Protocol of the Session on July 6, 2000

(Zwischenruf Abg. Pohl, SPD: Aber das muss man neu erklären.)

Aber, wie gesagt, diese Zustimmung nur, insoweit man es aus dem Zusammenhang heraus betrachtet. In diesem Zusammenhang ist auch diese Lösung natürlich mit der Benachteiligung anderer Beitragszahler verbunden.

Generell stellt sich die Frage, ob bei der vorliegenden Substanz eine Änderung eines so schwierig handhabbaren und vollziehbaren Gesetzes überhaupt notwendig war. Der eigentliche Hintergrund kann doch nur die Einziehung der 5 mal 50 Mio. DM für den Doppelhaushalt gewesen sein, etwas anderes geht aus diesem Gesetz nicht hervor.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Am Gesetzentwurf selbst ist relativ wenig Mühe erkennbar. Er enthält Regelungen, die im Thüringer Straßengesetz besser untergebracht gewesen wären. Er schafft neue Ungerechtigkeiten, nämlich die zwischen den Beitragsbeschiedenen, die nun das Zinshilfeprogramm in Anspruch nehmen konnten, und den Beitragsbeschiedenen, die es nun nicht mehr in Anspruch nehmen können. Er lässt Übergangsbestimmungen z.B. für die bereits begonnenen Zinsstundungen vermissen. Er führt weit auslegbare Bestimmungen ein und lässt nur eine mangelhafte Beteiligung der Zweckverbände und Betroffenen erkennen. Gerade die Beteiligung der Verbände war bei der letzten Novellierung, die zum 5-mal-50-Millionen-Programm führte, besonders ausgeprägt. Es muss auch für die ehemals Beteiligten jetzt eine Ernüchterung sein, das einst Mitgestaltete nun wegbrechen sehen zu müssen.

Zur Schadensbegrenzung und als Versuch, ein grundsätzliches Herangehen an das Problem zu initiieren, bringt die SPD einen Entschließungsantrag zu diesem Gesetz ein und legt ihn zur Abstimmung hier vor. Dieser Entschließungsantrag soll gewährleisten, dass die durch Anwendung des § 7 b Abs. 3 bis 6 den Thüringer Zweckverbänden und Gemeinden entstehenden finanziellen Ausfälle aus dem Haushaltstitel Zinshilfen an die kommunalen Aufgabenträger der Wasserver- und Abwasserentsorgung für Beitragsstundung zu ersetzen sind. Das ist genau dieses besprochene Programm. Aus diesem Programm wollen wir jetzt zumindest diese Ausfälle für die Kommunen und für die Zweckverbände ersetzt wissen.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU)

Das sehen Sie ja vollkommen falsch. Dieses Programm fällt ja mit diesem Gesetz weg.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Es gibt doch eine Deckungsfähigkeit, das wissen Sie doch.)

Trotzdem kann ja dieses Geld dafür benutzt werden. Wir wollen uns nicht als Land aus der Verantwortung stehlen und die Kommunen und die Verbände mit diesen neuen Regelungen separat neu belasten, sondern diese Belastung, die daraus auf die Kommunen, auf die Zweckverbände zukommen, sollen zumindest aus diesem Programm abfinanziert werden. Das ist der Punkt zur Sache.

(Beifall bei der PDS, SPD)

(Zwischenruf Abg. Böck, CDU: Das können Sie... Erwecken Sie doch nicht den Eindruck, als ob das Geld dafür... Das geht doch genau dorthin. Das wissen Sie doch genau.)

Die Strukturhilfe...

(Zwischenruf Abg. Böck, CDU: Das ist Demagogie, was Sie hier betreiben.)

Also betreiben wir Demagogie, Herr Böck...

Herr Abgeordneter Böck, ich rüge Sie zunächst für den Ausdruck "Demagogie".

(Unruhe bei der CDU)

Der zweite Teil des Entschließungsantrags geht dahin, dass die Landesregierung aufgefordert wird, dem Landtag bis zum Beginn der Haushaltsbehandlung für den Doppelhaushalt ein umfassendes Konzept über die Durchführung der Strukturreform der Aufgabenträger der Wasserver- und Abwasserentsorgung nebst Finanzierungsplan vorzulegen. Dies sind aus unserer Sicht zwei außerordentlich vernünftige Vorschläge, die eigentlich der Zustimmung in diesem Haus harren. Ich bitte Sie um diese Zustimmung und kündige gleichzeitig an, dass meine Fraktion eine namentliche Abstimmung zu diesem Entschließungsantrag beantragen wird. Danke.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Als nächste Rednerin hat sich Abgeordnete Dr. Wildauer, PDS-Fraktion, zu Wort gemeldet.

(Zwischenruf aus dem Hause)

Herr Abgeordneter Fiedler, ich werde den Begriff nicht erklären, aber möglicherweise werden Sie es mir auch unterstellen.

(Zuruf Abg. Fiedler, CDU: Ich habe nichts gesagt.)

Gut, dann waren Sie es nicht.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren

(Unruhe bei der CDU)

dann entschuldige ich mich, Herr Kollege Fiedler -, mit dem vorliegenden Gesetzentwurf muten Sie den Betroffenen eine ganze Menge zu. Sie wären besser beraten gewesen, hier vom Zeitraum eine ähnliche Herangehensweise zu wählen wie bei der Novellierung der Thüringer Kommunalordnung. Damit hätten Sie zumindest den Eindruck erweckt, dass Sie eine gründliche Diskussion führen. Andererseits hat das Änderungsgesetz zur Kommunalordnung bestätigt,

(Unruhe bei der CDU)

dass auch lange Diskussionsphasen nicht die Gewähr für durchdachte und wirkungsvolle gesetzliche Regelungen bieten. Wie bei der Kommunalordnung bieten Sie auch beim Kommunalabgabengesetz keine innovativen Lösungen an, die für die Betroffenen tatsächlich wirksam sind.

(Beifall bei der PDS)

Während Sie bei der Kommunalordnung wenigstens noch eine bestimmte Klientel bedient haben, indem Sie die private Wirtschaft vor der Konkurrenz der Stadtwerke schützen, haben Sie beim Kommunalabgabengesetz ein Novum geschaffen. Es ist aus meiner Kenntnis bisher noch keiner Thüringer Landesregierung gelungen, ein Gesetz vorzulegen, das von allen Seiten auf Ablehnung stößt. Seit 1991 wird in diesem Land über die Erhebung von Kommunalabgaben diskutiert. Mit jeder Änderung verbanden die Betroffenen die Hoffnung, dass vertretbare und bezahlbare Kommunalabgaben gesichert werden. Diese Hoffnung hat sich nicht erfüllt. Auch das vorliegende Gesetz erfüllt diese Hoffnung nicht. Bei den bisherigen Gesetzesänderungen hatte man zumindest das Gefühl, dass immer ein kleiner Schritt hin zu gerechten und bezahlbaren Kommunalabgaben getan wurde. Diese kleinen Schritte waren das Ergebnis der Bürgerproteste und sicher auch des Wirkens der PDS, wenn Sie es auch vehement bestreiten wollen.

(Zwischenruf Abg. Böck, CDU: Aber jetzt überschätzen Sie sich.)

Möglich. Eine Kurskorrektur bedeuten diese kleinen Veränderungen jedoch nicht, aber immerhin, es bewegte sich

etwas. Das jetzige Gesetz setzt diese Entwicklung nicht fort. Es kehrt sie in Ansätzen um. Zum ersten Mal kommt es bei der Novellierung des Kommunalabgabengesetzes zu einer spürbaren Verschlechterung für die betroffenen Beitragsschuldner. Näheres sage ich dann.

Meine Damen und Herren, der Gesetzentwurf belegt des Weiteren, dass sich das Land offensichtlich seiner Verantwortung für die überhöhten Gebühren und Beiträge entziehen will. Ich erinnere noch einmal, dass das Land eine dreifache Mitverantwortung hat, also hinsichtlich der Fachaufsicht des Umweltministeriums zu den technischen Konzepten, hinsichtlich der rechtsaufsichtlichen Funktion des Landes im Zusammenhang mit der Genehmigung der Haushalte und der Kredite und hinsichtlich der Stimulierung von Investitionen durch Fördermittel. Die PDS-Fraktion bleibt bei ihrer Forderung: Stellen Sie sich Ihrer Verantwortung und verweisen Sie nicht immer auf Fehler der kommunalen Ebene. Herr Innenminister, wenn Sie wollen, dann haben Sie bisher jede Maßnahme auf kommunaler Ebene durchgesetzt. Im Bereich Kommunalabgaben tun Sie so, als wären Ihnen die Hände gebunden. Sie tragen durch diesen Akt der Hilflosigkeit nicht gerade zur Stärkung Ihrer eigenen Autorität und Solidität bei.

Meine Damen und Herren, die PDS spricht sich nicht gegen die Erhebung von Kommunalabgaben aus und damit ist sich die PDS mit der Mehrzahl der Bürger einig, das habe ich aber schon mehrfach gesagt. Nur ein paar Verfechter der Argumente aus Zeiten des Kalten Krieges behaupten das Gegenteil.

(Zwischenruf Abg. Wetzel, CDU: Hört, hört!)

(Heiterkeit bei der CDU)

Jedoch muss die Erhebung sozial vertretbar, gerecht und bezahlbar sein. Die kommunale Praxis macht immer wieder sichtbar, dass in vielen Fällen die von der Politik zugesagten Höchstgrenzen bei Gebühren und Beiträgen überschritten wurden und werden. Und dies bestreiten Sie zwar immer wieder, wir müssen aber die Informationen der Bürger, die sich wegen überhöhter Gebühren und Beiträge an die Fraktionen wenden, zur Kenntnis nehmen. Die Ursachen für überhöhte Gebühren und Beiträge liegen sowohl auf Landes- als auch auf kommunaler Ebene. Demzufolge kann die Lösung nur durch Landes- und Kommunalpolitik gemeinsam erfolgen. Es klingt einfach, aber Sie haben damit offensichtlich größte Probleme. Die PDS-Fraktion sieht das Land in rechtlicher und finanzieller Verantwortung, ohne dabei die kommunale Verantwortung zur verdrängen. Ein anderes Verhältnis, ein anderer Umgang zu und mit den Bürgern ist für die PDS-Landtagsfraktion ein erster Ansatz zur Lösung der Probleme. Die Art und Weise der Realisierung der Informationspflicht ist für dieses Verhältnis von besonderer Bedeutung. Selbst die Landesregierung muss in der Begründung zum Gesetzentwurf eingestehen, dass die bisherigen Regularien für die Informa

tionspflicht nicht ausreichen, um sie auch tatsächlich im kommunalen Alltag zur Wirkung zu bringen. Wenn ich aber als Gesetzgeber diesen Mangel oder dieses Defizit erkenne, dann kann ich doch nicht einfach die Augen schließen und meinen, ich sei nicht zuständig. Nein, ich meine, Sie müssen handeln. Zumindest müssen für eine Übergangszeit die Regularien zur Informationspflicht zwingend vorgegeben werden. Sie wollen an der Informationspflicht überhaupt nichts ändern, aber so genannte Verbraucherbeiräte einführen. Die PDS stimmt hier mit dem Gemeindeund Städtebund überein, dass die Bildung solcher Beiräte bereits jetzt möglich ist, und es gibt ja auch solche Gremien. Dazu bedarf es keines Gesetzes. Eine gesetzliche Regelung zu solchen Beiträgen macht nur Sinn, wenn sie zur Pflicht wird. Wir haben dies vorgeschlagen.

Verbraucherbeiräte als Ermessensentscheidung für die Aufgabenträger werden nur eine Alibifunktion wahrnehmen. Sie wecken Hoffnungen, die nicht erfüllt werden können. Man könnte Regierung und CDU unterstellen, mit den Verbraucherbeiräten eine Institution zu schaffen, die die Landesverantwortung im Nebel verschwinden lässt. Sie übertragen die Auseinandersetzung auf die kommunale Ebene und zementieren sie dort. Die Landesregierung kann sich zurücklehnen und zusehen, wie sich die kommunalen Akteure zerstreiten. So kann und darf man sich nicht aus der Verantwortung stehlen. Im Übrigen haben Sie in dieser Regelung über die Verbraucherbeiträte auch noch systematische Fehler eingebaut. Die Verbraucherbeiräte wird es nur bei Zweckverbänden geben, so steht es im Gesetzentwurf. In Thüringen gibt es aber rund 100 Gemeinden, die die Aufgabe der Wasser- und Abwasserversorgung eigenständig wahrnehmen. Die Problemlage in diesen Gemeinden ist nicht anders als in den Zweckverbänden. Für diese Gemeinden haben Sie im Gesetz keine Lösung angeboten.

(Zwischenruf Abg. Böck, CDU: Es ist von Aufgabenträgern die Rede!)

Gleiches trifft auf den Bereich der Straßenausbaubeiträge zu und hier zeigt sich, dass Ihr Gesetz völlig unzureichend und realitätsfern ist. Herr Kollege Schemmel hat eigentlich darauf hingewiesen.

Meine Damen und Herren, auch im zweiten Regelungskomplex wird der vorliegende Gesetzentwurf nicht einmal im Ansatz den notwendigen Erfordernissen gerecht. Sie wollen die Bürger beruhigen und locken deshalb mit vermeintlich großzügigen Stundungsmöglichkeiten. Sie selbst, Herr Innenminister, haben darauf verwiesen, dass im zweiten Halbjahr mit einer neuen Bescheidungswelle zu rechnen ist. Dass Sie hier gegensteuern wollen, ist doch verständlich, aber wie Sie es machen wollen, ist nicht akzeptabel. Die Stundung setzt im Regelfall den Rechtsmittelverzicht voraus. Sie nehmen damit den Betroffenen ein legitimes Recht. Stundung oder Rechtsmittel - so lautet doch Ihre Philosophie. Und dies ist wahrlich kein Beitrag zur Entwicklung des Rechtsbewusstseins und zur Erhöhung des Vertrauens gegenüber dem Rechtsstaat. Doch damit

nicht genug. Auf kaltem Wege schaffen Sie mit der Gesetzesnovelle die Möglichkeit der Zinsbeihilfen ab. Sie sparen jährlich bis zu 50 Mio. DM. Hier unterstelle ich das Gleiche, was Kollege Schemmel unterstellt hat; wir unterstellen Ihnen, dass die Streichung der Zinsbeihilfe das eigentliche Gesetzesanliegen ist. Sie verpacken es mit einigen anderen Regelungen, nicht mehr und nicht weniger. Wenn dem so ist, Herr Innenminister, dann sparen Sie wieder einmal auf Kosten der Bürger und dies muss öffentlich werden.

Wenn Herr Fiedler sagt, dass diese Mittel in die Strukturbeihilfe fließen, auch Herr Böck hat es eben noch mal gesagt, dann werden wir in der Haushaltsdiskussion sehen, was Ihr Wort wert ist. Alle weiteren Stundungsmöglichkeiten liegen im Ermessen der Verbände, ein Ermessen, was nach § 15 Abs. 3 Thüringer Kommunalabgabengesetz bereits jetzt ausgeübt werden kann. Und die Aufgabenträger, die bisher diese Stundungsermessen nicht ausgeübt haben, werden es auch künftig nicht tun, außer wenn das Land hier Anreize z.B. in Form der Zinsbeihilfen schafft. Sehr abenteuerlich wird es, wenn man sich die einzelnen Fallbeispiele für Stundungsmöglichkeiten ansieht. Das Nutzungsverhältnis bei den übergroßen Grundstücken bzw. Industriebrachen haben die CDU-Abgeordneten offensichtlich ausgewürfelt. Vom ursprünglichen Verhältnis 1 : 6 ist man nun auf 1 : 3 gegangen. Immerhin kommt man damit der Forderung der Industrie entgegen, wobei für die Festschreibung dieses Verhältnisses bisher keine stichhaltige Begründung gegeben wurde.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Was spricht dagegen, dass sie das so machen?)

Wir schlagen hier eine Flexibilisierung vor. Immer, wenn man solche Grenzen festlegt, gibt es Grenzfälle und da gibt es immer Ärger. Also Flexibilisierungsmöglichkeiten wären viel günstiger. Im Übrigen ist dies eine von nur zwei Änderungen im Gesetzentwurf der Landesregierung, die im Ergebnis der Anhörung vor wenigen Tagen vorgenommen wurde, wenn man einmal von formellen Änderungen absieht. Die zwei Änderungen ändern nichts am Konstruktionsfehler des Gesetzes. Die Anzuhörenden müssen sich aufgrund der umfassenden Kritik am Gesetzentwurf in zweifacher Hinsicht verhöhnt vorkommen. Zuerst werden einige Anzuhörende zu spät eingeladen, so die Bürgerallianz oder der Bauernverband, und dann werden ihre Hinweise und Anregungen kaum berücksichtigt. Sie konnten schon aufgrund des Zeitablaufs überhaupt nicht berücksichtigt werden. So geht man doch mit Anzuhörenden nicht um. Das Instrument der öffentlichen Anhörung wird auf diese Art und Weise immer mehr in Misskredit gebracht. Sie beschädigen mit dem Umgang der öffentlichen Anhörung die Demokratie. Wenn Ihre Positionen unverrückbar sind und Sie sich sowieso jeder Sachdebatte verschließen, dann sollen Sie die öffentliche Anhörung gar nicht erst durchführen.

(Beifall bei der PDS)

Dies wäre ehrlicher. Eine Alibianhörung ist für die Anzuhörenden unwürdig. Die Probleme bei Straßenausbaubeiträgen haben Sie auch bezüglich der Stundungsregelung offenbar bis heute nicht wahrgenommen. Anderenfalls hätten Sie diese Beiträge in den beabsichtigten Gesetzesänderungen berücksichtigt.

(Zwischenruf Abg. Böck, CDU: Da gibt es doch die 94er Regelung.)