bereits schon mal recht gute Ansätze - ich denke da an Suhl, an Erfurt und an Weimar.

(Zwischenruf Abg. Böck, CDU: Eisenach!)

Gerade diese sind geeignet, das Sicherheitsgefühl auf lokaler Ebene zu verstärken.

Meine Damen und Herren, das Thema, über das wir heute sprechen, ist ein umfängliches Thema. Wir werden diese Problematik hier in diesem Haus mit aller Intensität weiterverfolgen. Besonders nach der Novemberanhörung werden wir über weitere konstruktive Schritte beraten und da sind wir alle in diesem Hause hier gefragt. Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat jetzt Abgeordneter Dittes, PDS-Fraktion.

Meine Damen und Herren, der ideologische Hintergrund des Rechtsextremismus, der, für mich überhaupt nicht nachvollziehbar, im Bericht des Thüringer Innenministers überhaupt keine Rolle spielte, wird durch den Thüringer Verfassungsschutz

(Zwischenruf Abg. Böck, CDU:... auf den Ohren taub.)

in seinem Bericht zum Jahr 1999 wie folgt charakterisiert:

"1. ein überzogener, häufig aggressiver Nationalismus, der das Prinzip der Völkerverständigung missachtet;

2. die Überbetonung der Staatsinteressen gegenüber den persönlichen Freiheitsrechten der Bürger;

3. eine völkische Ideologie, die in verschärfter Form als Rassenideologie und Fremdenfeindlichkeit auftritt, wobei dem Antisemitismus eine besondere Stellung zukommt und

4. Leugnung oder Verharmlosung der Verbrechen des Nationalsozialismus sowie Hervorhebung angeblich positiver Elemente des Dritten Reiches".

Meine Damen und Herren, die gesellschaftliche Aufgabe, vor der wir stehen, ist, solchen Ideologien entschlossen entgegenzutreten und sie dorthin zu verdammen, wo sie hingehören, auf den Müllhaufen deutscher Geschichte. Herr Köckert, das ist die scharfe Sprache, die wir brauchen in der Politik, die wir brauchen in den Medien, die wir brauchen in der gesellschaftlichen Öffentlichkeit. Hier wird keine gesellschaftliche Aufgabe suggeriert, sondern eine politische Aufgabe beim Namen genannt, deren Notwendigkeit unbestritten ist, die notwendiger in Reaktionen auf die nun endlich wahrgenommene Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland geworden ist.

Meine Damen und Herren, nur im bereits zitierten Verfassungsschutzbericht finden in der Rubrik "Linksextremismus" Organisationen, Initiativen und auch Einzelpersonen Erwähnung, "deren" - ich zitiere wiederum aus dem Verfassungsschutzbericht von 1999 - "Schwerpunkt ihrer politischen Arbeit nach wie vor die Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus ist".

Meine Damen und Herren, wer also die Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus zu seinem Schwerpunkt der Arbeit macht, und das nach wie vor, als ob das eine nicht mehr geltende gesellschaftliche Anforderung sei, läuft in Thüringen Gefahr, im Verfassungsbericht des Landes Erwähnung zu finden. Welche konkreten Auswirkungen diese generelle Bewertung im Jahresbericht hat, will ich Ihnen an zwei Beispielen verdeutlichen.

Am 1. Dezember 1999 veranstaltete die Burschenschaft "Jenensia" in Jena einen Vortrag mit Peter Dehoust. Dehoust ist Mitherausgeber der rechtsextremistischen Monatszeitschrift "Nation & Europa". Der Verlag gilt als ein wichtiger Knotenpunkt im Netzwerk des internationalen Rechtsextremismus. Dehoust war lange Zeit Funktionär innerhalb der NPD und Vorstandsmitglied in der Deutschen Liga für Volk und Heimat und Mitglied weiterer rechtsextremistischer Organisationen, so unter anderem auch der ältesten rechtsextremistischen Organisation der Bundesrepublik, der "Gesellschaft für freie Publizistik". Im Kapitel "Rechtsextremismus" des Verfassungsschutzberichts, meine Damen und Herren, findet diese Veranstaltung keinerlei Erwähnung. Aber, meine Damen und Herren, im Kapitel "Linksextremismus" findet die Aktion des "Aktionsbündnisses gegen Rechts" Jena gegen diese Veranstaltung Erwähnung, an der sich etwa 100 Personen beteiligten. Im Kapitel "Linksextremismus" des Verfassungsschutzberichts 1999 findet sich auch das 11. AntifaWorkcamp, Weimar-Buchenwald, welches ausweislich des Berichts des Verfassungsschutzes unter der Einbindung der Leitung der Gedenkstätte Buchenwald und der Stadtverwaltung der Stadt Weimar organisiert und durchgeführt wurde. "Die Aktivitäten des Workcamps setzen sich aus Arbeitsprojekten im Bereich der Gedenkstätte, Führung durch die Gedenkstätte Buchenwald, Gespräche mit ehemaligen Häftlingen, Diskussionsveranstaltungen, Konzerten und einem alternativen Stadtrundgang durch Weimar zusammen", so der Bericht des Thüringer Landesamts für Verfassungsschutz. Ins Visier des Geheimdienstes sind sie, das "Aktionsbündnis gegen Rechts" und die Organisatoren des Antifa-Workcamps, geraten, weil sie genau das getan haben, was auch Mitglieder der CDUFraktion im Thüringer Landtag immer wieder einfordern: sie haben in Jena eben nicht weggeschaut, sie haben eben nicht geschwiegen, sie haben Zivilcourage bewiesen, sie haben Gegenaufklärung betrieben, sie haben nicht die alten und die neuen Rechtsextremisten in Ruhe beisammenkommen lassen und sie haben in Weimar einen Beitrag zu einer gesamtgesellschaftlichen Auseinandersetzung geleistet, einschließlich vor dem Hintergrund deutscher Geschichte. Trotzdem, meine Damen und Herren, werden sie

durch die Benennung im Bericht des Landesamts für Verfassungsschutz in Thüringen kriminalisiert.

Dies hat seine Ursachen im politischen Herangehen der Landesregierung bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus und Rassismus und damit komme ich zum Bericht des Innenministers mit dem Titel "Stand der Bekämpfung von Extremismus und politisch motivierter Gewalt" ganz im Geiste der Totalitarismustheorie. Als ob die Landesregierung und einschließlich der Innenminister noch immer nicht begriffen haben, um was es hier geht, wird die Gleichsetzung von rechts und links weiter fortgesetzt. Da, meine Damen und Herren, finden Sie unseren entschiedenen Widerspruch, nicht etwa, weil Sie in der Mitte des Hauses der Meinung sind, dass die PDS, Teile von ihr oder auch einzelne Mitglieder mit darunter fallen, sondern weil die Gleichsetzung nicht nur unpolitisch, weil inhaltlich entleert und ahistorisch ist, sondern weil sie auch konkrete Auswirkungen auf die heutige Diskussion mit dem Ergebnis hat, dass die Bekämpfung des Rechtsextremismus in seinem Ausmaß und in all seinen Erscheinungsformen einschließlich den Ursachen für die breite Verankerung in der Gesellschaft erschwert, wenn nicht sogar gänzlich verhindert. Und ich kann Ihnen an dieser Stelle auch ein Zitat von Prof. Frindte nicht ersparen, der im Ergebnis einer von der Landesregierung in Auftrag gegebenen Studie feststellt: "Bei den rechten Jugendlichen ist das Bild eindeutig, bei den linken zeigt sich wiederum, dass Linksextremismus nicht das Gegenteil von Rechtsextremismus ist und somit keine lineare Beziehung hat."

Die Gleichsetzung, meine Damen und Herren, von rechts und links verharmlost und bagatellisiert Rechtsextremismus und dessen Verbreitung. Sie kriminalisiert diejenigen, die sich Rechtsextremisten und dem Rechtsextremismus couragiert in den Weg stellen, und sie enthebt die selbst ernannte politische Mitte der Diskussion um die eigene Verantwortung bei der Förderung rechter Ideologieansätze, weil sie die politische Mitte zum Verfassungsideal definiert und gleichzeitig Demokratisierungsoptionen diskreditiert.

Meine Damen und Herren, in der Bundesrepublik Deutschland ist etwas Bemerkenswertes geschehen. Rechtsextremistische und rassistische Straftaten finden in der Öffentlichkeit Erwähnung, wogegen die 12 Verletzten im I. Quartal des Jahres 2000 infolge rechtsextremistischer Übergriffe in Thüringen keinerlei öffentliche Beachtung fanden. Rechtsextremistische Aufmärsche und Veranstaltungen werden thematisiert und mögliche Verbote diskutiert, während Aufmärsche in Neuhaus, Bad Berka und in Erfurt im Jahre 1999 keinerlei Beachtung fanden. Antisemitisch motivierte Straftaten, wie Schändung von Synagogen, Gemeindehäusern und Friedhöfen, wurden bisher in den seltensten Fällen öffentlich gemacht, öffentlich wahrgenommen, obwohl im Jahr 1999 elf derartige Straftaten in Thüringen zu verzeichnen waren, fünf davon allein in Eisenach. Über die Gründe, warum eine sich kaum veränderte Situation eine derartige breite Diskussion und

die Forderung nach einem Herangehen im Sommer eine derartige Öffentlichkeit erhalten hat, lässt sich trefflich streiten, meine Damen und Herren, aber es ist notwendig, eine solche Diskussion zu führen, und besser - ich betone es - ist es allemal, sie entsteht spät als überhaupt nicht. Aber man muss sich sehr wohl mit den Motivationen und den Meinungen der derzeit politisch innerhalb der Diskussion Agierenden auseinander setzen, denn die Diskussion birgt unseres Erachtens mehrere Gefahren, die das eigentliche Anliegen, die Zurückdrängung des Rechtsextremismus und ihm zugrunde liegender Politikinhalte, konterkarieren. Ich kann mich einfach nicht des Eindrucks entziehen, dass das Agieren der Landesregierung alleinig davon geprägt ist, dem Freistaat nach der Schändung der Synagoge, nach dem Überfall auf ein Gebetshaus in Gera, der Hetzjagd auf Nichtdeutsche in Eisenach und dem Mordversuch in Gotha aus den bundesweiten und internationalen Schlagzeilen zu bringen.

Herr Dittes, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Das ist nicht der Fall.

Wer aber, meine Damen und Herren, das Ansehen Thüringens außerhalb der Landesgrenze zum Ausgangspunkt seines politischen Handelns im Kampf gegen Rechtsextremismus macht, hat bereits verloren. Der Verankerung rechter Ideologien ist dort zu begegnen, wo ihre Ursachen zu finden sind, und zwar mit zivilgesellschaftlichen Mitteln. Die Äußerung des SPD-Abgeordneten Schemmel als Erwiderung auf den Vorschlag der PDSFraktion zu dem Inhalt der Anhörung des Innenausschusses und weiterer Ausschüsse, es müsse schnell gehandelt werden, wir brauchen keine großen Ursachenanalysen, bestätigt dies. Symptome eines gesellschaftlichen Problems sollen schnell beseitigt werden; das eigentliche Problem bleibt weiterhin unberührt. In der laufenden Diskussion, meine Damen und Herren, wird ebenso der Eindruck erweckt, als ob Rechtsextremismus und Rassismus ein Jugendproblem bzw. ein Gewalt- und Kriminalitätsproblem sei, keinesfalls aber eines der breiten Gesellschaft. Diese Fokussierung, die trotz gegenteiliger Beteuerung des Innenministers sich durch den ganzen Bericht durchgezogen hat, verkennt die Situation. Tatsächlich haben wir es mit einem Problem unserer Alltagskultur zu tun. Eltern müssen eben nicht nur aufgefordert werden, auf ihre Kinder aufzupassen, sondern ihnen muss die Frage gestellt werden, warum junge Neofaschisten in Umfragen, z.B. der Thübinger Universität, auf die Frage im Be

reich der politischen Einstellung antworten: Dort wäre die Übereinstimmung mit den eigenen Eltern sehr groß und die eigenen Taten würden ihrer Meinung nur die Vollstreckung des allgemeinen Willens darstellen. Wer aber trotzdem die Diskussion weiterhin auf jugendliche Rechtsextreme und jugendliche Gewalttäter reduziert, macht die Jugendlichen zum Sündenbock einer fehlentwickelten Gesellschaftskultur und enthebt die dafür Verantwortlichen der politischen Verantwortung und wird letztendlich auch konzeptionslos bleiben. Ihre vorgenommene Beschreibung, Herr Köckert, von Ursachen greift zu kurz, bleibt oberflächlich und schließt wesentlich zu stellende Fragen einfach aus,

(Zwischenruf Abg. Carius, CDU: Sie haben offenbar nicht zugehört.)

denn es ist schon die Frage zu stellen, inwieweit die politisch Verantwortlichen nach 1990 durch ihre Politik einer solchen Entwicklung Vorschub geleistet haben, ob durch die Bagatellisierung und Verklärung des Rechtsextremismus, ob durch die bereits erwähnte Gleichsetzung von rechts und links, ob durch Kampagnen gegen den Doppelpass oder durch Losungen wie "Kinder statt Inder" und durch die Einteilung von Nichtdeutschen als in der Wirtschaft Dienende und andererseits als Belastung für die Bundesrepublik.