Protocol of the Session on July 5, 2000

Frau Präsidentin, ich rege mich doch. Vielen Dank, dass Sie mir das Wort geben. Meine sehr geehrten Damen und Herren, diese Diskussion läuft schon sehr merkwürdig und bisweilen skuril ab. Frau Dr. Wildauer bringt ja keine neuen Argumente, sondern sie meint, die kommunale Selbstverwaltung wird vor allen Dingen dadurch gestärkt, dass man starke kommunale Unternehmen hat, und richtet dann darüber, dass die kommunale Daseinsvorsorge und die angrenzenden Bereiche da Berücksichtigung finden müssen, wobei sie die interessante Frage offen lässt, Frau Dr. Wildauer, was Sie denn unter den angrenzenden Bereichen gerade verstehen. Das ist doch der springende Punkt, um den es geht.

(Unruhe bei der CDU, PDS)

Da haben Sie uns nun leider Gottes keine Auskunft geben können, sondern sich geschickt herumgedrückt. Stattdessen aber beschimpfen Sie das Subsidiaritätsprinzip und sagen, wie kann man so einer alten Dame, die aus dem Jahr 1935 stammt, wie kann man ihr noch anhängen. Nun sage ich Ihnen, nicht alles, was 65 Jahre alt ist, ist deshalb unmodern.

(Beifall bei der CDU)

(Zwischenruf Abg. Pohl, SPD: Das wäre ja auch schlimm.)

Sehen Sie, das Reinheitsgebot des Bieres ist über 500 Jahre alt, und noch älter, wenn die in Weißensee gefundene Urkunde entsprechend gültig ist, und ist deshalb auch immer noch modern.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, bei der Modernität kommt es auf das Alter nicht an. Das war schon ein schwaches Argument, was Sie gebraucht haben.

Bei Frau Dr. Klaus verwundert, dass sie die Liberalisierung des Strommarktes bedauert, die zu einer so positiven Preissenkung für den Bürger geführt hat, die also gerade die Bürger in breitem Maße entlastet.

(Beifall bei der CDU)

Wissen Sie, eigentlich verwundert es nun doch wieder nicht, wenn man sich die Zapfsäulenpreise ansieht.

(Heiterkeit bei der CDU)

Das liegt eben genau in der Tendenz, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Auf Herrn Gerstenbergers saloppe, aber boshafte Unterstellung gehe ich jetzt noch nicht ein, sondern zu einem späteren Zeitpunkt, denn in den vergangenen Wochen, ja Monaten ist viel über die bevorstehende Novellierung der Kommunalordnung im Bereich des kommunalen Wirtschaftsrechts diskutiert worden. Sie können ja der CDUFraktion vorwerfen, was Sie wollen, aber sie hat immerhin Veranstaltungen zu dieser Angelegenheit auf die Beine gebracht. Ich erinnere nur an die Veranstaltung des Wirtschaftsarbeitskreises. Sie hat die Bearbeitung dieser Frage weit vorangebracht. Im Übrigen, denke ich, wissen wir alle, dass wir an dieser Fragestellung noch weiter arbeiten müssen. Das ist auch von mir mehrfach gesagt worden.

(Beifall bei der CDU)

Die Ausgangslage ist ja allen bekannt, ich brauche nicht auf die Situation der kommunalen Unternehmen und deren verständlichem Wunsch nach Chancengleichheit einzugehen. Das ist ja beredt von links wie rechts geäußert worden.

Der Gesetzgeber hat gehandelt und ich will Ihnen noch einmal kurz die Grundzüge dieses Novellierungsvorschlags im Bereich des kommunalen Wirtschaftsrechts zusammenfassen. Schwerpunkt ist die Novellierung in § 71 Abs. 4, denn mit Änderung dieser Vorschrift werden die Bindungen an die territorialen Grenzen für die kommunalen Energieversorgungsunternehmen gelockert und darüber hinaus das bisherige Genehmigungsverfahren für den Bereich

der Strom- und Gasversorgung in ein Anzeigeverfahren umgewandelt. Deshalb stimmt das schon überhaupt nicht, Herr Gerstenberger, was Sie sagen, denn hier haben wir ja das Anzeigeverfahren. Und Sie tun so, als gebe es das Anzeigeverfahren in keinem Bereich,

(Beifall bei der CDU)

sondern es wäre nur mit der Genehmigungsfiktion zu rechnen. Ich finde, man sollte mit diesen Schwindeleien aufhören, zumindest in den Debatten des Landtags.

(Beifall bei der CDU)

Notwendigerweise ist damit die Geltung des Subsidiaritätsprinzips für den Bereich der kommunalen Daseinsvorsorge eingeschränkt, aber auch nur so weit, denn gerade im Bereich der Energieversorgung würden die kommunalen Unternehmen, die überörtlich tätig werden wollen, auf private Konkurrenten stoßen, die eben den Zweck ebenso gut und wirtschaftlich erfüllen können. Ohne die partielle Einschränkung der Subsidiaritätsklausel wäre daher für die Energieversorgungsunternehmen lediglich ein Hemmnis der kommunalwirtschaftlichen Betätigung durch ein anderes ersetzt. Der Vorschlag des Innenausschusses, nun für die weiterhin bestehenden Genehmigungsverfahren im Bereich des kommunalen Wirtschaftsrechts eine Genehmigungsfiktion zu schaffen, also für den Bereich, der nicht Energie- und Gasbereich ist, der ist natürlich zu begrüßen, denn auf diese Weise werden künftig nicht nur die kommunalen Energieversorger, die ja nur das Anmeldeverfahren haben, sondern alle kommunalen Unternehmen in die Lage versetzt, Entscheidungen zu treffen und zügig umzusetzen. Die Beschleunigung von Genehmigungsverfahren ist für die kommunalen Unternehmen auf allen Märkten von zentraler Bedeutung. Herr Gerstenberger hat es betont, er hat nur vergessen zu sagen, dass für Energie und Gas eben das Anzeigeverfahren gilt. Es darf allerdings in dem Zusammenhang nicht übersehen werden, dass sich mit der geschäftlichen Ausweitung der kommunalen Unternehmen die Risiken für die Unternehmen selbst, aber auch für die Kommunalhaushalte erhöhen. Diesen Punkt höre ich hier heute überhaupt nicht, der wird vollkommen negiert. Deshalb ist diese Genehmigungsfiktion wichtig, aber eine Ausweitung des Anzeigeverfahrens auf alle Bereiche des wirtschaftlich Tätigwerdens der Kommunen ist hier überhaupt nicht angebracht. Der vorliegende Gesetzentwurf sieht daher auch folgerichtig vor, die Kontrolle der Gemeinden in den kommunalen Unternehmen durch einen angemessenen Einfluss im Aufsichtsrat oder einem entsprechenden Gremium zu sichern.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, da es in den letzten Monaten wiederholt zu Missverständnissen gekommen ist, möchte ich noch einmal ausdrücklich darauf hinweisen, dass die Landesregierung ja schon mit der Einbringung im Februar klargestellt hat, dass eine auch andere Themenbereiche erfassende Novelle der Thüringer

Kommunalordnung noch folgen wird. Der Änderungsantrag der Fraktion der SPD ist deshalb meines Erachtens vorschnell und vor allen Dingen betrifft er nicht den Kern des aufgerufenen Problems. Keine der im Änderungsantrag vorgeschlagenen Regelungen beschäftigt sich materiell mit der Frage der Möglichkeit einer überörtlichen Betätigung kommunaler Energieversorger. Es werden im Wesentlichen Themen aufgegriffen, Herr Schemmel, für die Landesregelungen wegen ihrer weit reichenden Bedeutung eben nicht ohne Blick auf die aktuell zu erwartenden Novellierungen anderer Länder des Bundes getroffen werden können. Oder es werden solche Themen aufgegriffen, die in der bisherigen Diskussion zur Novellierung des kommunalen Wirtschaftsrechts wegen ihres völlig anderen Sachzusammenhangs zu Recht jetzt nicht berücksichtigt werden.

Meine Damen und Herren, vielmehr ist nun gerade im Bereich des kommunalen Wirtschaftsrechts - das ja über Gemeinde- und Ländergrenzen hinaus wirken kann - aus meiner Sicht erforderlich, die gegenwärtig stattfindende bundesweite Diskussion um die Neugestaltung des kommunalen Wirtschaftsrechts zu verfolgen und sie auch mitzugestalten. Eine umfassende Novelle in diesem Bereich kann nur in Abstimmung mit den anderen Ländern im Bund geschehen.

(Beifall bei der CDU)

Denn es ist ja ganz klar - ich habe es im Innenausschuss auch schon gesagt -, diese Regelung des Gemeindewirtschaftsrechts eines Landes im Bund wirkt sich auch auf die anderen Länder aus oder kann sich zumindest auswirken. Die Innenministerkonferenz hat deshalb dieses Thema aufgegriffen. Ein Arbeitskreis beschäftigt sich derzeit mit dieser Thematik sehr ausführlich. Wir werden uns innerhalb der Innenministerkonferenz in der nächsten Sitzung mit diesem Thema erneut befassen und dann hierzu die entsprechenden Vorschläge machen, so dass wir bundesweit in den Ländern einen gleichen Rahmen vorgeben, in dem wir dann die entsprechenden landesgesetzlichen Novellierungen noch einmal aufnehmen können. Diesen Prozess sollten wir abwarten, meine Damen und Herren, da natürlich auch wir ein Interesse daran haben, dass andere nicht voranpreschen und uns damit in Bedrängnis bringen. Die Beispiele, die Sie genannt haben, ziehen ja nicht. Die beiden ersten Länder - sowohl Bayern als auch Nordrhein-Westfalen - haben beide auf jeweils unterschiedlichem Gebiet eine schwierige Situation bekommen. Die Bayern, weil sie in einem Zivilgerichtsverfahren unterlegen sind, und die Nordrhein-Westfalen, weil sie jetzt schon überlegen, ob sie sich eigentlich nicht selber mit der Novelle größere Schwierigkeiten an den Hals geholt haben und ob sie nicht schnell noch eine weitere Novellierung nachschieben. In Abstimmung mit den anderen Ländern können und sollten dann auch Antworten auf Fragen wie etwa nach der Zulässigkeit von Auslandstätigkeiten kommunaler Unternehmen oder Zulässigkeit von Annextätigkeiten gegeben werden. Nicht Zaudern oder Zögern,

Frau Dr. Wildauer, ist die Richtlinie der Landesregierung hier gewesen, sondern kluges Abwarten an dieser wichtigen Stelle ist hier mit Recht geboten. Der vorliegende Gesetzentwurf berücksichtigt, dass hinsichtlich der Lockerung des Territorialprinzips im Interesse der kommunalen Stadtwerke jetzt gehandelt werden muss, zugleich aber der Raum einer zukünftigen Novellierung der Thüringer Kommunalordnung bleibt. Insofern bin ich dankbar, dass der Innenausschuss in seiner Mehrheit bestehende Begehrlichkeiten erst einmal zurückgestellt hat, denn man hätte den Begehrlichkeiten auch nachgeben können. Dann wäre nur die Frage gewesen, ob das nicht aktive Sterbehilfe gewesen wäre, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Deshalb danke ich noch einmal dem Innenausschuss und der CDU-Fraktion. Ich bitte Sie daher, dem Gesetzentwurf zuzustimmen.

(Beifall bei der CDU)

Weitere Wortmeldungen liegen mir jetzt nicht mehr vor. Damit schließe ich die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung - zunächst über den Änderungsantrag der SPDFraktion in Drucksache 3/813. Wer für diesen Änderungsantrag stimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? Mit Mehrheit ist dieser Antrag abgelehnt.

Wir stimmen als Nächstes über die Beschlussempfehlung des Innenausschusses in Drucksache 3/805 ab. Wer der Beschlussempfehlung zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? Bei mehreren Gegenstimmen ist diese Beschlussempfehlung angenommen.

Wir stimmen jetzt über den Gesetzentwurf der Landesregierung in Drucksache 3/333 unter Berücksichtigung der Beschlussempfehlung in Drucksache 3/805 ab. Wer dem Gesetzentwurf zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? Bei einer Anzahl von Gegenstimmen und mehreren Stimmenthaltungen ist dieser Gesetzentwurf angenommen.

Wir kommen zur Schlussabstimmung: Wer dem Gesetzentwurf zustimmen will, den bitte ich sich zu erheben. Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? Bei mehreren Gegenstimmen ist der Gesetzentwurf angenommen.

Wir schließen damit den Tagesordnungspunkt 1 und für heute unsere Plenarsitzung. Wir treffen uns morgen um 9.00 Uhr wieder.

E n d e d e r S i t z u n g: 17.42 Uhr